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  • · Fachbeitrag · Sonderausgaben/außergewöhnliche Belastungen

    Abzug von Krankheitskosten und KV-Beiträgen: Was geht und was geht nicht?

    von StB Dipl.-Finw. (FH) Sonja Steben, Dortmund

    | Beiträge zur Krankenversicherung und selbst getragene Krankheitskosten sind steuerlich abzugsfähig. So lautet der Grundsatz, auf den man sich aber nur eingeschränkt verlassen kann. Denn das Steuerrecht ist gespickt mit Widersprüchen und Ausnahmen. Der Beitrag zeigt, wie die Kosten anzusetzen sind und in welchen Fällen Sie sich als steuerlicher Berater gegen eine Streichung bzw. Nichtberücksichtigung wehren sollten. |

    1. Beiträge zur Krankenversicherung

    Bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Krankenversicherung als Sonderausgaben ist grundsätzlich wie folgt zu unterscheiden:

     

    • Voll abzugsfähig sind die Beiträge für eine Basiskrankenversicherung. Bei einem Anspruch auf Krankengeld erfolgt eine pauschale Kürzung der Beiträge um 4 % (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a EStG).

     

    • Beiträge für Zusatzleistungen, die über die Basisabsicherung hinausgehen (z. B. Chefarztbehandlung, Ein-Bett-Zimmer), sind dagegen nur im Rahmen von Höchstbeträgen abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG). Wurde der Höchstbetrag (2.800 EUR bzw. 1.900 EUR bei teilweiser Übernahme von KV-Beiträgen; Verdopplung bei Zusammenveranlagung) bereits durch Beiträge zur Basisabsicherung ausgeschöpft, wirken sich die weiteren Versicherungsbeiträge (Zusatzleistungen, Arbeitslosenversicherung etc.) nicht mehr steuermindernd aus.

     

    Beachten Sie | Der BFH (9.9.15, X R 5/13) hält die beschränkte Abziehbarkeit der sonstigen Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG) für verfassungsgemäß.

     

    1.1 KV-Beiträge des Kindes

    Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG können eigene Beiträge des Kindes zur Basiskrankenversicherung bei den Eltern als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass die Eltern Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag haben und ihrer Unterhaltspflicht nachkommen.

     

    PRAXISHINWEIS | In der Regel ist der Sonderausgabenabzug bei den Eltern günstiger, da sich beim Kind wegen der Höhe der Einkünfte keine oder nur eine geringe steuerliche Auswirkung ergibt. Die Beiträge können zwischen den Eltern und dem Kind aufgeteilt, im Ergebnis aber nur einmal - entweder bei den Eltern oder beim Kind - berücksichtigt werden (BMF 19.8.13, IV C 3 - S 2221/12/10010:004, Rz. 68; R 10.4 EStR).

     

     

    Das FG Köln (13.5.15, 15 K 1965/12) hat die Abzugsmöglichkeit bei den Eltern jüngst eingeschränkt. Die Besonderheit des Falls war, dass die Beiträge direkt vom Arbeitslohn des Kindes einbehalten wurden. Zudem hatte der Sohn die KV-Beiträge in seiner eigenen Steuererklärung ebenfalls als Sonderausgaben geltend gemacht, weshalb das FA einen Abzug bei den Eltern ablehnte. Hierbei spiele es, so das FA, keine Rolle, dass die Beiträge beim Sohn ohne steuerliche Auswirkung geblieben seien.

     

    Nach Ansicht des FG Köln erfasst § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG nicht die Fälle, in denen steuerlich berücksichtigte Kinder, z. B. aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses, Beiträge von ihrem Arbeitgeber einbehalten bekommen und somit selbst tragen. Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug sei nämlich, dass die Eltern die Beiträge im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung tatsächlich selbst tragen.

     

    PRAXISHINWEIS | Diese Rechtsprechung widerspricht der aktuellen Verwaltungsauffassung, wonach es ausreicht, dass die Eltern ihr Kind durch Unterhaltsleistungen in Form von Bar- oder Sachleistungen (z. B. Unterkunft und Verpflegung) unterstützen (R 10.4 EStR). Das FG Köln hat die Revision zugelassen, da bislang keine Rechtsprechung dazu ergangen ist, ob § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG auch auf Beiträge anzuwenden ist, die vom Lohn des Kindes einbehalten werden. Da die Revision mittlerweile anhängig ist (BFH X R 25/15), sollten geeignete Fälle über einen Einspruch offengehalten werden.

     

    1.2 Steuerfreie Arbeitgeber-Zuschüsse

    Beiträge i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG sind nur dann Sonderausgaben, wenn sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse zur Krankenversicherung sind stets vollständig mit den Beiträgen zur Basisabsicherung zu verrechnen - und zwar unabhängig davon, ob sie ggf. auch auf Zusatzleistungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG) entfallen. Diese Vorgehensweise hat der BFH (2.9.14, IX R 43/13) bestätigt.

     

    • Beispiel

    Der ledige A zahlt an seine private KV Beiträge i. H. von 6 TEUR p.a. Hiervon entfallen 85 % (= 5,1 TEUR) auf die Basisversorgung und 15 % (= 0,9 TEUR) auf Zusatzleistungen. A erhält von seinem Arbeitgeber einen steuerfreien Beitragszuschuss i. H. von 3 TEUR.

     

    Der Arbeitgeberzuschuss mindert in voller Höhe den Beitrag zur Basisversorgung. Somit sind nur 2,1 TEUR als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a EStG abzugsfähig, obwohl der Zuschuss auch Beiträge für Zusatzleistungen unterstützt. Der Höchstbetrag von 1,9 TEUR (vgl. oben) ist bereits ausgeschöpft.

     

    1.3 Verrechnung von Beitragsrückerstattungen

    Durch Beitragsrückerstattungen wird der Steuerpflichtige wirtschaftlich nicht belastet, sodass die entsprechenden Beiträge zu mindern sind. Weicht das Jahr der Beitragszahlung vom Jahr des Zuflusses der Beitragsrückerstattung ab, ist die Rückerstattung mit gleichartigen im VZ des Zuflusses geleisteten Aufwendungen im Rahmen derselben Nummer des § 10 Abs. 1 EStG zu verrechnen. Verbleibt nach der Verrechnung ein Erstattungsüberhang, dann ist wie folgt zu unterscheiden (vgl. auch BMF a.a.O., Rz. 159):

     

    • Bei Aufwendungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG (insbesondere Beiträge zur Basisabsicherung) erhöht ein verbleibender Erstattungsüberhang den Gesamtbetrag der Einkünfte des laufenden VZ (§ 10 Abs. 4b S. 3 EStG).

     

    • Bei Aufwendungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG (z. B. Beiträge für Zusatzleistungen, Arbeitslosenversicherung etc.) werden Erstattungsüberhänge nicht dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet, da es sich nur um beschränkt abziehbare Aufwendungen handelt. Über § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgt ein Rückgriff auf einen früheren VZ.

     

    1.4 Behandlung von Bonuszahlungen der Krankenkassen

    Leisten Krankenkassen Prämienzahlungen nach § 53 SGB V oder Bonuszahlungen nach § 65a SGB V, sind diese wie Beitragsrückerstattungen zu behandeln (BMF a.a.O., Rz. 72). Nach einem steuerzahlerfreundlichen Urteil des FG Rheinland-Pfalz (28.4.15, 3 K 1387/14) mindern Bonuszahlungen der Krankenkasse den Sonderausgabenabzug allerdings nicht. Gegen diese Entscheidung ist die Revision anhängig (BFH X R 17/15).

     

    PRAXISHINWEIS | Ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich, da das BMF seinen Vorläufigkeitskatalog erweitert hat (BMF 5.11.15, IV A 3 - S 0338/07/10010). Danach sind Einkommensteuerfestsetzungen für VZ ab 2010 hinsichtlich der Kürzung der Beiträge zur Basiskrankenversicherung um Bonuszahlungen der Krankenkasse für gesundheitsbewusstes Verhalten (§ 65a SGB V) nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AO vorläufig vorzunehmen, falls Beiträge i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a EStG um Beitragserstattungen, Prämienzahlungen oder Bonuszahlungen einer gesetzlichen Krankenversicherung gekürzt wurden. Aber: Der Vorläufigkeitsvermerk umfasst nicht die Frage einer Kürzung der Beiträge zur Basiskrankenversicherung um erstattete Beiträge und um Prämienzahlungen nach § 53 SGB V.

     

    2. Selbst getragene Krankheitskosten

    Bei den selbst getragenen Krankheitskosten ist zu unterscheiden, ob sie zwecks einer Beitragsrückerstattung erfolgen oder unvermeidbar sind.

     

    2.1 Selbst getragene Kosten zwecks Beitragsrückerstattung

    Zahlungen wegen Selbst- und Eigenbeteiligungen gehören nicht zu den Beiträgen i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a EStG und sind somit keine Sonderausgaben (BFH 8.10.13, X B 110/13). Nach Meinung des FG Münster (17.11.14, 5 K 149/14 E, rkr.) gilt diese Rechtsprechung auch für selbst getragene Krankheitskosten zur Erlangung einer Beitragsrückerstattung.

     

    Beachten Sie | Die Aufwendungen waren im Streitfall des FG Münster auch nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Der Abzug nach § 33 EStG scheiterte hier an der Zumutbarkeitsschwelle des § 33 Abs. 3 EStG (vgl. hierzu unter 2.2).

     

    Das FG Rheinland-Pfalz (31.1.12, 2 V 1883/11, rkr.) geht sogar noch einen Schritt weiter: Verzichtet der Steuerpflichtige auf eine Erstattung, um eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, nimmt dies den Aufwendungen grundsätzlich den Charakter der Zwangsläufigkeit i.S. des § 33 EStG. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann geboten, wenn der Verzicht auf den Erstattungsanspruch selbst zwangsläufig oder die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Da der Abzug selbst getragener Kosten hier regelmäßig scheitern wird, sollte vorher durchgerechnet werden, ob sich eine Beitragsrückerstattung unter dem Strich überhaupt lohnt.

     

     

    Beachten Sie | Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch auf ein anhängiges BFH-Verfahren hinzuweisen: Hier geht es um die Frage, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, Selbstbehalte bei Krankenversicherungen ohne Kürzung um eine zumutbare Belastung zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen bzw. als Sonderausgaben zu berücksichtigen (BFH X R 43/14; im Kern ablehnend: Vorinstanz FG Köln 15.8.13, 15 K 1858/12).

     

    2.2 Unvermeidbare Zuzahlungen

    Unvermeidbare Krankheitskosten (z. B. Zuzahlungen zu Medikamenten) sind zwar nicht als Sonderausgaben zu berücksichtigen, weil sie keine KV-Beiträge i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a EStG darstellen. Da sie aber regelmäßig zwangsläufig i. S. des § 33 EStG entstehen, handelt es sich um außergewöhnliche Belastungen. Die Zwangsläufigkeit muss der Steuerpflichtige in einer Reihe von Fällen formalisiert nachweisen (§ 64 EStDV).

     

    Da sich außergewöhnliche Belastungen nur dann auswirken, wenn die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG überschritten wird, bleiben sie oft ohne steuermindernden Effekt. Nach Ansicht des BFH (2.9.15, VI R 33/13, VI R 32/13) ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, bei Krankheitskosten auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten. Denn zum verfassungsrechtlich zu achtenden Existenzminimum, das sich grundsätzlich nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet, gehören solche Zuzahlungen nicht, da auch Sozialhilfeempfänger solche leisten müssen.

     

    Beachten Sie | Eine Zuzahlung mag zwar dann nicht mehr zumutbar sein, wenn dadurch in das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum eingegriffen werden sollte. Das war in den Streitfällen angesichts der Einkünfte der Steuerpflichtigen und deren Aufwendungen von 143 EUR und 170 EUR aber nicht der Fall. Somit konnte der BFH offenlassen, ob etwas anderes gilt, wenn der Steuerpflichtige Zuzahlungen leisten muss und dadurch das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag (8.652 EUR in 2016) unterschreitet.

     

    PRAXISHINWEIS | Endgültig entschieden ist die Frage nach dem Ansatz einer zumutbaren Belastung aber noch nicht, denn die unterlegenen Steuerpflichtigen haben Verfassungsbeschwerde eingelegt, die unter dem Az. 2 BvR 180/16 anhängig ist. Es ist somit zu vermuten, dass Steuerbescheide in diesem Punkt weiterhin vorläufig ergehen werden und ein Einspruch nicht erforderlich ist.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2016 | Seite 42 | ID 43819007

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