08.01.2010
Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 22.11.2001 – V 101/99
Zahlt ein gemeinnütziger Verein an die bei ihm angestellten Betreuer für die vollstationäre Betreuung von Kindern in einer familienähnlichen Wohngruppe neben dem Gehalt einen monatlichen Betrag zur Abgeltung der Sachkosten, so handelt es sich um nicht steuerbaren Auslagenersatz, sofern der Betrag den Sachkostenanteil des vom Jugendamt für die Betreuung an den Verein gezahlten Pflegesatzes nicht übersteigt.
Tatbestand
Die Kläger werden als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Sie sind beide bei dem Kinder- und Jugend... angestellt, der Kläger als Diplom-Sozialpädagoge und die Klägerin als Erzieherin. Die Klägerin leite eine „beziehungsorientierte Wohngruppe”. Dabei handelt es sich um eine sonstige betreute Wohnform, die nach Maßgabe des § 34 Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz) Hilfe zur Erziehung leisten soll. Die Klägerin nimmt bis zu zwei verhaltensauffällige oder in schwierigen Verhältnissen lebende Kinder über Tag und Nacht in ihren eigenen Haushalt auf. Ein familienähnliches Band soll dabei nicht begründet werden; die Kinder sollen später wieder in ihre Familien zurückkehren. Eine solche Einrichtung bedarf der Erlaubnis und unterliegt der Aufsicht (§ 45 Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz). Der KJHV zahlte der Klägerein im Streitjahr (1996) pro Kind und Monat neben dem Gehalt einen Betrag von 1.110 DM zum Ausgleich der Sachkosten. Streitig ist die steuerliche Behandlung dieser Zahlungen.
Der ... ist ein privater Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Er schließt mit der Pflegesatzkommission, vertreten durch das Jugendamt der Stadt, jährlich im Wege der vereinfachten Fortschreibung eine Pflegesatzvereinbarung. Der Pflegesatz ist das Entgelt für die Erfüllung eines Betreuungsauftrags. Der an den ... für eine Betreuung gezahlte Pflegesatz betrug bei Unterbringung in einer stationären Wohngruppe im Streitjahr täglich 198,67 DM, davon entfielen auf Personalkosten 141,59 DM und auf Sachkosten 57,08 DM. Darüber findet eine Abrechnung im Einzelfall nicht statt. Der ... dient ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken der Kinder- und Jugendhilfe. Er betreibt insbesondere Heime, Jugendwohngemeinschaften, erlebnispädagogische Projekte und familienanaloge Wohngruppen.
Der vom ... an die Klägerin gezahlte Betrag von 1.110 DM pro Kind und Monat setzt sich nach einer internen Abrechnung für 1994 wie folgt zusammen:
Telefon | 25,00 DM | ||
Porto | 5,00 DM | ||
Energiekosten | 110,00 DM | ||
Reinigungskosten | 30,00 DM | ||
Mieten u. Pachten | 300,00 DM | ||
Ersatzbeschaffung | 70,00 DM | ||
Lebensmittel | 270,00 DM | ||
Päd. Betreuung | 80,00 DM | ||
Bekleidung | 70,00 DM | ||
Fahrtk. Außenst. | 150,00 DM | ||
gesamt | 1.110,00 DM | 2 Kinder | 2.220,00 DM. |
Dazu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Einzelbeträge seien bis auf die Positionen Reinigung und Bekleidung nicht verhandelbar. Insbesondere bei den Positionen Miete und Fahrtkosten nehme der ... auf die individuelle Umstände der Betreuer keine Rücksicht.
In ihrer ESt-Erklärung für 1996 machten die Kläger u. a. negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (- VuV -, Einnahmen: 7.200 DM abzgl. Werbungskosten - WK -: 7.591 DM) geltend. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), setzte demgegenüber Einkünfte aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit in Höhe von 8.640,00 DM (Einnahmen: 12 x 2 x 1.110 DM = 26.640 DM abzgl.WK pauschal: 12 x 2 x 750 DM) an. Zur Begründung des dagegen eingelegten Einspruchs führten die Kläger aus, bei dem vom ... neben dem Gehalt gezahlten Betrag handele es sich um pauschalen Aufwandsersatz. Die Pauschale entspreche den mit der Pflegesatzkommission vereinbarten Sätzen für Sachkosten. Sie solle nur die tatsächlich entstehenden Kosten abdecken. Ihre tatsächlichen Aufwendungen lägen höher. Einzelnachweise könnten allerdings nicht erbracht werden. Nur für die Mieten sei ein Verlust nachweisbar. Vermietet seien zwei für die Betreuung hergerichtete und von ihrem persönlichen Wohnbereich getrennte Kinder- und ein Badezimmer. Ein schriftlicher Mietvertrag existiere nicht. Mit dem ... sei aber ein mündlicher Mietvertrag geschlossen worden; der ... stelle den Betreuten die gemieteten Räume unentgeltlich zur Verfügung. Die Aufwendungen seien ihnen nur für die Betreuung entstanden; für sich selbst benötigten sie die zusätzlichen Räume nicht.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es lägen keine Einkünfte aus VuV vor, da die Kinder als Pflegekinder den Tatbestand der Selbstnutzung erfüllten. Im Übrigen fehle ein schriftlicher Mietvertrag. Bei dem von privater Seite gezahlten Pflegegeld handele es sich insgesamt um steuerpflichtige Einnahmen aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 11 EStG greife nicht ein. Zwar verfüge der ... über öffentliche Mittel, die grundsätzlich befreit seien. Der ... könne jedoch vom Jugendamt nicht hinreichend kontrolliert und beaufsichtigt werden. Seine Zwischenschaltung stelle sich deshalb für die Anwendung des § 3 Nr. 11 EStG als schädlich dar. Der vom (privaten) Arbeitgeber gezahlte Betrag sei auch nicht nach § 3 Nr. 50 EStG steuerfrei, da mangels geeigneter Einzelnachweis nicht festgestellt werden könne, ob er den tatsächlich angefallenen Kosten im Großen und Ganzen entspreche. Es könne nur der im Erlass vorgesehene WK-Pauschbetrag von 750 DM pro Kind und Monat anerkannt werden (vgl. Einspruchsentscheidung vom 26. März 1999).
Mit der fristgerecht (am 22. April 1999) erhobenen Klage machen die Kläger weiter geltend, die Kinderzimmer seien an den ... vermietet. Sie behaupten, die ihnen tatsächlich für die Betreuung entstandenen Aufwendungen überstiegen (ohne Mieten) den Betrag von 810 DM monatlich. Hilfsweise meinen sie, müsste der vom FA angewandte WK-Pauschbetrag nach dem Lebenshaltungskostenindex erhöht werden. Der vom ... an die Kläger pro Kind bezahlte Betrag entspreche den im Pflegesatz enthaltenen Sachkosten. Die Finanzverwaltung setze sich über den Entscheidungsvorrang der zuständigen Sozialbehörden hinweg, wenn sie die Angemessenheit der Pflegesatzvereinbarung in Zweifel ziehe.
Der Senat hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 27. August 2001, den Klägern zugestellt am 7. September 2001, als unbegründet abgewiesen. Gegen den Gerichtsbescheid haben die Kläger am 5. Oktober 2001 mündliche Verhandlung beantragt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend zur Sache vorgetragen.
Der Kläger beantragt,
die Einkünfte aus VuV wie erklärt zu berücksichtigen, den vom ... an die Kläger gezahlten Betrag von monatlich 810 DM pro Kind (1.110 DM ./. Miete 300 DM) steuerfrei zu belassen und die ESt 1996 unter Abänderung des Bescheids vom 9. April 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. März 1999 niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Gründe
Die Klage ist ganz überwiegend begründet. Soweit das FA den vom ... monatlich neben dem laufenden Gehalt an die Klägerin ausbezahlten Betrag zur Abgeltung der Sachkosten (Sachkostenpauschale) der Besteuerung unterworfen hat, ist der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der geltend gemachten (negativen) Einkünfte aus VuV, ist die Klage unbegründet.
Im Gerichtsbescheid hat der Senat ausgeführt, die Sachkostenpauschale sei nicht steuerfrei. Die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung erfülle nicht die Voraussetzungen des § 3 Nr. 50 EStG, weil nicht festgestellt werden könne, ob der Betrag im Großen und Ganzen den tatsächlichen Aufwendungen entspreche. Nach erneuter eingehender Beratung hält der Senat daran nicht fest.
Nach § 3 Nr. 50 EStG sind Beträge steuerfrei, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält, um sie für ihn auszugeben (durchlaufende Gelder), und die Beträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden (Auslagenersatz). Abzugrenzen ist der nicht steuerbare Auslagenersatz vom grundsätzlich steuerpflichtigen WK-Ersatz (vgl. Schmidt / Drenseck, EStK Kommentar 20. Aufl. § 19 Rn. 23 m. w. N.). Auslagenersatz i. S. des § 3 Nr. 50, 2. Alternative EStG ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer im ganz überwiegenden Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen tätigt, die der Arbeitsausführung dienen und die nicht zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers führen. Dem entspricht der in § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelte Aufwendungsersatzanspruch des Beauftragten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. August 1995 VI R 30/95, BFHE 178, 350, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1995, 906).
Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Aufwendungen für die Versorgung der betreuten Kinder im ganz überwiegenden Interesse des ... tätigt. Denn der Verein übernimmt gegenüber dem Jugendamt selbst den Betreuungsauftrag und vereinnahmt dafür den Pflegesatz. Die Betreuung über Tag und Nacht erfordert notwendig die Versorgung des zu Betreuenden. Bedient sich der Arbeitgeber bei der Erfüllung der ihn treffenden Betreuungspflicht eines Angestellten in der Weise, dass der Arbeitnehmer auch die Versorgung des zu Betreuenden übernimmt, so hat er ihm - vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Regelung - die dafür notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Aufwendungen kommen auch nicht dem Arbeitnehmer zugute; er ist dadurch nicht bereichert. Bei der Sachkostenpauschale handelt es sich deshalb dem Grunde nach um nicht steuerbaren Auslagenersatz.
Dem steht nicht entgegen, dass keine Einzelabrechnung der vom Arbeitnehmer verauslagten Beträge, sondern eine pauschale Abgeltung stattgefunden hat. Allerdings hat der BFH in der Vergangenheit nicht steuerbaren Auslagenersatz grundsätzlich nur bei Einzelabrechnung der vom Arbeitnehmer verauslagten Beträge anerkannt; Ausnahmen davon sind nur in engen Grenzen zugelassen worden, wenn es sich um kleine Beträge handelt, die erfahrungsgemäß den durchschnittlich entstehenden Aufwand nicht übersteigen (BFH-Urteile vom 28. Februar 1975 VI R 28/73, BFHE 115, 342, BStBl II 1976, 134 und vom 6. März 1980 VI R 65/77, BFHE 129, 559, BStBl II 1980, 289). Demgegenüber bestehen nach neuerer Rechtsprechung des BFH keine Bedenken, eine zivilrechtlich aus Vereinfachungsgründen geradezu gebotene Pauschalabgeltung solcher Aufwendungen, die erfahrungsgemäß regelmäßig in etwa gleicher Höhe wiederkehren, auch steuerlich anzuerkennen, wenn sie im Großen und Ganzen gesehen den tatsächlichen Aufwendungen entspricht. Sind die vereinbarten Beträge im Großen und Ganzen nicht höher als die tatsächlichen Aufwendungen, so ist eine pauschale Abgeltung von Auslagen steuerlich selbst dann anzuerkennen, wenn es sich nicht um kleine Beträge, sondern um solche von monatlich zwischen 34 DM bis 106 DM handelt. Steuerliche Gründe sprechen allerdings dann von vornherein gegen die Anerkennung einer pauschalen Abgeltung, wenn sie überhöht oder anhand der vorgelegten oder angebotenen Beweismittel nicht aufklärbar ist, ob sie den tatsächlichen Aufwendungen im Großen und Ganzen entspricht. Dann ist der gesamte pauschale Abgeltungsbetrag als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln. Denn die steuerliche Rücksichtnahme auf das zivilrechtliche Interesse an einer Vereinfachung darf nicht zu einem Mehraufwand an Verwaltungsarbeit in steuerlicher Hinsicht führen. Das wäre aber der Fall, wenn die Finanzverwaltung die zutreffende Höhe einer pauschalen Abgeltung erst selbst ermitteln müsste (BFH, BStBl II 1995, 906 zum „Rohr-, Blatt- und Saitengeld” bei Berufsmusikern).
Im Streitfall haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer offenbar aus Vereinfachungsgründen auf eine Abrechnung der tatsächlichen Auslagen verzichtet. Dabei wird nicht nur ein erheblicher Verwaltungsaufwand vermieden. Der Kläger hat zu Recht auch darauf hingewiesen, dass in einem einheitlich geführten Haushalt eine genaue Trennung der beruflich durch die Betreuung der Kinder oder privat durch die eigene Lebensführung veranlassten Aufwendungen weithin unmöglich ist. Vor dem Hintergrund dieser praktischen Schwierigkeiten erscheint die zivilrechtlich zulässige Pauschalierung des Auslagenersatzes geradezu geboten. Dem entspricht es, dass zwischen dem Jugendamt und dem KJHV über die Verwendung des Pflegesatzes - auch hinsichtlich der Sachkosten - nicht im Einzelfall abgerechnet wird. Bei den Sachkosten der Betreuung ist schließlich davon auszugehen, dass sie regelmäßig in etwa gleicher Höhe wiederkehren. Eine Pauschalierung bietet sich auch aus diesem Grund an.
Die Pauschale entspricht auch im Großen und Ganzen den tatsächlichen Aufwendungen. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin tatsächliche Aufwendungen in gleicher oder in übersteigender Höhe hatte und ob sie entsprechende Aufwendungen nachgewiesen hat. Nach Auffassung des Senats ergibt sich die Angemessenheit - ohne konkrete Einzelprüfung - bereits daraus, dass die im Streitjahr vereinbarte Pauschale unter dem Sachkostenanteil des Pflegesatzes für dasselbe Jahr liegt. Der Sachkostenanteil des Pflegesatzes belief sich nach der für das Streitjahr maßgeblichen Vereinbarung zwischen dem ... und der Pflegesatzkommission vom 5. 2. 1996 auf 57,08 DM täglich Das entspricht einem Betrag von 1.712,40 DM pro Monat (57,08 DM x 30). Die Zusammensetzung des vom ... an die Klägerin gezahlten Betrages weicht allerdings von dem Sachkostenanteil des Pflegesatzes wie folgt ab:
Kostengruppe | vereinbartin DM | Pflegesatz pro Tagin DM | pro Monatin DM |
Telefon | 25,00 | 2,48 | 74,40 |
Porto | 5,00 | 0,23 | 6,90 |
Energie | 110,00 | 4,48 | 134,40 |
Reinigung | 30,00 | 1,06 | 31,80 |
Miete | 300,00 | 13,81 | 414,30 |
Ersatzbeschaffung | 70,00 | 3.61 | 108,30 |
Lebensmittel | 270,00 | 9,87 | 296,10 |
Päd. Betreuung | 80,00 | 8,86 | 265,80 |
Bekleidung | 70,00 | 0,00 | 0,00 |
Fahrtkosten Außenst. | 15,00 | Fuhrpark 1,13 | 33,90 |
Summen | 1.110,00 | 45,53 | 1.365,90 |
Der Senat hält diese Abweichung in der Zusammensetzung für unbeachtlich, solange der vom Arbeitgeber erstattete Gesamtbetrag unter dem Sachkostenanteil des Pflegesatzes liegt. Das ist hier der Fall. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Sachkostenanteile des Pflegesatzes überhöht ist und den regelmäßig wiederkehrenden tatsächlichen Aufwendungen nicht zumindest im Großen und Ganzen entspricht. Diese typisierende Ermittlung des individuellen Bedarfs ist auch steuerlich anzuerkennen. Zwar besteht keine Bindung an die auf dem Gebiet des Sozialrechts getroffenen Verwaltungsentscheidungen, wohl aber ist zu berücksichtigen, dass die Bewilligung öffentlicher Mittel und die Aufsicht über ihre Verwendung speziell dafür ausgebildeten Beamten oder Angestellten übertragen ist, deren Tätigkeit grundsätzlich kein Misstrauen rechtfertigt (vgl. nur: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 1991, 1 BvR 1331/8, INF 1991, 310). Die hier vertretene Auffassung verwirklicht außerdem das übergeordnete Prinzip, am Bedarf orientierte Sozialleistungen möglichst ungeschmälert dem Begünstigten zukommen zu lassen und sie nicht zwischendurch steuerlich abzuschöpfen (vgl. dazu: BFH-Urteil vom 19. Juni 1997 IV R 26/96, BFHE 183, 488, BStBl II 1997, 652). Die gegenteilige Auffassung würde der Klägerin eine praktisch kaum erfüllbare Nachweispflicht auferlegen, um steuerliche Nachteile zu vermeiden, die überdies dem Zweck der eingesetzten öffentlichen Mittel zuwider liefen.
Dabei wird nicht verkannt, dass der BFH den Pflegesatz gerade nicht - auch nicht teilweise - als steuerfrei angesehen hat (BFH-Urteil vom 23. September 1998 XI R 11/98, BFHE 187, 39, BStBl II 1999, 133). Die dortige Klägerin betrieb mit zwei Angestellten ein „Kinderhaus” für sechs Kinder. Dafür erhielt sie vom Kreis die Pflegesätze. Der BFH stellte fest, es handele sich nicht um „Beihilfen” i. S. des § 3 Nr. 11 EStG. Der Pflegesatz solle pauschal die tatsächlichen Kosten in angemessenem Umfang ersetzen. Er umfasse die Personal- und Sachkosten. Im Pflegesatz sei also ein „fiktives” Gehalt für die Heimleitung erhalten. Der Betrieb des Kinderhauses sei mithin auf eine Erwerbstätigkeit gerichtet. Der Bereich der unentgeltlichen familiäre Pflege, in dem die Pflegepersonen durch Beihilfen unterstützt werden (Pflegegeld und Erziehungsgeld) sei damit verlassen. Die unterschiedliche Behandlung von Pflegegeldern und Pflegesatzzahlungen sei auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil es sich - vor allem im Hinblick auf Organisation und Finanzierung - um ganz unterschiedliche Pflegeformen handele, die Pflegefamilie auf der einen Seite, die Betreuung im Heim auf der anderen Seite. Das Kinderhaus sei keine Pflegestelle nach § 33 SGB VIII, sondern eine (Heim-) Einrichtung i. S. des § 34 Sozialgesetzbuch VIII (vgl. aber auch: Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Februar 1999 6 K 2402/97, JURIS, zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die grundsätzlich unentgeltliche familiäre Pflege aufgrund ihres Umfangs als gewerblich anzusehen ist. Rev. eingelegt, Az. des BHF: VI R 90/00; dazu auch: BMF-Schreiben vom 7. Februar 1990 IV B 1 - S-2121 - 5/90, BStBl I 1990, 109 und einschränkend: Oberfinanzdirektion Kiel, Vfg. vom 11. September 1998 S-2121 A - St 116, FR 1999, 165).
Diese Fragen stellen sich im Streitfall nicht, weil § 3 Nr. 11 EStG auf die Zahlungen eines privaten Arbeitgebers auch dann nicht anwendbar ist, wenn dieser sich (im Wesentlichen) aus öffentlichen Mitteln finanziert (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. April 2000 5 K 291/98, JURIS; so auch: Oberfinanzdirektion Kiel, Vfg. vom 8. März 1996 - S-2121 A - St 116, ESt-Kartei § 18 Karte 3.4.5). Es besteht im Übrigen kein Zweifel, dass der Pflegesatz nicht insgesamt steuerfrei sein kann, weil er auch die Personalkosten und damit das „Gehalt” des Betreibers abdeckt. Die Frage, ob nicht zumindest der Sachkostenanteil des Pflegesatzes frei bleiben sollte, wird im zitierten BFH-Urteil ebenso wenig behandelt wie die Frage, welche WK oder Betriebskosten die dortige Klägerin hatte und wie sie nachgewiesen werden können. Im Streitfall ist eine einheitliche Betrachtung hingegen weder geboten noch gerechtfertigt. Die im Pflegesatz zusammengefassten Kosten der Betreuung sind hier durch privatrechtlich wie steuerlich verbindliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt worden in ein Gehalt und einen - steuerfreien - Sachkostenzuschuss.
Der angefochtene ESt-Bescheid war dementsprechend zu ändern. Das zu versteuernde Einkommen ermäßigt sich um 8.640 DM für die vom FA angesetzten Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Das zu versteuernde Einkommen beträgt danach ... DM, die tarifliche ESt nach der Splitting-Tabelle ... DM.
Unerheblich ist nach allem, dass der vom FA angewandte Erlass (FinMin Schl.-Holst. vom 20. Januar 1984 - VI 310b - S-2121 - 57 und vom 1. August 1988 VI 310b - S-2121 - 073, ESt-Kartei § 18 Karte 3.5.1 „Einkommensteuerliche Behandlung des von privater Seite gezahlten Pflegegeldes”) eigentlich die von den leiblichen Eltern geleisteten Zahlungen für die Betreuung, Versorgung und Erziehung des Kindes in einer fremden Familie erfassen will und dass die hier streitigen Zahlungen des ... - bei Verneinung der Steuerfreiheit - im Hinblick auf das mit der Klägerin begründete Anstellungsverhältnis als Bestandteil des Arbeitslohns (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) und nicht als Einkünfte aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit einzustufen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 5 Satz 1 FGO und § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Mit den geltend gemachten WK-Überschüssen aus VuV sind die Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen. Der Senat sieht deshalb davon ab, den Klägern die Kosten teilweise aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i. V. mit §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.