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  • · Fachbeitrag · Schadenabwicklung

    Abgerechnet wird zum Schluss - Verträge zur Schadenbeseitigung auch ohne Preis wirksam

    | In vielen Verträgen im Zusammenhang mit der Unfallschadenbeseitigung fehlen die konkreten Preise. Das ist zum Teil normal, denn eine Vorabfestlegung des exakten Preises ist manchmal nicht möglich. Gleichwohl versuchen die Versicherer daraus Profit zu schlagen: In diesem Fall seien insbesondere Mietverträge unwirksam. Daher müssten sie, die Versicherer, die angefallenen Kosten nicht erstatten. Erfahren Sie, wie Sie dieses Argument der Versicherer „zerpflücken“ oder - noch geschickter - dafür sorgen, dass es den Versicherern erst gar nicht in die Hände fällt. |

    Oft Verträge ohne Preise

    Im Zusammenhang mit der Unfallschadenbeseitigung gibt es viele Beispiele, bei denen eine Vorabfestlegung des Preises weder übliche Praxis noch möglich ist:

     

    • Bei Abschleppvorgängen steht, soweit nicht pauschaliert abgerechnet wird, der Aufwand erst nach dem Abladen fest.
    • Bei der Instandsetzung eines Unfallfahrzeugs stehen der tatsächliche Arbeitsumfang und damit der Gesamtpreis erst am Ende der Reparatur fest.

     

    Daher sieht die Rechtsprechung es auch als eine Selbstverständlichkeit an, dass ein Kostenvoranschlag im Regelfall unverbindlich ist und ein Schadengutachten nur eine Prognose. Abgerechnet wird zum Schluss.

    Mietverträge greifen die Versicherer besonders gerne an

    Man sieht auch oft Mietverträge über den Unfallersatzwagen, in denen noch kein Preis notiert ist. Das ist nicht etwa unseriös dadurch begründet, dass der Vermieter dem Mieter gegenüber den Preis verbergen möchte.

     

    Überwiegend verlangt die Rechtsprechung, dass der Mietpreis mit zunehmender Mietdauer degressiv ist. Damit soll kompensiert werden, dass einiger den Vermieter wirtschaftlich belastender Aufwand nur am Mietanfang und am Mietzeitende entsteht. Das sind beispielsweise:

     

    • Die Anfertigung des Vertragsdokuments
    • Die Übergabe und gegebenenfalls eine Einweisung des Mieters in die Bedienelemente des Fahrzeugs
    • Die Fahrzeugkontrolle auf Schäden bei der Rücknahme
    • Die Endreinigung des Fahrzeugs
    • Die Rechnungserstellung und Forderungsüberwachung

     

    Bei einer eintägigen Vermietung entsteht der Aufwand eben für diese eintägige Vermietung, bei einer längeren Vermietung verteilt sich der Aufwand kalkulatorisch auf die Gesamtmietdauer. Bei einer längeren Mietzeit ist für die Mietdauer auch die Auslastung gesichert.

     

    Wenn der Vermieter aber noch nicht weiß, wie lange der Mieter das Fahrzeug benötigt, weiß er auch noch nicht, welche Degression anzuwenden ist. Bleibt es bei einem Tages- oder Dreitagespreis oder kommt ein Wochenpreis zum Tragen oder gar ein Monatspreis?

     

    Kein Preis vereinbart, nichts geschuldet?

    Insbesondere in den Prozessen rund um die Mietwagenkosten bemühen Versicherer regelmäßig das Argument: Wenn kein Preis vereinbart ist, sei kein Vertrag zustande gekommen. Dann schulde der Mieter dem Vermieter nichts. Und dann müsse der Versicherer auch nichts erstatten. Das ist der Versuch, nicht mehr um Schwacke oder Fraunhofer zu streiten, sondern die Mietwagenkosten ganz zu eliminieren. Der prallt in der Rechtsprechung aber auf einhellige Ablehnung.

     

    Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

    Die älteste Juristenweisheit lautet: Schau in das Gesetz, meistens steht da was zum Thema. Weil es für Verträge ohne vorherige Preiseinigung ein sinnvoll begründbares Bedürfnis gibt, hat der Gesetzgeber schon vor mehr als hundert Jahren eine Regelung speziell dafür geschaffen.

     

    Das ist § 315 BGB. Der besagt: In einem solchen Fall darf der Preis vom Leistungserbringer im Rahmen des Üblichen festgelegt werden. Über die Stränge schlagen darf er dabei aber nicht. Denn wenn der einseitig festgelegte Preis den Rahmen des Üblichen sprengt, ist die Preisbestimmung nicht verbindlich. Das ergibt sich aus § 315 Abs. 3 BGB.

     

    Im Dienstvertragsrecht und im Werkvertragsrecht gibt es die ausdrückliche Regelung in § 612 Abs. 2 bzw. § 632 Abs. 2 BGB, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Zwar gibt es diese Regelung im Mietrecht nicht ausdrücklich. Doch ist die Definition der Miete die „Gebrauchsüberlassung auf Zeit gegen Geld“. Deshalb wendet die Rechtsprechung § 612 Abs. 2 bzw. § 632 Abs. 2 BGB im Mietrecht analog an.

     

    Beispielhaft kann ein Urteil des LG Görlitz herangezogen werden: „Mit ihrem Einwand, mangels Einigung über den Mietzins sei ein wirksamer Automietvertrag zwischen dem Kläger und dem Autohaus XYZ nicht zustande gekommen, kann die Beklagte nicht durchdringen. Soweit zwischen dem Autohaus XYZ und dem Kläger bei Übergabe des Mietwagens keine Absprache über die Höhe des Mietzinses getroffen wurde, gilt die angemessene bzw. ortsübliche Miete als vereinbart. Die ist entsprechend § 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB zu bestimmen.“ (LG Görlitz, Urteil vom 10.5.2012, Az. 2 S 133/11; Abruf-Nr. 130522).

     

    Kein Zweifel an der Wirksamkeit des Vertrags

    Es besteht also gar kein Zweifel, dass Verträge ohne Preisnennung wirksame Verträge sind. Die entsprechenden Einwendungen der Versicherer in den Rechtstreitigkeiten entbehren jeder Grundlage. Am Ende käme es darauf aber gar nicht an. Weil vermieden werden soll, dass ein Geschädigter in Streitfällen zwei Prozesse führen muss, nämlich erst einen gegen seinen Leistungserbringer und dann einen gegen den Versicherer, hat der BGH schon vor Jahren entschieden: Schadenersatzrechtlich spielt es überhaupt keine Rolle, ob der Mietvertrag über das Unfallersatzfahrzeug wirksam oder nichtig ist (BGH, Urteil vom 9.10.2007, Az. VI ZR 27/07; Abruf-Nr. 073378).

     

    PRAXISHINWEIS | Das ist auf jeden Vertrag mit einem Dienstleister rund um die Schadenbeseitigung übertragbar, sei es auf den der Werkstatt, des Sachverständigen oder des Abschleppunternehmers. Denn die Interessenlage ist immer identisch: Der Geschädigte wird vor unsinnigem Prozessaufwand geschützt.

     

    Streit vermeiden ist besser als Streit gewinnen zu müssen

    Dennoch raten wir dringend: Wo Sie den Streit vermeiden können, indem Sie den Preis in den Vertrag einsetzen, sollten Sie das tun. Bei einer Reparatur wird das nur selten gehen, bei einem Abschleppvorgang nur bei Festpreisen.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei Mietverträgen geht das, jedenfalls durch eine - auch unbezifferte  - Bezugnahme auf die Preisliste. Notieren Sie in der dafür vorgesehenen Spalte des Mietvertrages: „Preis gemäß Preisliste Stand xx/xxxx“.

     

    Damit ist dem routinemäßigen Einwand des Versicherers, es sei gar kein Preis vereinbart, von vornherein die Grundlage genommen. Es versteht sich von selbst, dass Sie dem Kunden die Preisliste dann auch vorgelegt haben (müssen). Lassen Sie den Kunden einen Vermerk auf dem Mietvertrag unterzeichnen, dass er die Preisliste gesehen hat.

     

    Bedenken Sie dabei auch den prozessualen Aspekt: Ein Richter, der seitenlange Ausführungen zu Randthemen des Rechtsstreits lesen muss, reagiert gern mal leicht genervt. In Mietwagenprozessen ist die Gefahr besonders groß, denn die belasten vor allem die Amtsgerichte. Haben Sie im Mietvertrag einen Bezug auf die Preisliste notiert, ist das Thema im Prozess mit einer Zeile im Schriftsatz abgearbeitet. Dem Richter wird erspart, viel lesen und im Urteil ebenso viel dazu schreiben zu müssen.

     

    PRAXISHINWEIS | Verwenden Sie den Textbaustein 344, wenn der Versicherer diesen Einwand bringt. Bringt er ihn erst im Rechtsstreit, geben Sie den Baustein Ihrem Anwalt. Dann kann noch hinzugefügt werden, dass sich der Versicherer widersprüchlich verhält, wenn er vorgerichtlich den von ihm für richtig gehaltenen Teilbetrag erstattet und dann behauptet, es gebe keinen wirksamen Mietvertrag.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Textbaustein 344: Preisnennung im Mietvertrag ist nicht nötig
    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 5 | ID 39763920