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· Fachbeitrag · Altersteilzeit

Urlaub in der passiven Altersteilzeit ‒ das gibt es doch nicht, oder doch?

| Können Urlaubsansprüche in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell überhaupt entstehen? Zwei aktuelle Entscheidungen der Arbeitsgerichte Essen und Bonn beantworten die Frage unterschiedlich. |

1. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Essen

Das Arbeitsgericht Essen (8.3.18, 1 Ca 2868/17, Abruf-Nr. 206084) verneint unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG (15.3.05, 9 AZR 143/04, Abruf-Nr. 052745), des LAG Hessen (27.5.13, 17 Sa 93/13, Abruf-Nr. 170950) und des LAG Düsseldorf (15.11.16, 14 Sa 141/16, Abruf-Nr. 191369) diese Frage klar.

 

Zusammen mit den genannten Gerichten geht das Arbeitsgericht Essen davon aus, das Urlaubsansprüche in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht gewährt werden können. Diese würden quasi vorgezogen in der Aktivphase der Altersteilzeit gewährt. Entsprechend dem Arbeitszeitmodell würden die Urlaubsansprüche nicht gekürzt, sondern angepasst und vorgezogen gewährt. Hierzu führt das LAG Düsseldorf, auf dessen Rechtsprechung sich das Arbeitsgericht Essen beruft, im Wesentlichen Folgendes aus:

 

„Aufgrund der besonderen Struktur des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Rahmen des Blockmodells entsteht ‒ über die gesamte Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ‒ wegen der vereinbarten Teilzeitbeschäftigung lediglich ein insgesamt nur hälftiger Urlaubsanspruch. Der ist ‒ wie die Arbeitsleistung ‒ ebenfalls in der ersten Phase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, also in der Arbeitsphase, „geblockt“ zu erfüllen. Ebenso wie sich die Arbeitsleistungspflicht auf die Arbeitsphase beschränkt, muss sich auch die Verpflichtung zur Erteilung von Erholungsurlaub auf die Arbeitsphase beschränken. Wegen der Vorleistung des Arbeitnehmers während der Arbeitsphase erhält der Arbeitnehmer daher während der Dauer des Altersteilzeitvertrags in der Summe den Urlaub, der seiner Vorleistung während der Arbeitsphase entspricht, und zwar nicht zeitlich versetzt und während der Arbeitsphase für die spätere Freistellungsphase angespart, sondern allein während der Arbeitsphase. Aus diesem Grund können während der Freistellungsphase Urlaubsansprüche auch gar nicht erfüllt werden.“

 

Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Essen hat sich dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen. Sie hat ausgeführt, dass es sich bei dem aus aktiver und passiver Phase bestehenden Blockmodell der Altersteilzeit um eine besondere Form der Teilzeitbeschäftigung handele. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass Urlaub in der Freistellungsphase tatsächlich nicht gewährt werden könne. Die Urlaubsdauer werde aber für den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit nicht gekürzt, sondern entsprechend dem Arbeitszeitmodell angepasst. Dies bedeutet, dass in der Aktivphase der Urlaub voll erfüllt werde.

2. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn

Im direkten Gegensatz dazu nimmt das Arbeitsgericht Bonn (22.3.18, 2 Ca 706/17, Abruf-Nr. 206085) den Standpunkt ein, auch während der Passivphase der Altersteilzeit entstehe der volle Urlaubsanspruch, der wegen der Unmöglichkeit der Gewährung dieses Urlaubs in natura am Ende des Arbeitsverhältnisses (soweit nicht verfallen) abzugelten sei. Alleinige Voraussetzung sei nämlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, das in der Passivphase der Altersteilzeit unverändert fortbestehe.

 

Das Arbeitsgericht Bonn stellt klar, dass eine Regelung, die besagt, dass in der Passivphase der Altersteilzeit kein Urlaubsanspruch bestehe, unwirksam sei, da hierdurch von den Bestimmungen der §§ 1, 3 BUrlG abgewichen werde. Insofern führt das Arbeitsgericht Bonn aus:

 

„Diese Regelungen sind damit nicht dispositives Recht. § 3 Abs. 1 BUrlG beschränkt unmittelbar die Befugnis der Arbeitsvertragsparteien, durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen von den zwingenden Vorschriften des Urlaubsrechts abzuweichen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach von den Bestimmungen nicht abgewichen werden „kann“. Mit einer solchen Formulierung wird regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass entgegenstehende Vereinbarungen nur zur endgültigen oder schwebenden Unwirksamkeit führen. Aus der getroffenen Formulierung in Ziff. 4 ATZ- Vertrag „Der Jahresurlaub richtet sich bis zum 31.12.11 (= Ablauf des Kalenderjahres, in dem noch volle 12 Monate gearbeitet werden) nach den tariflichen Bestimmungen“ ist der Wille der Parteien ersichtlich, eine über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Anzahl von Urlaubstagen in Höhe von insgesamt 30 Tagen zu vereinbaren. Dieser soll für den Zeitraum der Aktivphase bestehen und ist damit der von den Parteien gewollte Regelfall. Eine Reduzierung der Urlaubstage ist nur für das Übergangsjahr in die Passivphase und für die Passivphase selber vorgesehen. Mit dem Wegfall der vorgenannten Regelung ist von der von den Parteien in der Aktivphase gewollten Anzahl von Urlaubstagen, also insgesamt für jeweils 30 Tage für die Jahre 2013, 2014 und 2015, auszugehen. Diese wurde für das bestehende Arbeitsverhältnis von den Parteien als Regelfall vereinbart.

3. Fazit

Die Berufung des ArbN gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vor dem LAG Düsseldorf (13.7.18, 6 Sa 272/18) blieb erfolglos. Vielmehr betonte auch das LAG Düsseldorf, dass während der Freistellungsphase einer Altersteilzeit im Blockmodell keine Urlaubsansprüche entstehen würden. Die Auffassung des Arbeitsgerichts Essen hat den Vorteil der Weiterführung der Rechtsprechung des BAG und einiger LAG für sich. Darüber hinaus ist sie bei praktischer Betrachtungsweise lebensnaher und leichter zu handhaben als eine Auffassung, die zwar die tatsächliche Unerfüllbarkeit des Urlaubs in natura während der Freistellungsphase einräumt, gleichwohl dogmatisch fernliegend einen Abgeltungsanspruch am Ende des Arbeitsverhältnisses bejaht. Die Berufung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vor dem LAG Köln (7 Sa 269/18) ist noch anhängig.

Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 195 | ID 46180419