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  • · Fachbeitrag · Land- und Forstwirtschaft

    Grundlegende Besonderheiten der Land- und Forstwirtschaft aus ertragsteuerlicher Sicht

    von Dipl.-Kffr. Beate Gölz-Kälberer, Steuerberaterin, Ldw-Buchstelle, und Dr. Daniel R. Kälberer, beide Hattenhofen

    | Die Beratung land- und forstwirtschaftlicher Mandate erfordert ganz besondere Kenntnisse im Steuerrecht. Wesentlich sind hier nicht nur die speziellen Gewinnermittlungsarten und die damit verbundenen Freibeträge, sondern auch Fragen zur landwirtschaftlichen Betriebslehre und die weiteren typischen Eigenarten landwirtschaftlicher Nutzung. Die GStB gibt im Folgenden einen Überblick über diese Spezialmaterie mit besonderen Anforderungen an die Gestaltungsberatung. |

    1. Definition/Begriff der Land- und Forstwirtschaft

    Wie im Steuerrecht generell gibt es in der landwirtschaftlichen Betätigung kein statisches Ideal. Als Tätigkeit, die in besonderem Maße von unkalkulierbaren (klimatischen) Einflüssen abhängt und deren Wirtschaftsgüter in mehreren Vegetations- bzw. Tierhaltungsperioden starken Veränderungen unterworfen sind, bedarf es besonderer gesetzlicher Bestimmungen. Dieser Umstand kommt bereits in der Definition zum Ausdruck, wonach unter Land- und Forstwirtschaft die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse zu verstehen ist (R 15.5 Abs. 1 S. 1 EStR).

     

    Auch wenn § 13 EStG keine allgemeine Begriffsbestimmung hinsichtlich der Land- und Forstwirtschaft als Einkunftsart enthält, wird an dieser Stelle doch eine umfassende Einordnung vorgenommen. So findet sich in § 13 Abs. 1 Nr. 2 ‒ 4 EStG und in § 13 Abs. 2 EStG das nötige Rüstzeug für eine weitgefasste Auslegung des Begriffs der Land- und Forstwirtschaft; davon abzugrenzen ist die eng gefasste Auslegung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. Nacke in: Blümich, EStG, § 13 Rn. 55). Anhand der positiven Umschreibung der Einkünfte kommt das Regelungsanliegen dieser Vorschrift zum Ausdruck: § 13 EStG bezweckt nach wie vor, die aus der Bodengebundenheit resultierenden Besonderheiten im Steuersystem abzubilden. Dies wird durch die gesonderten Bewertungsregelungen für Tiere in land- und forstwirtschaftlich tätigen Betrieben nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG (BMF 14.11.01, IV A 6 - S 2170 - 36/01, BStBl I 01, 864) und für mehrjährige Kulturen in Baumschulbetrieben nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG (BMF 27.6.14, IV D 4 - S 2163/14/10001, BStBl I 14, 1094) verdeutlicht. Ebenfalls hervorzuheben ist

    • die Besteuerung der Forstwirtschaft anhand der Tarifvorschrift des § 34b EStG und des § 68 EStDV (BMF 16.5.12, IV D 4 - S 2232/0-01, BStBl I 12, 594) sowie
    • die ertragsteuerliche Behandlung von forstwirtschaftlichen Flächen als Betriebsvermögen eines Erwerbsbetriebs (BMF 18.5.18, IV C 7 - S 2232/0-02, BStBl I 18, 689).

     

    Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass der ertragsteuerliche Begriff der Land- und Forstwirtschaft von dem des Bewertungsrechts im Einzelnen abweicht. Zurückgehend auf die Entscheidung des RFH vom 17.12.31 (III A 825/31, RStBl 32, 329) setzt der bewertungsrechtliche Begriff der Land- und Forstwirtschaft keine Gewinnerzielungsabsicht voraus, weshalb auch Liebhabereibetriebe insoweit in Betracht kommen (vgl. BFH 18.12.85, II B 35/85, BStBl II 86, 282). Nicht zuletzt deshalb besteht zwischen dem Ertragsteuer- und dem Bewertungsrecht ein erheblicher Unterschied. Die Land- und Forstwirtschaft liefert der Rechtsprechung ‒ aufgrund der relativ geringen Ertragskraft des eingesetzten Kapitals ‒ bereits seit jeher klassische Beispiele für Liebhaberei.

     

    MERKE | Die Feststellung, ob ein Forstbetrieb mit Gewinnerzielungsabsicht geführt wird, beruht im Wesentlichen auf der Tatsachenwürdigung. Dabei ist die erforderliche Totalgewinnprognose grundsätzlich generationenübergreifend über den Zeitraum der durchschnittlichen Umtriebszeit des im Forstbetrieb vorherrschenden Baumbestands zu erstrecken (BMF 18.5.18, IV C 7 - S 2232/0-02, BStBl I 18, 689). Unter Umtriebszeit versteht man den Zeitraum zwischen Bestandsbegründung und geplanter Nutzung. Je nach Baumart kann dieser bis zu 200 Jahre betragen (vgl. Ruffer in: Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, Band 2, § 34b Rn. 3).

     

    2. Qualifizierung als landwirtschaftlicher Betrieb

    Vom Richterrecht ergibt sich eine Signal- und Optimierungswirkung, die auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft zum Tragen kommt (vgl. Marx, SteuerStud 20, 90). Vor diesem Hintergrund entfaltet die höchstrichterliche Rechtsprechung eine erhebliche Breitenwirkung (vgl. Wichmann, Stbg 20, 459), weshalb der Begriff des Betriebsvermögens in der Land- und Forstwirtschaft einen gänzlich anderen Stellenwert als bei den übrigen Gewinnermittlungsarten einnimmt. Insoweit kann eine Landwirtschaft auch auf Stückländereien betrieben werden, wohingegen es weder einer Mindestgröße, einer Hofstelle noch eines vollen Besatzes an Betriebsmitteln bedarf (vgl. BFH 5.5.11, IV R 48/08, BStBl II 11, 792).

     

    MERKE | Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft liegt jedoch dann „nicht vor, wenn wegen einer sehr geringen Nutzfläche nur solche Erträge erzielt werden können, wie sie ein (privater) Gartenbesitzer i. d. R. für Eigenbedarfszwecke“ erwirtschaftet (BFH 5.5.11, IV R 48/08, BStBl II 11, 792 i. V. m. BFH 26.6.85, IV R 149/83, BStBl II 85, 549). Daher kommt es bei der landwirtschaftlichen Produktion auf das Vorhandensein geeigneter Nutzflächen an. Nach gefestigter Rechtsprechung genügt hierfür eine Grundstücksfläche von 3.000 qm (vgl. BFH 5.5.11, IV R 48/08, BStBl II 11, 792 m. w. N.).

     

    In Abgrenzung zur Betriebsverkleinerung hat der BFH jüngst entschieden, dass „die taggleiche Übertragung des funktional wesentlichen Betriebsvermögens im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf verschiedene Rechtsnachfolger […] der Annahme einer Übertragung eines durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung von weichenden Erben verkleinerten Betriebs [...] grundsätzlich entgegen[steht]“ (BFH 20.4.20, VI S 9/19 PKH, BFH/NV 20, 1051).

     

    MERKE | Mit dem Jahressteuergesetz 2020 (BGBl I 20, 3096) wurde § 14 EStG dahin gehend geändert, dass die bloße Verkleinerung eines aktiv bewirtschafteten oder verpachteten L+F-Betriebs nicht zur Betriebsaufgabe führt. Wird also ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb durch die Entnahme, Überführung oder Übertragung von Flächen verkleinert und verbleibt mindestens eine Fläche, die der Erzeugung von Pflanzen oder Tieren i. S. d. § 13 Abs. 1 EStG zu dienen bestimmt ist, liegt unabhängig von der Größe der Fläche keine Betriebsaufgabe vor (§ 14 Abs. 2 S. 1 EStG). Demzufolge kann ab dem Veranlagungszeitraum 2020 die Mindestgröße von 3.000 qm unterschritten werden, ohne dass es zu einer Zwangsbetriebsaufgabe kommt. Bleibt am Ende der Betriebsverkleinerung jedoch keine spezifische Nutzfläche mehr übrig, sondern beispielsweise nur ein Mietwohngrundstück, hat eine Betriebsaufgabe zu erfolgen.

     

     

    Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 EStG bleibt der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3b EStG aber unberührt. Zudem wurde mit dem neuen § 14 Abs. 3 EStG die geltende Verwaltungsauffassung zur Behandlung der Realteilung einer landwirtschaftlichen Mitunternehmerschaft gesetzlich kodifiziert.

     

    Hinsichtlich der Qualifizierung als landwirtschaftlicher Betrieb gilt (auch) für Zwecke des Einkommensteuerrechts, dass ein solcher Betrieb dann vorliegt, wenn einzelne Grundstücksflächen als Stückländereien zu bewerten sind. „Dieses Beweisanzeichen verstärkt sich, wenn auch die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören, sodass es sich bei dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht (nur) um Stückländereien handelt“ (BFH 5.5.11, IV R 48/08, BStBl II 11, 792). Handelt es sich hingegen um einen Verpachtungsbetrieb, in dessen Folge Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden, ist dieses Beweisanzeichen erschüttert.

     

    Für die Qualifizierung als landwirtschaftlicher Betrieb spricht zudem die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Diese knüpft nämlich „an das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Unternehmens an, wobei Haus-, Zier- und andere Kleingärten, die weder regelmäßig noch in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet werden und deren Erzeugnisse hauptsächlich dem eigenen Haushalt dienen, ausgenommen sind“ (BFH 5.5.11, IV R 48/08, BStBl II 11, 792).

    3. Bestimmung und Abgrenzung der Einkünfte

    Ob eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, ist gemäß R 15.5 Abs. 1 S. 3 EStR jeweils nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden.

     

    3.1 Abgrenzung der Landwirtschaft zum Gewerbe

    Gemäß § 13 i. V. m. § 15 Abs. 2 EStG erfordert ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft eine selbstständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen, und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Demzufolge sind die für eine betriebliche Tätigkeit geltenden Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG auch für land- und forstwirtschaftliche Einkünfte einschlägig (vgl. BFH 9.3.17, VI R 86/14, BStBl II 17, 981; BFH 13.12.01, IV R 86/99, BStBl II 02, 80). Liegen allerdings teils gewerbliche und teils land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten vor, sind diese Tätigkeiten zu trennen, wenn das nach der Verkehrsauffassung möglich ist (R 15.5 Abs. 1 S. 4 EStR). Dies gilt nach R 15.5 Abs. 1 S. 5 EStR auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Sind die verschiedenen Tätigkeiten hingegen derart miteinander verflochten, dass sie sich unlösbar gegenseitig bedingen, liegt eine einheitliche Tätigkeit vor (R 15.5 Abs. 1 S. 6 EStR). Entscheidend ist in diesem Fall, ob das land- und forstwirtschaftliche oder das gewerbliche Element überwiegt (R 15.5 Abs. 1 S. 7 EStR). Im Ergebnis ist die Abgrenzung streitanfällig. Dies zeigt sich nicht zuletzt in den detaillierten Verwaltungsverfügungen (vgl. Ruffer in: Kirchhof/Kulosa/Ratschow, a. a. O., § 13 Rn. 289).

     

    3.2 Bezug zur Bodenbewirtschaftung

    Sobald die Einkünfte nicht mehr auf die Bodenbewirtschaftung zurückzuführen sind, kann nicht mehr von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft ausgegangen werden. Dies ist z. B. bei der gewerblichen Tierhaltung und Tierzucht der Fall. Zwar zählt § 13 Abs. 1 EStG auch diesen Bereich zur Landwirtschaft, die Voraussetzung ist jedoch, dass gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG die erzeugten oder gehaltenen Tiere je Hektar der vom Inhaber des Betriebs regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche eine bestimmte Zahl nicht überschreiten (vgl. BFH 16.11.78, IV R 191/74, BStBl II 79, 246). Mithilfe dieser Vieheinheitenstaffelung versucht der Gesetzgeber einerseits, die Einkünfte aus Tierhaltung und Tierzucht an die Bodenbewirtschaftung zu koppeln und andererseits, eine Abgrenzung zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltung vorzunehmen, um so die Landwirtschaft durch steuerliche Sonderregelungen zu schützen.

     

    Wird hingegen ein Fuhrbetrieb oder ein Ferien- bzw. Sporthotel betrieben, liegen gewerbliche Einkünfte vor. Im Übrigen sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dann anzunehmen, wenn Ferienwohnungen im Bauernhaus vermietet werden oder ein Bauernhof durch einen Erwerber, der den Hof nicht bewirtschaftet hat, verpachtet wird (vgl. Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rn. 8.404).

     

    MERKE | Aus Vereinfachungsgründen nimmt die Finanzverwaltung keine Gewerblichkeit an, wenn bis zu drei Fremdenzimmer oder fünf Betten auf dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bereitgehalten werden. Nach R 15.5 Abs. 13 S. 2 EStR darf hierfür zwar keine Hauptmahlzeit angeboten, ein Morgenfrühstück jedoch als Zusatzleistung bereitgestellt werden (vgl. Ruffer in: Kirchhof/Kulosa/Ratschow, a. a. O., § 13 Rn. 342). Folglich ist bei der Überlassung von Wohnräumen ein Gewerbe erst dann gegeben, wenn die Nutzung des Vermögens hinter der Bereitstellung einer dem Beherbergungsbetrieb vergleichbaren Organisation zurücktritt (BFH 11.7.84, I R 182/79, BStBl II 84, 722).

     

    3.3 Mitunternehmerschaft

    Gemäß § 13 Abs. 7 i. V. m. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG kann ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auch als Mitunternehmerschaft betrieben werden. Dies ist insbesondere bei Ehegatten von Relevanz. So hat der BFH (25.9.08, IV R 16/07, BStBl II 09, 989) entschieden, dass Ehegatten auch „ohne ausdrücklichen Gesellschaftsvertrag eine Mitunternehmerschaft bilden [können], wenn jeder der Ehegatten einen erheblichen Teil der selbst bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke zur Verfügung stellt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Ehegatten das Fruchtziehungsrecht an den zur Verfügung gestellten Grundstücken als Alleineigentümer, Miteigentümer oder als Pächter zusteht.“ Entscheidend ist vielmehr, dass die Flächenüberlassung als erheblich anzusehen ist, was bei einem Anteil von mehr als 10 % der gemeinsam bewirtschafteten Fläche der Fall ist. In Abkehr seiner zuvor vertretenen Auffassung sieht der BFH demzufolge nicht mehr den „Hofeswert“ bei der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion als maßgebliche Bezugsgröße an.

     

    Keine konkludent ‒ d. h. durch schlüssiges Verhalten ‒ begründete Mitunternehmerschaft liegt hingegen vor, wenn einer der Ehegatten eine in seinem ausschließlichen Eigentum stehende landwirtschaftliche Fläche zur Bewirtschaftung überlässt und der andere Ehegatte neben seiner Arbeitskraft lediglich Kapitalbeiträge einbringt. Eine Mitunternehmerschaft kann in diesem Fall nur dann angenommen werden, wenn ein Gesellschaftsvertrag ernsthaft begründet und auch tatsächlich durchgeführt wird (BFH 7.10.82, IV R 186/79, BStBl II 83, 73). Im Übrigen reicht es ebenso wenig aus, wenn der andere Ehegatte das für eine Bewirtschaftung des Hofes erforderliche Inventar, die ihm zu Eigentum übertragene Hofstelle oder sonstige Grundstücke, bei denen die Besonderheiten der Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nicht gegeben sind, zur Verfügung stellt (BFH 25.9.08, IV R 16/07, BStBl II 09, 989).

     

    MERKE | Auch Ehegatten können getrennt voneinander jeweils eigene landwirtschaftliche Betriebe unterhalten. Dies bedeutet zugleich, dass die Selbstbewirtschaftung keine konkludente Mitunternehmerschaft begründet. Hierfür müssten die Grundstücke vielmehr in einem Betrieb gemeinsam bewirtschaftet werden, sodass im Ergebnis von einer gemeinsamen Zweckverfolgung ausgegangen werden kann (BFH 25.9.08, IV R 16/07, BStBl II 09, 989).

     

    4. Einkünfte aus einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb

    Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 EStG sind auch Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu zählen. Entscheidend ist, dass der Nebenbetrieb in funktionaler Weise vom Hauptbetrieb abhängt (R 15.5 Abs. 3 S. 2 EStR) und ihm zu dienen bestimmt ist. Letzteres ergibt sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 EStG.

     

    Für die sachliche Abhängigkeit kommt es darauf an, ob die Verbindung planmäßig und im Interesse des Hauptbetriebs gewollt ist. Dabei muss das Unterordnungsverhältnis auf Dauer angelegt und nicht ohne Nachteil für den Hauptbetrieb lösbar sein (vgl. BFH 16.12.65, IV 299/61 U, BStBl III 66, 193). Zur Begründung der sachlichen Abhängigkeit reicht es allerdings nicht aus, wenn nur die Zurechnungssubjekte des Neben- bzw. Hauptbetriebs identisch sind (sog. Inhaberidentität) oder eine bloße kapitalmäßige Beteiligung gegeben ist (vgl. Nacke in: Blümich, a. a. O., § 13 Rn. 166 f.). Ein Nebenbetrieb der Land- und Forstwirtschaft liegt daher vor, wenn

    • überwiegend im eigenen Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe be- oder verarbeitet werden und die dabei gewonnenen Erzeugnisse überwiegend für den Verkauf bestimmt sind (sog. Vermarktungsbetrieb) oder
    • ein Land- und Forstwirt Umsätze aus der Übernahme von Rohstoffen (z. B. organischen Abfällen) erzielt, diese be- oder verarbeitet und die dabei gewonnenen Erzeugnisse nahezu ausschließlich im Hauptbetrieb verwendet (sog. Verwertungsbetrieb) und
    • die Erzeugnisse im Rahmen einer ersten Stufe der Be- oder Verarbeitung, die noch dem land- und forstwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen ist, hergestellt werden (R 15.5 Abs. 3 S. 4 EStR).

     

    Die Be- oder Verarbeitung eigener Erzeugnisse im Rahmen einer zweiten Stufe ist gem. R 15.5 Abs. 3 S. 5 EStR hingegen als eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen. Diese „Stufentheorie“ lehnte der BFH mit Urteil vom 12.12.96 (IV R 78/95, BStBl II 97, 427) indes ab und verwies darauf, dass es für die von Landwirten oder Winzern selbst hergestellten Produkte Butter, Quark, Käse, Forellenfilets, Sekt und Branntwein ungewiss sei, ob sie auf der sog. ersten oder der zweiten Bearbeitungsstufe gewonnen werden. Demgegenüber sei vielmehr auf den Umfang der Veränderung abzustellen, den die landwirtschaftlichen Produkte erfahren. Im Ergebnis kommt es also darauf an, ob der Betrieb einem herkömmlichen Handwerks- und Gewerbebetrieb so sehr ähnelt, dass er mit diesem in ein unmittelbares Konkurrenzverhältnis tritt. Keine land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe wären demzufolge Metzgereien, Gastwirtschaften, Brauereien oder Bäckereien (vgl. Hey in: Tipke/Lang, a. a. O., Rn. 8.405).

     

    MERKE | Die Finanzverwaltung hatte das BFH-Urteil vom 12.12.96 (IV R 78/95, BStBl II 97, 427) seinerzeit mit einem Nichtanwendungserlass belegt (vgl. BMF 3.6.97, IV B 9 - S 2230 - 77/97, BStBl I 97, 629). Nachdem dieser in der Positivliste des BMF vom 29.3.07 (IV C 6 - O 1000/07/0018, BStBl I 07, 369) aber nicht mehr enthalten war, ist das BMF-Schreiben vom 3.6.97 seitdem für Steuertatbestände, die nach dem 31.12.04 verwirklicht wurden, nicht mehr anzuwenden. Aus Gründen der Rechtssicherheit haben die starren Grenzen der Finanzverwaltung jedoch auch weiterhin praktische Bedeutung (vgl. Hey in: Tipke/Lang, a. a. O., Rn. 8.405), zumal sich die Voraussetzungen der Rechtsprechung (wohl) nicht als praktikabel erwiesen haben (vgl. Nacke in: Blümich, a. a. O., § 13 Rn. 173, mit einem „ABC“ der Be- und Verarbeitungsbetriebe in Rn. 174).

     

    Im Übrigen wird für die Annahme eines eigenständigen Handelsgeschäfts darauf abgestellt, ob ein Hofladen oder eine separate Verkaufsstelle betrieben wird. Werden in diesem Zusammenhang lediglich selbst erzeugte Produkte vermarktet und veräußert, ist von keiner gewerblichen Tätigkeit auszugehen. Dies gilt für die Fälle eines Hofverkaufs, eines Ladengeschäfts oder Marktstandes. Werden neben den selbst produzierten Produkten auch zugekaufte Waren abgesetzt, kann daraus ein selbstständiger Gewerbebetrieb entstehen (vgl. Dinkelbach, Ertragsteuern, 8. Aufl. 2019, 105). Dies wäre dann der Fall, wenn der Nettoumsatzanteil aus zugekauften Produkten ein Drittel des Gesamtumsatzes oder 51.500 EUR (ohne Umsatzsteuer) im Wirtschaftsjahr nachhaltig übersteigt (R 15.5 Abs. 11 S. 2 EStR i. V. m. H 15.5 „Abgrenzung“ EStH). Werden wiederum ausschließlich Zukaufswaren abgesetzt, handelt es sich eindeutig um eine gewerbliche Tätigkeit (vgl. Dinkelbach, a. a. O., 105).

    Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 423 | ID 47133259

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