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  • · Fachbeitrag · Schadenabwicklung

    Vorfinanzierung der Schäden durch Anwälte unzulässig

    | Der Bayerische Anwaltsgerichtshof in München hält die Vorfinanzierung von Schadenbeseitigungskosten durch Anwälte gegenüber Werkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmern für unzulässig. Damit steht er nicht alleine, denn auch das OLG Köln hat das - wohl richtigerweise - so beurteilt. Der folgende Beitrag geht daher der Frage nach, ob ein Factoring bzw. Forderungskauf als Alternative in Betracht kommt. |

    Unerlaubter Mandantenkauf

    Im Fall vor dem Bayerischen Anwaltsgerichtshof in München (BayAGH) hatten die betroffenen Anwälte gegen einen „Belehrenden Hinweis“ ihrer Anwaltskammer Anfechtungsklage erhoben, jedoch ohne Erfolg. Jedes „Kaufen“ von Mandaten sei unzulässig. Mit der Vorfinanzierung erreiche der Anwalt, dass die Werkstatt, der Sachverständige oder der Abschleppunternehmer den jeweiligen Geschädigten eben diesen Anwalt empfiehlt (BayAGH, Urteil vom 17.2.2014, Az. BayAGH III-4-7/13, Abruf-Nr. 141867).

     

    Beachten Sie | Die Entscheidung deckt sich mit unserer Auffassung, dass eine Vorfinanzierung aus eigenen Mitteln des Anwalts unzulässig ist. Sie ist allerdings, soweit wir wissen, noch nicht rechtskräftig. Vermutlich wird das Verfahren durch alle Instanzen gehen. Auffällig ist auch, dass die Rechtsanwaltskammer nur einen „Belehrenden Hinweis“ erteilt hat. Eine Untersagung hätte das Risiko nach sich gezogen, den dagegen klagenden Anwälten gegenüber schadenersatzpflichtig zu werden, wenn sich höhere Instanzen anders positionieren. Ohne Insiderkenntnisse von außen betrachtet wirkt das so, als werde der Ball bewusst flachgehalten, um die Sache risikoarm für beide Seiten höchstrichterlich klären zu lassen.

     

    Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch eine ältere Entscheidung des OLG Köln. Dort hatte ein konkurrierender Anwalt einen vorfinanzierenden Anwalt mit Erfolg auf Unterlassung verklagt (OLG Köln, Urteil vom 26.1.2001, Az. 6 U 152/00; Abruf-Nr. 141868).

     

    Der BayAGH steht also mit seiner Rechtsmeinung nicht allein da. Und es spricht alles dafür, dass sie richtig ist.

    Factoring bzw. Forderungskauf als Alternative?

    Eine andere Frage mag es sein, ob der Anwalt für die Werkstatt oder andere Schadendienstleister einen Kontakt zu einer mit ihm kooperierenden Factoring-Bank herstellen darf. Dann kauft die Bank der Werkstatt deren Forderung gegen den Kunden ab und realisiert sie aus abgetretenem Recht gegen den Versicherer selbst. Auch dieses Modell wird am Markt angeboten.

     

    So etwas allerdings kostet die Werkstatt Geld. Denn die Bank möchte - das ist das Geschäftsmodell - eine Spanne zwischen dem Kaufpreis der Forderung und der beigetriebenen Forderung realisieren. Die Marge liegt, so hört man, zwischen ein und knapp drei Prozent der Forderung. Das ist eine Menge Geld, wenn man den zeitlichen Vorteil des Geldeingangs mit im Schnitt maximal acht Wochen taxiert und das auf einen Jahreszins hochrechnet. Jedenfalls bei den derzeit niedrigen Kreditzinsen kann man an der Sinnhaftigkeit zweifeln.

     

    Gleichzeitig wird eine Factoringbank in diesem Geschäftszweig nicht das uneingeschränkte Risiko übernehmen wollen, die Forderung auch in voller Höhe durchzusetzen. Also sind voraussichtlich Rückforderungsabreden zu treffen. Jeder Unfallschadenprofi weiß: Kürzungen durch Versicherer sind an der Tagesordnung. Und die liegen jenseits der Marge von ein bis drei Prozent. Vielen Kürzungen kann man erfolgreich begegnen, allen hingegen nicht.

     

    In diesem Zusammenhang fällt auf, dass es in der Münchner Entscheidung nur um Werkstatt-, Sachverständigen- oder Abschleppkosten ging. Mietwagenkosten sind nicht erwähnt. Dabei steht es außer Frage, dass ein solches Angebot eines Rechtsanwalts an einen Autovermieter zweifelsfrei genau so zu beurteilen wäre. Aber es gibt wohl niemanden (mehr), der Mietwagenkosten vorfinanziert und das Risiko der Durchsetzbarkeit der Erstattungsforderung auf sich nimmt.

    Keine Vorfinanzierung ohne Rückforderungsvorbehalt

    Ohnehin sollte es zum Nachdenken anregen, wenn ein vorfinanzierender Anwalt eine Vorfinanzierung aus eigenen Mitteln ohne Rückforderungsvorbehalt anbietet. Denn dann müssten endgültige Kürzungen aus dem Anwaltshonorar ausgeglichen werden, was die Sache erst recht unzulässig macht.

     

    Nun mag die Werkstatt sagen, das könne ihr doch gleichgültig sein, solange es läuft. Doch wie lange läuft das? Es gibt Beispiele in der Vergangenheit, in denen so agierenden Anwälten irgendwann das Geld ausgegangen ist. Selbst wenn sie den Kürzungen im Ergebnis per Gericht erfolgreich begegneten, so mussten sie doch erhebliche Geldmittel vorstrecken. Und je mehr Werkstätten auf den Zug des Anwalts aufsprangen, desto enger wurde es. Zumal dann ja auch in die Expansion der Kanzlei investiert werden musste.

     

    Beachten Sie | Damit soll ausdrücklich nicht gesagt werden, dass aktuelle Anbieter dieses Modells nicht ausreichend solvent seien.

     

    Was letztlich auch gegen das Vorfinanzierungsmodell spricht: Gegenüber erfolgreich und gut, aber ohne Vorfinanzierung arbeitende Verkehrsrechtsspezialisten erreichen die Vorfinanzierungskanzleien ohnehin nur schmale Vorteile. Denn die Verkehrsrechtsspezialisten sind durchaus in der Lage, die Mehrzahl der Forderungen sehr zügig zu realisieren.

     

    PRAXISHINWEIS | Lesen Sie in dieser Ausgabe (UE 7/2014, Seite 7), wie eine beschleunigte Abwicklung von Haftpflichtschäden auch konventionell möglich ist.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 12 | ID 42756167