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  • · Fachbeitrag · Kostenerstattung

    Immer wieder die Laborkosten, das häufigste Erstattungsproblem: Wie kann man reagieren?

    von Rechtsanwältin Doris Mücke, Bad Homburg

    | Sie sind das häufigste Erstattungsproblem, mit denen Zahnarztpraxen konfrontiert werden: Leistungskürzungen bei zahntechnischen Laborkosten. Doch wie kann man reagieren, wenn man von Patienten damit konfrontiert wird, und wie ist die Rechtslage? Damit befasst sich dieser Beitrag. |

    Sachkostenlisten gelten nicht für Altverträge vor 1998

    Auch die Höhe der Erstattungseinschränkungen hat stark zugenommen. Dies liegt in erster Linie daran, dass parallel zur erstmaligen Einführung des BEL I in das GKV-System auch private Krankenversicherungen (PKVen) im Jahr 1998 damit begonnen haben, Tarife anzubieten, die für die Erstattung zahntechnischer Laborkosten auf Sachkostenlisten verweisen.

     

    Heute sind derartige Tarife der Regelfall. Obwohl die PKV dies nicht klar kommuniziert, sind Leistungsumfang und Preise dieser Verzeichnisse bzw. Listen dem BEL angenähert. Lediglich Krankenversicherungsverträge, die vor dem 01.01.1998 geschlossen wurden (sog. unbeschränkte Altverträge), enthalten regelmäßig noch keine vertraglich vereinbarten Leistungs- und Preisbeschränkungen. Hier gilt der Grundsatz, dass deckungsgleich zur Regelung des § 9 GOZ die angemessenen Laborkosten zu erstatten sind.

     

    Zwar behaupten PKVen immer wieder, ihre Preis- und Leistungsverzeichnisse würden auch für Altverträge gelten, weil sie angeblich die angemessenen Preise für geplante bzw. durchgeführte zahntechnische Arbeiten enthielten. Diese Behauptung ist aber konkret angreifbar und bewahrheitet sich im Streitfall in der Regel nicht. Allein die Tatsache, dass die Preis- und Leistungsverzeichnisse bzw. Sachkostenlisten eine Vielzahl von Arbeitsschritten bzw. Leistungen nicht enthalten, widerlegt diese Behauptung.

    Was gilt, wenn der Tarif vertraglich vereinbarte Listen enthält?

    Schwieriger wird es, wenn der Tarif tatsächlich vertraglich vereinbarte Sachkostenlisten enthält. Der BGH meinte im Urteil vom 18.01.2006 (Az. IV ZR 244/04, Abruf-Nr. 060628) zwar, derartige Listen seien rechtswirksam, weil sich der Versicherte über den Umfang des Versicherungsschutzes kundig machen könne. Dies verträgt sich aber kaum mit der Rechtsprechung, dass es für die Auslegung von AGB auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne Spezialkenntnisse ankomme.

    Umfang des Versicherungsschutzes nicht nachvollziehbar

    Für den Patienten bzw. Versicherten dürfte bei Abschluss des Vertrags weder eine Sachkostenliste noch ein Preis- und Leistungsverzeichnis auch nur annähernd durchschaubar sein und eine Vorstellung vom Umfang des Versicherungsschutzes vermitteln. Dementsprechend sind auch die Leistungsabrechnungen aufgrund derartiger Verzeichnisse für den Versicherten nicht nachvollzieh- bzw. überprüfbar. Dies macht es dem Versicherten unmöglich, zu beurteilen, ob die erheblichen Leistungseinschränkungen aufgrund der Sachkostenlisten zutreffend sind. Noch schwieriger wird es dadurch, dass die Benennung der einzelnen Arbeitsschritte nicht immer übereinstimmt.

    Sind veraltete Sachkostenlisten trotzdem anwendbar?

    Die Anwendung vertraglich vereinbarter Sachkostenlisten bringt noch ein weiteres Problem mit sich: Anders als beim BEL werden vertraglich vereinbarte Sachkostenlisten vom Versicherer nicht immer fortgeschrieben. So kommt es oft vor, dass Sachkostenlisten beispielsweise aus dem Jahr 2003 bzw. 2005 als Erstattungsgrundlage für aktuelle Versicherungsfälle herangezogen werden.

     

    Ob die Abrechnung auf der Grundlage derart veralteter Sachkostenlisten bzw. Verzeichnisse vertraglich zulässig ist, dürfte zweifelhaft sein. Diese Listen geben weder die aktuellen angemessenen Preise noch den aktuellen Stand des zahnmedizinischen Fortschritts wieder. Hier besteht im Streitfall gerichtlicher Klärungsbedarf, der wünschenswert und anzustreben ist.

     

    Nur wenige PKVen haben ihre Versicherungsbedingungen so gestaltet, dass eine Selbstverpflichtung zur regelmäßigen Preisanpassung an den Marktpreis und Anpassung der Leistungsinhalte an den medizinischen Fortschritt abgegeben wird. So lauten die Tarifbedingungen z. B. der AXA in Bezug auf Sachkostenlisten (Preis- und Leistungsverzeichnis für zahntechnische Kosten):

     

    • AVB Teil I, Nr. 19 (2)

    „Der Versicherer vergleicht alle zwei Jahre die Entwicklung des Niveaus der in der Sachkostenliste genannten Leistungsinhalte und der dort angegebenen Höchstpreise mit den entsprechenden Marktpreisen. Weicht die Relation aller vom Versicherer ausgewerteten Rechnungen im Mittelwert um mindestens 10 Prozent von den letztgültigen Höchstpreisen der Sachkostenliste ab, wird der Versicherer mit Zustimmung des Treuhänders die Höchstpreise der Sachkostenliste im selben Verhältnis anpassen. Bei dieser Gelegenheit wird auch überprüft, ob die Liste in ihren Leistungsinhalten geändert oder ergänzt werden muss; erforderlichenfalls wird dies mit Zustimmung des Treuhänders vorgenommen. Die neuen Leistungsinhalte bzw. Höchstsätze gelten dann für Behandlungen, die am 1. des übernächsten Monats nach der Benachrichtigung der Versicherungsnehmer oder später beginnen.“

     

    Entsprechend dieser Regelung passen einige PKVen auch ohne eine solche schriftliche Selbstverpflichtung in zeitlichen Abständen ihre Sachkostenlisten an. Andere meinen dagegen, dazu nicht verpflichtet zu sein, und rechnen daher auf der Grundlage völlig überalteter Sachkostenlisten ab. Der Versicherte sollte daher beim Versicherer die Sachkostenliste anfordern, auf deren Grundlage die Versicherung ihre Erstattung berechnet hat, um die Aktualität hinsichtlich Inhalt und Angemessenheit der Preise überprüfen zu können.

     

    PRAXISHINWEIS | Grundsätzlich ist den Patienten auf Nachfrage zu verdeutlichen, dass die Leistungskürzung des Versicherers versicherungsvertraglich bedingt ist und aus der Anwendung eines vertraglich vereinbarten beschränkten Versicherungsschutzes resultiert, der nicht mit § 9 GOZ korrespondiert.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 1 | ID 44999837