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  • · Fachbeitrag · Zahnersatz

    Die korrekte und vollständige Abrechnung der Sanierung eines Milchzahngebisses

    von Marion Stang, Gebührenreferentin, Health AG Hamburg

    | In diesem Beitrag wird die Abrechnung der Sanierung des Milchzahngebisses bei einem vierjährigen Kind erläutert. |

    Der Fall

    Die vierjährige Lara kommt mit ihren Eltern zum ersten Mal in die Kinderzahnarztpraxis zu einer zahnmedizinischen Untersuchung. Der Befund zeigt diverse frühkindliche Kariesläsionen im Bereich der Front- und Seitenzähne, die durch das Nursing-Bottle-Syndrom (Nuckel- bzw. Saugerflaschenkaries) hervorgerufen wurden. Nach Aufklärung über die Befunde (nicht erhaltungsfähige Frontzähne unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach SGB V und tief zerstörte Seitenzähne) und Darlegung aller Behandlungsalternativen wählen die Eltern eine schonende und zahnerhaltende Versorgung für ihr Kind, damit die Zähne hinsichtlich der Kaufunktion, der Phonetik und der Ästhetik sowie der allgemeinen Gebissentwicklung lange erhalten bleiben. Im hier vorliegenden Fall wünschen die Eltern die ästhetisch hochwertigste Versorgung in Form von zahnfarbenen Kinderkronen.

    Die Ausgangslage

    Unter Berücksichtigung des eingeschränkten Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stellt sich für das Praxisteam die Frage nach dem Umfang der vertragszahnärztlichen Versorgung bei GKV-Patienten. Nach § 12 SGB V erstatten die gesetzlichen Krankenkassen auf Grundlage des Sachkostenprinzips nur konfektionierte metallische Kinderkronen für die Seitenzähne (BEMA-Nr. 14) sowie nur herausnehmbaren Zahnersatz für die Frontzähne (zwingend nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse). Der Wunsch nach einer Versorgung der Frontzähne mit Kronen ist im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung über die GKV nicht erfüllbar.

     

    Die unterschiedlichen Versorgungsformen und Berechnungsmöglichkeiten sollen hier vorgestellt werden, damit die Kostenvoranschläge und Privatvereinbarungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

    1. Versorgung in Schmelz-Ätz-Technik mithilfe von Stripkronen

    Je nach Zerstörungsgrad der Frontzähne und günstiger Verzahnung des Ober- und Unterkiefers könnte zum Beispiel mithilfe von sogenannten Stripkronen die Versorgung in Schmelz-Ätz-Technik vorgenommen werden. Nach dem Entfernen der kariösen Defekte wird die verbleibende Zahnhartsubstanz für die Schmelz-Ätz-Technik vorbereitet, der Kunststoff in die vorher angepasste durchsichtige Stripkrone eingefüllt, auf dem Zahnstumpf platziert und lichtgehärtet. Nach dem Aushärten werden die Stripkronen aufgeschlitzt, abgenommen und die Rekonstruktion nachgearbeitet bzw. poliert. Zusätzlich zeigt sich ein ästhetisch zufriedenstellendes Bild. Zur Berechnung bietet sich bei der beidseitigen Eckenversorgung die GOZ-Nr. 2120 - je Ecke einmal - an, da es sich weder um einen klassischen Aufbau nach GOZ-Nr. 2180 noch um eine Kronentherapie nach GOZ-Nr. 2200 handelt. Eine darüber hinausgehende Versorgung (alle Flächen) wäre gemäß § 6 Abs. 1 GOZ abzurechnen, da für diese Maßnahme keine geeignete Ziffer in der GOZ zur Verfügung steht.

    2. Eingliederung konfektionierter Kinderkronen

    Bei sehr hohem Zerstörungsgrad oder Zahnfehlstellungen ist die oben beschriebene Maßnahme bei Milchzähnen nicht mehr indiziert; es können nur noch die konfektionierten Kinderkronen eingegliedert werden. Diese sind mittlerweile auch mit Kunststoff ummantelt oder aus Zirkon erhältlich, aber nicht im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung anzubieten.

     

    Da bei einer verblendeten Stahlkronenversorgung oder einer konfektionierten Zirkonkrone nicht nur die Kontaktpunkte abgenommen, sondern unter Umständen zusätzlich Mini-Retentionen präpariert werden, könnte man annehmen, dass die GOZ-Nr. 2200 in Ansatz gebracht werden müsste. Es fehlen aber neben der vollständigen tangentialen Präparation noch wesentliche Inhalte der Leistungsbeschreibung - nämlich die Abdrucknahme, die Relationsbestimmung, die Farbabnahme und die Einprobe. Insofern ist die Leistungsbeschreibung nicht vollständig erbracht. Die Berechnung der Tangentialkrone ist auch nicht mit einem niedrigeren Steigerungssatz möglich, da nur die vollständige Leistungserbringung in Rechnung gestellt werden kann.

     

    In der GOZ ist für die Eingliederung einer konfektionierten Krone in der pädiatrischen Zahnheilkunde die Nr. 2250 enthalten. Zwar enthält die Leistungsbeschreibung hierfür nicht ausdrücklich die Präparation, aber nach Ansicht der Bundeszahnärztekammer sind für diese Gebührennummer die Auswahl der Krone, das Anpassen und die Eingliederung abgegolten sowie für die Notwendigkeit von Präparationen nur der zusätzliche Aufwand zu berechnen (Kommentar der Bundeszahnärztekammer, Stand 13. August 2013, zur Leistungsbeschreibung der GOZ-Nr. 2250, und „Zusätzlicher Aufwand“, jeweils auf Seite 85). Das zusätzliche Herausarbeiten der Retentionen kann also nur mit erhöhtem Steigerungssatz honoriert werden, da es sich nicht um eine eigenständige Maßnahme im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ handelt. Eine Analogberechnung ist hier nicht möglich, da sie nur in Betracht kommt, wenn für eine selbstständige Leistung keine Gebührenziffer zur Verfügung steht - dies trifft hier nicht zu.

     

    Für einen Aufbau mit zusätzlicher Karies-ex-Behandlung kann die GOZ-Nr. 2180 sowie eventuell der Zuschlag für die adhäsive Befestigung (GOZ-Nr. 2197) in Ansatz gebracht werden. Der Kassenzuschuss gemäß § 28 Abs. 2 SGB V kann für die Füllungsleistung (Aufbau) nicht in Abzug gebracht werden, weil bei Lara die Frontzähne als nicht erhaltungswürdig eingestuft sind. Unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) ist nur die Entfernung der zerstörten Milchzähne möglich und eine Versorgung der Frontzähne mit Kronen generell nicht vorgesehen.

     

    Bei der Sanierung der Seitenzähne von Lara, die ebenfalls mit zahnfarbenen konfektionierten Kinderkronen versorgt werden sollen, handelt es sich gleichfalls um eine reine Privatleistung, da der BEMA bei der Nr. 14 (Kinderkrone aus Metall) keine Mehrleistung im Sinne des § 55 Abs. 4 SGB V vorsieht. Auch hier ist nur die GOZ-Nr. 2250 mit individuellem Steigerungsfaktor in Ansatz zu bringen. Der unter Umständen anfallende Aufbau zur Aufnahme einer Krone nach GOZ-Nr. 2180 ist wiederum im Bereich der Mehrkosten nach § 28 Abs. 2 SGB V berechenbar - eventuell mit adhäsiver Befestigung (GOZ-Nr. 2197), da die Milchmolaren grundsätzlich erhaltungsfähig sind.

    Behandlung und Abrechnung der erbrachten Leistungen

    Dem Wunsch von Laras Eltern Rechnung tragend könnte die Behandlung nur auf privatzahnärztlicher Honorarbasis (§ 1 Abs. 1 GOZ) angeboten werden und müsste auf Basis einer Privatvereinbarung nach § 4 Abs. 5 BMV-Z und § 7 Abs. 7 EKVZ erfolgen. Obligate Begleitleistungen und die Auswahl der Anästhesie sollen in diesem Beitrag nicht erörtert werden; sie wären in der Gesamtheit im hier vorgestellten Behandlungsfall ebenfalls auf privater Basis zu erbringen, zuzüglich anfallender Materialkosten.

     

    Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung ist nicht das alleinige Kriterium bei der Auswahl der Behandlungsalternativen. Zu beachten ist auch die Erhaltungswürdigkeit der Milchzähne im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots. Selbst wenn nach den Richtlinien im Sinne des SGB V die Zähne nicht erhaltungswürdig sind, kann eine Kronenversorgung der Milchzähne indiziert sein. Die Versorgung auf diesem Niveau ist jedoch privat zu erbringen.

     

    Der Prozess der Aufklärung aller Behandlungsalternativen und der wirtschaftlichen Aspekte müssen dokumentiert sein (vgl. § 630 c BGB). Voraussetzungen für die Durchführung der Privatbehandlung sind: Privatvereinbarung nach § 4 Abs. 5 BMV-Z bzw. § 7 Abs. 7 EKVZ; Heil- und Kostenplan nach GOZ; eventuell Vereinbarungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ; Abgrenzung einer indizierten Leistung von einer Verlangensleistung (Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ).

    Umfassende Aufklärung der Eltern nach der Sanierung

    Nach Abschluss der Sanierung sollte den Eltern eine umfassende Aufklärung zuteil werden. Dabei sollte in unterstützender Form ein regelmäßiges Screening und die Durchführung kontinuierlicher Prophylaxemaßnahmen speziell für Kleinkinder angeboten werden. Es muss das gemeinsame Einverständnis von Praxisteam und Eltern sein, die kariesfreien und hochwertig versorgten Milchzähne bis zum Durchbruch der bleibenden Zähne gesund zu erhalten und mögliche weitere Schädigungen zu verhindern. Eine offene Kommunikation muss deutlich machen, dass die Eltern für die bewusste Ernährung ihres Kindes und die Pflege der Milchzähne verantwortlich sind. Die konsequente Ausschaltung der Ursache (Dauernuckeln), das Umstellen der Ernährung sowie das Erlernen der Zahn- und Mundhygiene sind unumgänglich. Die Eltern sollten die Praxis im festen Wissen verlassen, dass sich die Erhaltung der Zähne im Kindesalter bis ins Erwachsenenalter auswirkt, weswegen selbst zu tragende Kosten gut investiert sind.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 16 | ID 42585993