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  • · Fachbeitrag · Aktuelles zur Abgeltungsteuer

    Tücken bei der Substanzbesteuerung und der Anerkennung von Verlusten

    von StBin Katharina Martin und StB Prof. Dr. Robert Strauch, beide Berlin

    | Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von Wertpapieren, die nach dem 31.12.08 angeschafft wurden, sind steuerpflichtig. Zumindest die Finanzverwaltung ist jedoch der Ansicht, dass es hiervon einige - eher profiskalische - Ausnahmen gibt. Der Beitrag zeigt die Tücken der Substanzbesteuerung sowie zahlreiche Fälle, in denen die Finanzverwaltung die Verluste nicht anerkennen will. |

    1. Allgemeines zur Substanzbesteuerung

    § 20 Abs. 2 EStG definiert, inwieweit der Gewinn aus der Veräußerung von Wertpapieren zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählt. Zum Teil bezieht sich § 20 Abs. 2 EStG auch auf die Übertragung eines Rechts (Nr. 5 und Nr. 8) oder den Differenzausgleich bei Termingeschäften (Nr. 3). § 20 Abs. 4 EStG bestimmt sodann, wie der Gewinn i.S. des Abs. 2 zu ermitteln ist.

     

    Obwohl bei der Gewinnermittlung viele Fälle unterschieden werden können (z.B. Forderungsausfall insbesondere bei der Insolvenz des Emittenten, Liquidation einer AG, wertloser Verfall eines Wertpapiers insbesondere bei Zertifikaten und Optionen), geht § 20 Abs. 4 EStG im Wesentlichen nur auf einen Sonderfall ein - nämlich den der verdeckten Einlage. Die Finanzverwaltung schließt hieraus, dass die anderen Sonderfälle nicht von § 20 EStG erfasst sind und ein Verlust insofern steuerlich nicht anzuerkennen ist (zu den einzelnen Fällen siehe Abschnitt 2).

     

    Außerdem vertritt das BMF in seiner ergänzten Fassung des Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer (BMF 9.10.12, IV C 1 - S 2252/10/10013, Rz. 59) die Auffassung, dass eine steuerrelevante Veräußerung von Wertpapieren nur dann vorliegt, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten übersteigt.

     

    • Beispiel

    Für seine Wertpapiere erlöst X 10 EUR. Gleichzeitig fallen Transaktionskosten von 50 EUR an, sodass per Saldo eine Unterdeckung von 40 EUR entsteht.

     

    Liegt eine solche „Unterdeckung“ vor, kann auch der mit dieser Veräußerung eingetretene Kursdifferenzverlust nicht steuerlich geltend gemacht werden. Nach der Übergangsregelung (BMF 9.10.12, a.a.O., Rz. 324), ist die veränderte BMF-Auffassung durch die Kreditwirtschaft bei allen Abrechnungen anzuwenden, die seit dem 1.4.13 durchgeführt werden, sodass entsprechende Kursdifferenzverluste seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Verlustverrechnungstöpfen der Banken berücksichtigt werden.

     

    Beachten Sie | Einige Banken berechnen für Orders mit einem geringen Gegenwert keine Provisionen. In diesem Fall sollten durch die Neuregelung keine Nachteile entstehen. Ausnahmen können jedoch auftreten, wenn z.B. Fremdgebühren anfallen. Der Einzelfall ist somit stets zu hinterfragen.

     

    PRAXISHINWEIS | Ob das BMF den Veräußerungsbegriff durch eine Verlautbarung neu definieren darf, ist fraglich. Hier wird es ggf. ratsam sein, die Verluste in der Steuererklärung geltend zu machen. Gegen eine abweichende Beurteilung durch das FA muss dann Einspruch eingelegt und ggf. geklagt werden.

     

    2. Besonderheiten bei der Substanzbesteuerung

    Die Ausnahmen, welche aus Sicht der Finanzverwaltung von der allgemeinen Substanzbesteuerung bestehen, werden nachfolgend unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung erläutert.

     

    2.1 Forderungsausfall/Forderungsverzicht

    Bei einem Forderungsausfall (z.B. bei Insolvenz des Emittenten) verneint die Finanzverwaltung eine Veräußerung. Entsprechendes gilt beim Forderungsverzicht (auch gegen Besserungsschein), soweit keine verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft vorliegt. Dies hat zur Folge, dass Anschaffungskosten sowie Anschaffungsnebenkosten steuerlich unbeachtlich bleiben und ein Verlust nicht anzuerkennen ist (BMF 9.10.12, a.a.O., Rz. 60-62). Dies gilt jedoch nur außerhalb des Anwendungsbereichs von § 17 EStG (bei wesentlicher Beteiligung i.S. des § 17 EStG vgl. BMF 21.10.10, IV C 6 - S 2244/08/10001).

     

    Hinweis | Wird die (wertlose) Forderung hingegen veräußert, entsteht ein steuerwirksamer Veräußerungsverlust, sofern auch aus Sicht der Finanzverwaltung ein steuerbarer Veräußerungsvorgang vorliegt (die Veräußerungskosten also geringer als der Veräußerungspreis sind).

     

    2.2 Aktien

    Sofern eine Aktiengesellschaft liquidiert wird oder die an ihr gehaltenen Anteile wertlos aus einem Wertpapierdepot ausgebucht werden, liegt im engeren Sinne keine Veräußerung vor. Das BMF (9.10.12, a.a.O., Rz. 63) schließt hieraus, dass die entsprechenden Verluste steuerlich nicht anzuerkennen sind. Allerdings könnte bei einer wesentlichen Beteiligung § 17 Abs. 4 EStG anzuwenden sein.

     

    2.3 Genussrechte

    Nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 5 EStG a.F. stellten obligationsähnliche Genussrechte und Gewinnobligationen bis zur Einführung der Abgeltungsteuer keine Finanzinnovationen dar. Somit waren Substanzmehrungen außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist nicht steuerbar. Diese Ansicht hat die Verwaltung geändert (BMF 9.10.12, a.a.O., Rz. 319) und unterstellt für Wertpapiere dieser Art den Anwendungsbereich von § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG unabhängig von den Bestandsschutzregelungen für vor dem 1.1.09 erworbene Papiere 
(§ 52a Abs. 10 S. 7 EStG).

     

    In einem aktuell veröffentlichten Urteil erteilt der BFH (12.12.12, I R 27/12) der Auffassung der Finanzverwaltung insofern eine Absage, als die Veräußerung von Genussscheinen mit obligationsähnlichem Charakter, die vor Einführung der Abgeltungsteuer angeschafft worden sind, nach Ablauf der Spekulationsfrist des alten Rechts aufgrund des geltenden Bestandsschutzes nicht steuerrelevant ist. Zwar fällt das veräußerte Recht unter die in § 20 Abs. 2 
S. 1 Nr. 4 S. 1 lit. a bis d EStG a.F. genannten Kapitalforderungen, allerdings fällt es aufgrund der Rückausnahme des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 5 EStG a.F. nicht unter die Definition einer veräußerungssteuerpflichtigen Finanzinnovation. Damit greift hier die Bestandsschutzregelung.

     

    2.4 Zertifikate

    Auch hinsichtlich der Besteuerung von Vollrisikozertifikaten mit mehreren Zahlungszeitpunkten ist eine geänderte Verwaltungsauffassung sowie die aktuelle BFH-Rechtsprechung zu beachten.

     

    Bei der Besteuerung dieser Wertpapiere gilt grundsätzlich, dass alle Zahlungen bis zur Endfälligkeit als laufende Erträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Abgeltungsteuer unterliegen. Sehen die Emissionsbedingungen allerdings (Teil-)Tilgungen während der Laufzeit vor und wird auch entsprechend verfahren, handelt es sich insoweit um nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt bei Endfälligkeit des Zertifikats kein veräußerungsgleicher Vorgang vor, wenn keine Zahlung mehr erfolgt (BMF 9.10.12, a.a.O., Rz. 8a). Dies hat zur Folge, dass ein grundsätzlich entstehender Verlust steuerlich nicht anerkannt und auch nicht in den Verlustverrechnungstopf der Bank eingestellt wird.

     

    • Beispiel

    Anleger X entnimmt den Emissionsbedingungen seines erworbenen Vollrisikozertifikats Folgendes: Kaufpreis: 30.000 EUR, Teilrückzahlungen jeweils zum 30.6. i.H. von 5.000 EUR, Verfall am Ende der Laufzeit (30.4.13), sofern der Basiswert am Fälligkeitstag eine bestimmte Schwelle unterschreitet. Bis kurz vor dem Fälligkeitstermin werden in 3 Jahren Haltedauer jeweils 6.000 EUR ausgezahlt. Zum 30.4.13 verfällt das Zertifikat ohne weitere Zahlung.

     

    Hinsichtlich der Teiltilgungen (insgesamt 15.000 EUR) liegen nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen vor. Die darüber hinausgehend geleisteten Zahlungen (insgesamt 3.000 EUR) stellen laufende Erträge dar und unterliegen der Abgeltungsteuer. Der zum Ende der Laufzeit eintretende Kapitalverlust i.H. von 15.000 EUR ist nach Auffassung der Finanzverwaltung steuerlich irrelevant.

     

     

    In einem Beschluss zur alten Rechtslage hat der BFH (24.4.12, IX B 154/10) entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Knock-Out-Zertifikaten nicht abzugsfähig sind. Nach Ansicht des BFH gelten diese Grundsätze allerdings nur für die Auslegung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG a.F. und gerade nicht für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach Einführung der Abgeltungsteuer. Damit trifft der BFH auch eine Aussage zum neuen Recht und bestätigt wohl die herrschende Meinung (vgl. u.a. Weber-Grellet, Ludwig Schmidt, 32. Aufl., § 20, Rz. 131), wonach derartige Aufwendungen im Rahmen der Abgeltungsteuer abzugsfähig sein sollen.

     

    PRAXISHINWEIS | Da sich die Verwaltung gegen eine Abzugsfähigkeit ausspricht, müssen Anleger ihre Rechtsauffassung im Wege eines Einspruchsverfahrens (ggf. mit anschließender Klage) verfolgen. Erfolgt bei Fälligkeit allerdings die Zahlung eines (wenn auch geringen) Restbetrags, liegt eine Veräußerung i.S. des § 20 
Abs. 2 EStG vor, sodass der realisierte Veräußerungsverlust steuerrelevant ist.

     

     

    2.5 Optionen

    Bei Optionen vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten bei einem wertlosen Verfall der Option am Ende der Laufzeit steuerlich unbeachtlich sind, da § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG nur von Gewinnen im Fall des Differenzausgleichs und bei einer Veräußerung spricht. Darüber hinaus wird der Verfall in § 20 Abs. 4 EStG nicht erwähnt (BMF 9.10.12, a.a.O., Rz. 27 zur Kaufoption und Rz. 32 zur Verkaufsoption).

     

    Der BFH (26.9.12, IX R 50/09; IX R 12/11) hat sich diesbezüglich in zwei aktuellen Urteilen zum alten Recht geäußert und entschieden, dass Prämien wertlos gewordener Optionen als Werbungskosten abzugsfähig sind. Auch wenn der BFH in diesen Urteilen keine Aussage zur Weitergeltung der Grundsätze im Rahmen der Abgeltungsteuer trifft, sollten diese auf die neue Rechtslage übertragbar sein. Das BMF (27.3.13, IV C 1 - S 2256/07/10005: 013) hat jedoch erst kürzlich deutlich gemacht, dass es das Urteil IX R 50/09 nicht auf die Fälle des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG anwenden will.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    Es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit von Verlusten durch die Einführung der Abgeltungsteuer einschränken wollte. Zudem würde eine Abzugsfähigkeit u.E. der Definition des Veräußerungsgewinns in § 20 Abs. 4 EStG - und damit einer generellen Erfassung der Vermögensebene - entsprechen. Zur Geltendmachung dieser Rechtsauffassung wird auch in diesem Fall der Weg in ein Rechtsbehelfsverfahren und die anschließende gerichtliche Klärung nötig sein.

     

    Um der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung praktisch zu begegnen, könnte der Verkauf oder eine Glattstellung der Option kurz vor der Fälligkeit in Betracht gezogen werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Finanzverwaltung zumindest zur alten Rechtslage die Ansicht vertreten hat, dass hierin ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO liegen könnte (OFD Münster 13.7.09, Kurzinfo ESt 21/2009).

     

     

    2.6 Stillhaltergeschäfte

    Wesentliche Unterschiede ergaben sich nach der Einführung der Abgeltungsteuer hinsichtlich der steuerlichen Behandlung des Stillhalters bei Optionsgeschäften. Vereinnahmte der Stillhalter vor dem 1.1.09 eine Stillhalterprämie für seine Bindung und die Risiken, die er durch die Einräumung des Optionsrechts während der Laufzeit einging, erzielte er sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG a.F. - und nicht Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Diese steuerpflichtigen Einkünfte unterlagen dem individuellen Steuersatz des Stillhalters. Eine ggf. angefallene Prämie für eine Glattstellung minderte insoweit den steuerpflichtigen Ertrag.

     

    Seit dem 1.1.09 fällt die Vereinnahmung einer Stillhalterprämie unter die Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG und ist somit abgeltungsteuerpflichtig. Eine gezahlte Glattstellungsprämie wird als negativer Kapitalertrag in den Verlustverrechnungstopf der Bank eingestellt. Strittig ist in diesem Zusammenhang die steuerliche Berücksichtigung eines Barausgleichs durch den Stillhalter, da der Barausgleich im Gegensatz zur Glattstellung in § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG nicht explizit erwähnt wird.

     

    Vertritt das BMF (9.10.12, a.a.O., Rz. 26 und Rz. 34) die Auffassung, dass ein geleisteter Barausgleich weder die vereinnahmte Stillhalterprämie mindert noch als negativer Kapitalertrag berücksichtigt werden kann, sieht der BFH dies unter Geltung des neuen Rechts wohl anders. Die Grundsätze nach denen bis zum 31.12.08 ein solcher Barausgleich steuerlich unbeachtlich war, gelten im Zeitalter der Abgeltungsteuer nämlich nicht fort (vgl. BFH-Pressemitteilung Nr. 37/08 vom 9.4.08 zu dem zur Berücksichtigung von Verlusten des Stillhalters aus Basisgeschäften ergangenen Urteil des BFH 13.2.08, IX R 68/07).

     

    Diese Auffassung entspricht auch den verfolgten Zielen des Gesetzgebers bei der Einführung der Abgeltungsteuer. Insbesondere die Aufnahme einiger ehemals den sonstigen Einkünften zuzuordnenden Regelungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen macht deutlich, dass eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögenssphäre bei den Einkünften aus Kapitalvermögen weitestgehend aufgegeben werden sollte (vgl. Entwurf eines JStG 2009, BT-Drs. 16/10189 vom 2.9.08). Dies rechtfertigt mithin eine Berücksichtigung von geleisteten Barausgleichszahlungen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Grundsätze des Nettoprinzips.

     

    2.7 Fundstellenübersicht

    Zur besseren Übersicht über die Besonderheiten bei der Substanzbesteuerung sind die relevanten Fundstellen des umfangreichen BMF-Schreibens vom 9.10.12 (insgesamt 120 Seiten!) in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

     

    • Besonderheiten bei der Substanzbesteuerung
     
    Vorgang
     BMF 9.10.12, IV C 1 - S 2252/10/10013

    Forderungsausfall/-verzicht

    Rz. 60 - 62

    Aktien (Liquidation, Ausbuchung wertloser Aktien)

    Rz. 63

    Genussrechte (Anschaffung vor dem 1.1.09)

    Rz. 319

    Zertifikate (Teiltilgungen)

    Rz. 8a

    Optionen (wertloser Verfall)

    Rz. 27 und Rz. 32

    Stillhaltergeschäfte (Barausgleich)

    Rz. 26 und Rz. 34

     

     

    Zu den Autoren | Katharina Martin ist als Syndikus-StBin bei der Weberbank AG, Berlin tätig. StB Dr. Robert Strauch ist Professor für Finanzmanagement an der Hochschule Osnabrück und Geschäftsführer der Feitsch und Feitsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 122 | ID 39496480

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