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  • 17.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123160

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 09.05.2012 – 4 K 216/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 4 K 216/11
    Revision eingelegt, BFH-Az. VI R 41/12
    Tatbestand
    Streitig ist der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß §§ 9, 19 Einkommensteuergesetz (EStG).
    Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Hafenarbeiter bei der X beschäftigt und erzielt hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die X überlässt ihre Arbeitnehmer den in den Häfen von A und B tätigen Unternehmen. Der Kläger, der täglich an seinen Wohnort zurückkehrt, meldet sich am Ende eines Arbeitstages telefonisch bei der X und erhält von dort den Einsatzort und die Einsatzzeit für den nächsten Arbeitstag genannt. Er war in den Streitjahren ausschließlich im Hafen von B tätig und seine Einsatzbereiche waren im Wesentlichen im Jahr 2004 die Einsatzstelle 1 (E1) und anschließend in die Einsatzstellen 2 (E2) und 3 (E3) in der S.-Straße, Einsatzstelle 4 (E4) in der F.-Straße, sowie Einsatzstelle 5 (E5) in der B.-Straße.
    In E1 war der Kläger im Jahr 2004 an 161 von 217 Arbeitstagen, hauptsächlich in der Zeit von Mitte Januar bis Mitte Oktober tätig. Im Jahr 2007 war er an 141 von 225 Arbeitstagen bei der Einsatzstelle E2 und an weiteren 60 Tagen bei der Einsatzstelle E3 eingesetzt. Im Jahr 2008 wurde er an 92 von 165 Arbeitstagen bei der Einsatzstelle E2 und an weiteren 51 Tagen bei der Einsatzstelle E3 eingesetzt. Wegen der Einzelheiten zu den Einsatzorten und Einsatzzeiten wird auf die Aufzeichnungen des Klägers Bezug genommen.
    In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre machte er bei den Werbungskosten Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach Dienstreisegrundsätzen geltend und beantragte außerdem für seine mehr als 8-stündige Abwesenheit von der Wohnung den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 6 € pro Tag, insgesamt 1.278 € für 2004, 1.362 € für 2007 und 984 € für 2008. Das beklagte Finanzamt erkannte diese Aufwendungen zunächst nicht als Werbungskosten an und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest.
    In den anschließenden Einspruchsverfahren berücksichtigte es die Fahrtkosten zu den Einsatzstellen mit dem für Dienstreisen geltenden Kilometersatz und außerdem die Pauschale für Verpflegungsmehraufwand bei einer Einsatzstelle bis zur Dauer der zusammenhängenden Einsatztage von 3 Monaten. Für die darüber hinausgehenden Zeiten erkannte es Verpflegungsmehraufwand nur an, wenn den weiteren Einsätzen bei dieser Stelle eine Unterbrechung von mindestens vier Wochen vorausging. Mit Einspruchsbescheiden vom ___ setzte es die Einkommensteuer herab und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass ein Hafenarbeiter, der von seinem Arbeitgeber leihweise überlassen nur in einem begrenzten und überschaubarem Teil des Hafens tätig sei, nach Ablauf der ersten drei Monate bei Ausübung dieser Tätigkeit keinen Anspruch auf Abzug von Verpflegungsmehraufwandspauschalen habe. Die Dreimonatsfrist erfasse nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und Ansicht der Finanzverwaltung alle längerfristigen vorübergehenden Tätigkeiten an derselben Tätigkeitsstelle ohne Rücksicht darauf, in welcher konkreten Form sie ausgeübt würden und beginne nur dann neu, wenn die Unterbrechung durch Tätigkeiten an anderen Einsatzstellen von mehr als vier Wochen erfolge (BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 VI R 43/03, BStBl II 2005, 357; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. April 2005 – 4 C 5 – S 2353 – 77/05, BStBl I 2005, 673). Für die Einsatzstelle E1 habe die Dreimonatsfrist im April 2004 geendet und danach sei die Tätigkeit des Klägers bei dieser Einsatzstelle im Jahr 2004 zu einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit geworden. Dies berücksichtigt sei Verpflegungsmehraufwand für 96 Tage in Höhe von insgesamt 576 € abzugsfähig. Im Jahr 2007 sei der Kläger seit Januar bei der Einsatzstelle E2 beschäftigt gewesen. Nach Ablauf der Dreimonatsfrist im April 2007, sei Verpflegungsmehraufwand für diese Einsatzstelle lediglich für 65 Tage und für Einsätze bei anderen Einsatzstellen für 53 Tage anzuerkennen. In der Summe sei für 2007 Verpflegungsmehraufwand für 118 Tage in Höhe von 708 € abziehbar. Im Jahr 2008 sei der Kläger ebenfalls zunächst anschließend bei der Einsatzstelle E2 tätig gewesen, so dass für diese Einsatzstelle kein Verpflegungsmehraufwand angesetzt werden könne. Für die 75 Einsatztage bei anderen Einsatzstellen werde der Verpflegungsmehraufwand antragsgemäß mit 450 € berücksichtigt.
    Mit der Klage begehren die Kläger den Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen auch für die vom Finanzamt nicht berücksichtigten Einsatztage und führen zur Begründung aus, dass der Kläger keine längerfristige, gleichbleibende Tätigkeitsstätte habe, weil sein Einsatzplatz tagtäglich neu und immer nur für den darauffolgenden Tag bestimmt werde. Er wisse nie auf längere Sicht, welche Arbeitsstätte er am nächsten Arbeitstag aufsuche. Hinzu komme noch die Besonderheit, dass theoretisch sieben verschiedene Schichten (drei Frühschichten und vier Spätschichten) angeordnet werden könnten. Es sei im Vorfeld immer ungewiss, wohin und zu welcher Uhrzeit er geordert werde und die Kurzfristigkeit der Zuweisung verhindere, dass er sich verpflegungsmäßig auf einen Arbeitsplatz einstellen könne.
    Die Kläger beantragen,
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte hält an seiner im Vorverfahren vertretenen Auffassung fest und verweist zur Begründung auf die Einspruchsbescheide. Ergänzend trägt er vor, dass der BFH im Verfahren VI R 49/03 (BFH-Urteil vom 11. Mai 2005, BFH/NV 2005, 2173) entschieden habe, dass Verpflegungsmehraufwendungen auch bei Einsatzwechseltätigkeit für den Einsatz an derselben Tätigkeitsstätte auf die ersten drei Monate beschränkt sei. Nach den Ausführungen in diesem Urteil sei die Dreimonatsfrist für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen auf alle Arten von Auswärtstätigkeiten anzuwenden, weil der Gesetzgeber typisierend unterstelle, dass nach Ablauf von drei Monaten die bei Beginn der Auswärtstätigkeit vorhandene überwiegende berufliche Veranlassung des Verpflegungsmehraufwands entfallen sei. Soweit der Kläger geltend mache, dass er täglich telefonisch bei seinem Arbeitgeber Ort und Arbeitsbeginn des nächsten Arbeitstages erfragen müsse und sich daher nicht auf einen Arbeitsplatz einstellen könne, seien diesem Vorbringen nicht nur die Anzahl der Einsätze beiden Einsatzstellen E1, E2 und E3 entgegenzuhalten, sondern auch die Tatsache, dass die Einsatzstellen E2 und E3, die er in den Jahren 2007 und 2008 überwiegend aufgesucht habe, in unmittelbarer Nähe zueinander in der S.-Straße lägen. Seinen Aufzeichnungen zufolge hätten die Schichtzeiten regelmäßig wöchentlich gewechselt zwischen der Frühschicht und der Spätschicht. Bei dieser Ausgangslage sei davon auszugehen, dass er sich nach drei Monaten zumindest auf die örtliche Verpflegungssituation habe einstellen können, selbst wenn ihm die konkrete Einsatzstelle immer erst am vorhergehenden Arbeitstag bestätigt werde. Die Tatsache, dass ein Leiharbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BFH keine regelmäßige Arbeitsstätte habe, sei nicht auf die Behandlung der Mehraufwendungen für Verpflegung zu übertragen, da es bei der Planung zur Reduzierung der Fahrtkosten auf wesentlich längerfristige Umstände ankomme als bei der Planung der täglichen Verpflegung am Arbeitsplatz.
    Entscheidungsgründe
    I. Die Klage ist unbegründet.
    Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, weil das beklagte Finanzamt bei den Werbungskosten des Klägers zu Recht keine weiteren Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt hat.
    Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG, der gemäß § 9 Abs. 5 EStG für die Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Tätigkeit sinngemäß anzuwenden ist, sind Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Eine Ausnahme davon gilt dann, wenn der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig oder wenn der Steuerpflichtige bei seiner individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug tätig wird (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2 und 3 EStG). Der Ansatz der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand ist bei einer längerfristigen
    vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte jedoch auf die ersten drei Monate beschränkt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG). Von der Dreimonatsfrist nach Satz 5 der Vorschrift werden sämtliche längerfristigen vorübergehenden Tätigkeiten an derselben regelmäßigen Tätigkeitsstätte erfasst (Schmidt-Heinicke, EStG Kommentar 31. Aufl. § 4 Rz. 573, vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. April 2005 IV C 5 -S 2353- 77/05, BStBl I 2005, 673). Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers bei der Neuregelung der Verpflegungsmehraufwendungen soll der Abzug auf einen Dreimonatszeitraum begrenzt sein, weil nach Ablauf dieses Zeitraums unterstellt wird, dass die Steuerpflichtigen regelmäßig eine Verpflegungssituation vorfinden, die keine berufliche Mehraufwendung verursacht (Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode Drucksache 13/901, Seite 129 zu Buchstabe b).
    Ausgehend von diesen Erwägungen stehen dem Kläger für seine Tätigkeit keine weiteren Verpflegungsmehraufwandspauschalen zu. Zwar geht der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH davon aus, dass der Kläger eine Auswärtstätigkeit ausübt und damit grundsätzlich zum Abzug von Verpflegungsmehraufwand berechtigt ist (BFH-Urteil vom 17. Juni 2010, VI R 35/08 BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852). Der Abzug von Verpflegungsmehraufwand ist nach dem Gesetz jedoch auf den Zeitraum von drei Monaten begrenzt, und dieser Zeitraum ist in den streitigen Zeiträumen bereits abgelaufen gewesen.
    Die Verpflegungssituation des Klägers am Arbeitsplatz hat nach Ablauf von drei Monaten und damit auch in den streitigen Zeiträumen keine beruflichen Mehraufwendungen verursacht. Der Kläger ist ausschließlich im Hafengebiet von B und der daran angrenzenden Einsatzstelle E1 eingesetzt worden und selbst wenn seine Einsatzstellen innerhalb des Hafengebiets gewechselt haben, ist davon auszugehen, dass ihm die Verpflegungssituation bei der jeweiligen Einsatzstätte spätestens nach Ablauf der drei Monate vertraut gewesen ist. Da ihm Einsatzort und Einsatzzeit auch bereits am Tag vor Antritt seines jeweiligen Einsatzes mitgeteilt worden sind, hat er sich entsprechend auf diese Situation einrichten können. Faktisch unterscheidet sich die Lage des Klägers im Hinblick auf die Verpflegungssituation am Arbeitsort damit nicht von der Lage der Steuerpflichtigen, die von ihrer Wohnung aus ihre regelmäßige Arbeitsstätte aufsuchen, und bei denen der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen gesetzlich ausgeschlossen ist. Der Senat ist der Auffassung, dass die insoweit vergleichbare Verpflegungssituation dieser beiden Gruppen auch eine einheitliche steuerliche Behandlung der Verpflegungsaufwendungen gebietet mit der Folge, dass der Abzug weiterer Verpflegungsmehraufwendungen beim Kläger nicht in Betracht kommt.
    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Die Kläger haben als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
    III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, ob Leiharbeitnehmer auch dann Anspruch auf den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen haben, wenn sie sich auf die Verpflegungssituation am Arbeitsort einstellen können.

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