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  • · Fachbeitrag · Kostenerstattung

    AG Darmstadt: Angemessenheit der Kosten i. S. d. § 9 GOZ hängt vom Einzelfall ab

    von RAin Doris Mücke, Bad Homburg

    | Ob Material- und Laborkosten im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung i. S. d. § 9 GOZ angemessen sind, hängt vom Einzelfall ab. Dabei spielt es keine Rolle, ob die entstandenen Kosten die Vorgaben des Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnisses (BEL) übersteigen. Der Kostenträger ist daher zur Leistung verpflichtet (Amtsgericht [AG] Darmstadt, Urteil vom 27.06.2019, Az. 317 C 185/19, IWW-Abruf-Nr. 209951 ). Obwohl das Urteil „nur“ durch ein AG gefällt wurde, ist es dennoch von Bedeutung: Denn i. d. R. vermeiden Kostenträger Urteile höherer Instanzen, um keine Präzedenzfälle zu schaffen. |

     

    Sachverhalt

    Eine Patientin reichte bei ihrer privaten Krankenversicherung (PKV) einen Heil- und Kostenplan für eine vollkeramische Versorgung mit Teilkronen und Inlays ein. Nach der Kostenprüfung erklärte die PKV, nur ein Drittel der geschätzten Laborkosten tragen zu wollen. Sie berief sich dabei auf ihr internes Preis- und Leistungsverzeichnis, das sich am Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis (BEL) zzgl. eines Aufschlags von 10 Prozent orientierte und behauptete, dieses gebe die angemessenen üblichen Preise für vergleichbare Arbeiten wieder. Die PKV bot der Patientin an, die Kosten vollständig zu tragen, wenn diese im Gegenzug eine Abtretungserklärung unterzeichne, sodass die PKV die streitigen Kosten vom Zahnarzt zurückfordern könne (zu diesem bekannten Vorgehen siehe PA 03/2019, Seite 2). Die Patientin lehnte das Angebot ab, ließ sich wie geplant behandeln und klagte die nicht erstatteten Kosten erfolgreich ein.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Gericht beurteilte die Laborkosten auf Basis eines Sachverständigengutachtens als angemessen i. S. d. § 9 GOZ. Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls sowie die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Patienten. Es komme nicht allein darauf an, welche Leistungen erbracht worden seien, sondern auch auf deren Qualität und den Arbeitsaufwand, den das Labor bei der Herstellung hatte. Insoweit sei das Verhältnis der Kosten zur Qualität der handwerklichen Leistung zu beachten. Die Kosten können daher durchaus angemessen sein, wenn sie die Ansätze des BEL übersteigen.

     

    Im Übrigen gelte das BEL nur im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Es stelle lediglich eine nach dem wissenschaftlichen Stand ausreichende und zweckmäßige Versorgung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots sicher. Eine verbindliche Vorgabe des BEL im Rahmen des § 9 GOZ bestehe allenfalls dann, wenn die Parteien des Versicherungsvertrags eine autonome Vereinbarung dahin gehend treffen würden, dass das BEL im Einzelfall verbindlich sein solle. Im vorliegenden Fall sei das BEL jedoch nicht explizit in den Versicherungsvertrag einbezogen. Auch die Argumentation der PKV, die auf die „üblichen“ Preise abziele, sei verfehlt: Relevant i. S. d. § 9 GOZ seien nicht die „üblichen“, sondern die „tatsächlich entstandenen“ angemessenen Kosten.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2019 | Seite 2 | ID 46022848