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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    BMF äußert sich klarstellend zum Vorsteuerabzug nach dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dozent und Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Partner der kmk Steuerberatungsgesellschaft mbH, Dortmund

    | Zum 30.6.13 hat der deutsche Gesetzgeber weitere EU-Vorgaben zum Vorsteuerabzug in das Umsatzsteuergesetz transferiert (AmtshilfeRLUmsG; BStBl I 13, 802). Auch wenn die nachfolgend vorgestellten Änderungen nicht komplett neu sind und das AmtshilfeRLUmsG insoweit nur deklaratorische Wirkung hat - wie das BMF in seinem Einführungsschreiben selbst klarstellt - sind hier einige äußerst praxisrelevante Bereiche betroffen (BMF 15.11.13, IV D 2 - S 7300/12/10003). |

    1. Abzug der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt)

    Der Abzug der EUSt nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG wurde dahingehend geändert, dass bereits die entstandene und nicht - wie bisher - erst die entrichtete EUSt abgezogen werden kann. Die Änderung beruht auf dem EuGH-Urteil in der Rechtssache VELECLAIR SA (EuGH 29.3.12, C-414/10, BFH/NV 12, 908). Der EuGH hat darauf erkannt, dass das Recht auf Abzug der EUSt nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass die Mehrwertsteuer zuvor tatsächlich gezahlt worden ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Da § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG lediglich das übernimmt, was nach Auffassung des EuGH bereits unmittelbar aus Art. 168 Buchst. e der MwStSystRL folgt, ergibt sich materiell-rechtlich insoweit nichts Neues.

     

    Als Folgeänderung wurde § 16 Abs. 2 S. 3 und 4 UStG gestrichen (Art. 10 Nr. 10 AmtshilfeRLUmsG). Die Vorschrift lautete:

     

    (2) … 3Die Einfuhrumsatzsteuer ist von der Steuer für den Besteuerungszeitraum abzusetzen, in dem sie entrichtet worden ist. 4Die bis zum 16. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums zu entrichtende Einfuhrumsatzsteuer kann bereits von der Steuer für diesen Besteuerungszeitraum abgesetzt werden, wenn sie in ihm entstanden ist.

     

    Beachten Sie | Für diese Vereinfachungsregelung besteht ab dem 30.6.13 kein Bedarf mehr. Eine EUSt-Schuld entsteht in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften für Zölle regelmäßig durch die ordnungsgemäße Überführung der angemeldeten Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr (§§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 201 ff. Zollkodex).

     

    2. Keine Vorsteuerautomatik in den Fällen eines ­innergemeinschaftlichen Erwerbs nach § 3d S. 2 UStG

    2.1 Der Regelfall des Vorsteuerabzugs

    Grundsätzlich muss der Leistungsempfänger für den Vorsteuerabzug im Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung sein, in der die Pflichtangaben vollständig und richtig sind (vgl. A 15.2 Abs. 2 ff. UStAE). Dabei wird oft übersehen, dass dies nur für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG gilt. Die Anforderungen beschränken sich m.a.W. auf Fälle, in denen die Vorsteuer in einer Eingangsrechnung ausgewiesen wird; nur hier wird die Rechnung zum „Transportmittel“ des Vorsteuerabzugs.

     

    2.2 Der innergemeinschaftliche Erwerb als eine der Ausnahmen

    Keine Anwendung finden diese Gedanken u.a. auf die hier darzustellenden Fälle des innergemeinschaftlichen Erwerbs (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG):

     

    • Beispiel

    Unternehmer I in Rom liefert am 16.1.14 an Unternehmer D in Dortmund steuerfrei innergemeinschaftlich Ware. Die Rechnung erstellt I am 22.5.14; diese geht D am 27.5.14 zu. D hat monatliche USt-Voranmeldungen abzugeben.

     

    Folge: Die Steuer entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Rechnung ausgestellt worden ist (= Mai 2014), spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats (= Februar 2014). D hat den Eingangsumsatz in seiner USt-Voranmeldung für Februar 2014 anzumelden. Ist D zum Vorsteuerabzug berechtigt, entsteht dieser Anspruch zeitgleich.

     

    Beachten Sie | Lange Zeit war für derartige Fallgestaltungen der Zeitpunkt der Entstehung des Vorsteuerabzugs unklar. Es wäre durchaus denkbar gewesen, dass zunächst ausschließlich die Steuerschuld und erst bei Rechnungseingang der Vorsteueranspruch entsteht. Der BFH hatte diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt; Letzterer hat - zugunsten des Steuerpflichtigen - auf die gleichzeitige Entstehung von Steuerschuld und Vorsteueranspruch erkannt (EuGH 1.4.04, C-90/02, BFH/NV Beilage 04, 220).

     

    PRAXISHINWEIS | In der gleichen Umsatzsteuer-Voranmeldung, in der der innergemeinschaftliche Erwerb versteuert wird, ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG auch die korrespondierende Vorsteuer zu ziehen; das Vorliegen einer Eingangsrechnung ist daher nicht erforderlich (vgl. A 15.10 UStAE)! Damit ist es natürlich auch überflüssig zu prüfen, ob - wenn eine Rechnung vorliegt - diese dann den Voraussetzungen der §§ 14, 14a UStG genügt!

     

    2.3 „Ausnahme von der Ausnahme“: Keine Vorsteuerautomatik in den Erwerbsfällen des § 3d S. 2 UStG!

    Soweit ersichtlich hatte der EuGH erstmals in 2010 über den Vorsteueranspruch für den Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs nach Art. 41 ­MwStSystRL (in Deutschland: § 3d S. 2 UStG) zu entscheiden:

     

    • Beispiel

    Eine deutsche Baumarktkette D bereitet die Neueröffnung einer ersten Filiale in Ungarn vor. Dazu bestellt D bei einem italienischen Lieferanten I Rasenmäher und lässt diese direkt zum neuen Markt nach Budapest bringen. Da D im Lieferzeitpunkt in Ungarn umsatzsteuerlich noch nicht registriert ist, bestellt sie die Ware bei I unter Verwendung ihrer deutschen USt-IdNr. I fakturiert daraufhin eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

     

    Folge:

    I hat die Lieferung zutreffend behandelt; die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung kommt in Italien u.a. zur Anwendung, weil die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch den Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat sichergestellt ist (nach deutschem Recht § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG).

     

    In welchem EU-Mitgliedstaat aber hat D den Erwerb zu versteuern:

    • Oder in Deutschland, weil D die deutsche USt-IdNr. eingesetzt hat?
    • Oder gibt es eine dritte Lösung?

     

    Letzteres ist der Fall. Sind der Mitgliedstaat, der die USt-IdNr. erteilt hat, und der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes endet, nicht identisch, greift § 3d S. 2 Alternative 1 UStG. Danach gilt der Erwerb so lange in dem Mitgliedstaat, der die USt-IdNr. erteilt hat, als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb in dem Mitgliedstaat besteuert worden ist, in dem die Beförderung oder Versendung geendet hat. Damit wird neben dem in § 3d S. 1 UStG festgelegten Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs ein weiterer Erwerbsort fingiert, der eine auflösend bedingte Besteuerung zur Folge hat.

     

    § 3d S. 1 und S. 2 UStG stehen damit kumulativ nebeneinander:

     

    • Immer ist ein innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 3d S. 1 UStG in dem Land zu besteuern, in dem die Warenbewegung geendet hat.
    • Zusätzlich hat nach § 3d S. 2 UStG eine Besteuerung in dem Land zu erfolgen, dessen USt-IdNr. fälschlicherweise zum Einsatz kam.

     

    Hinweis | Aufgrund der o.a. EuGH-Rechtsprechung (siehe unter 2.2) zum betrags- und zeitidentischen Vorsteuerabzug unterstellte die Praxis auch hier einen Nullsummeneffekt und maß diesen Sachverhaltsgestaltungen wenig Bedeutung bei. Das hat sich durch die jüngere Rechtsprechung jedoch schlagartig geändert (vgl. EuGH 22.4.10, C-536/08 und C-539/08; BFH 8.9.10, XI R 40/08, BStBl II 11, 661). Nach Auffassung des EuGH gilt die Vorsteuerautomatik nämlich nicht in den Fällen eines „zusätzlichen Erwerbs“ nach Art. 41 MwStSystRL (entspricht dem deutschen § 3d S. 2 UStG). In diesem Fall kann die Entlastung nur dadurch erfolgen, dass der Erwerber die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland nach Art. 40 MwStSystRL (deutscher § 3d S. 1 UStG) nachweist.

     

    Beachten Sie | Die Anwendung der Sonderregelung des Art. 41 MwStSystRL wäre schon im Ansatz gefährdet, wenn dem Unternehmer ein Vorsteuerabzug nach den allgemeinen Grundsätzen zustünde; damit entfiele für ihn jeder Anreiz, die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland nachzuweisen.

     

    Wirtschaftlich betrachtet führt die zusätzliche Erwerbssteuer nach § 3d S. 2 UStG zu einer Art „Strafsteuer“,wenn es dem die Lieferung empfangenden Unternehmer nicht gelingt, die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland nachzuweisen. Dies gilt sowohl in den Fällen, in denen zwei Unternehmer über den Liefergegenstand Umsatzgeschäfte abschließen (§ 3d S. 2 Alt. 1 UStG) als auch bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Form von Dreiecksgeschäften (§ 3d S. 2 Alt. 2 UStG)

     

    PRAXISHINWEIS | Auch der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG ist durch Art. 10 Nr. 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb AmtshilfeRLUmsG damit lediglich deklaratorisch angepasst worden (BMF, a.a.O., I. 2).

     

    2.4 Das Praxisproblem des Besteuerungsnachweises

    Die Besteuerung nach § 3d S. 2 UStG erfolgt nicht endgültig. Sie ist gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG wieder rückgängig zu machen, wenn der Erwerber den Nachweis erbringt, dass der Erwerb in dem Mitgliedstaat besteuert worden ist, in dem die Beförderung oder Versendung geendet hat.Die Einzelheiten der Nachweisführung sind derzeit noch völlig ungeklärt:

     

    • Die Steuererklärung allein reicht nicht aus: Da bei innergemeinschaftlichen Erwerben nach Art. 28a Abs. 4 Buchst. c Spiegelstrich 2 der 6. EG-RL (vgl. § 18 Abs. 4a UStG für inländische Erwerbe) in den Steuererklärungen (Voranmeldungen) nur der Gesamtbetrag des innergemeinschaftlichen Erwerbs anzugeben ist, kann jedenfalls allein die Vorlage der Steuererklärung mit dem entsprechenden Zahlungsbeleg nicht genügen.

     

    • Eine detaillierte Einzelaufstellung ist erforderlich: Um die Besteuerung eines einzelnen Erwerbs nachzuweisen, muss daher zusätzlich eine Einzelaufstellung der innergemeinschaftlichen Erwerbe des betreffenden Besteuerungszeitraums vorgelegt werden. Da der Nachweis in dieser Form an die Grenze des Zumutbaren stößt und außerdem steuerbegründende Tatsachen grundsätzlich von den Finanzbehörden nachzuweisen sind, bleibt zu hoffen, dass insoweit Vereinfachungs- oder Billigkeitsregelungen getroffen werden. Eine entsprechende Bescheinigung des Bestimmungslandes wäre ein denkbarer Ansatz.

     

    • Zeitpunkt der Korrektur: Das deutsche Umsatzsteuerrecht beinhaltet die Korrekturregelung in § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG. In sinngemäßer Anwendung des § 17 Abs. 1 S. 7 UStG kann eine Berichtigung jedoch erst in dem Besteuerungszeitraum erfolgen, in dem der Steuerpflichtige den Nachweis nach § 3d S. 2 UStG über die Besteuerung im nach § 3d S. 1 UStG zutreffenden Mitgliedstaat erbringt (BFH 1.9.10, V R 39/08, Rz. 21). Für den betroffenen Unternehmer entstehen dadurch offensichtlich vorübergehende finanzielle­ Mehrbelastungen und Liquiditätsprobleme.

     

    • Verzinsung nach § 233a AO: Im Einzelfall kann die Anwendung dieser Rechtsprechung zur Verzinsung von Steuernachzahlungen führen. Wären z.B. bisher sowohl die Erwerbssteuer nach § 3d S. 2 UStG in Deutschland erklärt als auch ein entsprechender Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG vorgenommen worden, würde bei Anwendung der aktuellen Rechtsprechung der Vorsteuerabzug rückwirkend entfallen, da insoweit keine Berechtigung bestanden hätte, während die Erwerbssteuer erst nach Erbringen des Nachweises im Sinne des § 3d S. 2 UStG berichtigt werden könnte. Es entstünde eine Nachzahlung i.H.d. Erwerbssteuer, die der Verzinsung unterläge (vgl. auch BFH 1.9.10, a.a.0.).

    3. Erweiterung des § 15 Abs. 3 UStG

    In § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b und Nr. 2 Buchstabe b UStG sind die Steuerbefreiungsvorschriften des

     

    • § 4 Nr. 11 UStG (Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler)

     

    aufgenommen worden.

     

    Mit dieser Erweiterung des Vorsteuerabzugsrechts wurde Art. 169 Buchstabe c MwStSystRL vollständig in nationales Recht umgesetzt. Die Vorschrift räumt dem Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug für die nach Art. 135 Abs. 1 Buchstabe a bis f MwStSystRL befreiten Versicherungs- und Finanzumsätze ein, wenn der Dienstleistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder diese Umsätze unmittelbar mit Gegenständen zusammenhängen, die zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmt sind (BMF, a.a.O., I. 3).

     

    PRAXISHINWEIS | Da § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG lediglich das übernimmt, was nach Auffassung des EuGH bereits unmittelbar aus Art. 169 Buchstabe c MwStSystRL folgt, ergibt sich auch hier materiell rechtlich insoweit nichts Neues.

     

    4. Formelles Inkrafttreten und vorherige Zeiträume

    Alle vorgestellten Neuerungen sind formell erst ab 30.6.13 (Art. 31 Abs. 1 AmtshilfeRLUmsG), materiell aber schon vorher anzuwenden.

     

    4.1 Neuregelung in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG

    Für Zeiträume vor dem Inkrafttreten des AmtshilfeRLUmsG kann der Unternehmer in offenen Fällen unter Berufung auf das EuGH-Urteil vom 29.3.12 den Abzug der entstandenen EUSt unmittelbar aus Art. 168 Buchstabe e MwStSystRL geltend machen.

     

    4.2 Neuregelung in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG

    Für Zeiträume vor dem Inkrafttreten des AmtshilfeRLUmsG ergibt sich die Beschränkung des Vorsteuerabzugs nach der zitierten Rechtsprechung von EuGH und BFH aus einer teleologischen Reduktion der bisherigen Vorschrift. 

     

    4.3 Neuregelung in § 15 Abs. 3 UStG

    Für Zeiträume vor dem Inkrafttreten des AmtshilfeRLUmsG kann sich der Unternehmer in offenen Fällen für die Erweiterung des Vorsteuerabzugsrechts unmittelbar auf Art. 169 Buchstabe c MwStSystRL berufen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 10 | ID 42440471

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