Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Weiterbildung

    So können sich Betriebe Lehrgangskosten bei Weiterbildung in Kurzarbeit erstatten lassen

    von Rechtsanwalt Otfrid Böhmer, Director bei der WTS Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

    | Mit dem Beschäftigungssicherungsgesetz vom 03.12.2020 wurden Neuregelungen zur Weiterbildung bei Kurzarbeit in § 106a SGB III eingeführt. Neben der Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen im Falle von bestimmten Weiterbildungsmaßnahmen hat der Gesetzgeber in § 106a Abs. 2 SGB III nun geregelt, dass die Bundesagentur für Arbeit für bestimme Weiterbildungsmaßnahmen während der Kurzarbeit Lehrgangskosten übernehmen kann. Die Regelung gilt seit dem 01.01.2021 für Arbeitnehmer, die bis zum 31.07.2023 Kurzarbeitergeld beziehen. LGP erläutert die Details. |

    Die Grundidee der Neuregelung

    Mit der Einführung der Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen während Kurzarbeit möchte der Gesetzgeber weitere Anreize schaffen, Zeiten der Kurzarbeit für Qualifizierungen zu nutzen. Dies dient zum einen dem Arbeitnehmer, der durch die Weiterbildung seine Qualifizierung und damit seine Aussichten auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Zum anderen dient es aber auch dem Arbeitgeber, der eine Kostenentlastung durch die Übernahme von Lehrgangskosten und auch einen besser qualifizierten Arbeitnehmer erhält.

     

    Dabei ist der Erhalt der Förderung nach § 106a Abs. 2 SGB III wesentlich vereinfacht worden gegenüber der Weiterbildungsförderung nach § 82 SGB III. Denn die neue Vorschrift sieht eine pauschale Lehrgangskostenerstattung vor. Eine individuelle Prüfung, ob die Förderungsvoraussetzungen nach § 82 SGB III vorliegen, unterbleibt. Jedoch ist auch der Umfang der Förderung gegenüber der nach § 82 SGB III eingeschränkt.

    Bei Kurzarbeit ausschließlich Förderung nach § 106a SGB III

    Zunächst ist eine formale Abgrenzung eingeführt worden: Während Kurzarbeit ist bis zum 31.07.2023 ausschließlich die Förderung nach § 106a SGB III möglich und nicht mehr die nach § 82 SGB III82 Abs. 9, § 106a Abs. 2 S. 2 SGB III).

     

    Auch inhaltlich unterscheiden sich die beiden Regelungen in § 82 SGB III und § 106a SGB III wesentlich.

    Rechtsanspruch statt Ermessensentscheidung

    Der Arbeitgeber hat bei der Förderung nach § 106a Abs. 2 SGB III einen (ggf. einklagbaren) Rechtsanspruch auf die Erstattungsleistungen durch die Agentur für Arbeit, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

     

    Bei § 82 SGB III stehen die Förderungsleistungen im Ermessen der Agentur für Arbeit. D. h., unter Umständen kann die Agentur für Arbeit die Förderung ablehnen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen an sich erfüllt waren.

    Pauschalierung statt individueller Ermittlung

    Sowohl bei den gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen als auch bei der Ermittlung des Förderungsbetrags sieht die Neuregelung in § 106a Abs. 2 SGB III eine wesentliche Vereinfachung vor. Voraussetzungen für den Anspruch sind lediglich:

     

    • 1. Es ist ein Antrag auf Erstattung gestellt worden.
    • 2. Der Arbeitnehmer bezieht vor dem 31.03.2023 Kurzarbeitergeld.
    • 3. Der Arbeitnehmer nimmt während der Kurzarbeit an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme teil.
    • 4. Die berufliche Weiterbildungsmaßnahme dauert mehr als 120 Stunden.
    • 6. Es darf keine berufliche Weiterbildungsmaßnahme sein, zu deren Durchführung der Arbeitgeber aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen verpflichtet ist.

     

    Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Erstattung der Lehrgangskosten, gestaffelt nach der Betriebsgröße zwischen 15 und 100 Prozent (dazu nachfolgend mehr).

     

    Im Gegensatz zu der Förderung nach § 82 SGB III werden jedoch nur die Lehrgangskosten erstattet, nicht aber

    • die Kosten der Eignungsfeststellung,
    • die Fahrtkosten,
    • die Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung und
    • die Kinderbetreuungskosten.

    Was sind Lehrgangskosten?

    Nach der gesetzlichen Definition der Lehrgangskosten in § 84 SGB III, die auch bei § 106a SGB III herangezogen werden kann, wovon auch die Begründung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales ausgeht, sind folgende Kosten umfasst:

     

    • 1. Lehrgangsgebühren
    • 2. Kosten für erforderliche Lernmittel, Arbeitskleidung und Prüfungsstücke
    • 3. Prüfungsgebühren für gesetzlich geregelte oder allgemein anerkannte Zwischen- und Abschlussprüfungen
    • 4. Kosten für eine notwendige Eignungsfeststellung

    Betriebsgrößenabhängige Erstattung der Lehrgangskosten

    Die Erstattung der Lehrgangskosten nach § 106a Abs. 2 S. 1 SGB III ist abhängig von der Betriebsgröße:

     

    • Betriebsgrößenabhängige Erstattung
    Betriebsgröße
    Erstattung

    Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten

    100 Prozent der Lehrgangskosten

    Betriebe mit zehn bis 249 Beschäftigen

    50 Prozent der Lehrgangskosten

    Betriebe mit 250 bis 2.499 Beschäftigten

    25 Prozent der Lehrgangskosten

    Betriebe mit 2.500 und mehr Beschäftigten

    15 Prozent der Lehrgangskosten

     

     

    Der Betriebsbegriff bestimmt sich dabei nach § 97 SGB III. Der Betrieb ist als Rechtsträger eine technisch-organisatorische Einheit (von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe jemand allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt). Damit unterscheidet sich der Betrieb vom Unternehmen, z. B. AG, GmbH, OHG.

     

    • Beispiel

    Die X-AG mit Sitz in München hat in München, Frankfurt und Düsseldorf einen Betrieb. Für die betriebsgrößenabhängige Erstattung kommt es daher auf die Situation im Betrieb in München, Frankfurt bzw. Düsseldorf, nicht auf die Gesamtsituation der X-AG an.

     

    Begriff des Beschäftigten

    In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die Zahl der Beschäftigten zur Ermittlung der Betriebsgröße zu ermitteln ist, insbesondere wie Teilzeitbeschäftigte zu rechnen sind.

     

    Regelung in § 82 Abs. 7 S. 3 SGB III dürfte bei § 106a SGB III nicht greifen

    § 82 Abs. 7 S. 3 SGB III in der Fassung durch das Gesetz vom 20.05.2020 sieht eine umfassende und komplexe Regelung vor: Bei der Feststellung der Zahl der Beschäftigten sind zu berücksichtigen

    • 1. Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von
      • a) nicht mehr als zehn Stunden mit 0,25,
      • b) nicht mehr als 20 Stunden mit 0,50 und
      • c) nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 und
    • 2. im Rahmen der Bestimmung der Betriebsgröße nach den Absätzen 1 bis 3 sämtliche Beschäftigte des Unternehmens, dem der Betrieb angehört, und, falls das Unternehmen einem Konzern angehört, die Zahl der Beschäftigten des Konzerns.

     

    Diese Regelung dürfte aber für die Ermittlung der Betriebsgröße in § 106a SGB III nicht anwendbar sein. Dafür sprechen zwei Gründe:

     

    • Für Weiterbildungsmaßnahmen während Kurzarbeit ist die Geltung von § 82 SGB III ausdrücklich ausgeschlossen (§ 82 Abs. 9 S. 2, § 106a Abs. 2 S. 2 SGB III).
    • Die Anwendung von § 82 SGB III widerspricht dem gewünschten Ziel, Weiterbildungsmaßnahmen während der Kurzarbeit zu vereinfachen.

     

    Teilzeitbeschäftigte sind nach § 106a SGB III volle Beschäftigte

    Für die Ermittlung der Betriebsgröße in § 106a SGB III dürften Teilzeitbeschäftigte als volle Beschäftigte zu zählen sein. Das hat zur Folge, dass die höheren Schwellenwerte mit geringerer pauschaler Erstattung schneller überschritten werden als bei einer anteiligen Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigten nach § 82 Abs. 7 S. 3 SGB III.

     

    • Beispiel

    Ein Betrieb hat 270 Arbeitnehmer. Davon sind

    • 230 Vollzeitbeschäftigte,
    • 20 Teilzeitbeschäftigte mit zehn Wochenstunden und
    • 20 Teilzeitbeschäftigte mit 20 Wochenstunden.

     

    Ergebnis: Für die Ermittlung der Betriebsgröße in § 106a SGB III sind Teilzeitbeschäftigte als volle Beschäftigte zu zählen. Der Betrieb hat 270 Arbeitnehmer und somit nur Anspruch auf eine pauschale Erstattung in Höhe von 25 Prozent der Lehrgangskosten.

     

    Bei einer nur anteiligen Berücksichtigung nach § 82 Abs. 7 S. 3 SGB III hätte der Betrieb 245 Arbeitnehmer (230 x 1,0 + 20 x 0,25 + 20 x 0,5) und daher Anspruch auf eine pauschale Erstattung von 50 Prozent der Lehrgangskosten.

     

    Dauer der Förderung

    Für die volle Förderung reicht es, dass die Weiterbildungsmaßnahme von mindestens 120 Stunden während der Kurzarbeit begonnen hat. Die Erstattung der Lehrgangskosten kann auch über die Zeit des Arbeitsausfalls hinaus für die gesamte Zeit der Teilnahme an der Weiterbildung erfolgen.

     

    Sprich: Die Erstattung für eine Weiterbildungsmaßnahme, die während der Kurzarbeit begonnen hat, wird also nicht gekürzt, wenn die Kurzarbeit während der laufenden Weiterbildungsmaßnahme beendet wird.

    Ausschluss der Förderung

    Nach § 106a Abs. 3 SGB III erfolgt keine Förderung nach § 106 Abs. 2 SGB III, wenn es sich um eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme handelt, zu der der Arbeitgeber aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen verpflichtet ist.

     

    Hier ist insbesondere an die Bildungsurlaubsgesetze, die es in allen Bundesländern außer Bayern und Sachsen gibt, oder an die Schulungen von Betriebsratsmitgliedern nach § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG zu denken.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Jahreswechsel im Personalbüro: Die wichtigsten Neuerungen für 2021 im Überblick“, LGP 1/2021, Seite 3 → Abruf-Nr. 47015036
    • Beschäftigungssicherungsgesetz vom 03.12.2020 → Abruf-Nr. 220134
    Quelle: Ausgabe 02 / 2021 | Seite 38 | ID 47068099

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents