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  • · Fachbeitrag · Nullbeteiligungsgesellschaft

    Ein Nullbeteiligungsgesellschafter kann die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis infizieren

    von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

    | Die Tätigkeit einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis kann nach Ansicht des FG Düsseldorf (19.9.13, 11 K 3969/11 G, Rev. BFH VIII R 62/13 ; 19.9.13, 11 K 3968/11 F, Rev. BFH VIII R 63/13 ) in vollem Umfang als Gewerbebetrieb anzusehen sein, wenn eine zivilrechtlich als Gesellschafterin in die GbR aufgenommene leitend und eigenverantwortlich tätige Ärztin nicht als Mitunternehmerin anzusehen ist. Nachfolgend werden die wichtigsten Konsequenzen der Entscheidung - auch mit Blick auf die Nullbeteiligungsgesellschaft - erläutert. |

    1. Gewerbliche Prägung bei fehlender Mitunternehmerstellung

    Die Tätigkeit einer Mitunternehmerschaft gilt in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn sie neben anderen Tätigkeiten auch gewerblich tätig ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Eine selbstständige Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordert demgegenüber, dass die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung der Mitunternehmer geprägt ist. Dies kann insbesondere bei angestellten Berufsträgern und bei Gesellschaftern ohne (steuerliche) Mitunternehmerstellung problematisch sein.

     

    •  FG Düsseldorf

    Eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten nahm eine weitere Ärztin auf. Sie war leitend und eigenverantwortlich tätig und sollte laut Gesellschaftsvertrag 37 % bzw. später 42 % vom eigenen Honorarumsatz erhalten, sofern ein Gewinn in entsprechender Höhe erzielt würde. Bei einer Betriebsprüfung stellte das FA fest, dass die neu gegründete GbR außer Forderungen aus laufenden Leistungen über kein Gesamthandsvermögen verfügte. Praxiseinrichtung, Bankguthaben und Darlehensverbindlichkeiten waren allein den beiden Ärzten zuzurechnen. Die Betriebs- und die Finanzierungskosten der Praxis trugen sie ebenfalls alleine.

     

    Das FG bestätigte die Beurteilung des FA, wonach die GbR insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt habe, da die Ärztin, obwohl Gesellschafterin, mangels Mitunternehmerrisiko (keine laufende Erfolgsbeteiligung, keine Beteiligung an den stillen Reserven) nicht Mitunternehmerin war.

     

    2. Leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit

    Bei der Mitarbeit von Freiberuflern, die nicht als Mitunternehmer anzusehen sind, kommt es in steuerrechtlicher Hinsicht auf die Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG an. Danach kann sich ein Angehöriger eines freien Berufs der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen. Freiberuflich tätig wird er jedoch nur dann, wenn er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss dem Steuerpflichtigen selbst, also einem der Mitunternehmer, und nicht dem qualifizierten Mitarbeiter zuzurechnen sein. Freiberuflergemeinschaften müssen daher sicherstellen, dass jeder einzelne Auftrag einem der Mitunternehmer zuzurechnen ist. Jeder Mitunternehmer muss nicht nur leitend, sondern in jedem Fall - ggf. neben angestellten Berufsträgern - auch eigenverantwortlich tätig werden. Sonst führt dies zur gewerblichen Infektion der gesamten Einkünfte der Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

     

    2.1 Mitarbeit qualifizierter Mitarbeiter - Stempeltheorie

    Dies bedeutet nicht, dass die Mitunternehmer sämtliche qualifizierte Tätigkeiten in eigener Person ausüben müssen. Die Frage, ob Mitunternehmer leitend und eigenverantwortlich i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG tätig sind, ist nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Zahl der fachlich vorgebildeten Angestellten und der bearbeiteten Aufträge oder Untersuchungen ist dabei ein gewichtiges und leicht greifbares Indiz.

     

    Nach Auffassung des BFH und auch der Verwaltung (BMF 12.2.09, IV C 6 - S 246/08/10001, BStBl I 09, 398 für Laborärzte) gilt die Stempeltheorie, nach der freiberufliche Mitunternehmer in jedem Einzelfall der Tätigkeit der Mitarbeiter ihren „Stempel aufdrücken“ müssen. Unerheblich ist, ob ein Arzt die von seinen Mitarbeitern vorbereiteten Untersuchungen in kurzer Zeit fachgerecht beurteilen kann, vielmehr muss jeder einzelne Auftrag ihm selbst und nicht den qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzem zuzurechnen sein (BFH 21.3.95, XI R 85/93, BStBl II 95, 732; zuletzt BFH 26.1.11, VIII R 3/10, BStBl II 11, 498 für Insolvenzverwalter und § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG).

     

    Die für geringfügige gewerbliche Nebeneinnahmen einer ansonsten freiberuflich tätigen Personengesellschaft maßgebende Geringfügigkeitsgrenze (vgl. H 15.8 Abs. 5 EStH - keine Infektion bei Umsätzen bis zu 1,25 % vom Gesamtumsatz) gilt m.E. zwar bei einem verdeckten Anstellungsverhältnis. Fraglich ist dies allerdings bei einer Nullbeteiligung, da die Einkünfte eines Gesellschafters durch die Tätigkeit aller Gesellschafter (einschließlich des Nullbeteiligungsgesellschafters) in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit verwirklicht wird. Dies hätte zur Folge, dass hier unabhängig vom Anteil der gewerblichen Tätigkeit stets eine gewerbliche Infektion einträte.

     

    • Beispiele

    Angestellte Anästhesistin: Eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesie mit einem mobilen Anästhesiebetrieb ist durch ihre Mitunternehmer auch dann leitend und eigenverantwortlich i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG und damit freiberuflich tätig, wenn eine angestellte Anästhesistin nur für einfache Anästhesien beschäftigt wird, während schwierige Fälle, alle Aufklärungsgespräche und Voruntersuchungen sowie die Festlegung der Behandlungsmethode und die Aushändigung der Anästhesieunterlagen mit dem Logo der Praxis nur durch Gesellschafter der GbR erfolgen. Die Eigenverantwortlichkeit ergibt sich (FG Sachsen-Anhalt 28.3.12, 2 K 336/12, Rev. BFH VIII R 41/12 entgegen einer früheren Entscheidung FG Sachsen-Anhalt 24.8.06, 1 K 982/03) daraus, dass die Mitunternehmer der angestellten Ärztin in berufsrechtlich zulässiger Weise vorgegeben haben, welche der von ihnen entwickelten Behandlungsmethoden angewendet werden soll.

    Im Revisionsverfahren (BFH VIII R 41/12) wird zu klären sein, ob dies ausreicht und inwieweit ein Mitunternehmer einen Angestellten überwachend begleiten muss. Dagegen spricht, dass die Mitunternehmer-Partner einer Rechtsanwaltskanzlei auch dann eigenverantwortlich handeln, wenn ein Gerichtstermins von einem angestellten Anwalt wahrgenommen wird, obwohl Fehlentscheidungen des angestellten Anwalts schwere Folgen für den Mandanten nach sich ziehen können.

     

    Fehlende Überwachung der Angestellten: Ein Facharzt mit Arztpraxis, Unfallklinik und Zweiganstalt, bei dem insgesamt sieben Ärzte angestellt waren, wurde vom BFH als gewerblich eingestuft (BFH 25.10.63, IV 373/60 U, BStBl III 63, 595); ebenso eine anästhesiologische Praxis mit mehreren angestellten Ärzten, wenn der Berufsträger und Praxisinhaber Teile der ärztlichen Tätigkeit - im Streitfall unter anderem einen mobilen Anästhesiedienst - durch fachlich vorgebildete Angestellte ausführen lässt, ohne deren Tätigkeit zu überwachen oder dabei selbst leitend tätig zu sein (FG Sachsen Anhalt 24.8.06, 1 K 982/03).

     

    Anstellung eines Zahnarztes: Demgegenüber vertrat das FG Sachsen-Anhalt (24.8.06, 1 K 30035/02) für den Fall der Anstellung eines approbierten Zahnarztes, dieser könne nach dem Berufsbild noch eigenverantwortlich tätig sein. Zu weiteren Einzelfällen siehe Wacker/Schmidt, 33. Aufl. 2014, § 18 Rz. 29.

     

    2.2 Nullbeteiligungsgesellschaft

    Auch im Falle einer Nullbeteiligungsgesellschaft können die hier erläuterten Maßstäbe dazu führen, dass eine gewerbliche Infektion vorliegt.

     

    2.2.1 Vertragsarztrecht

    Trotz der fehlenden Beteiligung eines Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen kann eine Nullbeteiligung nach (wohl) überwiegender Auffassung auf Dauer vertragsarztrechtlich zulässig sein. Insoweit ist jedoch empfehlenswert, bereits im Kooperationsvertrag festzuhalten, dass der neue Gesellschafter nach einer Übergangsphase von zwei bis drei Jahren am immateriellen Wert einer Praxis (Goodwill) beteiligt wird, da vertragsarztrechtlich höhere Anforderungen als gesellschaftsrechtlich gelten (vgl. hierzu das Urteil des BGH 7.5.07, II ZR 281/05 unter II. 2b). Die Stellung des Arztes als Freiberufler erfordert vertragsarztrechtlich zumindest eine erfolgsabhängige Beteiligung. Der Juniorpartner muss dabei selbstständig und weisungsunabhängig tätig sein, aber nicht zwangsläufig gleichzeitig am materiellen Gesellschaftsvermögen partizipieren (Lindenau/Piltz, PFB 09, 240). Wesentliches Indiz für ein verdecktes Angestelltenverhältnis ist dagegen, wenn ein Mitglied weder am Betriebsvermögen noch am Gewinn beteiligt ist, keine Stimmrechte hat und/oder von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist (BSG 23.6.10, B 6 KA 7/09 R). Wenn ein Arzt von Gewinn, Vermögen und Geschäftsführung „seiner“ Gemeinschaftspraxis auf Dauer ausgeschlossen ist, liegt in vertragsarztrechtlicher Hinsicht nach überwiegender Auffassung ein Anstellungsverhältnis vor (Wenner, „Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform“, München 2008, S. 214).

     

    2.2.2 Steuerrecht

    In steuerrechtlicher Hinsicht sind die Voraussetzungen der Mitunternehmerschaft unabhängig davon, ob eine vertragsarztrechtlich zulässige Ausgestaltung vorliegt, regelmäßig nicht erfüllt. Voraussetzung für eine Mitunternehmerschaft ist nämlich neben dem Vorliegen einer Mitunternehmerinitiative das Vorhandensein eines Mitunternehmerrisikos, welches durch eine Beteiligung lediglich am Gewinn ohne Beteiligung an den stillen Reserven i.d.R. nicht erfüllt wird. Steuerrechtlich ist somit nicht entscheidend, ob der jeweilige Berufsträger berufsrechtlich als verdeckter Angestellter gilt. Liegen die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft nicht vor, muss entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen (Stempeltheorie, siehe 2. gewährleistet sein, dass einer der Mitunternehmer jeder Behandlung seinen Stempel aufdrückt.

     

    PRAXISHINWEIS | Dasselbe Ziel wie bei einer Nullbeteiligungsgesellschaft kann auch erreicht werden, wenn der neu eintretende Arzt von vornherein eine feste Beteiligung übernimmt, die Einlage aber gestundet wird und die Vertragsparteien ein auf z.B. ein bis zwei Jahre befristetes Sonderkündigungsrecht haben, für dessen Dauer lediglich der Nominalbetrag der Beteiligung zurückzuzahlen ist (sodass im Falle einer Sonderkündigung mit der ausstehenden Einlage verrechnet werden kann). Auf diese Weise dürfte sich bereits mit Beitritt eine Mitunternehmerstellung ergeben.

     
     

    Weiterführende Hinweise

    • Einkünftequalifizierung: Steuerliche Fallstricke bei der Anstellung von (Zahn-)Ärzten (Paschhoff, PFB 13, 304)
    • Vertragsgestaltung: BAG-Scheingesellschafter und Honorarregress (Piltz, PFB 11, 12)
    • Insolvenzverwaltung: Angestellte Mitarbeiter und das gewerbesteuerliche Infektionsrisiko (Kratzsch, PFB 10, 176)
    • Praxisnachfolge: Modelle für einen gleitenden Praxisübergang (Lindenau/Piltz, PFB 09, 240)
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 201 | ID 42693901

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