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  • · Fachbeitrag · Gutachten

    Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus

    | Wenn ein Versicherer im Rechtsstreit mit schriftsätzlichen Äußerungen gegen den vom Gericht eingesetzten Sachverständigen zu Felde zieht, die geeignet sind, dessen fachliche Qualifikation unsachlich in Zweifel zu ziehen, darf der Sachverständige nach Ansicht des OLG Stuttgart „auf den Ton einsteigen“, ohne dass er sich damit dem Vorwurf der Befangenheit aussetzt. Die in einem Rechtsstreit um eine Berufsunfähigkeitsrente gewonnenen Erkenntnisse des Gerichts, lassen sich durchaus auf Prozesse bei der Unfallschadenregulierung übertragen. |

     

    Der Versicherer packte den Säbel aus

    Im Prozess um eine Berufsunfähigkeitsrente hatte der Versicherer als Beklagter schriftsätzlich unsachlich auf das ihm missliebige Gutachtenergebnis reagiert. Es fanden sich Formulierungen wie: „Der Gutachter beharrt darauf ...“ oder „Schließlich kann oder will der Sachverständige die Vorhalte nicht verstehen.“ sowie „... dass der Gutachter nicht willens oder in der Lage war, Behauptungen der Klägerin kritisch zu hinterfragen.“ Die Formulierung „Ohne die fachliche Kompetenz des Gutachters in Abrede stellen zu wollen …“ hat das Gericht als reine Rhetorik eingestuft, denn damit werde das Gegenteil zum Ausdruck gebracht.

     

    Der Sachverständige focht daraufhin auch nicht mit dem Florett

    Der Sachverständige hat unter anderem damit reagiert, dass er es für „unangemessen“ halte, eine „histologisch gesicherte Erkrankung einhergehend mit Diarrhoen anzuzweifeln“. Er warf dem Versicherer vor, die Klägerin regelrecht zu inkriminieren und empörte sich, ob der Versicherer „erwarte, dass die Klägerin ihre Notdurft im Beisein eines Gutachters verrichten soll“.

     

    Maßstab ist die sachlich und ruhig denkende Prozesspartei

    Das OLG sah in allem keine Befangenheit, sondern argumentierte: Die ruhig und vernünftig denkende Partei würde berücksichtigen, dass sie selbst mit ihren persönlichen Angriffen gegen den Sachverständigen maßgeblich die Eskalation in der Verschärfung der Tonlage eingeleitet und beflügelt hat (OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.5.2013, Az. 7 W 24/13; Abruf-Nr. 131910).

     

    Das hätte auch ein Kfz-Schadenprozess sein können

    Und wörtlich schreibt das Gericht, womit die Parallele zu den von der „Unfallregulierung effektiv“ bearbeiteten Themen auf der Hand liegt: „Im Übrigen entspricht es auch der Beobachtung des Senats, dass Rechtsstreitigkeiten im Versicherungsrecht zunehmend konfrontativ geführt werden und sich der ‚Kampf um das Recht‘ in den letzten Jahren deutlich verschärft hat. Auch wenn der Sachverständige die Auswirkungen eines solchermaßen verschärften ‚Kampfes um das Recht‘ für eine namhafte Anzahl von Versicherten besonders plastisch und plakativ beschrieben hat, dürfte seine Beschreibung in der Sache vielfach richtig sein.“

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 9 | ID 40095270