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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Rechtsprechung

    Immer wieder ein Streitthema: Wann sind Leistungen des Zahnarztes nutzlos?

    von RAin und FAin für MedR Anja Mehling, Health AG, Hamburg

    | Im September hat der Bundesgerichtshof (BGH) für den Fall einer fehlerhaft durchgeführten Implantation entschieden, wann die Leistung für den Patienten völlig wertlos ist. In den Medien wird es oft als das Urteil zur Stärkung der Verbraucherrechte einseitig (miss-)interpretiert. Der BGH hat sich eingehend damit befasst, unter welchen Voraussetzungen der Honoraranspruch bei Fehlern entfällt ( 13.09.2018, Az. III ZR 294/16, Abruf-Nr. 204759 ). Trotz klarer Grundaussagen beschäftigt die Frage regelmäßig die Gerichte. Aktuell gibt es ein Verfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG; Az. 4 U 89/81). |

    Der praktische Fall

    Der Patient befand sich im Frühjahr 2014 zur implantatgetragenen Versorgung in Behandlung in der Praxis Z. Nach Implantation und zwischenzeitlicher provisorischer Versorgung wurde der endgültige Zahnersatz im Oberkiefer eingegliedert. Trotz mehrfacher Nacharbeiten war der Patient nicht zufrieden, sodass er die Behandlung im Herbst 2014 abbrach.

     

    Er verweigert eine Bezahlung des Honorars, weil nach seiner Meinung die erbrachten Leistungen in der Praxis Z. mangelhaft sind. Der Patient trägt und nutzt die prothetische Arbeit seit der Eingliederung im Frühjahr 2014 bis dato unverändert. Im derzeit anhängigen Verfahren ist nach Erhebung der Honorarklage vor dem Landgericht (LG) streitig, ob die Versorgung mit Blick auf die lange Tragedauer tatsächlich unbrauchbar ist.

    Grundsätzliches

    Der Behandlungsvertrag ist ein Dienstvertrag, das heißt: Das Honorar wird auch geschuldet, wenn die Leistungen fehlerhaft sind. Der Zahnarzt verspricht nämlich keinen Erfolg. Ist die Leistung zu beanstanden, so hat der Patient nicht das Recht, das Honorar zu kürzen. Entscheidend ist, ob das schuldhaft vertragswidrige Verhalten des Zahnarztes ‒ also ein Fehler ‒ die Kündigung des Behandlungsvertrags durch den Patienten begründet hat und (!) die bis dato erbrachten Leistungen für den Patienten von Nutzen sind oder eben nicht. Das ist erst dann der Fall, wenn der Patient die Arbeit des Zahnarztes objektiv nicht gebrauchen kann und sie auch nicht nutzt.

    Vorinstanzliche Feststellungen

    Der gerichtliche Sachverständige hatte in seinem Gutachten von erheblichen Mängeln gesprochen, die sich insbesondere in der Bisssituation zeigten. Z. habe es versäumt, vor Anfertigung der neuen Kronen im Oberkiefer die Situation im Unterkiefer zu korrigieren, und damit Fehler bei der Gestaltung der Oberkieferkronen übernommen. Zur Behebung der Mängel seien eine neue aufwendige Bestimmung der Bisslage sowie deren Umsetzung in den Restaurationen notwendig. Die Kronen seien fest zementiert, eine Entfernung sei ohne Zerstörung nicht möglich. Da ein Nachbehandler auf die prothetischen Vorarbeiten von Z. nicht zurückgreifen könne, seien die Leistungen im Ergebnis unbrauchbar. Das LG hatte die Klage auf dieser Basis abgewiesen und sich überhaupt nicht mit der Frage des Nutzens der Arbeit auseinandergesetzt.

    Zur Entscheidung stehender Sachverhalt vor dem OLG

    In der Berufungsinstanz geht es maßgeblich um diese Frage. Das OLG stützt die Ansicht der Vorinstanz, wonach durch die Feststellungen des Sachverständigen bewiesen sei, dass die Arbeit für den Patienten wertlos ist. Die prothetische Versorgung im Oberkiefer sei für ihn ohne Interesse, da eine Korrektur der Bisslage nur durch die Entfernung und Zerstörung der fest zementierten Kronen möglich sei. Laut OLG steht der Annahme, dass die Leistung für den Patienten ohne Interesse ist, nicht entgegen, dass er sie seit längerer Zeit nutze. Es sei ihm nicht zumutbar, die Einschränkungen, die sich aus der mangelhaften Bisssituation ergeben, weiter hinzunehmen.

    Eigene Anmerkungen und Bewertung

    Zwar hat der Sachverständige erklärt, dass der Zahnersatz nicht brauchbar, vielmehr zu erneuern sei. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Leistungen für den Patienten tatsächlich unbrauchbar und nicht von Interesse sind. Nutzt ein Patient den seitens des Sachverständigen als unbrauchbar oder wertlos eingestuften Zahnersatz über einen längeren Zeitraum, kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass Leistungen gänzlich unbrauchbar sind. Denn der Rechtsprechung des BGH folgend besteht der wirtschaftliche Wert der Versorgung für den Patienten schon darin, dass er sie tatsächlich nutzt.

     

    So hat auch das OLG Düsseldorf in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 11.04.2018, Az. 18 U 159/16, Abruf-Nr. 205558, PA 11/2018, Seite 2) entschieden, dass die dortige klagende Patientin keinen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Zahnarzthonorars wegen vermeintlicher Unbrauchbarkeit der Versorgung hat. Das Gericht hielt es für irrelevant, ob ein Patient die angeblich mangelhafte Versorgung aus Gründen der Beweissicherung, aus finanziellen oder aus gesundheitlichen Gründen weiterhin trägt. Ebenso sei unerheblich, ob das Tragen der umstrittenen Prothetik mit erheblichen Beeinträchtigungen für den Patienten verbunden ist.

     

    Es erschließt sich im Ergebnis nicht, warum der Patient, der nun schon jahrelang Nutznießer der zahnärztlichen Versorgung ist, keine Zahlung leisten soll. Er trägt die Arbeit seit über viereinhalb Jahren. Dabei ist schon fraglich, ob er ‒ wie behauptet ‒ unter erheblichen Beschwerden leidet. Anderenfalls wäre zu erwarten gewesen, dass er die Ursache längst hätte beheben lassen. Da die Arbeit für ihn von Wert ist, ist der Anspruch auf vollständige Zahlung des geltend gemachten Honorars gegeben.

     

    Es bleibt zu hoffen, dass das OLG die Sache so entscheidet.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 2 | ID 45608606