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  • Der GOZ-Prozess, Teil 4
    Wie kann man sich gegen ein negatives Gutachten zur Wehr setzen?
    von Rechtsanwalt und Notar Frank Ihde, Arzt- und zahnarztrechtliche Beratungspraxis, Hannover
    In den ersten drei Teilen dieser Beitragsserie hatten wir uns dem taktischen Vorgehen der Kostenerstatter (Nr. 4/2004, S. 4 ff.), der Vorgehensweise bei der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf Kostenerstattung (Nr. 5/2004, S. 4 ff.) und der Rolle des Gutachters im Prozess (Nr. 6/2004, S. 5 f.) befasst.
    Wenn nun der Gutachter sein schriftliches Gutachten erstattet hat, schlägt die Stunde der Wahrheit: Er hat sich - bei allen oder einigen Positionen - festgelegt. Was aber ist zu tun, wenn man mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden ist?
    "Ergänzungsfrage" zum Gutachten kann gestellt werden
    Die Zivilprozessordnung (ZPO) bietet die Möglichkeit, das Gericht um Ergänzung des Gutachtens zu bitten. In der Praxis geschieht dies dadurch, dass Gegenvorstellungen schriftlich formuliert und über das Gericht an den Gutachter herangetragen werden. Gelangt man zum Beispiel durch Einsichtnahme in Urteilssammlungen oder Kommentare zu der Auffassung, dass der Gutachter die Beweisfrage falsch beantwortet hat, so lohnt sich eine entsprechende Ergänzungsfrage.
    Beispiel: Trägt der Gutachter vor, dass die GOZ-Nr. 203 je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich nur einmal berechenbar ist, und stellt er sich damit auf den Standpunkt, dass die Nr. 203 nicht mehrmals berechnet werden kann, so muss überprüft werden: Ist die Berechnung je unterschiedlicher Maßnahme je einmal erfolgt, also mehrfach je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich? Dazu sagt beispielsweise die Bundeszahnärztekammer:
    "Die GOZ-Nr. 203 ist je notwendiger Maßnahme berechenbar. Die Bezeichnung der jeweils durchgeführten Maßnahmen im Leistungstext ist empfehlenswert."
    Ladung des Gutachters vor Gericht zulässig
    Hat der Gutachter Ergänzungsfragen - erneut - nicht im Sinne der Partei entschieden, so besteht darüber hinaus die Möglichkeit, den Gutachter zwecks Erläuterung seines Gutachtens vom Gericht laden zu lassen. Der Anspruch besteht auch dann, wenn das Gericht selbst das Gutachten (nunmehr) für schlüssig und plausibel hält. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
    Kommt es dann zum Gerichtstermin und ist der Gutachter geladen, dürfen von den Parteien an den Gutachter Fragen gestellt werden. Für viele Zahnärzte ist zunächst erstaunlich, dass das Gericht keine Vorträge zur Fachfrage, sondern nur Fragen zulässt. Natürlich kommt es in der Regel dann auch zu einem kurzen kollegialen Gespräch zwischen dem Gutachter und dem Zahnarzt, wenn dieser direkt Prozesspartei ist. Der Zahnarzt ist in einer solchen Situation gut beraten, sich sachlich, ruhig und fundiert mit dem Gutachter zu unterhalten. Emotionale Übergriffe helfen in der Regel nichts, weil Gutachter dazu neigen, ihre Meinung "durchzubringen".
    Vor einem allzu schnellen Antrag, den Gutachter zwecks Erläuterung seines Gutachtens zu laden, muss allerdings gewarnt werden. Bestehen nicht wirklich diskussionsfähige Fragestellungen und konkrete Angriffspunkte gegenüber der Argumentation des Gutachters, verschlingt ein Termin mit Anwesenheit des Gutachters nur Geld und Nerven.
    Frage nach "vertretbarer" Auslegung des Gebührentarifs wichtig
    Es lohnt sich in jedem Fall, den Gutachter auch dazu zu befragen, ob er die Abrechnung des Zahnarztes wenigstens für vertretbar hält. Bekanntlich existieren oftmals zu konkreten Abrechnungsfragen ganz unterschiedliche, auch in Literatur und Rechtsprechung genannte Meinungen.
    Ist das so, besteht in der Regel schon dann ein Erstattungsanspruch gegenüber der privaten Krankenversicherung, wenn der Zahnarzt wenigstens vertretbar abgerechnet und die Versicherung nicht im Vorfeld darauf hingewiesen hat, dass sie eine ganz bestimmte Auslegung nicht teilt. Deshalb kann ein geschickter Anwalt hier oftmals noch Punkte sammeln, indem er - was der Gutachter dann gern bestätigt - fragt, ob der Zahnarzt wenigstens eine von mehreren vertretbaren Möglichkeiten gewählt hat.
    Trennung zwischen Sachverhalt und eigener Wertung gewährleistet?
    Bei der Überprüfung des schriftlichen Gutachtens ist ferner darauf zu achten, dass Gutachter häufig nicht ausreichend zwischen Sachverhalt und eigener Wertung trennen. Der Gutachter soll die Richtigkeit der Abrechnung überprüfen und nicht die Frage beurteilen, ob der Zahnarzt einzelne Leistungen erbracht hat oder nicht. Letztere Frage ist Gegenstand des Prozesses, nicht der Begutachtung.
    Beispiel: Wir lesen oft im Gutachten, dass der Zahnarzt mehrere Einmal-instrumente nicht berechnen kann, weil nicht glaubhaft sei, dass so viele Instrumente benötigt wurden. Hier muss der Anwalt natürlich darauf hinweisen, dass die Frage der "Glaubhaftigkeit" streng genommen nicht Gegenstand der Begutachtung ist (vergleiche dazu Oehler, Der zahnärztliche Sachverständige, S. 133).
    Quelle: Privatliquidation aktuell - Ausgabe 07/2004, Seite 11
    Quelle: Ausgabe 07 / 2004 | Seite 11 | ID 104940