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  • · Fachbeitrag · Grenzüberschreitende Geschäftsführertätigkeit

    Die Besteuerung des Geschäftsführers im IStR ‒ Teil 2: Kapitalgesellschaften

    von VRiFG a.D. Prof. Dr. Kay-Michael Wilke, Karlsruhe

    | In Zeiten der Globalisierung ist es an der Tagesordnung, dass Geschäftsführer nicht mehr im Staat der Ansässigkeit der Gesellschaft wohnhaft sind, sondern in einem anderen Staat. In Teil 1 wurde dieses Problem für Geschäftsführer von Personengesellschaften beleuchtet (s. PIStB 21, 127 ). Im Teil 2 stehen nunmehr die grenzüberschreitend tätigen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften im Fokus. |

    1. Zivilrechtliche Grundsätze

    Nach dem GmbHG ist ein GmbH-Geschäftsführer in erster Linie ein Organ der Gesellschaft. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, und gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Gesellschafter-Geschäftsführer oder um einen Fremdgeschäftsführer handelt. Das BAG qualifiziert dagegen den Fremdgeschäftsführer grundsätzlich als Arbeitnehmer mit der Folge, dass es sich bei dem Vertrag zwischen ihm und der Gesellschaft um einen Arbeitsvertrag i. S. d. § 611a ff. BGB handelt. Dies muss allerdings nicht zwingend sein, z. B. wenn ein Wirtschaftsprüfer für einen begrenzten Zeitraum die Geschäftsführung einer GmbH übernimmt; dann handelt es sich um einen selbstständigen Dienstvertrag. Welches schuldrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschafter-Geschäftsführer und Gesellschaft letztlich vorliegt, hängt vom Grad der Weisungsgebundenheit und der Art sowie dem Umfang der persönlichen Abhängigkeit ab.

    2. Steuerrechtliche Grundsätze

    Bereits mit Urteil vom 10.3.05 (V R 29/03, BStBl II 05, 730; ergangen zur Umsatzsteuer) hat der BFH deutlich gemacht, dass bei Vertretern juristischer Personen zwischen der Organstellung und dem zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis zu unterscheiden ist (bestätigt BFH 20.10.10, VIII R 34/08, BFH/NV 11, 585; vgl. auch BFH 9.7.19, X R 9/17, BFH/NV 20, 124). GmbH-Gesellschafter sind regelmäßig Selbstständige, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und mindestens 50 % des Stammkapitals innehaben (BFH 2.12.05, VI R 16/03, BFH/NV 06, 544). In den übrigen Fällen ‒ insbesondere bei einer Beteiligung von weniger als 50 % ‒ wird das Entgelt eines Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft als Einkünfte nach § 19 EStG behandelt.

     

    Erhält ein Gesellschafter-Geschäftsführer ein unangemessenes Gehalt, stellen die unangemessenen Gehaltsteile eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, welche zu Kapitaleinkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG führt (hierauf soll nachfolgend nicht näher eingegangen werden).

     

    Von den dargestellten Grundsätzen ist auch bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt des internationalen Steuerrechts auszugehen: Entweder werden ausländische Einkünfte nach § 34d EStG oder beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 EStG erzielt. Bei Bestehen eines DBA kommt im Regelfall Art. 15 OECD-MA (Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit) zur Anwendung: Das hat die Besteuerung im ausländischen Tätigkeitsstaat gemäß dem Arbeitsortprinzip zufolge, und zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wird die ausländische Steuer im Inland angerechnet bzw. es erfolgt eine Besteuerung im Inland und im ausländischen Ansässigkeitsstaat wird die in Deutschland erhobene Steuer angerechnet.

     

    2.1 Ohne Anwendung eines DBA

     

    • Fall 1

    Der in Hamburg ansässige A ist neben dem Chinesen B Geschäftsführer der in Hongkong ansässigen C Limited Company (Kapitalgesellschaft). A übt seine Tätigkeit überwiegend in Deutschland per Telefon und Internet aus; viermal im Jahr fliegt er für jeweils eine Woche nach Hongkong.

     

    A erzielt in Bezug auf seine Tätigkeit als Geschäftsführer der C Limited Company ausländische Einkünfte i. S. d. § 34d EStG; im Regelfall wird es sich um ausländische Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit handeln (§ 34d Nr. 5 EStG), soweit die Tätigkeit als Geschäftsführer in Hongkong ausgeübt wird. Soweit die Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wird, unterliegen die Einkünfte grundsätzlich der deutschen Besteuerung; ggf. müssen die Einkünfte aufgeteilt werden (vgl. ausführlich zu diesem Komplex Ungemach/Gehrmann/Forrester/Rehling PIStB 16, 138). Eine in Hongkong erhobene Einkommensteuer kann nach § 34c EStG angerechnet werden.

     

    • Fall 2

    Der in Hongkong ansässige D ist neben dem in Deutschland ansässigen E Geschäftsführer der Import- und Export GmbH mit Sitz in Frankfurt/Main. D übt seine Tätigkeit überwiegend per Telefon und Internet aus; viermal im Jahr fliegt er für jeweils eine Woche nach Frankfurt/Main.

     

    Anders als § 34d EStG enthält § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) EStG eine gesonderte Regelung für die Vergütung einer Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft ‒ hier: Kapitalgesellschaft ‒ mit Geschäftsleitung im Inland (Fiktion des Tätigkeitsortes ‒ vgl. BFH 25.10.06, I R 81/04, BStBl II 10, 778). Daher unterliegen die Einkünfte aus der Tätigkeit als Geschäftsführer im vollen Umfang der deutschen beschränkten Steuerpflicht, egal wo die Tätigkeit ausgeübt wird. Anknüpfungspunkt ist die Ansässigkeit der Gesellschaft, für die die Geschäftsführertätigkeit wahrgenommen wird. Im Ansässigkeitsstaat wird die in Deutschland erhobene Steuer grundsätzlich angerechnet.

     

    2.2 Mit Anwendung eines DBA

     

    • Fall 3

    X, ansässig in Vaduz/Fürstentum Liechtenstein, ist Geschäftsführer der Y-GmbH mit Sitz in Konstanz. Er kehrt jeweils nach Arbeitsende an seinen Wohnsitz zurück.

     

    Die Vergütungen des GmbH-Geschäftsführers stellen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) EStG dar. Die Besteuerung richtet sich nach den Regelungen des DBA-LI, das den Normen des OECD-MA entspricht: Das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer richtet sich ‒ unabhängig von der deutschen Qualifizierung ‒ nach Art. 14 DBA-LI (Einkünfte aus unselbständiger Arbeit = Art. 15 OECD-MA 17): Vorbehaltlich der Artikel 15, 17, 18, 19 und 20, welche im vorliegenden Beispiel nicht einschlägig sind, können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in Liechtenstein ansässige Person aus unselbstständiger Arbeit bezieht, nur im Wohnsitzstaat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird ‒ wie im Fall 7 ‒ in Deutschland ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in Deutschland besteuert werden (Arbeitsortprinzip). Die Vermeidung der Doppelbesteuerung erfolgt nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. b) DBA-LI durch Anrechnung der in Deutschland gemäß dem Abkommen erhobenen Steuer auf die in Liechtenstein zu erhebende Steuer.

     

    Im umgekehrten Fall ‒ eine in Deutschland ansässige Person ist Geschäftsführer einer im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft ‒ werden ausländische Einkünfte nach § 34d Nr. 5 EStG erzielt, die im Tätigkeitsstaat gemäß Art. 15 OECD-MA besteuert werden. In Deutschland wird die ausländische Steuer im Regelfall nach § 34c Abs. 6 S. 2 ff. EStG i. V. m. dem konkreten DBA angerechnet.

     

    Die vorstehend dargestellten Grundsätze sind in der überwiegenden Zahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA anzuwenden.

     

    2.2.1 DBA-Österreich

     

    • Fall 4

    Y, ansässig in Bregenz/Österreich, ist Geschäftsführer der Z-GmbH mit Sitz in Lindau. Jeweils nach Arbeitsende kehrt er nach Bregenz zu seiner Familie zurück und übernachtet dort auch (Grenzgänger).

     

    Ausgangspunkt ist auch hier § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG sowie die DBA-Regelung über die Behandlung der Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit ‒ Art. 15 Abs. 1 DBA-AUT.

     

    Als Ausnahme vom Arbeitsortprinzip ‒ Besteuerung in Deutschland ‒ ist die Grenzgängerregelung in Art. 15 Abs. 6 DBA-AUT zu beachten. Dies bedeutet, dass ein in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger, welcher die Voraussetzungen für die Einstufung als Grenzgänger erfüllt, grundsätzlich in Österreich seine Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit ‒ einschließlich der Einkünfte aus seiner Geschäftsführertätigkeit ‒ versteuern muss; Einzelheiten ergeben sich aus dem BMF-Schreiben vom 18.4.19, IV B 3-S 1301-AUT/07/10015-02, BStBl I 19, 456. In Deutschland sind die Einkünfte von der Besteuerung freigestellt, da es an einem Besteuerungsrecht fehlt.

     

    Beachten Sie | Gesonderte Regelung für Grenzgänger finden sich neben dem DBA-AUT noch im Art. 15a DBA-CH und im Art. 13 Abs. 5 DBA-F.

     

    Weiter gehört das DBA-AUT zu jener Gruppe von DBA, die eine ausdrückliche Sonderregelung für die Besteuerung der Tätigkeit eines Geschäftsführers von Kapitalgesellschaften ‒ vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e) DBA-AUT (= Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) OECD-MA 17) ‒ aufweisen:

     

    Art. 16 OECD-MA behandelt grundsätzlich nur die Einkünfte aus der Tätigkeit als Aufsichtsrat und/oder Verwaltungsrat (Regelfall). In Art. 16 Abs. 2 DBA-AUT aber findet sich eine Regelung zur Besteuerung des Geschäftsführers im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft:

     

    • Art. 16 Abs. 2 DBA-AUT

    „Ungeachtet der Artikel 14 und 15 dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer oder als Vorstandsmitglied einer Gesellschaft bezieht, die in dem anderen Vertragsstaat ansässig ist, im anderen Staat besteuert werden.“

     

    Mit dieser Regelung fällt das Besteuerungsrecht unabhängig von der Regelung in Art. 15 DBA-AUT an den Staat, in dem die Gesellschaft ansässig ist ‒ in Fall 8 also an Deutschland. Denn die Regelung des Art. 16 Abs. 2 DBA-AUT geht der des Art. 15 DBA-AUT vor (vgl. Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-AUT „Vorbehaltlich der Art. 16 …“). Die Einkünfte aus der Geschäftsführertätigkeit werden in Deutschland besteuert und in Österreich werden sie bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen der Person einbezogen.

     

    Eine Art. 16 Abs. 2 DBA-AUT vergleichbare Regelung für geschäftsführende Organe findet sich u. a. in Art. 16 Abs. 2 DBA-Belgien, Art. 15 DBA-Bulgarien, Art. 16 Abs. 2 DBA-Dänemark, Art. 16 Abs. 2 DBA-Kanada, Art. 16 DBA-Mexiko, Art. 15 Abs. 2 DBA-Niederlande, Art. 16 Abs. 2 DBA-Polen, Art. 16 DBA-Schweden.

     

    2.2.2 DBA-Schweiz

     

    • Fälle 5 und 6

    Fall 5: H, ansässig in Kreuzlingen/Schweiz, ist Geschäftsführer der B-GmbH mit Sitz in Konstanz. Jeweils nach Arbeitsende kehrt er zu seiner Familie zurück nach Hause und übernachtet dort auch.

     

    Fall 6: G, ansässig in Zürich/Schweiz, ist Mitgeschäftsführer der C-GmbH in Frankfurt/Main. Unter der Woche übernachtet er in einer in Frankfurt angemieteten Wohnung; am Wochenende kehrt er jeweils nach Zürich zu seiner Familie zurück.

     

    Das DBA-CH entspricht im Wesentlichen dem OECD-MA. Demnach unterliegt die von H im Fall 9 ausgeübte Tätigkeit nach dem Arbeitsortprinzip des Art. 15 Abs. 1 DBA-CH der Besteuerung in Deutschland. Hier ist aber zusätzlich die Sonderreglung des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH zu beachten: Danach kann eine natürliche Person, die in einem Vertragsstaat (hier: Schweiz) ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in dem anderen Vertragsstaat (hier: Deutschland) ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, mit den Einkünften aus dieser Tätigkeit in diesem anderen Staat (= Deutschland/Tätigkeitsstaat) besteuert werden (Fiktion des Arbeitsortes; zum historischen Hintergrund sowie der ständigen Rechtsprechung des BFH zu Art. 15 Abs. 4 DBA-CH vgl. BFH 25.10.06, I R 81/04, BStBl II 10, 778, insb. Abs. 14a ff.).

     

    Allerdings gilt die vorstehende Lösung dann nicht, wenn H ‒ wie im Fall 9 ‒ Grenzgänger ist, weil die Bestimmungen des Art. 15 DBA-CH lediglich „… vorbehaltlich des Art. 15a …“ gelten. Die hier einschlägige Grenzgängerregelung führt zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat (Schweiz; vgl. BFH 25.10.06, I R 18/04, BFH/NV 07, 875). Deutschland darf eine Einkommensteuer in Höhe von 4,5 % erheben (Art. 15a Abs. 1 S. 3 DBA-CH), in der Schweiz wird der Bruttobetrag der Vergütungen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage um ein Fünftel herabgesetzt.

     

    Im Fall 10 ist davon auszugehen, dass G ‒ trotz der Ansässigkeit in Deutschland aufgrund seiner angemieteten Wohnung ‒ seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz hat und demnach abkommensrechtlich in der Schweiz ansässig ist (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) DBA-CH; vgl. BFH 16.1.19, I R 66/17, BFH/NV 19, 1067). Die Einkünfte aus der Tätigkeit als Geschäftsführer können nach dem Arbeitsortprinzip des Art. 15 Abs. 1 DBA-CH im vollen Umfange in Deutschland besteuert werden. Dies ergibt sich auch aus der Spezialnorm des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH. Allerdings enthält der letzte Halbsatz des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH eine Ausnahme von der vorstehenden Regelung:

     

    • Art. 15 Abs. 4, letzter HS DBA-CH

    „... sofern ihre Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb dieses anderen Staates umfasst.“

     

    Das heißt, wenn G als vertraglich vereinbarte ausschließliche Tätigkeit z. B. die Betreuung der Produktionsstätten der C-GmbH in den Beneluxstaaten hätte, dann scheidet eine Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA-CH aus und es bleibt zunächst bei der Regelung des Art. 15 Abs. 1 DBA-CH. Diese Vorschrift greift aber nur für den Fall, dass die Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat oder im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird (vgl. den Abkommenstext in Art. 15 Abs. 1 DBA-CH). Ist das nicht der Fall und wird G nur in einem dritten Staat tätig, darf nach Art. 21 DBA-CH (Andere Einkünfte) nur der Ansässigkeitsstaat (hier: die Schweiz) besteuern.

     

    Beachten Sie | Bei dem vorliegenden Fall besteht darüber hinaus die Besonderheit, dass G trotz der abkommensrechtlichen Ansässigkeit in der Schweiz wegen des (Zweit-)Wohnsitzes in Deutschland nach Art. 4 Abs. 3 DBA-CH in Deutschland als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt werden darf.

     

    • Fall 7

    M, ansässig in Frankfurt, ist Vorstandsmitglied der C-AG in Zürich. Sein vertraglich vereinbartes ausschließliches Betätigungsfeld ist die Betreuung der Kunden der C-AG in Italien. Unter der Woche übernachtet er in einer in Zürich angemieteten Wohnung, sofern er sich nicht in Italien zur Betreuung der Kunden aufhält; am Wochenende kehrt er jeweils nach Frankfurt zu seiner Familie zurück.

     

    Grundsätzlich ist Fall 11 wie oben zu Fall 10 dargestellt zu lösen. M ist abkommensrechtlich allein in Deutschland ansässig, weil sich dort der Mittelpunkt seines Lebensinteresses befindet. Die Besteuerung seiner Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied erfolgt in der Schweiz nach Art. 15 Abs. 1 DBA-CH. Art. 15 Abs. 4 DBA-CH ist aufgrund der vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich seines Aufgabenfeldes nicht anwendbar. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d) DBA-CH werden die Einkünfte von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer, unter Beachtung des Progressionsvorbehalts (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 DBA-CH), freigestellt. Allerdings heißt es unter Buchst. d) des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-CH „… vorausgesetzt, die Arbeit wird in der Schweiz ausgeübt.“ Da M aber seine Tätigkeit wohl überwiegend in Italien ausübt bzw. ausüben muss, ist fraglich, ob nicht doch das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückfällt.

     

    MERKE | Hierzu hat der BFH entschieden, dass die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-CH fällt, auch dann i. S. d. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) DBA-CH „in der Schweiz ausgeübt“ wird, wenn sie tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet wird (BFH 25.10.06, I R 81/04, BStBl II 10, 778, bestätigt BFH 11.11.09, I R 110/08, BFH/NV 10, 885). Demnach verbleibt es beim primären Besteuerungsrecht der Schweiz.

     

    2.2.3 DBA-USA, DBA-UK, DBA-Irland

    Nach dem US-amerikanischen, dem britischen sowie dem irischen Gesellschaftsrecht ist der sog. Board of Directors Leitungsorgan der Gesellschaft. Fraglich ist, unter welche Norm die Einkünfte aus der Tätigkeit als Mitglied des Board of Directors zu subsumieren sind. Unter Art. 16 DBA-USA/Art. 15 DBA-UK/Art. 15 DBA-IR (= Art. 16 OECD-MA) können die Einkünfte nur dann eingeordnet werden, wenn sich die Tätigkeit auf die bloße Überwachung des Vorstandes beschränkt (= Tätigkeit als Aufsichtsrat).

     

    Nun gibt es aber im Gesellschaftsrecht der genannten Staaten nicht nur die vom deutschen Aktienrecht her bekannte strenge Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat (dualistisches Prinzip). Vielmehr ist davon auszugehen, dass im Board of Directors grundsätzlich beide Funktionen vereint zu finden sind (sog. monistisches Prinzip). Deshalb hat der BFH Art. 16 OECD-MA (und die dieser Vorschrift entsprechenden Bestimmungen der einzelnen DBA) dahin gehend ausgelegt, dass nur die für eine Kontrolltätigkeit gezahlten Vergütungen der Vorschrift unterliegen (vgl. BFH 5.10.94, I R 67/93, BStBl 95 II, 95, zum Art. 16 DBA-Kanada 1981). Kann nicht zweifelsfrei entschieden werden, ob die Vergütung nur für die Überwachungstätigkeit gezahlt wurde, oder lässt sich die gezahlte Vergütung für die Tätigkeit als Mitglied des Board of Directors nicht einfach, klar und eindeutig von der Vergütung für eine geschäftsleitende Tätigkeit trennen, so ist nach der Rechtsprechung des BFH von einer Vergütung für unselbstständige Arbeit auszugehen (Art. 15 DBA-USA/Art. 14 DBA-UK/Art. 14 DBA-IR). In Deutschland erfolgt die Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 23 Abs. 3 Buchst. a) DBA-USA/Art. 23 Abs. 1 Buchst. a) DBA-UK/Art. 23 Abs. 2 Buchst. a) DBA-IR).

     

    Die vorstehenden Grundsätze gelten für all diejenigen Staaten, die sich am britischen Gesellschaftsrecht ausrichten.

     

    2.2.4 DBA-Polen

    In Art. 16 Abs. 2 DBA-PL findet sich folgender Abkommenstext: „bevollmächtigter Vertreter einer Gesellschaft“, wobei die Begriffsbestimmung des Wortes „Gesellschaft“ der Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA 17 entspricht (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) DBA-PL). Hierzu hat der BFH jüngst entschieden (30.9.20, I R 76/17, IStR 21, 148), dass unter den Begriff des bevollmächtigten Vertreters auch der GmbH-Geschäftsführer als organschaftlicher Vertreter nach § 35 GmbHG zu verstehen ist. Weiter hat der BFH ausgeführt: Der Begriff „bevollmächtigter Vertreter“ wird nur im nationalen deutschen Zivilrecht als Abgrenzung zum organschaftlichen Vertreter verwendet, dessen Handeln der juristischen Person wie Eigenhandeln zuzurechnen ist (BGH 16.5.17, II ZB 7/16, DB 17, 1202). Im nationalen Steuerrecht hat der Begriff dagegen keine einschränkende Bedeutung. Vielmehr kann ein organschaftlich handelnder Geschäftsführer steuerrechtlich ständiger „Vertreter“ i. S. d. § 13 AO sein (BFH 23.10.18, I R 54/16, BStBl II 19, 365). Entsprechendes muss auch für die Formulierung „bevollmächtigter Vertreter“ gelten, da die zusätzliche Voraussetzung einer Bevollmächtigung nicht gleichbedeutend mit einer Begrenzung auf rechtsgeschäftliche Bevollmächtigungen ist.

     

    Demnach erfolgt die Besteuerung der Einkünfte als Geschäftsführer einer polnischen Kapitalgesellschaft in Polen (Art. 16 Abs. 2 DBA-PL); in Deutschland erfolgt eine Freistellung der Einkünfte unter Progressionsvorbehalt nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a) und d) DBA-PL, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG.

     

    2.2.5 DBA-Schweden

    In Art. 16 2. HS DBA-S wird die Regelung des Art. 16 OECD-MA auf Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft ausgedehnt. Damit unterfallen nicht nur der Geschäftsführer einer GmbH, sondern auch die Vorstandsmitglieder einer AG der Norm. Die Einkünfte aus der vorgenannten Tätigkeit werden in Schweden besteuert (Arbeitsortprinzip); in Deutschland erfolgt eine Anrechnung der in Schweden gezahlten Steuer auf die deutsche Einkommensteuer, die auf die Einkünfte entfällt (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b) Doppelbuchst. cc) DBA-S).

     

    FAZIT | Es existieren zwar Regeln für die Besteuerung der Vergütung eines Geschäftsführers im internationalen Steuerrecht, häufig werden diese aber aufgrund des Sachverhalts in dem konkret anzuwendenden DBA durchbrochen bzw. ergeben sich im Einzelnen Abweichungen. Deshalb ist für eine zutreffende Beratung und Besteuerung zuerst eine sorgfältige und umfassende Sachverhaltsermittlung unerlässlich ‒ einschließlich aller Umstände in Bezug auf die Ansässigkeit (Art. 4 OECD-MA) ‒, bevor der Fall einer Lösung zugeführt werden kann.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 153 | ID 47365779

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