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· Kündigungen

Betriebsbedingte Kündigung: die wichtigsten Regeln im Überblick ‒ mit Checkliste

Bild: © MQ-Illustrations - stock.adobe.com

| Die Pandemie bringt es mit sich, dass sich mehr Betriebe als zu „normalen“ Zeiten aufgrund von Umsatzausfällen o. Ä. mit dem Thema „betriebbedingte Kündigungen“ auseinandersetzen müssen. In solchen Fällen stellt sich stets die Frage der Zulässigkeit und Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen. Dieser Beitrag fasst zusammen, was Sie als Arbeitgeber eines Betriebes dazu wissen sollten, für den die allgemeinen Regelungen des Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anzuwenden sind. |

KSchG ist ab zehn Mitarbeitern anzuwenden

Bei Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern ist das KSchG anzuwenden. In die Berechnung der Beschäfigtenzahl gehen Teilzeitbeschäftigte mit einem bestimmten Faktor ein, und zwar laut § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG

  • mit dem Faktor 0,50 bei einer Arbeitszeit bis einschließlich 20 Stunden proWoche,
  • mit dem Faktor 0,75 bei einer Arbeitszeit bis einschließlich 30 Stunden proWoche,
  • mit dem Faktor 1,0 bei einer Arbeitszeit von über 30 Stunden pro Woche.

 

 

Wann sind betriebsbedingte Kündigungen zulässig?

Gilt ein allgemeiner Kündigungsschutz nach dem KSchG, ist eine betriebsbedingte Kündigung nur zulässig, wenn

  • dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu gleichen oder anderen Arbeitsbedingungen entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 KSchG),
  • der betroffene Arbeitnehmer von allen vergleichbaren Arbeitnehmern der am wenigsten sozial Schutzwürdige ist und
  • auch eine umfassende Interessenabwägung nach ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht ausnahmsweise zu einem Überwiegen des Interesses des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung führt.

 

Dringende betriebliche Erfordernisse

Das Vorliegen dringlicher betrieblicher Erfordernisse regelt § 1 Abs. 2 KSchG. Hierzu bedarf es einer bewussten Entscheidung des Unternehmers, den bisherigen Arbeitskräftebedarf insgesamt zu verringern. Diese Entscheidung kann auf unterschiedlichen Motiven beruhen, z. B. auf einer stetig rückläufigen Nachfrage oder beispielsweise auf der zuvor getroffenen Entscheidung, bestimmte Tätigkeiten zukünftig auszulagern und von Drittunternehmen ausführen zu lassen.

 

Arbeitsgerichte überprüfen die Unternehmerentscheidung im Streitfall nicht auf ihre wirtschaftliche Vernünftigkeit. Es findet nur eine eingeschränkte Prüfung statt: Lediglich unsachliche oder willkürliche Unternehmerentscheidungen werden von den Arbeitsgerichten verworfen. In einem eventuellen Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber deutlich machen, dass für die Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedarf mehr besteht.

Durchführung einer sozialen Auswahl

Liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor, muss der Arbeitgeber eine soziale Auswahl zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern durchführen, da er nach dem KSchG nur den Arbeitnehmer entlassen darf, der am wenigsten sozial schutzwürdig ist (§ 1 Abs. 3 KSchG). Miteinander vergleichbare Arbeitnehmer sind solche, die aufgrund ihres Arbeitsvertrags die gleiche Tätigkeit ausüben könnten, also untereinander austauschbar sind. Maßgebend sind die Regelungen im Arbeitsvertrag sowie die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der in Betracht kommenden Arbeitnehmer.

 

Teilzeitkräfte sind innerhalb einer Vergleichsgruppe ebenfalls in die Sozialauswahl einzubeziehen, wenn die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden abgebaut werden soll. Hat der Arbeitgeber hingegen die Entscheidung getroffen, in bestimmten Bereichen ausschließlich Vollzeit- bzw. Teilzeitkräfte einzusetzen, findet die soziale Auswahl nur innerhalb dieser Arbeitnehmergruppen statt.

 

 

Vergleich der Sozialdaten ‒ die „Sozialauswahl“

Steht die zu vergleichende Gruppe fest, muss der Arbeitgeber die einzelnen Sozialdaten dieser Arbeitnehmer miteinander vergleichen. Er hat denjenigen auszuwählen, der aufgrund

  • seiner Betriebszugehörigkeit,
  • seines Lebensalters,
  • der Unterhaltspflichten und
  • Schwerbehinderung

 

den geringsten sozialen Schutz vorzuweisen hat. Dabei verlangt das Gesetz lediglich eine ausreichende Gewichtung der vier Kriterien. Dies bedeutet, dass dem Arbeitgeber ein gewisser Wertungsspielraum zusteht. So können z. B. bestimmte Arbeitnehmer aus der sozialen Auswahl herausgenommen werden, wenn deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (etwa bei besonderen Fähigkeiten eines Arbeitnehmers).

 

MERKE | Keines der vier Kriterien (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) ist vorrangig. So kann z. B. eine jüngere Arbeitnehmerin gegenüber einer älteren sozial schutzwürdiger sein, wenn die Jüngere eine längere Betriebszugehörigkeit vorweisen kann oder einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist.

 

Der Arbeitgeber muss sich vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung hinsichtlich der Sozialdaten kundig machen. Dabei hat er insbesondere auf Aspekte wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie die Anzahl von Kindern, für die Unterhaltspflicht besteht, zu achten. Wissenwert in diesem Zusammenhang:

 

  • Für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit ist maßgeblich, wie lange das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht. Berufsausbildungszeiten zählen hierbei ebenso mit wie Krankheitszeiten, unbezahlte Freistellungen oder gesetzliche Ruhenszeiten (wie Mutterschutz oder Elternzeit).

 

  • Haben Kinder eines Arbeitnehmers ein eigenes Einkommen, sind diese nicht bei den gesetzlichen Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Das Gleiche gilt für Ehepartner, wenn diese über eigenes Einkommen verfügen.

 

  • Gesichtspunkte wie beispielsweise erhebliche finanzielle Verpflichtungen des Arbeitnehmers sind bei der Sozialauswahl grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

Anhörung des Betriebsrats

In Unternehmen mit einem Betriebsrat ist dieser laut § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor dem Ausspruch der betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung anzuhören. Dabei müssen sowohl die Kündigungsgründe eingehend erläutert als auch die Durchführung der sozialen Auswahl sowie mögliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten dargestellt werden.

Prüfung bestehender Sonderkündigungsschutzregelungen

Schließlich ist zu prüfen, ob der für die Kündigung in Betracht kommende Arbeitnehmer Sonderkündigungsschutz (Arbeitnehmer in Elternzeit oder Mutterschutz oder Schutz wegen Schwerbehinderung) genießt. Ggf. muss dann vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung der jeweils zuständigen Behörde eingeholt werden.

Verhältnismäßigkeitsprüfung

Wie jede andere Kündigung auch muss die betriebsbedingte Kündigung verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, dass es keine anderen Möglichkeiten ‒ wie eine Versetzung oder eine Änderungskündigung ‒ geben darf, die weniger einschneidend für den betroffenen Arbeitnehmer wären. Der Ausspruch der Kündigung muss also unvermeidbar sein. Vorübergehende Schwankungen beim Arbeitskräftebedarf oder eine allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit berechtigen noch nicht zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen.

 

Eine nachhaltig negative wirtschaftliche Entwicklung oder eine Umstrukturierung, die den Fortbestand des Betrieb sicherstellen soll, kann jedoch eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen.

 

Die abschließende Checkliste zeigt die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung auf. Sie gibt Hilfestellung bei der Entscheidung für eine betriebsbedingte Kündigung, soll aber auch vor einer vorschnellen Kündigung bewahren.

 

Checkliste / Die betriebsbedingte Kündigung ‒ Kriterienkatalog

Ja

Nein

Liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vor? Zu prüfen ist, ob inner- oder außerbetrieblicher Gründe vor, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen.

  • Beispiele ‒ innerbetriebliche Gründe:
    • betriebliche Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet
    • unternehmerische Organisationsentscheidungen, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen (z. B. Stilllegung einer Betriebsabteilung, Produktionsverlagerung [Ausland], Änderung des Anforderungsprofils an den Arbeitsplatz, Abbau einer Hierarchieebene)
  •  
  • Hinweis: Kündigungen aufgrund von Organisationsentscheidungen haben für Arbeitgeber den Vorteil, dass sie gerichtlich nur begrenzt überprüfbar sind. Allerdings muss der Arbeitgeber den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses darlegen und beweisen können.

 

  • Beispiel ‒ außerbetrieblicher Grund:
    • verringerte vorhandene Arbeitsmenge durch Umsatz- und Auftragsrückgang
  •  
  • Hinweis: Außerbetriebliche Gründe sind nicht vom Arbeitgeber selbst beeinflussbar. Die Kausalität zwischen außerbetrieblichen Faktoren und dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist ‒ im Gegensatz zu den innerbetrieblichen Gründen ‒ gerichtlich voll überprüfbar. In der Praxis werden Kündigungen eher auf innerbetriebliche Organisationsentscheidungen gestützt.

Wurde die Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt?

Bei Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für einen oder mehrere Arbeitnehmer ist eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG unter den vergleichbaren Arbeitnehmer durchzuführen.

  • Welche Arbeitnehmer (-gruppen) sind vergleichbar? Entscheidend ist Vergleichbarkeit der Tätigkeit, die sich vor allem aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ergibt. Eine Austauschbarkeit der Arbeitnehmer ‒ ggf. nach angemessener Einarbeitung ‒ muss gegeben sein.
  • Ausgewogene und angemessene Berücksichtigung der Sozialindikatoren nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG
    • Dauer der Betriebszugehörigkeit
    • Lebensalter
    • Unterhaltspflichten
    • Schwerbehinderung

Tipp | Hier gibt es sogenannte Punkteschemata, die vor allem bei Betriebsänderungen Einsatz finden und vom Bundesarbeitsgericht als ausgewogen angesehen werden (vergleiche auch § 1 Abs. 4 KSchG für Tarifverträge und Richtlinien nach § 95 BetrVG).

  • Ausnahmen/Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer(-gruppen) aus der Sozialauswahl
    • tarifvertraglich „unkündbare“ Arbeitnehmer
    • besonders geschützte Arbeitnehmer (Mitglieder des Betriebsrats oder Wahlvorstands, Arbeitnehmer in Elternzeit oder im Mutterschutz etc.)
    • Weiterbeschäftigung liegt wegen Kenntnissen/Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse (§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG (in der Praxis ist die Darlegung durch den Arbeitgeber oft schwierig)
    • nur bei qualifiziertem Interessenausgleich mit Namensliste zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat tritt nach § 1 Abs. 5 BetrVG bei Vorliegen einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG Folgendes ein: Ein Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse wird vermutet. Die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar (gilt auch für Bildung der Vergleichsgruppen)

Sofern vorhanden: Wurde der Betriebsrat zuvor nach § 102 BetrVG angehört?

  

(Ke)

 

Quellen

  • Betriebsverfassungsgesetz (insbesondere §§ 1, 95, 102 und 111 BetrVG)
Quelle: ID 47110850