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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Setzt der Freibetrag nach § 16 EStG eine Kausalität von Berufsunfähigkeit und Betriebsaufgabe voraus?

    von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

    | Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, kann bei einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe ein Freibetrag beansprucht werden. Der folgende Praxisfall geht der Frage nach, ob die dauernde Berufsunfähigkeit für die Betriebsveräußerung ursächlich sein muss. |

    1. Sachverhalt

    Seit 2003 bezieht A eine Erwerbsminderungsrente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit und arbeitet wöchentlich 23,25 Stunden (täglich 4,65 Stunden) bei seinem alten Arbeitgeber. Eine Arbeitstätigkeit von 6 Stunden und mehr ist aufgrund der eingetretenen Berufsunfähigkeit nicht möglich.

     

    Am 2.1.09 hat A eine Fotovoltaikanlage für 50.000 EUR angeschafft. Ende 2013 verkauft A die Fotovoltaikanlage für 40.000 EUR. Der Veräußerungsgewinn (§ 16 EStG) ermittelt sich wie folgt:

     

    • Ermittlung Veräußerungsgewinn

    Anschaffungskosten

    50.000 EUR

    ./. lineare AfA (5 x 2.500 EUR), § 7 Abs. 1 EStG

    - 12.500 EUR

    ./. Sonder-AfA, § 7g Abs. 5, 6 EStG

    - 10.000 EUR

    =Restbuchwert

    27.500 EUR

    Veräußerungspreis

    40.000 EUR

    ./. Restbuchwert

    - 27.500 EUR

    = Veräußerungsgewinn

    12.500 EUR

     

     

    Frage: Kann der im Veräußerungszeitpunkt 51-jährige A den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nutzen?

    2. Lösung

    Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, wird der Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 4 EStG auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 EUR übersteigt. Die Voraussetzungen des Alters bzw. der Berufsunfähigkeit müssen dabei im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe vorliegen (BFH 28.11.07, X R 12/07).

     

    2.1 Voraussetzungen für eine dauernde Berufsunfähigkeit

    Ob eine dauernde Berufsunfähigkeit vorliegt, richtet sich nach dem Sozialrecht, maßgebend ist insoweit § 240 Abs. 2 SGB VI. Berufsunfähig ist danach derjenige, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Sogenannte Verweisungsberufstätigkeiten i.S. des § 240 Abs. 2 S. 2 SGB VI sind nur beachtlich, wenn sie im veräußerten/aufgegebenen Betrieb ohne größere Schwierigkeiten ausgeübt werden könnten. Allerdings entfaltet die sozialrechtliche Einordnung keine rechtliche Bindungswirkung (so auch Wacker in Schmidt, § 16 EStG, Rz. 579; a. A. Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG, Rz. 709).

     

    Hinweis |Weist A nach, dass er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne berufsunfähig ist, ist davon auszugehen, dass auch eine Berufsunfähigkeit i.S. des § 16 Abs. 4 EStG vorliegt. Ein dahingehender Nachweis kann z.B. durch einen Bescheid des Rentenversicherungsträgers oder durch eine amtsärztliche Bescheinigung erbracht werden (R 16 Abs. 14 EStR).

     

    2.2 Kausalität der Berufsunfähigkeit

    Nach einer Entscheidung des FG Düsseldorf (20.2.02, 16 K 5432/99 E, rkr.) soll durch § 16 Abs. 4 EStG eine durch dauernde Berufsunfähigkeit veranlasste Betriebsveräußerung oder -aufgabe begünstigt werden. Nach dieser Auffassung wäre demzufolge eine Kausalität der Berufsunfähigkeit für die Betriebsveräußerung oder -aufgabe notwendig (so auch Stuhrmann in Blümich, § 16 EStG, Rz. 461; Kanzler, FR 95, 851, 852).

     

    Gegen das Erfordernis der Kausalität der Berufsunfähigkeit spricht allerdings, dass sich eine solche Voraussetzung nicht aus dem Gesetzeswortlaut entnehmen lässt. So weisen auch Korn/Carlé/Stahl/Strahl (EStG, Kommentar Online, § 16 EStG, Rz. 416) darauf hin, dass die Berufsunfähigkeit nicht kausal für die Betriebsveräußerung oder -aufgabe sein muss (ebenso Kauffmann in Frotscher, § 16 EStG, Rz. 255).

     

    Lediglich in der bis zum VZ 1995 geltenden Fassung von § 16 Abs. 4 EStG war - für die Geltung eines (erhöhten) Freibetrags - noch erforderlich, dass „... der Steuerpflichtige nach Vollendung seines 55. Lebensjahrs oder wegen dauernder Berufsunfähigkeit seinen Gewerbebetrieb veräußert oder aufgibt.“ Aus dem Umstand, dass in der seit dem VZ 1996 geltenden Fassung nur noch relevant ist, ob der Steuerpflichtige dauernd berufsunfähig „ist“, kann - auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes - nur gefolgert werden, dass eine Kausalität der Berufsunfähigkeit nicht erforderlich ist. Selbst die Verwaltung führt in R 16 Abs. 14 S. 3 letzter HS. EStR aus, dass eine Kausalität zwischen der Veräußerung oder Aufgabe und der Berufsunfähigkeit nicht notwendig ist.

     

    2.3 Fazit

    A wird den Nachweis kaum führen können, dass er infolge seiner Berufsunfähigkeit nicht in der Lage ist, den Betrieb (Fotovoltaikanlage) fortzuführen. M.E. setzt der Freibetrag jedoch keine Kausalität voraus, sodass A nach der hier vertretenen Meinung Anspruch auf den Abzug eines Freibetrags hat. Dies hat zur Folge, dass A keinen Gewinn i.S. von § 16 EStG versteuern muss.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 67 | ID 42567018

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