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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Diese Revisionsverfahren zur Umsatzsteuer sollten Sie im Blick haben

    von Dipl. Finw. (FH) Thomas Meurer, Stolberg

    | Im Bereich der Umsatzsteuer sind derzeit einige Verfahren beim BFH anhängig, die der steuerliche Berater unbedingt im Auge behalten sollte. Die wichtigsten Verfahren haben wir für Sie zusammengestellt und mit kurzen weiterführenden Hinweisen versehen. |

    1. Speisenumsätze als Nebenleistungen

    Nach Auffassung des BMF (A 12.16 Abs. 8 S. 2 UStAE) stellen Verpflegungsleistungen, die im Zusammenhang mit einer Beherbergung erbracht werden, selbstständige Leistungen dar und unterliegen deshalb nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG. Da zu dieser Thematik derzeit ein Revisionsverfahren (Rev. BFH XI R 3/11) anhängig ist, sollten Beherbergungsbetriebe ihre Fälle offen halten.

     

    Beachten Sie | In der bis zum 31.12.09 gültigen Fassung des § 3a UStG hatte die Frage nach der einheitlichen Leistung auch Auswirkungen auf die Ortsbestimmung, da bei einer an einen Unternehmer erbrachten Reiseleistung im Ausland die Beherbergungsleistungen nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG a.F. am Belegenheitsort des Hotels, die Restaurationsumsätze hingegen nach § 3a Abs. 1 UStG a.F. am Unternehmenssitz des leistenden Unternehmers zu besteuern waren. Diesbezüglich hatte der BFH (15.1.09, V R 9/06) entschieden, dass eine einheitliche Beherbergungsleistung anzunehmen ist, worauf das BMF (4.5.10, IV D 2 - S 7100/08/10011) mit einem Nichtanwendungserlass reagierte. Nun sind erneut einige Verfahren zu dieser Frage anhängig (vgl. BFH V R 33/10, V R 25/11, XI R 20/12, XI R 21/12, XI R 22/12 und XI R 7/13).

    2. Einfuhrumsatzsteuer bei unregelmäßiger Einfuhr

    Nach Ansicht des FG Hamburg (19.12.12, 5 K 302/09) setzt der Wortlaut des 
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG „Einfuhr für sein Unternehmen“ nicht voraus, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer zum Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. Das Verfahren betraf einen Zolllagerhalter, der wegen Unregelmäßigkeiten in seinen Aufzeichnungen vom Zoll zur Zahlung von Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) aufgefordert worden war, obwohl er zu keinem Zeitpunkt Eigentümer der Ware war. Das FG Hamburg ließ den Abzug dieser EUSt als Vorsteuer dennoch zu. Gegen diese Entscheidung ist mittlerweile die Revision vor dem BFH (V R 8/13) anhängig.

     

    Beachten Sie | Nach A 15.8 Abs. 4 S. 2 und Abs. 5 S. 3 UStAE erfolgt die Einfuhr für denjenigen Unternehmer, der im Zeitpunkt der Überführung in den zoll- und steuerrechtlichen Verkehr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. Deshalb kann ein Spediteur bzw. Zolllagerhalter nicht zum Abzug der EUSt berechtigt sein.

     

    PRAXISHINWEISE  | 

    • Das Verfahren hat nicht nur Auswirkungen für Zolllagerhalter, sondern auf sämtliche Sachverhalte, in denen gegenüber einer Person EUSt festgesetzt wird, die nicht Verkäufer oder Käufer der Ware ist. Zu denken ist z.B. an einen Spediteur bei nicht ordnungsgemäß beendetem Versandverfahren oder an Fälle, in denen zum Zeitpunkt der Einfuhr noch keine Eigentumsübertragung beabsichtigt war (z.B. Kommissionshändler für die zum Weiterverkauf bestimmte Kommissionsware; vgl. OFD Frankfurt 17.3.10, S 7100a A - 4 - St 110).

     

    • Aufgrund des Urteils des EuGH (29.3.12, C-414/10) wurde § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG durch das AmtshilfeRLUmsG (BGBl I 13, 1809) ab dem 30.6.13 dahingehend geändert, dass es auf die Entrichtung der EUSt nicht mehr ankommt. Unter Berufung auf das EuGH-Urteil müsste ein Abzug ohne Entrichtung der EUSt auch für Einfuhren vor diesem Stichtag erreicht werden können.
     

    3. Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen

    Nach A 15.2 Abs. 5 UStAE wirkt eine nachträgliche Rechnungskorrektur nicht auf den Zeitpunkt der Ursprungsrechnung zurück. Sie entfaltet somit nur Wirkung für die Zukunft. Seit dem Urteil des EuGH (15.7.10, C-368/09) wird in der Rechtsprechung und Literatur diskutiert, ob einer Rechnungsberichtigung nicht doch eine (zinswirksame) Rückwirkung zukommen kann. Auch wenn der BFH (20.7.12, V B 82/11; vgl. auch MBP 12, 164) diese Frage in seinem Beschluss nicht abschließend geklärt hat, dürfte die Rückwirkung zumindest dann zulässig sein, wenn die Ursprungsrechnung die Merkmale des Rechnungsbegriffs des § 14c UStG aufweist.

     

    PRAXISHINWEIS  | Mit seinem jüngsten Urteil scheint der EuGH (8.5.13, C-271/12) seine Auffassung untermauert zu haben, dass die Rückwirkung einer Rechnungskorrektur anzuerkennen ist. Da es dem EuGH aber offensichtlich auch auf den Zeitpunkt ankommt, ab dem die Korrekturrechnung vorliegen muss, könnte Eile geboten sein. Der EuGH stellt nämlich insoweit auf den Erlass der „ablehnenden Entscheidung über den Vorsteuerabzug“ ab, womit das Datum des Änderungsbescheids, mit dem der Vorsteuerabzug versagt werden soll, gemeint sein müsste. Man darf gespannt sein, wie sich der BFH (Rev. XI R 41/10) zur Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen letztlich positionieren wird.

     

    4. Aufteilungsmaßstab bei Gebäuden

    Werden Gebäude sowohl für vorsteuerunschädliche Zwecke als auch für vorsteuerschädliche Zwecke (z.B. steuerfreie Vermietung oder private Eigennutzung i.S. des § 15 Abs. 1b UStG) verwendet, ist nur ein anteiliger Vorsteuerabzug möglich. Dabei schreibt das UStG vor, dass ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab anzuwenden ist. Nur wenn ein solcher nicht ermittelt werden kann, darf anhand der Ausgangsumsätze aufgeteilt werden (§ 15 Abs. 4 S. 3 UStG).

     

    Da für gewerbliche Vermietungen eine höhere Miete erzielt werden kann, ist eine Aufteilung durch den Umsatzschlüssel regelmäßig günstiger. Inwieweit der faktische Ausschluss des Umsatzschlüssels auch rechtens ist, wird der BFH zu entscheiden haben (vgl. Rev. BFH V R 1/10, V R 2/10 und V R 19/09).

     

    Beachten Sie | In dem Verfahren V R 19/09 hatte der BFH dem EuGH die 
Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt. Zwar entschied der EuGH (8.11.12, C-511/10), dass Deutschland vorrangig einen anderen Aufteilungsschlüssel als den Umsatzschlüssel vorschreiben darf. Voraussetzung ist aber, dass die herangezogene Methode eine präzisere Aufteilung gewährleistet. Ob dies für die Vorschrift des § 15 Abs. 4 S. 3 UStG gilt, muss nun wiederum der BFH entscheiden. Bis dahin sollten sich Unternehmer in geeigneten Fällen auf die anhängigen Revisionsverfahren berufen.

    5. Mindestbemessungsgrundlage

    Die Mindestbemessungsgrundlage kann zur Anwendung kommen, wenn Lieferungen oder sonstige Leistungen an bestimmte Personen zu verbilligten Entgelten erbracht werden. Dabei unterscheidet § 10 Abs. 5 UStG nicht danach, ob der Leistungsempfänger voll vorsteuerabzugsberechtigt ist oder nicht. Demgegenüber hat der EuGH (26.4.12, C-621/10 und C-129/11) kürzlich geurteilt, dass die Mindestbemessungsgrundlage nicht anwendbar ist, wenn der Kunde voll vorsteuerabzugsberechtigt ist, da dann keine Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung droht. Über die Anwendung von § 10 Abs. 5 UStG in diesen Fällen wird sich der BFH äußern müssen (Rev. BFH XI R 44/12).

     

    PRAXISHINWEIS  | Betroffen sind alle Fälle, in denen die Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen ist, der Empfänger der Leistung aber einen 100 %-igen Vorsteuerabzug hat. Sollte das FA die Mindestbemessungsgrundlage im Rahmen 
einer Betriebsprüfung anwenden, können geeignete Fälle unter Berufung auf das anhängige Verfahren offen gehalten werden.

     

    6. Einvernehmliche Vertragsauflösung gegen Schadenersatz

    Bei vorzeitigen Vertragsauflösungen gegen Entschädigung stellt sich stets die Frage, ob von einem steuerbaren Leistungsaustausch auszugehen ist oder echter, nicht steuerbarer Schadenersatz vorliegt. Die Finanzverwaltung nimmt regelmäßig nur dann Schadenersatz an, wenn dem Leistungsempfänger ein Kündigungsrecht zustand, aufgrund dessen Ausgleichszahlungen zu leisten sind. Ob die vorzeitige Beendigung eines Dienstleistungsvertrags gegen Vereinbarung einer Zahlung einen umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch darstellt, wird nun der BFH klären müssen (Rev. BFH V R 22/13).

     

    Beachten Sie | Der BFH (20.3.13, XI R 6/11; MBP 13, 145) hat aktuell entschieden, dass kein Leistungsaustausch vorliegt, wenn der Leasingnehmer an den Leasinggeber nach regulärem Vertragsablauf vereinbarungsgemäß einen Ausgleich für den durch nicht vertragsgemäße Nutzung entstandenen Minderwert des Fahrzeugs leistet. Damit weicht der BFH von der bisherigen Auffassung des BMF (A 1.3 Abs. 17 S. 2 UStAE) ab. Unter Berufung auf das Urteil kann in vergleichbaren Fällen - sofern die Steuerbescheide noch änderbar sind - eine Umsatzbesteuerung für den Minderwertausgleich vermieden werden.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 172 | ID 42261853

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