08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 28.09.1999 – I 20/99
-Die Erbeinsetzung einer ausländischen gemeinnützigen Stiftung mit Verwendungsauflagen zugunsten eigener und fremder gemeinnütziger Zwecke ist zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG steuerbar, aber nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG oder nach der Auffangvorschrift § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG steuerbefreit.
-Die Steuerbefreiung gilt auch dann, wenn das Vermögen erhalten bleibt und nur die Erträge gemeinnützig verwendet werden.
-Die Thesaurierung von jährlich 20 oder 25 v. H. der Erträge als Rücklage zur Kapitalerhaltung ist unschädlich.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine testamentarische Vermögenszuwendung an eine ausländische Stiftung für gemeinnützige Zwecke nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) auch insoweit steuerfrei ist, als 20 % der Erträge aus dem Vermögen thesauriert werden sollen.
I.
1. Der – in Schweden geborene – Erblasser verstarb am 27. Oktober 1985 in Hamburg (Erbschaftsteuer-Akte – ErbSt-A – Bl. 1, 171).
Hier hatte er seinen letzten Wohnsitz und war er nach dem Ergebnis eines deutsch-schwedischen Verständigungsverfahrens mit dem Mittelpunkt seiner Lebensinteressen ansässig (ErbSt-A Bl. 98).
2. Mit Statut vom 25. September 1978 hatte er in Schweden eine Stiftung – die Klägerin – gegründet mit dem „Zweck, die Pflege, Erziehung und Ausbildung von Kindern oder Jugendlichen zu fördern”. Drei Viertel vom Ertrag des Stiftungsvermögens dürfen hierfür verwendet werden und ein Viertel soll der Kapitalverstärkung dienen.
Im dreiköpfigen Vorstand der Klägerin ist ein Stiftspfarrer vertreten, und zwar entweder der Domdechant der katholischen Domkirchengemeinde Stockholm oder ersatzweise ein vom Bischof des katholischen Stifts in Stockholm bestellter Stiftspfarrer. Als weitere Vorstandsmitglieder wurden ein schwedischer Advokat und der Erblasser eingesetzt; beim Ableben der beiden letzteren waren bzw. sind Ersatzpersonen vom verbleibenden Vorstand zu bestellen. Im derzeitigen dreiköpfigen Vorstand sind ein Prälat (Domprobst von Stockholm) sowie ein Rechtsanwalt und ein Student vertreten.
Bei der Rechnungslegung sollen Grundstücke jeweils getrennt mit ihren Einnahmen, Ausgaben, Überschüssen oder Schulden ausgewiesen werden. Die Abschlußprüfer sollen ihren Prüfungsbericht jeweils vor Ende April des Folgejahres fertigstellen.
Im Fall der Auflösung der Klägerin soll ihr Vermögen der Katholischen Domkirchengemeinde in Stockholm zur Verwendung für die von der Klägerin verfolgten Zwecke übergeben werden (insgesamt Anlage III, Finanzgerichts-Akte – FG-A – Bl. 33 ff = ErbSt-A Bl. 11 ff, 27 ff).
Die Provinzialregierung im Regierungsbezirk Stockholm stellte als Stiftungsaufsicht am 14. Dezember 1978 die Statuten der Klägerin fest und bescheinigte, daß sie gemeinnützige Zwecke verfolgt (Anlage IV, FG-A Bl. 39). Die Klägerin ist mit ihren Zwecken und ihrem Vorstand im Stiftungsregister eingetragen (FG-A Bl. 17).
3. Mit Testament vom 21. Oktober 1982 nebst Ergänzung vom 15. November 1983 verfügte der Erblasser, daß – abgesehen von einigen Vermächtnissen – sein gesamtes sonstiges Eigentum der Klägerin – als Alleinerbin – zufallen und von ihr als gesondertes Vermögen verwaltet werden sollte.
Jährlich sind 80 % der Erträge aus den vererbten Vermögensmassen gemäß näherer Bestimmung auf im Testament aufgeführte 11 Zwecke (Nrn. 1–11) aufzuteilen und die verbleibenden 20 % dem Kapital als Rücklage zuzuführen.
Wie inzwischen unstreitig ist, entsprechen von den 11 Zwecken die Nrn. 1–7 denen der Stiftung und sind auch die Nrn. 8–11 gemeinnützig (Anlage II, FG-A Bl. 27 ff = ErbSt-A Bl. 4 ff, 20 ff).
II.
1. Nach Eingang der Erbschaftsteuererklärung am 13. Januar 1987 (ErbSt-A Bl. 40 ff.) wurde im Erbschaftsteuerbescheid gegen die Klägerin vom 10. Mai 1989 (unter Nachprüfungsvorbehalt) die Bemessungsgrundlage mit 20 % des nach Abzug der Vermächtnisse verbleibenden Nachlasses angesetzt. Der zu thesaurierende Teil der Erträge falle unter keine steuerbefreiende Vorschrift. Nach Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Besteuerung ausgenommener Grundbesitz in Schweden wurde nicht erfaßt (ErbSt-A Bl. 120 f).
2. Mit ihrem am 2. Juni 1989 eingelegten Einspruch begehrte die Klägerin eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG auch für die restlichen 20 % des Nachlasses (ErbSt-A Bl. 125 ff).
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde zunächst mit Bescheid vom 23. Dezember 1991 (unter Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts) die Steuerschuld der Klägerin heraufgesetzt, weil die Steuerbefreiung für einige Stiftungszwecke nicht mehr anerkannt wurde (ErbSt-A Bl. 227).
Zwischenzeitlich wurde ein Rechtsstreit betreffend ein Vermächtnis des Erblassers geführt und mit Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. September 1996 II R 21/95 zu Gunsten der Vermächtnisnehmerin abgeschlossen (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1997, 319, Internationales Steuerrecht – IStR – 1997, 80, BFH/NV 1997, 231).
Nach erneutem Schriftverkehr (ErbSt-A Bl. 230 ff) und Rückfrage bei der Oberfinanzdirektion – OFD – (ErbSt-A Bl. 263 ff) setzte der Beklagte (das inzwischen zuständig gewordene Finanzamt – FA –) die Erbschaftsteuer mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 1998 wieder auf den Betrag des Bescheides vom 10. Mai 1989 herab. Zu 80 % sei die Zuwendung des Vermögens steuerfrei, wenngleich nicht dieses selbst gemeinnützig verwendet werden, sondern nur der jährliche Ertrag. Die Zweckauflage stelle eine nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG steuerbefreite immerwährende Nutzungsbelastung des Vermögens dar. Deren Kapitalwert erreiche nach § 13 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) den Wert des Vermögensstammes. Wegen der übrigen 20 % wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen (Anlage 1, FG-A Bl. 18 ff, 44 ff = ErbSt-A Bl. 274 ff).
III.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer am 15. April 1998 erhobenen Klage vor (FG-A Bl. 2 f, 7 ff):
Hinsichtlich der testamentarischen Zwecke Nrn. 8–11 liege die Zuwendung eines Zweckvermögens i.S.d. § 8 ErbStG vor, das von der Klägerin treuhänderisch verwaltet werde. Hinsichtlich der mit den Zwecken der Klägerin übereinstimmenden testamentarischen Zwecke Nrn. 1–7 entspreche die gemäß Testament getrennte Vermögensverwaltung dem Statut der Klägerin und der Üblichkeit bei Stiftungen. Die Zuführung von 20 % der Erträge zum Vermögensstamm sei keine Zweckzuwendung, die das Vermögen der Klägerin mindere, sondern das Gegenteil.
Unabhängig vom Vorliegen einer Zweckzuwendung handele es sich vollen Umfangs um eine nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG befreite „Zuwendung, die ausschließlich gemeinnützigen Zwecken gewidmet” sei und bei der „die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert” sei.
Für die Zweckwidmung in diesem Sinne genüge es nach dem vorerwähnten Urteil, daß der Erblasser als Empfänger der Zuwendung eine Einrichtung bestimme, die – wie die Klägerin – gemeinnützigen Zwecke diene.
Eine Zweckverwendung sei dauerhaft gegeben, auch wenn der 20 % Erträgnisanteil nicht im gleichen Jahr für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Dieser Anteil stärke den Vermögensstamm und erhöhe somit in den Folgejahren die Erträge, welche dann für die gemeinnützigen Zwecke zu verwenden seien. Die Periodenverschiebung stehe nicht im Gegensatz zu einer erbschaftsteuerlich geforderten Unmittelbarkeit. Für Zuwendungen an gemeinnützige ausländische Körperschaften könne nichts anderes als bei inländischen gelten, bei denen gemäß § 58 Nr. 7 Buchst. a Abgabenordnung (AO) die Verstärkung des Vermögensstamms mit bis zu 25 % der Erträge noch gemeinnützigen Zwecke diene.
Die Rücklagenbildung sichere dementsprechend die gemeinnützige Verwendung im Hinblick auf zukünftig zunehmenden Bedarf bzw. geldwertbedingt steigende Kosten. Wenn z.B. eine Rendite von 5 – 6 % erwirtschaftet werde, erhöhe sich das Vermögen nominal um 1 – 1,2 %, so daß der Kaufkraftverlust wenigstens teilweise ausgeglichen werde.
Weiter gesichert sei die zweckgemäße Verwendung durch die statutengemäße Administration sowie Rechnungslegung und -prüfung, durch die Stiftungsaufsicht und durch die Regelung, daß das Vermögen bei Auflösung der Klägerin kirchlich zu verwalten und zu entsprechenden Zwecken zu verwenden sei.
Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 3),
den Erbschaftsteuerbescheid vom 10. Mai 1989 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23. Dezember 1991 und der Einspruchsentscheidung vom 18. März 1998 ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 41),
die Klage abzuweisen.
Das FA trägt in Ergänzung der Einspruchsentscheidung vor (FG-A Bl. 41 ff):
Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG setze – über den Wortlaut hinaus – eine unmittelbare und nachweisbare Verwendung für begünstigte Zwecke voraus.
Das Stammkapital der Klägerin sowie die Verstärkung des Vermögensstamms durch die Rücklagen dienten zwar mittelbar begünstigten Zwecken, aber die Begriffe „dienen” und „verwenden” seien nicht gleichzusetzen. Daß die thesaurierten Erträge zukunftsbezogen über die später höheren Erträge der Stiftung wieder gemeinnützigen Zwecken zufallen würden, ändere nichts daran, daß die Erträge zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder begünstigten Zwecken gewidmet seien noch für diese verwendet würden. Eine Steuerbefreiung sei nur möglich, wenn die Klägerin ihre Einnahmen vollständig und fortlaufend begünstigten Zwecken zuführe.
Im deutschen Steuerrecht stelle die Bildung von freien Rücklagen im Sinne des § 58 Nr. 7 Buchst. a AO eine Ausnahme von dem in § 56 AO normierten Grundsatz der ausschließlichen Verfolgung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke dar § 56 AO dar. Die Thesaurierung sei keine Verwendung zu den gemeinnützigen Zwecken im Ausland.
§ 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG könne nicht so weit ausgelegt werden, daß auch die Zuwendung eines Vermögensstamms oder der thesaurierten Erträge – und somit die Körperschaft als Ganzes – von der Erbschaftsteuer befreit sei. Für das Streitjahr 1985 sei die Befreiung gemeinnütziger Körperschaften nur für inländische gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG geregelt.
Daß bei Auflösung der Klägerin ihre gesamten Mittel der Kirche zufallen und von dieser statutengemäß verwendet würden, ändere nichts an jeweiligen Thesaurierung von 20 % der Erträge, die demgemäß nicht für begünstigte Zwecke verwendet werden könnten.
IV.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Der Berichterstatter hat die Sache mit ihnen erörtert. Auf das Erörterungsprotokoll sowie auf die oben angeführten Unterlagen und die damit zusammenhängenden Vorgänge aus der FG-A und der ErbSt-A wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet. Die letztwillige Verfügung zugunsten der Klägerin ist vollen Umfangs von der Erbschaftsteuer befreit.
1. Die Erbeinsetzung der Klägerin ist grundsätzlich steuerbar, und zwar als Erwerb von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und teils als Zweckzuwendung von Todes wegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG.
a) Soweit der Erwerb von Todes wegen mit Verwendungsauflagen zugunsten der mit dem Stiftungsstatut der Klägerin übereinstimmenden Zwecke versehen ist, ist nur von der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auszugehen.
Diese Auflagen können vom Wert der Zuwendung nicht gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abgezogen werden, weil sie der beschwerten Klägerin i.S.v. § 10 Abs. 9 ErbStG zugute kommen. Die Auflage gegenüber einer Stiftung, das ihr Zugewandte statutengemäß zu verwenden, mindert die Bereicherung der Stiftung nicht (Meincke, ErbStG, 12. Aufl., § 8 Rd. 7 m.w.N.).
b) Soweit die testamentarische Zuwendung mit Verwendungsauflagen zugunsten anderer Zwecke versehen ist, können diese vom Wert der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbaren Erbschaft als Auflagen gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abgezogen werden, so daß insoweit eine Besteuerung entfällt.
Diesbezüglich ist jedoch zur Vermeidung von Besteuerungslücken eine Steuerbarkeit als Zweckzuwendung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vorgesehen. Es handelt sich i.S.v. § 8 ErbStG um eine Zweckzuwendung von Todes wegen, die mit Verwendungsauflagen zugunsten bestimmter Zwecke verbunden ist und bei der insoweit die Bereicherung der beschwerten Erbin (der Klägerin) gemindert wird. Der Wert der Zweckzuwendung bemißt sich gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 a.F. (Satz 4 n.F.) ErbStG nach der Verpflichtung des Beschwerten (der Klägerin). Diese Regelung geht davon aus, daß der Beschwerte den zur Zweckerfüllung aufzuwendenden Betrag um die Steuerschuld kürzen darf (Meincke, ErbStG, 12. Aufl., § 8 Rd. 10).
2. Der Erwerb von Todes wegen und die Zweckzuwendung sind jedoch insgesamt steuerbefreit gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG.
Im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich um „Zuwendungen, die ausschließlich gemeinnützigen Zwecken gewidmet sind”, wobei jeweils „die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist”.
a) Die Anwendbarkeit dieser Befreiungsnorm zugunsten ausländischer gemeinnütziger Institutionen wird weder durch die inländische gemeinnützige Einrichtungen begünstigende Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG verdrängt, noch durch die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG, wonach ausländische gemeinnützige Körperschaften unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit steuerbefreit sind.
aa) Letztere Regelung wurde erst durch das Steueränderungsgesetz 1992 eingefügt (und nachfolgend durch das Jahressteuergesetz 1997 geändert). Schon deswegen kommt es für den vorliegenden Erbfall aus 1985 nicht auf zwischenstaatliche Gegenseitigkeitserklärungen bzw. entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen im Verhältnis zu Schweden an (vgl. H. 48 und R. 49 Erbschaftsteuerrichtlinien – ErbStR – 1999).
bb) Im übrigen bleibt § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG als Auffangvorschrift anwendbar (Moench, ErbStG § 13 Rd. 98; Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 13 Rd. 222).
Aus ihr läßt sich nicht entnehmen, daß ausländische gemeinnützige Einrichtungen nicht oder nur bei Gegenseitigkeit begünstigt sein sollen. – Während sich in den Fällen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG die Verwendung zu den gemeinnützigen Zwecken im wesentlichen bereits aus der Person des Empfängers ergibt, sind bei § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einzeln zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 4. September 1996 II R 21/95, HFR 1997, 319, IStR 1997, 117, BFH/NV 1997, 231 zu II 2 a.E., im Verhältnis zu § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG weitergehend als BFH-Urteil vom 29. November 1995 II B 193/95 BFHE 179, 160, BStBl II 1996, 102 zu 1b).
b) Für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG macht es keinen Unterschied, ob die Zuwendungen an eine ausländische gemeinnützige Einrichtung deren statutarischen Zwecken entsprechen oder ob es sich um Zweckzuwendungen zu anderen gemeinnützigen Zwecken handelt (Moench, ErbStG § 13 Rd. 98, 103; Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 13 Rd. 222, 231).
Die frühere Auffassung, daß sich der Anwendungsbereich von § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG auf Zweckzuwendungen i.S.d. § 8 ErbStG beschränke, wurde durch die neuere Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Urteil in HFR 1997, 319, IStR 1997, 80, BFH/NV 1997, 231 zu II 2 m.w.N.; vgl. Moench, ErbStG, § 13 Rd. 98; entgegen R. 49 Abs. 2 ErbStR 1999).
Dementsprechend kommt im Streitfall eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG sowohl für die nach § 1 Abs. 1 Nr. ErbStG steuerbare Zuwendung für gemeinnützige Zwecke der Klägerin in Betracht als auch für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG steuerbare Zweckzuwendung für andere gemeinnützige Zwecke.
c) Weiter wird die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG unabhängig davon gewährt, ob das zugewandte Geld oder Vermögen selbst oder ob – wie hier – die daraus zu erzielenden Zins- und sonstigen Erträge den gemeinnützigen Zwecken zuzuführen sind, während das Kapital zur Erwirtschaftung dieser Erträge erhalten bleibt (vgl. Meincke, ErbStG, 12. Aufl., § 13 Rd. 54 Bsp.).
aa) Diese Auslegung ist mit dem Unterschied zwischen § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG einerseits und Nr. 16 Buchst. b andererseits vereinbar. Entgegen den anfänglichen Zweifeln des FA steht die „Verwendung” von „Zuwendungen” nach Nr. 17 nicht im Gegensatz zu Zuwendungen, die den Zwecken „dienen” nach Nr. 16 Buchst. b. Vielmehr ist dort die Rede von Zuwendungen an „Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die … ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen”.
bb) Die Auslegung, daß für die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG die gemeinnützige Verwendung der Erträge genügt, deckt sich weiter mit dem – später vom FA überlegten – Gesichtspunkt der immerwährenden Nutzungsbelastung. Bei Fortbestand des Vermögensstamms wird der gemeinnützigen Verwendung kein Kapitalwert vorenthalten, sondern dieser wird entsprechend § 13 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) durch die immerwährende (Nutzungs-)Belastung erschöpft, die Erträge gemeinnützigen Zwecken zuzuführen.
d) Bei den Zuwendungen für die Zwecke der Klägerin und für die anderen gemeinnützigen Zwecke handelt es sich – wie dem Grunde nach unstreitig ist – jeweils um gemeinnützige Zwecke i.S.d. § 52 AO.
Nach allgemeiner Auffassung bestimmt sich die Gemeinnützigkeit nach den Regeln der AO, d.h. nicht nur bei den Körperschaften i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG (vgl. § 51 Satz 1 AO), sondern auch bei den Zuwendungen zu ausschließlich gemeinnützigen Zwecken i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG, selbst wenn diese im Ausland erfüllt werden (vgl. zuletzt FG München, Urteil vom 5. November 1997 4 K 527/94, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1998, 492, rechtskräftig; R. 49 Abs. 1 ErbStR 1999; Moench, ErbStG, § 13 Rd. 98).
e) Entsprechend § 56 AO werden ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt. Das gilt sowohl bei der Zuwendung für die statutarischen Zwecke der Klägerin als auch sinngemäß bei der ebenso nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG begünstigten Zuwendung für andere Zwecke (§ 8 ErbStG). Die Steuerbefreiung wird nicht dadurch gemindert, daß jährlich 20 % der Erträge des zugewandten Vermögens zwecks dessen Erhaltung zu thesaurieren sind.
Nach den anzuwendenden Regeln der AO (s.o. zu d) werden solange „ausschließlich” gemeinnützige Zwecke verfolgt, wie die Körperschaft bzw. Vermögensmasse (§ 51 Satz 2 AO) i.S.v. § 58 Nr. 7 Buchst. a AO „höchstens ein Viertel des Überschusses der Einnahmen über die Unkosten aus Vermögensverwaltung einer freien Rücklage zuführt”.
Nach Auffassung des Senats besteht – entgegen dem FA – kein Grund, die „ausschließlich gemeinnützigen Zwecke” nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG abweichend von § 56, § 58 Nr. 7 Buchst. a AO zu interpretieren.
aa) Zwar trifft es zu, daß § 58 AO „steuerlich unschädliche Betätigungen” und damit Ausnahmen und Einschränkungen zu den vorangehenden Vorschriften regelt. Gleichwohl wird dadurch auch der Rahmen der in §§ 51 ff AO – z.T. nur generalklauselartig – beschriebenen Zweckverfolgung präzisiert. So wird durch die Vorschriften über die zulässigen Rücklagen in § 58 Nrn. 6 und 7 AO in erster Linie die Selbstlosigkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1 AO konkretisiert (vgl. Tipke/Kruse, AO, § 58 Rd. 7).
bb) Die hier interessierende Regelung der sogenannten freien Rücklagen in § 58 Nr. 7 Buchst. a AO wurde in Anknüpfung an frühere Verwaltungsvorschriften durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 eingeführt und ist gemäß Art. 97 § 1a Abs. 1 Einführungsgesetz zur AO (EGAO) ab 1. Januar 1985 anzuwenden (BGBl. I 1985, 2436, 2443).
cc) Die Regelung zielt ab auf die „Erhaltung der Leistungsfähigkeit” bzw. die „Sicherung der dauerhaften Zweckerreichung” (Bundestags-Drucksache 10/3295, S. 1, 5). Das Gebot einer „adäquaten Zukunftssicherung” besteht in gleicher Weise für ausschließlich gemeinnützige Zweckzuwendungen oder für Zuwendungen an Körperschaften oder Vermögensmassen bzw. Stiftungen zu deren ausschließlich gemeinnützigen Zwecken (vgl. Neuhoff/Lex/Schindler, Der Betrieb – DB – 1987 Beil. 10).
Das gilt insbesondere für Vermögenszuwendungen, bei denen das Kapital erhalten werden soll und die Erträge für die ausschließlich gemeinnützigen Zwecke zu verwenden sind. Für die in diesen Fällen erstrebte dauerhafte Leistungsfähigkeit zugunsten gemeinnütziger Zwecke sind die Rücklagen bei Kaufkraftverlusten bzw. steigenden Kosten zwingend notwendig. Wenn beispielsweise Erträge in Höhe von 4 – 8 % erwirtschaftet und davon ein Viertel (25 %) und damit im Ergebnis 1 – 2 % thesauriert werden, so wird dadurch die durchschnittliche jährliche Preissteigerung kaum überschritten.
dd) Die Auflage im vorliegenden Testament, jährlich nur 20 % (ein Fünftel) der Erträge des gesondert zu verwaltenden Zuwendungsvermögens zur Stärkung des Vermögensstamms zurückzulegen, hält sich in dem durch § 58 Nr. 7 Buchst. a AO vorgegebenen Rahmen von einem Viertel bzw. 25 %. Dieser ist im übrigen auch im Statut der Klägerin bestimmt.
ee) Für den Streitfall kann dahinstehen, ob oder inwieweit auch die Zuwendung eines – mit laufenden Ausgaben verbundenen – wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs an eine gemeinnützige Stiftung steuerbefreit sein könnte (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 30. September IV 4/95, EFG 1998, 121; Bayer. Staatsministerium der Finanzen, Erlaß vom 19. April 1993, Datev; Schauhoff, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge – ZEV – 1995, 439, 443).
f) Im Unterschied zu § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b und c ErbStG und zu den Befreiungsvorschriften anderer Steuergesetze (wie z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz – KStG –) fordert § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG keine „unmittelbare” Zweckverfolgung, wie sie in § 57 AO beschrieben ist. Im übrigen wären selbst bei ungeschriebener Heranziehung von § 57 AO die konkretisierenden Regelungen des § 58 (Nr. 7 Buchst. a) AO zu beachten (vgl. oben e).
g) Auch sonst enthält § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG keine Bestimmung dahin, daß bei Vermögens-Zuwendungen zwecks gemeinnütziger Verwendung der Erträge diese vollen Umfangs periodengleich auszugeben und nicht anteilig zu thesaurieren sind. Das Gesetz zielt ferner nicht darauf ab, daß das Vermögen bei steigenden Kosten in absehbarer Zeit real abgebaut oder verbraucht wird.
h) Die von § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG geforderte Zweckwidmung liegt vor, d.h. die „Widmung” der Zuwendungen zu den – wie vorbeschrieben – ausschließlich gemeinnützigen Zwecken.
Nach den unter Bezugnahme auf die Testamente getroffenen (und unstreitigen) Feststellungen hat der Erblasser dort genau bestimmt, in welchem Verhältnis die Erträge für die verschiedenen gemeinnützigen Zwecke zu verwenden sind.
aa) Erstens sind die mit dem Stiftungsstatut der Klägerin übereinstimmenden gemeinnützigen Zwecke und die auf sie entfallenden Erträge bezeichnet.
Nachdem entgegen früherer Rechtsprechung die Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG nicht mehr auf Zweckzuwendungen i.S.d. § 8 ErbStG beschränkt wird (vgl. oben b), würde im übrigen die Zuwendung an eine dem Erblasser bekannte gemeinnützige Institution – hier die Klägerin – für die Zweckwidmung schon ausreichen (Urteil in HFR 1997, 319, IStR 1997, 80, BFH/NV 1997, 231). Denn bei der Ermittlung des Erblasserwillens sind auch bekannte Umstände außerhalb des Testamentwortlauts heranzuziehen (BFH-Entscheidungen vom 29. November 1995 II B 103/95, BFHE 179, 160, BStBl II 1996, 102; vom 3. August 1983 II R 20/80, BFHE 139, 298, BStBl II 1984, 9; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rd. 167).
bb) Zweitens sind auch die anderen gemeinnützigen Zwecke, hinsichtlich derer es sich um eine Zweckzuwendung i.S.d. § 8 ErbStG handelt, und die darauf entfallenden Erträge im Testament einzeln festgelegt.
cc) Die Auslegung des Testaments (vgl. aa) entspricht auch bezüglich der vorgesehenen 20 % Thesaurierung bzw. Verstärkung des Vermögensstamms den mit § 58 Nr. 7 Buchst. a AO verfolgten Zwecken der dauerhaften Erhaltung der gemeinnützigen Leistungsfähigkeit.
i) Schließlich ist auch die von § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG geforderte Zwecksicherung gegeben; d.h. es ist jeweils die „Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert”.
Dafür genügt es, daß die empfangende Einrichtung die Gewähr dafür bietet, daß die Zuwendungen bestimmungsgemäß verwendet werden (vgl. Urteil in HFR 1997, 319, IStR 1997, 117, BFH/NV 1997, 231), und zwar – insbesondere durch ihre Administration, Rechnungslegung und -prüfung – gemäß Statut bzw. Satzung (Beschluß in BFHE 179, 160, BStBl II 1996, 102).
Daran besteht bei der Klägerin (unstreitig) kein Zweifel, zumal mit Rücksicht auf die Stiftungsaufsicht und die Vertretung durch den Vorstand, dem u.a. ein – der Standesaufsicht unterworfener – Advokat und ein gemäß Statut bestimmter hoher Geistlicher als Person des öffentlichen Lebens angehören (vgl. Moench, ErbStG, § 13 Rd. 101).
Selbst für den Fall der Auflösung der Stiftung ist vorgesorgt durch die Regelung, daß das Stiftungskapital dann einer bestimmten Kirchengemeinde wiederum zur Verwendung für die bislang vorgesehenen Zwecke zu übergeben ist.
Im übrigen wird die zukünftige Leistungsfähigkeit der Klägerin für die gemeinnützigen Zwecke gerade durch die im Streitfall vorgesehenen Rücklagen zur Kapitalerhaltung gesichert (oben e cc-dd).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.