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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Umsatzsteuer: Wo nichts ist, kann auch nichts abgezogen werden

    Ist ein vergleichbares Ersatzfahrzeug nach unbestrittener Einschätzung des Sachverständigen nur noch auf dem Privatmarkt und damit umsatzsteuerfrei erhältlich, hat der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung der Wiederbeschaffungskosten den Wiederbeschaffungswert laut Gutachten ungekürzt zu ersetzen (LG Kaiserslautern 14.6.13, 3 O 837/12, Abruf-Nr. 132466).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Im Gutachten war der Wiederbeschaffungswert (WBW) für den Honda Civic, EZ 12/07, zunächst mit 10.500 EUR brutto angegeben. Der von der Kl. beauftragte Sachverständige korrigierte dies dahin, dass der Betrag netto zu verstehen sei. Der Ansatz der Regelbesteuerung sei ein Irrtum. Aufgrund des Alters und des Typs sei das Fahrzeug üblicherweise nur noch von Privatverkäufern erhältlich. Nach Zustellung der Klage zahlte der bekl. VR auf den Wiederbeschaffungsaufwand (WBA) 7.923,53 EUR, ausgehend von einem unstr. Restwert von 900 EUR und einem WBW von brutto 10.500 EUR, der, so der VR, angesichts der (strittigen) Vorsteuerabzugsberechtigung der Kl. auf den Nettobetrag herunterzurechnen sei. Ein Ersatzfahrzeug hat die Kl. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht angeschafft.

     

    Das LG spricht der Kl. den Differenzbetrag von 1.676,47 EUR zu. Der Einwand des VR, der Kl. stehe lediglich der Nettobetrag zu, bleibe schon deshalb erfolglos, weil es sich bei dem Betrag von 10.500 EUR um den Netto-WBW handele. Das ergebe sich aus dem Korrekturschreiben des Sachverständigen, dem die Bekl. nicht entgegengetreten sei, sodass der Netto-WBW von 10.500 EUR unstreitig sei. Nur ergänzend stellt das LG fest, dass die Kl. als Polizeibeamtin nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei, woran sich nichts dadurch ändere, dass der in ihrem Eigentum stehende Honda einen Werbeschriftzug der GmbH getragen habe, in der ihr Ehemann als Mitgeschäftsführer tätig sei.

     

    Praxishinweis

    Bis zum heutigen Tag unternehmen Haftpflichtversicherer den Versuch, in Fällen fiktiver Abrechnung den WBW älterer Fahrzeuge um den USt.-Anteil zu kürzen. Ein beliebter Hebel ist die Vorsteuerabzugsberechtigung. Wer sie als VR ins Feld führt, sagt damit zugleich, dass USt. anfallen kann, ein umsatzsteuerfreier Erwerb also nicht ohne Alternative ist. Bedenklich ist deshalb die Annahme des LG, ein Netto-WBW von 10.500 EUR sei „unstreitig“. Beklagten-Anwälten ist zu raten, die Einschätzung des Sachverständigen (hier: Privatmarktfahrzeug) ausdrücklich zu bestreiten (zum prozessualen Problem BGH VA 06, 132 Tz. 12 ff. = NJW 06, 2181). Auf das Thema „Vorsteuerabzugsberechtigung“ ist das LG nur „ergänzend“ eingegangen. Richtigerweise kommt es bei einem Privatmarktfahrzeug nicht darauf an, ob der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt ist oder nicht.

     

    Das LG verweist zur Abstützung seiner Ansicht auf OLG Köln NJW 04, 1465 und KG NZV 07, 409. Der BGH wird nicht zitiert. In der Tat fehlt es an einer haargenau passenden Entscheidung des VI. ZS. Halbwegs einschlägig ist BGH 9.5.06, VI ZR 225/05, VA 06, 132 = NJW 06, 2181. Der Senat geht davon aus, dass Umsatzsteuer nur abziehbar ist, wenn sie auch tatsächlich anfallen kann. Das ist bei einem umsatzsteuerfreien Deckungsgeschäft auf dem Privatmarkt gerade nicht der Fall. Entscheidend ist also der Markt, auf dem ein vergleichbares Ersatzfahrzeug angeboten wird.

     

    Das ist auch die Meinung des LG Ulm, das durch Urteil vom 19.6.13, 1 S 28/13, der Berufung eines Autohauses stattgegeben hat, das nach einem Unfallschaden an einem 11 Jahre alten MB C 280 den WBA gleichfalls auf Gutachtenbasis (fiktiv) abgerechnet hat. Das Urteil enthält keine Begründung, nachdem die Kammer ihre Ansicht laut Protokoll folgendermaßen mitgeteilt hat: „... Auszugehen ist von dem Privatgutachten des Sachverständigen, der unstreitig zugrunde gelegt hat, dass eine Wiederbeschaffung angesichts des Alters und der Laufleistung des verunfallten Fahrzeugs nur über den privaten Markt erfolgen könne. Auf dem Privatmarkt fällt indes keine Mehrwertsteuer an. Dementsprechend hat der Gutachter der Bemessung des unstreitigen Wiederbeschaffungswerts auch keinen Mehrwertsteueranteil zugrunde gelegt. Demzufolge kann die Beklagte bei fiktiver Berechnung keinen Abzug für die Mehrwertsteuer ansetzen“.

     

    Ist im Gutachten der WBW incl. USt. auf Basis der Differenzbesteuerung ausgewiesen und erwirbt ein Unternehmen ein differenzbesteuertes Ersatzfahrzeug, kann es trotz genereller Vorsteuerabzugsberechtigung konkret auf Bruttobasis abrechnen. Begründung: Bei differenzbesteuerten Fahrzeugen gibt es keine Vorsteuerabzugsberechtigung (BGH VA 09, 22 = NJW-RR 09, 319). Offene Flanke: § 254 BGB (auch dazu BGH a.a.O.).

     

    Die Entscheidung des LG Kaiserslautern ist noch in zwei weiteren Punkten von Interesse: Sachverständigenkosten (Einwand „überhöhtes Honorar“) und 
abstrakter Nutzungsausfall (Nutzungswille trotz Zuwartens mit einer Ersatzbeschaffung bejaht; ausführlich dazu in dieser Ausgabe S. 151).

     

    Einsender | Rechtsanwalt H. Schneider, Kaiserslautern, und Rechtsanwältin B. Schwarz, Weißenhorn

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 148 | ID 42243993