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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Voraussetzungen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG

    von StB Sebastian Leitsch, M.Sc. und RA Sven-Oliver Stoklassa, LL.M., beide Mazars, Berlin

    | Mit der Möglichkeit eines Antrags nach § 1 Abs. 3 EStG auf fiktiv unbeschränkte Einkommensteuerpflicht hat der Gesetzgeber ein weitreichendes Besteuerungswahlrecht geschaffen, das nicht nur Grenzpendler betrifft. Die Antragstellung hat umfassende Auswirkungen auf die Besteuerung des Steuerpflichtigen und sollte daher wohlüberlegt sein. Da die Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG in der Praxis immer wieder Probleme hervorruft, werden diese unter Heranziehung von Beispielen nachfolgend ausführlich dargestellt. Ein weiterer Beitrag wird sich mit den Konsequenzen des Antrages beschäftigen. |

    1. Überblick über die Vorschrift

    Natürliche Personen, die weder einen Wohnsitz gemäß § 8 AO noch einen gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 9 AO im Inland haben, unterliegen mit ihren inländischen Einkünften i. S. d. § 49 EStG grundsätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG). Beschränkt Steuerpflichtige besteuern ausschließlich ihre inländischen Einkünfte nach § 49 EStG. Dabei werden Begünstigungen aufgrund persönlicher Verhältnisse nicht gewährt. Beispielsweise entfallen der Abzug des Grundfreibetrages sowie der Abzug eines Großteils der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen (vgl. § 50 Abs. 1 S. 2 und 3 EStG).

     

    Bei beschränkt Steuerpflichtigen aus EU-/EWR-Mitgliedstaaten kann eine solche Ungleichbehandlung zu einer nicht zu rechtfertigenden grundfreiheitswidrigen Diskriminierung führen. Den Vorgaben des EuGH im grundlegenden „Schumacker-Urteil“ (14.2.95, C-279/93, DStR 95, 326) hat der deutsche Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 1 Abs. 3, 1a EStG im Rahmen des JStG 1996 Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache X (9.2.17, C-283/15, IStR 17, 190) ist es fraglich, ob die Ausgestaltung des § 1 Abs. 3 EStG mit seiner starren 90 %-Grenze europarechtskonform ist (vgl. Heinicke in: Schmidt, 38. Aufl. 2019, EStG § 1 Rn. 66).

     

    Grundsätzlich beschränkt Steuerpflichtige werden gemäß § 1 Abs. 3 EStG auf entsprechenden Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, soweit sie inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielen. Voraussetzung dafür ist, dass

    • ihre Einkünfte im Kalenderjahr zu mind. 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder
    • die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 S. 2 EStG ‒ ggf. nach Anpassung auf Grundlage der Ländergruppeneinteilung ‒ nicht übersteigen (vgl. § 1 Abs. 3 S. 2 EStG).

     

    Die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte muss durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen werden (vgl. § 1 Abs. 3 S. 5 EStG).

     

    Vorteile der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht sind der Abzug des Grundfreibetrages und die Gewährung der persönlichen Abzugsbeträge, ferner die Gewährung von Kindergeld gemäß § 62 EStG und über § 1a EStG der Zugang zur Zusammenveranlagung von Ehegatten. Im Gegenzug unterliegen die ausländischen Einkünfte dem Progressionsvorbehalt. Obwohl sich § 1 Abs. 3 EStG aus EuGH-Rechtsprechung ergibt, enthält die Vorschrift ‒ anders als § 1a EStG ‒ keinen EU-/EWR-Bezug und ist somit auch im Drittstaatensachverhalt anwendbar.

    2. Antrag zur unbeschränkten Steuerpflicht

    Die fiktiv unbeschränkte Einkommensteuerpflicht wird bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG nicht von Amts wegen gewährt, sondern bedarf eines Antrags. Dem Steuerpflichtigen steht damit ein weitreichendes Besteuerungswahlrecht zu. Er muss sich entscheiden, ob er sich weiterhin als beschränkt oder als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig behandeln lassen möchte.

     

    2.1 Form und Frist des Antrages

    Der formlose Antrag ist für jeden Veranlagungszeitraum gesondert und grundsätzlich nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraumes zu stellen (vgl. BFH 22.2.18, III R 10/17, DStR 18, 1555, 1557).

     

    PRAXISTIPP | Da der Antrag formlos ist, kann er auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) gestellt werden, beispielsweise durch Einreichen einer Steuererklärung in der die Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger beantragt wird (Hauptvordruck ESt 1 A statt 1 C) (vgl. Tiede in: H/H/R, 296. Lieferung 02.2020, § 1, Rn. 255; FG Baden-Württemberg 2.7.19, 6 K 337/16, BeckRS 19, 35987, Rn. 79).

     

    Ein entsprechender Antrag kann bis zur formellen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides gestellt oder zurückgenommen werden (vgl. Tiede in: H/H/R, 296. Lieferung 02.2020, § 1 Rn. 255). Spätestens mit Eintritt der Festsetzungsverjährung endet somit auch die Möglichkeit der Antragstellung. Im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens kann der Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung der ersten Instanz gestellt werden; eine Antragstellung im Revisionsverfahren ist dagegen nicht möglich (vgl. BFH 13.8.97, I R 65/95, BStBl II 98, 21, m. w. N.).

     

    PRAXISTIPP | Der Antrag kann auch hilfsweise für den Fall gestellt werden, dass die Finanzverwaltung oder das FG nicht aus anderen Gründen zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung gelangt. So wird beispielsweise ein lediglich hilfsweise gestellter Antrag gegenstandslos, wenn sich herausstellt, dass der Antragsteller aufgrund eines DBA von der Veranlagung zur Einkommensteuer befreit ist (BFH 19.10.10, I R 109/09, DStR 11, 660, 662).

     

    2.2 Unbeschränkte Steuerpflicht von EU- und EWR-Familienangehörigen

    Wie bei Gesellschaftern bzw. Mitunternehmern einer Personengesellschaft, ist der Antrag auch bei Ehegatten bzw. Lebenspartnern grundsätzlich personenbezogen zu stellen, d. h. eine unterschiedliche Ausübung ist möglich (vgl. Heinicke in: Schmidt, 38. Aufl. 2019, EStG § 1, Rn. 66). Gemäß § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG kann der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte bzw. Lebenspartner einer gemäß § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandelnden Person, auf Antrag für Zwecke der Zusammenveranlagung des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG ebenfalls als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Hierfür sind neben dem Antrag die folgenden Voraussetzungen kumuliert zu erfüllen:

     

    • Der fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtige muss EU- bzw. EWR-Staatsangehöriger sein (vgl. § 1a Abs. 1 S. 1 EStG).
    • Der Ehegatte muss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines EU- bzw. EWR-Staates haben (vgl. § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 i. V. m. Nr. 1 S. 2 Buchst. a) EStG).

    3. Einkunftsgrenzen

    Die Einkünfteermittlung des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG ist in zwei Stufen vorzunehmen. Zuerst wird die Summe der Welteinkünfte ermittelt und dann der Anteil der Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen (vgl. Rauch in: Blümich, 150. EL November 2019, § 1, Rn. 251).

     

    3.1 Ermittlung der Welteinkünfte

    Da die Vorschrift keine spezielle Regelung enthält, wie die Einkünfte zu ermitteln sind, ist der Begriff der Einkünfte dem deutschen Steuerrecht zu entnehmen, mithin die Einkünfte nach deutschem Recht zu ermitteln (vgl. BFH 20.8.08, I R 78/07, BStBl II 09, 708; 1.10.14, I R 18/13, BStBl II 15, 474). Von den Einnahmen sind Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzuziehen. Es kommt zum Abzug von Freibeträgen und Pauschalen nach dem Einkommensteuergesetz (bspw. §§ 9a, 19 Abs. 2, 20 Abs. 4 EStG). Pauschbeträge oder abziehbare Sozialversicherungsbeiträge nach ausländischem Recht sind nicht zu berücksichtigen (vgl. BFH 20.2.06, I B 144/05, BFH/NV 06, 1086).

     

    PRAXISTIPP | Ist der Steuerpflichtige an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt, muss zur Einordnung der Einkünfte aus dieser Beteiligung zunächst die ausländische Gesellschaft anhand innerstaatlicher Kriterien eingeordnet werden. Fraglich ist, ob die Gesellschaft eher einer deutschen Kapitalgesellschaft gleicht und damit das Trennungsprinzip zu beachten ist oder ob eine Personengesellschaft i. S. d. deutschen Rechts vorliegt und somit das Transparenzprinzip Anwendung findet (vgl. Kahlenberg, PIStB, 13, 310). Grundsätzlich geschieht das durch den unter anderem im sog. „LLC-Schreiben“ dargelegten Rechtstypenvergleich (vgl. BMF 19.3.04, IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl I 04, 411). Im Anhang zum Betriebsstättenerlass hat die Finanzverwaltung allerdings bereits eine Einordnung der gängigsten ausländischen Rechtsformen vorgenommen (vgl. BMF 24.12.99, IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl I,  1076, Tabelle 1).

     

    Nicht in die Einkünfte einzubeziehen sind Bezüge, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht steuerbar oder gemäß § 3 EStG steuerfrei wären. Dies gilt auch dann, wenn sie nach dem Recht des jeweiligen anderen Staates steuerbar und steuerpflichtig sind. Hierunter fällt z. B. nach §§ 40 bis 40b EStG pauschal besteuerter Arbeitslohn (vgl. Waterkamp-Faupel, FR 95, 769). Außerdem ist das Ansatzverbot von Verlusten aus Drittstaaten gemäß § 2a EStG zu beachten. Kapitaleinkünfte, die der Abgeltungsteuer unterliegen würden, sind in die Vergleichsberechnung einzubeziehen (vgl. BFH 12.8.15, I R 18/14, BStBl II 16, 201).

     

    3.2 Nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte

    Die ermittelte Gesamtsumme der Einkünfte ist dann aufzuteilen in solche Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und solche, bei denen diese Voraussetzung nicht erfüllt ist (vgl. BFH 20.8.08, I R 78/07, BStBl II 09, 708). Als der deutschen Einkommensteuer unterliegend gelten grundsätzlich die Einkünfte gemäß beschränkter Steuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 4 EStG (vgl. BFH 12.8.15, I R 18/14, BStBl II 16, 201, Rn. 22). Im Umkehrschluss gelten als Auslandseinkünfte auch Einkünfte aus anderen Staaten als dem Wohnsitzstaat (Drittstaateneinkünfte; vgl. BFH 20.8.03, I R 72/02, BFH/NV 04, 321).

     

    • Beispiel 1

    Der in Brasilien ansässige A erzielt Einkünfte aus in Deutschland gelegenen Immobilien i. H. v. 100.000 EUR. Zusätzlich erhält er eine Dividende von der in Brasilien ansässigen X-Ltda. i. H. v. 50.000 EUR. A hat keine weiteren Einkünfte.

     

     

     

    Lösung: Die Dividendenzahlung ist in die Gesamtberechnung einzubeziehen, obgleich sie wegen der Abgeltungsteuer des § 32d Abs. 1 EStG gemäß § 2 Abs. 5b EStG im Falle von Inlandseinkünften nicht in die Einkünfte einzubeziehen wäre. Da es sich nicht um inländische Einkünfte i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG handelt, zählt sie für die Berechnung zu den nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften. Bei den Vermietungseinkünften handelt es sich um inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, die gemäß § 1 Abs. 4 EStG der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

     

    Gemäß § 1 Abs. 3 S. 3 EStG gelten inländische Einkünfte, die nach dem maßgeblichen DBA nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend.

     

    • Abwandlung zu Beispiel 1

    Der in Belgien ansässige B erzielt in Deutschland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 100.000 EUR. Zusätzlich erhält er eine Dividende von der in Deutschland ansässigen X-GmbH i. H. v. 50.000 EUR.

     

     

     

    Lösung: Bei den Vermietungseinkünften handelt es sich um inländische Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, die nach § 1 Abs. 4 EStG der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Auch durch das DBA wird das Besteuerungsrecht Deutschlands nicht eingeschränkt (vgl. Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien). Grundsätzlich handelt es sich bei der Dividende um inländische Einkünfte i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG, die trotz möglicher Abgeltungsteuer in die Gesamtberechnung einzubeziehen sind. Allerdings können Dividenden nach dem DBA in Belgien als Ansässigkeitsstaat des B besteuert werden (vgl. Art. 10 Abs. 1 DBA-Belgien). Da die Besteuerung in Deutschland nach dem DBA auf ein 15%iges Quellenbesteuerungsrecht beschränkt ist (vgl. Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien), gelten die Einkünfte gemäß § 1 Abs. 3 S. 3 EStG als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend (vgl. BFH 12.8.15, I R 18/14, BStBl II 16, 201).

     

    3.3 Überprüfung der Wesentlichkeitsgrenzen

    Der Antrag auf fiktive unbeschränkte Steuerpflicht setzt voraus, dass die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte mindestens 90 % der Gesamteinkünfte betragen (relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG nicht übersteigen (absolute Wesentlichkeitsgrenze). Der Grundfreibetrag von 9.408 EUR ab dem Veranlagungszeitraum 2020 wird gekürzt, soweit dies nach den Lebensverhältnissen des Wohnsitzstaates notwendig und angemessen ist.

     

    • Beispiel 3

    Der in Bulgarien ansässige C erzielt Mieteinkünfte aus einer in Bulgarien gelegenen Immobilie i. H. v. 8.000 EUR. Daneben erzielt er aufgrund einer früheren Angestelltentätigkeit in Deutschland Renteneinkünfte aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung i. H. v. 10.000 EUR.

     

     

     

    Lösung: Insgesamt erzielt C ein Welteinkommen i. H. v. 18.000 EUR. Die Mieteinkünfte unterliegen dabei nicht der deutschen Einkommensteuer, da es sich gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG nicht um inländische Einkünfte handelt. Die Renteneinkünfte sind inländische Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG, für die auch nach Art. 17 Abs. 2 DBA-Bulgarien das Besteuerungsrecht Deutschlands nicht eingeschränkt wird. Da die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte lediglich ca. 56 % der Gesamteinkünfte ausmachen (10.000 EUR von 18.000 EUR), ist die relative Wesentlichkeitsgrenze von mind. 90 % nicht erreicht. Die absolute Wesentlichkeitsgrenze ist ebenfalls nicht erfüllt. Der Grundfreibetrag ist aufgrund der Lebensverhältnisse in Bulgarien lediglich mit ½ anzusetzen, also mit 4.704 EUR (50 % von 9.408 EUR; vgl. BMF 20.10.16, IV C 8 - S 2285/07/10005: 016, BStBl I 16 I, 1183). Die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte i. H. v. 8.000 EUR überschreiten somit die absolute Grenze. Da beide Einkommensgrenzen nicht erfüllt werden, ist vorliegend ein Antrag auf fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nicht möglich.

     

    3.4 Einkunftsgrenzen bei Ehegattenantrag gemäß § 1a EStG

    Für einen Antrag auf Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die Einkünfte der Ehegatten zusammenzurechnen. Die Ehegatteneinkünfte müssen die Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG erfüllen, wobei für die absolute Grenze der Grundfreibetrag zu verdoppeln ist (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG). Die Voraussetzung, dass auch der andere Ehegatte mit seinen Einkünften die Einkunftsgrenzen des Abs. 3 für sich erfüllen muss, ist aufgrund des JStG seit 2008 entfallen (vgl. Heinicke in: Schmidt, 38. Aufl. 2019, EStG § 1a Rn. 21).

     

    • Beispiel 4

    Der Franzose D ist bei einer Firma in Deutschland angestellt. Ab 1.12. wird er zu einer belgischen Niederlassung versetzt, davor war er in Deutschland tätig. Im gesamten Jahr erzielt D Lohneinkünfte i. H. v. 120.000 EUR. Seine Ehefrau E, mit der D zusammen in Frankreich lebt, erzielt aus einer in Frankreich belegenen Immobilie Einkünfte i. H. v. 10.000 EUR.

     

     

     

    Lösung: Insgesamt erzielt D ein Welteinkommen i. H. v. 120.000 EUR. Die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind inländische Einkünfte, soweit die Arbeit in Deutschland ausgeübt worden ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG). Da die Vergütung von einem deutschen Arbeitgeber gezahlt wird, kommt es auch nicht zur Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch das DBA (Art. 13 Abs. 1 und 4 DBA-Frankreich). Soweit der Arbeitslohn auf die Tätigkeit in Belgien entfällt, liegen keine inländischen Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) EStG vor. Die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte machen 91,67 % (110.000 EUR von 120.000 EUR) und damit mind. 90 % der Gesamteinkünfte aus. D erfüllt somit die Voraussetzungen für einen Antrag auf fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG. Da D EU-Staatsbürger ist und E ihren Wohnsitz in einem EU-Staat hat, sind die Voraussetzungen für einen Antrag auf Zusammenveranlagung gemäß § 1a Abs. 2 Nr. 2 EStG grundsätzlich erfüllt (Details s. o. unter 2.2). Die Einkünfte von E aus der französischen Immobilie sind keine inländischen Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Insgesamt unterlagen damit nur 84,62 % der Einkünfte der Ehegatten der deutschen Einkommensteuerpflicht (110.000 EUR von 130.000 EUR). Da die ausländischen Einkünfte von 20.000 EUR auch den doppelten Grundfreibetrag übersteigen, ist sowohl die relative als auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze nicht erfüllt. Ein Antrag auf Zusammenveranlagung ist nicht möglich.

    4. Nachweis

    Weitere Voraussetzung des Antrages auf unbeschränkte Steuerpflicht ist, dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen ausländischen Finanzverwaltung nachgewiesen wird (§ 1 Abs. 3 S. 5 EStG). Diese Bescheinigung ist nach Auffassung des BFH kein bloßes Beweismittel, sondern stellt eine materielle Tatbestandsvoraussetzung für den Antrag dar. Selbst wenn der Steuerpflichtige geltend macht, keine ausländischen Einkünfte erzielt zu haben, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gleichwohl die Vorlage einer sog. „Nullbescheinigung“ grundsätzlich erforderlich (vgl. BFH 8.9.10, I R 80/09, IStR 11, 198). Nur wenn zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung unstreitig ist, dass keine Einkünfte im Ansässigkeitsstaat, sondern ausschließlich inländische Einkünfte erzielt wurden, ist die Vorlage einer Nullbescheinigung der ausländischen Steuerbehörde nach vorzugswürdiger Ansicht ausnahmsweise entbehrlich (vgl. FG Brandenburg 17.8.05, 4 K 1467/01, DStRE 06, 451; offengelassen in: BFH 8.9.10, I R 80/09, IStR 11, 198).

     

    PRAXISTIPP | Im Hinblick auf die europäischen Grundfreiheiten ist die zwingende Vorlage einer Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde bei Steuerpflichtigen im EU-Raum kritisch zu sehen. Aufgrund der bereits bestehenden Auskunftsmöglichkeiten wird die zwingende Vorlage einer Bescheinigung zutreffend als unverhältnismäßige Erschwerung wahrgenommen (vgl. Stöber, BeckOK EStG, § 1, Rn. 293 m. w. N.). Falls die ausländische Finanzverwaltung keine Nullbescheinigung ausstellt, lässt der BFH auch eine entsprechende Bescheinigung einer deutschen Auslandsvertretung genügen (BFH 8.9.10, I R 80/09, DStRE 21, 265).

     

    Entgegen der bisherigen Verwaltungsansicht ist der Nachweis nicht zwingend unter Verwendung eines amtlichen Vordrucks zu erbringen (so noch BMF 30.12.96, IV B 4, DStR 97, 200, 201). Vielmehr lässt der BFH jedes Dokument in deutscher oder ausländischer Sprache zu, aus dem die ausländischen Einkünfte ersichtlich sind (vgl. Stöber, BeckOK EStG § 1 Rn. 295 unter Verweis auf BFH 8.9.10, I R 80/09, DStRE 21, 265). In Fällen außerhalb der EU lässt die Finanzverwaltung als Bestätigung der Höhe der ausländischen Einkünfte insbesondere Steuerbescheide genügen (vgl. BMF 30.12.96, IV B 4 - S 2303 - 266/96, DStR 97, 200). Problematisch ist dies jedoch, wenn das ausländische Recht keine dem deutschen Steuerrecht vergleichbaren Steuerbescheide kennt (z. B. USA). Insbesondere in diesen Fällen empfiehlt sich die Verwendung der oben erwähnten amtlichen Vordrucke (abrufbar unter www.iww.de/s3536).

     

    Beachten Sie | Folgende Einkünfte gelten als der inländischen Einkommensteuer unterliegend, werden aber regelmäßig aufgrund der Besteuerung im Ausland in den Bescheinigungen der ausländischen Steuerverwaltung als Einkünfte, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen, ausgewiesen:

     

    • Inländische Einkünfte, für die nach dem DBA Deutschland das uneingeschränkte Besteuerungsrecht hat und die deutsche Steuer im Ausland angerechnet wird.
    • Inländische Einkünfte eines Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in einem Nicht-DBA-Staat.

     

    Nach der Verfügung der OFD Frankfurt (21.3.13, DB 13, 907) sollen die Einkünfte von den nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften gemäß Bescheinigung zugunsten des Steuerpflichtigen gekürzt werden, wenn dieser eine uneingeschränkte Steuerpflicht in Deutschland darlegen kann.

     

    FAZIT | Der Gesetzgeber hat durch Einführung eines Antrages auf fiktive unbeschränkte Steuerpflicht in § 1 Abs. 3 EStG auf die EuGH-Rechtsprechung reagiert. Ob die entsprechenden Einkunftsgrenzen eingehalten werden, ist nicht immer leicht zu ermitteln. Auch der nötige Nachweis der ausländischen Steuerbehörden kann in der Praxis zu Problemen führen. In einem Folgebeitrag werden die Konsequenzen des Antrages ausführlich dargestellt und anhand von praktischen Beispielen veranschaulicht.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2020 | Seite 187 | ID 46490230

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