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  • 01.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228458

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 17.11.2021 – 1 K 2222/18

    1. Durch die KonsVerLUXV vom 9.7.2012 (BGBl I 2012, 1484) wurden die in der Verständigungsvereinbarung zwischen Luxemburg und Deutschland vom 7.9.2011 (BStBl I 2011, 853) zu Abfindungen enthaltenen Regelungen nicht rechtswirksam in innerstaatliches Recht überführt

    2. Abfindungen in Folge einer Kündigung und/oder eines Sozialplans sind im Wohnsitzstaat und entgegen den Regelungen in der Verständigungsvereinbarung nicht im Tätigkeitsstaat zu besteuern,


    Finanzgericht Rheinland-Pfalz

    Urteil vom 17.11.2021


    In dem Finanzrechtsstreit
    des Herrn
    - Kläger -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    das Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2015

    hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. November 2021 durch
    xxx
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    I.
    Die Klage wird abgewiesen.

    II.
    Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

    III.
    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob die Abfindungszahlung eines luxemburgischen Arbeitgebers an einen nichtselbständig in Luxemburg tätigen Arbeitnehmer in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen ist.

    Der in Deutschland wohnhafte und im August 1956 geborene Kläger war im Streitjahr 2015 bei der Banque ... in Luxemburg beschäftigt. Im Rahmen deren Abwicklung und Schließung des Standorts erfolgte eine Einigung auf einen Sozialplan, der u.a. Abfindungen vorsah. Mit Kündigungsschreiben vom 07.05.2015 wurde dem (seit 01.02.1979 dort beschäftigten) Kläger die Kündigung zum 30.11.2015 ausgesprochen (Bl. 79 PA). Nach Unterzeichnung der Vergleichsvereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber am 07.05.2015 (Bl. 81 - 84 PA) verlängerte sich die Kündigungsfrist zum 31.05.2016 (Bl. 80 PA).

    Im April 2014 beantragte der Arbeitgeber des Klägers eine Steuerbefreiung für die Abfindungszahlungen nach Artikel 115.10 L.I.R. beim Comité de Conjoncture des Ministère de l'Economie (nachfolgend: Konjunkturausschuss); die Bescheinigung wurde am 25.04.2014 ausgestellt (vorgelegt im Klageverfahren vgl. Bl. 54, 59, 64 PA).

    Ausweislich der Lohnbescheinigung erhielt der Kläger im Streitjahr 2015 einen laufenden Arbeitslohn i.H.v. 89.338 EUR sowie eine Abfindung i.H.v. 131.339 EUR (Bl. 2 - 6 ESt-Akte; vgl. auch Gehaltsabrechnungen über eine Abfindung i.H.v. 131.339,34 EUR im Juli 2015 bezeichnet als "Gesetzl. Abgangsentsch. Stfr.115/9" / "tarifliche Abgangsentschädigung steuerfrei", Bl. 85 PA).

    Im Folgejahr 2016 erhielt der Kläger für den Zeitraum 01.01. - 31.08.2016 von demselben Arbeitgeber weitere Einnahmen i.H.v. 137.773 EUR und 23.075 EUR (vgl. Bl. 42 PA; Abfindung im August 2016 bezeichnet als "ABGANGSENTSCH. STFR. 115/10 / "freiwillige Abgangsentschädigung steuerfrei"; Bl. 86 PA).

    Seit September 2016 bezieht der Kläger eine Pension der ... d'Assurance i.H.v. 24.904,92 EUR (Bl. 43 PA).

    In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 erklärte der Kläger insgesamt einen Betrag von 220.677 EUR als nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 23.04.2012 (nachfolgend: DBA LUX 2012) steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Arbeitslohn und hierzu Werbungskosten i.H.v. 3.319,24 EUR.

    Mit Bescheid vom 27.12.2017 behandelte der Beklagte demgegenüber den Arbeitslohn i.H.v. 108.264 EUR als im Inland steuerpflichtig. Diesen Betrag ermittelte er nach der in Luxemburg geltenden Regelung des Artikels 115.9 L.I.R., wonach eine Abfindung bis zum 12fachen des Mindestlohns für ungelernte Arbeitnehmer i.H.v. monatlich 1.922,96 EUR steuerfrei bleibe (Abfindung i.H.v. 131.339 EUR abzüglich 23.075,52 EUR). Dem Progressionsvorbehalt unterwarf er Einkünfte in Höhe von 110.093 EUR (Bl. 30 ff. Rb-Akte).

    Zur Begründung seines Einspruchs trug der Kläger vor, er sei einer der letzten aktiv tätigen Arbeitnehmer gewesen, da er für das EDV-System der Bank verantwortlich gewesen sei. Abfindungen im Rahmen eines Sozialplans seien gemäß der Verständigungsvereinbarung vom 07.09.2011 nicht im Ansässigkeitsstaat zu versteuern. Gemäß Artikel 115.9 L.I.R. seien die grundsätzlich steuerpflichtigen Einkünfte unter bestimmten Bedingungen in Luxemburg steuerfrei gestellt. Dies habe der Arbeitgeber unter Anwendung der luxemburgischen Steuergesetzgebung auch nachvollzogen. Hier greife vor allem die Steuerbefreiung für tarifvertraglich fixierte Abfindungen. Zum Nachweis legte er neben seiner Einkommensteuererklärung den Einkommensteuerbescheid aus Luxemburg für 2015 vor, der die Einkünfte unversteuert ließ (Bl. 22 - 24, 25 - 29 Rb-Akte).

    Der Aufforderung des Beklagten, die Bescheinigung des Konjunkturausschusses über die Steuerbefreiung nach Artikel 115.10 L.I.R. und die Abrechnung des Arbeitgebers über sämtliche Leistungen ab 2015 in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vorzulegen, kam der Kläger (zunächst) nicht nach.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Da der Kläger keine Bescheinigung des Konjunkturausschusses über die Steuerbefreiung der Abfindungszahlungen nach dem Sozialplan der Banque ... nach Artikel 115.10 L.I.R. vorgelegt habe, trete die Regelung nach der Verständigungsvereinbarung zum Abkommen vom 23.08.1958 in der Fassung des Ergänzungsprotokolls vom 15.06.1973 und des Änderungsprotokolls vom 11.12.2008 in Kraft, wonach die Abfindung aufgrund eines Sozialplans von der Besteuerung in dem Ansässigkeitsstaat nur freizustellen sei, wenn diese Zahlung durch den Tätigkeitsstaat tatsächlich besteuert worden sei. Dies sei nachweislich nicht geschehen. Das Besteuerungsrecht liege damit bei der Bundesrepublik. Ausgehend von der Steuerbefreiungsvorschrift des Artikel 115.9 L.I.R. sei nur der Differenzbetrag in Höhe von 108.264 EUR im Inland zu besteuern.

    Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, das in der Einspruchsentscheidung beschriebene "Risiko", dass die luxemburgischen Behörden die Steuerbefreiung nicht gewähren könnten, sei nicht eingetreten. Wenn sie es verwehrt hätten, wäre die steuerliche Rückfallklausel ohnehin nicht anwendbar gewesen, da Luxemburg sein Besteuerungsrecht ausgeübt hätte. Der Nachweis des Verzichts durch Luxemburg gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG sei durch den Steuerbescheid in Luxemburg erbracht worden. Es handele sich nicht um weiße Einkünfte, die ausschließlich nicht ansässigen Personen gewährt würden, sondern um Steuerbefreiungen, die aufgrund des Verlustes des Arbeitsplatzes partiell durch den luxemburgischen Staat allen betroffenen Steuerpflichtigen gewährt würden.

    Mit gerichtlicher Verfügung vom 28. Dezember 2020 wies die Berichterstatterin die Beteiligten auf Artikel 14 Abs. 1 DBA LUX 2012 sowie die Rechtsprechung des BFH hin, wonach Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern seien. Weiter wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach Ansicht des erkennenden Senats die Verständigungsvereinbarung zum DBA LUX vom 07.09.2011 und die KonsVerLUXV hieran nichts ändern würden, da § 10 KonsVerLUXV mangels einer den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügenden Ermächtigungsgrundlage keine Rechtswirkungen entfalte (Bl. 103 ff. PA).

    Hierzu trägt der Kläger vor, das zum Berufskraftfahrer ergangene Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 07.10.2020 (1 K 1272/18) beziehe sich auf eine andere Verständigungsvereinbarung und sei auch inhaltlich anders zu bewerten als der Streitfall. Es gelte der Grundsatz der Entscheidungsharmonie. Die Verständigungsvereinbarung finde daher weiterhin Anwendung, um dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Rechnung zu tragen. Er, der Kläger, werde ungleich zu allen anderen Steuerpflichtigen belastet, auf die die Verständigungsvereinbarung vom 07.09.2011 angewendet worden sei. Artikel 115.10 L.I.R. lasse eine solche Freistellung von Abfindungszahlungen ausdrücklich zu (vgl. beigefügte Erläuterung von ... Luxemburg, Bl. 117 f. PA). Im Ergebnis wäre er, der Kläger, wahrscheinlich der einzige Mitarbeiter der abgewickelten Bank, der seine Zahlung aus dem Sozialplan der deutschen Besteuerung unterwerfen müsste. Es werde gebeten, die gemeinsame Übung der Finanzverwaltungen zur Abkommensauslegung anzuwenden, da sich das Finanzamt ursprünglich nur an der zur Anwendung der Verständigungsvereinbarung fehlenden Bescheinigung des Konjunkturausschusses gestört habe.

    Der Kläger beantragt,

    unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2018 den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 27.12.2017 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Ansatz von Einnahmen i.H.v. 108.264 EUR unterbleibt und stattdessen bei den Progressionseinkünften insgesamt ein Betrag von 217.358,26 EUR berücksichtigt wird,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er trägt vor, die mittlerweile vorgelegte Bescheinigung des Konjunkturausschusses besage ausdrücklich, dass steuerliche Befreiungen der Entlassungsabfindungen über Massenentlassungen nur nach Maßgabe des Artikel 115.10 Punkt b) L.I.R. - und damit nicht vollständig - von der luxemburgischen Einkommensteuer befreit seien. Bereits im Steuerfestsetzungsverfahren sei insoweit ein Betrag in Höhe des Zwölffachen des sozialen Mindestmonatslohnes für unqualifizierte Arbeitnehmer als steuerfreie Einnahmen dem Progressionsvorbehalt zugerechnet worden.

    Nach Artikel 6 der Vereinbarung sei die betriebliche Altersversorgung bestehen geblieben, zumal der Kläger die 10jährige Wartezeit bei der Anwartschaftsberechnung bereits erfüllt gehabt habe. Artikel 115.9 letzter Absatz L.I.R. schließe die Steuerfreiheit der Abfindungsleistungen jedoch aus, soweit diese an Personen ausbezahlt würden, die entweder ein Anrecht auf eine Altersrente oder auf eine vorgezogene Altersrente hätten. Den streitigen Abfindungen sei Versorgungscharakter beizumessen und das Besteuerungsrecht falle dem Ansässigkeitsstaat zu (vgl. Schriftsatz vom 01.03.2021, Bl. 120 - 126 PA). Die in Luxemburg unterbliebene Besteuerung sei daher zutreffend auf der Grundlage des dem Ansässigkeitsstaat nach Artikel 14 des DBA LUX 2012 zustehenden Besteuerungsrechts erfolgt. Im Übrigen sei aus den vorgelegten Gehaltsbescheinigungen ersichtlich, dass der Arbeitgeber die Abgangsentschädigung nach Punkt 3.2. des Sozialplans im Juli 2015 in Höhe von 131.339,34 EUR nach Artikel 115.9 L.I.R. ohne Steuerabzug ausgezahlt habe. Die hierzu im Rahmen des europäischen Datenaustausches eingegangene elektronische Übermittlung der Daten durch die Banque ... weise die beiden Beträge in Höhe von 89.338,16 EUR und 131.339,34 EUR getrennt jeweils mit der Zusatzinformation "Zahlung/Besteuerung: EINKÜNFTE zu versteuern" aus (vgl. Bl. 127 - 130 PA). Es wäre somit die vollständige Besteuerung im Inland zutreffend gewesen.

    Mit Schriftsatz vom 28.05.2021 legt der Kläger eine Bestätigung der luxemburgischen Finanzverwaltung (Bureau RTS 1) über die korrekte steuerliche Behandlung der Abfindungszahlung durch den Arbeitgeber (Bl. 142 PA) sowie eine Mail eines Mitarbeiters des luxemburgischen Wirtschaftsministeriums mit einem Auszug der Liste zu der Bescheinigung des Konjunkturausschusses, aus der der Name des Klägers (Nr. 126) hervorgeht (Bl. 143 PA), vor. Weiter führt er aus, zum Ende der Kündigungsfrist (31.05.2016) habe er weder einen Anspruch auf Altersrente noch auf vorgezogene Altersrente gehabt, da er die Altersgrenzen zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht gehabt habe. In 2016 sei deshalb von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, aus dem noch ausstehenden Abfindungsbetrag drei zusätzliche Monate in Gehalt umzuwandeln, um eine Brücke in die Altersrente zu schlagen.

    Hierzu erwidert der Beklagte, gerade die neue Schilderung zu den Geschehensabläufen unterstreiche, dass hier für den Kläger der Übergang von dem aktiven Arbeitsverhältnis in den Rentenbezug gestaltet worden sei. Da weiterhin keine Rechtsgrundlage für eine über die in Art. 115.10 L.I.R. enthaltene Regelung hinausgehende Steuerbefreiung ersichtlich sei, verbleibe es bei der bestehenden Steuerfestsetzung.

    Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen (§ 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

    Entscheidungsgründe
    I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Besteuerung der Abfindung in der Bundesrepublik Deutschland zu erfolgen hat. Die Abfindung ist im Streitjahr 2015 unter Beachtung des Verböserungsverbots in die Bemessungsgrundlage der inländischen Einkommensteuer einzubeziehen.

    1. Der in Deutschland wohnende Kläger ist unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG); dies schließt eine Besteuerung von Einkünften aus ausländischen Quellen (hier: Zahlungen eines ausländischen Arbeitgebers) ein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG).

    2. Das Besteuerungsrecht für die Abfindung steht nach Artikel 14 Abs. 1 DBA LUX 2012 Deutschland als dem Wohnsitzstaat des Klägers zu.

    a) Artikel 14 Abs. 1 DBA LUX 2012 bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

    Aufgrund dieses Wortlauts ist die Rechtsprechung des I. Senats des BFH zur Behandlung von Abfindungen nach abkommensrechtlichen Regelungen, die - wie hier - Art. 15 OECD-MustAbk nachgebildet sind, entsprechend anwendbar (vgl. BFH-Urteile vom 10.06.2015 I R 79/13, BStBl II 2016, 326; 02.09.2009 I R 111/08, BStBl II 2010, 387 und I R 90/08, BStBl II 2010, 394 [BFH 02.09.2009 - I R 90/08]; vom 24.07.2013 I R 8/13, BStBl II 2014, 929, jeweils m.w.N.). Daraus folgt, dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA LUX 2012) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2009) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBA LUX 2012. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut ("dafür") indes nicht.

    b) An dieser Rechtsauffassung, der sich der erkennende Senat anschließt, ändert sich durch die Verständigungsvereinbarung zum Abkommen vom 23.08.1958 in der Fassung des Ergänzungsprotokolls vom 15.06.1973 und des Änderungsprotokolls vom 11.12.2009 zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen betreffend die Besteuerung von Abfindungszahlungen, Abfindungen und Entschädigungen in Folge einer Kündigung und/oder eines Sozialplans sowie Arbeitslosengeld vom 07.09.2011 (BStBl I 2011, 853) und die zur Umsetzung dieser ergangene Verordnung vom 09.07.2012 (hier: § 10 KonsVerLUXV, BStBl I 2012, 693) zur Besteuerung von Abfindungen nichts. Die Ausübung des inländischen Besteuerungsrechts hinsichtlich der streitigen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) wird hierdurch nicht eingeschränkt.

    Nach der o.g. Verständigungsvereinbarung sowie § 10 der KonsVerLUXV i.d.F. 09.07.2012 ist die Zuordnung des Besteuerungsrechts von Abfindungen an Arbeitnehmer abhängig vom wirtschaftlichen Hintergrund der jeweiligen Zahlung. Ist einer Abfindung Versorgungscharakter beizumessen, kann sie gemäß Artikel 12 DBA LUX 1958 (entspricht Art. 17 Abs. 1 DBA LUX 2012) nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden (Absatz 1 der o.g. Verständigungsvereinbarung bzw. § 10 Abs. 1 KonsVerLUXV). Abfindungen und Entschädigungen in Folge einer Kündigung und/oder eines Sozialplans sind hingegen von der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat freizustellen, wenn diese Zahlungen durch den Tätigkeitsstaat tatsächlich besteuert werden (Absatz 3 der o.g. Verständigungsvereinbarung bzw. § 10 Abs. 3 KonsVerLUXV). Laut BMF-Schreiben vom 21.11.2011 (IV B 3 - S 1301-LUX/10/10002) führen Freibeträge bei der Besteuerung der Abfindungen in Luxemburg nicht dazu, dass eine tatsächliche Besteuerung nicht vorliegt.

    c) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH haben behördliche Konsultationsvereinbarungen für Gerichte keine bindende Wirkung (u.a. Urteile vom 02.09.2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 und I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394 [BFH 02.09.2009 - I R 90/08]).

    Nach Ansicht des erkennenden Senats entfaltet § 10 KonsVerLUXV aber auch keine Rechtswirkungen, weil die mit dem Jahressteuergesetz 2010 vom 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) mit § 2 Abs. 2 AO (erstmals) geschaffene Ermächtigungsgrundlage, wonach das Bundesministerium für Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung der Konsultationsvereinbarungen erlassen kann, insoweit nicht den dafür gebotenen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügt (vgl. insoweit Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 07.10.2020 1 K 1272/18, EFG 2021, 88 - 92; Revision anhängig unter I R 43/20 betreffend § 7 Abs. 2 KonsVerLUXV; KonsVerCHEV: BFH-Urteile vom 10.06.2015 I R 79/13, BStBl II 2016, 326 betreffend § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV (vom BMF für § 10 Abs. 2 Nr. 2 KonsVerLUXV für anwendbar erklärt, vgl. BMF-Schreiben vom 31.03.2016; vgl. hierzu auch Wassermeyer, DBA LUX, 150. EL Juli 2020, Art. 14 Rn. 32a) und vom 30.05.2018 I R 62/16, BFHE 262, 54 betreffend § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV; vgl. auch Siegers in Wassermeyer, DBA, 149. EL 3. 2020 Art. 14 DBA LUX Rn. 32; Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2017, 534, 600 [BFH 11.03.2015 - I R 10/14]).

    Der BFH misst Verständigungsvereinbarungen zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei. Er hat jedoch wiederholt klar zum Ausdruck gebracht, dass die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein kann. Wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden. Auch ist es mittels einer Ermächtigungsregelung (hier: KonsVerLUXV) ausgeschlossen, den Abkommenstext und damit die besagte Besteuerungszuordnung für die betreffenden Einkünfte zu verändern (vgl. BFH-Urteil vom 10.06.2015 I R 79/13 BStBl II 2016, 326).

    d) Das aber ist hier der Fall. Der Abkommenstext belässt aus den unter I.2.a) beschriebenen Gründen für die Frage der Besteuerungszuordnung von Abfindungen an ehemals nichtselbständig tätige Arbeitnehmer keine Spielräume. Und daran ändert auch das in § 2 Abs. 2 Satz 1 AO n.F. qualifizierte zusätzliche Ermächtigungsziel nichts, doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10.06.2015 I R 79/13 BStBl II 2016, 326).

    Da sich die vorbenannten Mängel nicht ausräumen lassen, ist die Rechtsverordnung zu verwerfen, wozu der Senat befugt ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10.06.2015 I R 79/13 BStBl II 2016, 326, m.w.N.). Somit steht Deutschland infolge des mit Luxemburg geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung das Besteuerungsrecht an der gesamten Abfindungszahlung zu.

    e) Die vom Kläger begehrte Freistellung eines über den bereits vom Beklagten berücksichtigten Betrages von 23.075 EUR hinausgehenden Betrages kommt aus den o.g. Gründen nicht in Betracht. Auch wenn Art. 14 Abs. 1 DBA LUX 2012 vorsieht, die Abfindung des Klägers in vollem Umfang in die Bemessungsgrundlage der inländischen Einkommensteuer einzubeziehen, ist der Senat wegen des Verbots der Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren an die nur teilweise Einbeziehung dieser Einkünfte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2015 gebunden.

    f) Aber selbst wenn unterstellt würde, dass § 10 KonsVerLUXV bzw. die o.g. Verständigungsvereinbarung rechtswirksam wären (wovon der Senat aber nicht ausgeht), wäre die Klage unbegründet. Denn die allgemeine Rückfallklausel des Artikels 22 Abs. 1 a) DBA LUX 2012 besagt, dass von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus Luxemburg ausgenommen werden, die nach diesem Abkommen in Luxemburg tatsächlich besteuert werden und nicht unter Buchstabe b) (hier nicht einschlägig) fallen (vgl. hierzu Wassermeyer, DBA LUX, 150. EL Juli 2020, Art. 14 Rn. 30 "Abfindungen").

    Nach Aktenlage wurde die Abfindung in Luxemburg aber gerade nicht besteuert, sondern in voller Höhe - ohne dass hierfür eine Rechtsgrundlage erkennbar ist - steuerfrei belassen. Sowohl die in Artikel 115.9 Buchstaben b-d) L.I.R. (gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzte Abfindung wegen missbräuchlicher Auflösung des Arbeitsvertrages bzw. auf freiwilliger Basis gewährte Abfindung) als auch in Artikel 115.10 Buchstabe b) L.I.R. (in einem Sozialplan vorgesehene Abfindung) enthaltenen Regelungen sehen eine Beschränkung auf das Zwölffache des monatlichen Mindestlohns für ungelernte Arbeitnehmer und nicht eine Befreiung in vollem Umfang vor.

    Soweit der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf die Vermerke auf der Gehaltsabrechnung (Bl. 85 PA) sowie die Vorschrift des Artikels 115.9 Buchst. a) L.I.R. und eine "ministerielle Befreiung" verwiesen hat, vermag dies dem Begehren auch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar trifft es zu, dass die Befreiung nach Artikel 115.9 Buchst. a) L.I.R. von der Begrenzung auf das 12fache des Mindestlohns nicht umfasst wird. Nach seinem Wortlaut trifft diese Vorschrift aber nur eine Regelung für "in der Gesetzgebung über den Arbeitsvertrag oder durch kollektiven Arbeitsvertrag vorgesehene Abfindungen", wozu nach Ansicht des Senats die hier streitige - in einem Sozialplan vorgesehene - Abfindung nicht zählt.

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    III. Die Revision war im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren I R 43/20 gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG