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  • 01.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208001

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 08.02.2017 – 4 K 1925/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Hessen

    Urt. v. 08.02.2017


    Tenor:
    1. Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 18.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.10.2015 wird dahingehend geändert, dass der berücksichtigte Bruttoarbeitslohn um 478 Euro herabgesetzt wird.
      Dem Beklagten wird aufgegeben, die sich daraus ergebende Einkommensteuer zu berechnen.
    2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
    3. Diese Entscheidung ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten insbesondere um die Anwendung des Rabattfreibeitrags auf die besonderen Fernfahrscheine für Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG (DB AG) und den ihnen steuerrechtlich gleichgestellten Personen.

    Der 194x geborene und mit der Klägerin verheiratete und zusammen veranlagte Kläger ist Ruhestandsbeamter des Bundeseisenbahnvermögens.
    Die Deutsche Bahn AG (DB AG) eröffnet neben ihren Mitarbeitern auch den Angehörigen und Versorgungsempfängern des Bundeseisenbahnvermögens die Möglichkeit, Fahrscheine für Züge der DB AG zu besonderen Konditionen zu erwerben und zu nutzen. Für den vorliegenden Streitfall einschlägig sind die folgenden Fahrscheine:

    TagesTicket M Fern F (ohne Zuzahlung bzw. mit freiwilliger Zuzahlung)

    Dieses Ticket berechtigt an dem auf dem Ticket vor Fahrtantritt einzutragenden und maximal 6 Monate nach dem Erwerb liegenden Tag und bis um 3 Uhr des Folgetages zur Fahrt im gesamten Netz der Deutschen Bahn. Es sind aber für bestimmte Züge Sperrzeiten zu beachten (siehe beispielhaft Bl. 13 FG-Akten). Es kann zwischen einem Ticket für die 1. Klasse und der 2. Klasse gewählt werden. Hinsichtlich der Tickets für die 2. Klasse bestand seit 15.12.2013 die Möglichkeit (aber nicht die Pflicht), ein Entgelt in Höhe von 0,60 Euro zu entrichten (sog. TagesTicket M Fern F mit freiwilliger Zuzahlung). Das TagesTicket M Fern F ist vom Umtausch oder von der Erstattung ausgeschlossen. Für diese Tickets gab es eine Kontingentbegrenzung.

    TagesTicket M Fern F (mit Zuzahlung)

    Dieses Ticket entspricht im Wesentlichen dem vorgenannten TagesTicket M Fern F. Abweichend davon gelten die Sperrzeiten nicht. Zudem können beliebig viele dieser Tickets erworben werden. Für die 1. Klasse war insoweit eine sog. Zuzahlung in Höhe von 30 Euro und für die 2. Klasse eine sog. Zuzahlung von 20 Euro (bzw. 10 Euro für Kinder) zu entrichten.

    RegioTicket M

    Dieses Ticket berechtigt auf dem handschriftlich vor Fahrtantritt einzutragenden und höchstens sechs Monate nach dem Erwerb liegenden Tag (und bis 3 Uhr des Folgetags) zur Nutzung von Nahverkehrszügen der DB AG, insbesondere also IR, IRE, RE, RB und S-Bahn. Das RegioTicket M kann als Einzelticket zum Preis von 2,40 Euro (1. Klasse: 3,50 Euro) und als Ticket für 5 Fahrten zum Preis von 10 Euro (1. Klasse: 15,00 Euro) erworben werden. Vor Fahrtantritt ist der Abfahrtsbahnhof und der davon höchstens 50 km entfernte Zielbahnhof einzutragen. Auch für die RegioTickets M gibt es keine Kontingentbegrenzung.

    Die DB AG und das Bundeseisenbahnvermögen (im Folgenden Arbeitgeber) gaben gegenüber ihren Mitarbeitern an, dass mit den vorgenannten Tickets im Zeitraum 15.12.2013 bis 13.12.2014 nach Abzug der sog. Zuzahlung folgende geldwerte Vorteile i. S. des § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verbunden gewesen seien (siehe im Einzelnen Bl. 41 ff., 44 ff. FG-Akten):
     

    2. Klasse

    1. Klasse

    Tagesticket M Fern F ohne Zuzahlung:

    44,58 Euro (Kind: 22,29 Euro)

    71,29 Euro

    Tagesticket M Fern F mit sog. freiwilliger Zuzahlung i.H.v. 0,60 Euro

    43,98 Euro

     

    Tagesticket M Fern mit Zuzahlung

    24,58 Euro (Kind: 12,29 Euro)

    41,29 Euro

    RegioTicket 50 Einzelticket

    4,80 Euro

    8,02 Euro

    RegioTicket 50 Fünferticket

    26,00 Euro

    42,60 Euro


    Der Kläger nutzte für sich und seine Angehörigen im Streitjahr folgende Tickets. Der Arbeitgeber hat hierfür - unter Berücksichtigung der Zuzahlungen - folgenden Sachbezug berücksichtigt:
     

     

     

    Anzahl

    Zuzahlung insgesamt

    Sachbezug laut Arbeitgeber

    Ferntickets

    1. Klasse ohne Zuzahlung

    15

    0,00 €

    1.069,35 €

     

    1. Klasse mit Zuzahlung

    1

    30,00 €

    41,29 €

    RegioTicket

    Einzelticket 1. Klasse

    2

    7,00 €

    16,04 €

     

    Fünferticket 1. Klasse

    1

    15,00 €

    42,60 €

     

    Einzelticket 2. Klasse

    1

    2,40 €

    4,80 €

     

    Fünferticket 2. Klasse

    22

    52,80 €

    572,00 €

    Summe

     

     

    107,20 €

    1.746,08 €


    Der Arbeitgeber bescheinigte den im Jahr 2014 gewährten Sachbezug entsprechend mit 1.746,08 Euro. Abweichend davon machten die Kläger in der Einkommensteuererklärung für 2014 den Abzug des sog. Rabattfreibetrags in Höhe von 1.080 Euro geltend.

    Im Einkommensteuerbescheid 2014 vom 18.06.2015 minderte der Beklagte die vom Arbeitgeber bescheinigten Einnahmen jedoch nur um einen anteiligen Rabattfreibetrag in Höhe von 565 Euro und begründete dies damit, dass der Rabattfreibetrag für die Ferntickets nicht gewährt werden könne, da diese Produkte nur den Arbeitnehmern und nicht auch den Kunden der DB AG angeboten würden. Diese Unterscheidung entspricht einer in den Einkommensteuerakten (ESt-Akten) abgelegten Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 14.07.2015 (Bl. 22 ff. ESt-Akten) zur Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.06.2014 VI R 41/13, BFHE 246, 423, BStBl. II 2015, 39.

    Hiergegen legten die Kläger unter Hinweis auf das vorgenannte BFH-Urteil Einspruch ein. Das für den Rabattfreibetrag maßgebliche Produkt sei die Beförderungsleistung von A nach B, die von allen Kunden genutzt werden könnte. Die Kläger reichten ferner Bezügemitteilungen nach, aus denen sich die Nutzung der vorgenannten Fahrscheine ergibt.

    Der Beklagte gelangte nunmehr zu der Ansicht, dass für die Ferntickets ein geldwerter Vorteil in Höhe von 1.069,35 Euro und für die Nahverkehrstickets ein geldwerter Vorteil in Höhe von 676,73 Euro anzusetzen sei, wobei der Beklagte insoweit das eine Fernticket mit Zuzahlung versehentlich dem Sachbezug für die Nahverkehrstickets zugeordnet hat. Der Rabattfreibetrag könne nur für die Nahverkehrstickets und deshalb nur in Höhe von 677 Euro gewährt werden. Mit Einspruchsentscheidung vom 06.10.2015 (Schreiben vom 19.10.2015, siehe im Einzelnen Bl. 7 ff. FG-Akten) gab der Beklagte dem Einspruch deshalb insoweit statt und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

    Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Kläger meinen, dass § 8 Abs. 3 EStG auch für die Ferntickets anzuwenden sei. Denn maßgeblich sei die konkrete Beförderungsleistung. Deshalb seien für alle Tickets der Bewertungsabschlag von 4 % und der Rabattfreibetrag in Höhe von 1.080 Euro zu gewähren.

    Auf die Aufforderung des Gerichts, die 2014 verwendeten Fahrscheine vorzulegen und die gefahrenen Strecken mitzuteilen, haben die Kläger vorgetragen, dass die Fahrscheine im Altpapier entsorgt worden seien und die 2014 erfolgten Fahrten nicht mehr in Einzelnen nachvollzogen werden könnten. Sie seien auch nicht in der Lage die damals üblichen Kundenpreise zu ermitteln.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 18.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.10.2015 dahingehend zu ändern, dass der geldwerte Vorteil unter Berücksichtigung des Bewertungsabschlags in Höhe von 4 % und des Rabattfreibetrags besteuert wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte hält daran fest, dass die FernTickets wegen der nur für die Mitarbeiter geltenden Besonderheiten die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 EStG nicht erfüllten. Insbesondere müsse keine Fahrstrecke angegeben werden, könne die Reise beliebig unterbrochen werden und gebe es keine Zugbindung. Ferner seien keine Zuschläge für die Nutzung von IC/EC und ICE zu leisten. Zudem enthalte die jeweilige Fahrkarte ein verbrieftes Recht, das sich für die Mitarbeiter von den Konditionen für Drittkunden unterscheide. Dies sei auch entscheidungserheblich. Denn nach der Rechtsprechung komme es darauf an, mit welcher Dienstleistung der Arbeitgeber konkret am Markt erscheine. Nach dem Urteil des 13. Senats des erkennendes Gerichts vom 09.02.2010 13 K 1365/00, EFG 2001, 623 [FG Hessen 09.02.2001 - 13 K 1365/00] und dem BFH-Urteil vom 09.10.2002 VI R 164/01, BStBl. II 2003, 373 sei auf ein zinsgünstiges Darlehen an einen Arbeitnehmer der Rabattfreibetrag nur zu gewähren, wenn der Arbeitgeber vergleichbare Verbraucherdarlehen anbiete. Es könne zudem nach dem BFH-Urteil vom 27.10.2002 VI R 158/98 BStBl. II 2003, 95 ein Belegschaftsrabatt an Mitarbeiter eines Krankenhauses nicht gewährt werden, wenn es Medikamente überwiegend an Mitarbeiter abgebe. Für die Vermietung einer Wohnung an einen Hausmeister sei nach BFH-Urteil vom 16.02.2005 VI R 46/03, BStBl. II 2005, 529 maßgebend, wenn vergleichbare Wohnungen auch an Dritte vermietet würden. Ferner gewähre die Finanzverwaltung Mitarbeiterflüge dann nicht nach § 8 Abs. 3 EStG, wenn Beschränkungen im Reservierungsstatus bestünden und Luftfahrtunternehmen Flüge mit entsprechenden Beschränkungen betriebsfremden Fluggästen nicht anbiete (gleichlautende Ländererlasse vom 10.09.2015, BStBl. 2005, 735). Ferner könnten nach Ansicht der Finanzverwaltung auch für sog. Standby-Flüge kein Belegschaftsrabatt gewährt werden, da es sich um ein unternehmensinternes Produkt handele.

    Diese den Rabattfreibetrag auf Grund andersartiger Leistungen ausschließenden Fälle seien mit dem vorliegenden Streitfall vergleichbar.
    Dem Gericht lag 1 Band Einkommensteuerakten 2014 vor.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage hat Erfolg.

    1. Die zulässige Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil der Beklagte zu Unrecht keinen Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 EStG auf den als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) anzusetzenden steuerpflichtigen Teil der Beförderungsleistungen gewährt hat.

    a) Erhält ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen, sind diese als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1, § 8 Abs. 1 EStG zu erfassen. Bei Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, gelten als deren Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet (§ 8 Abs. 3 Satz 1 EStG). Die sich nach Abzug der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile sind steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 1.080 € im Kalenderjahr nicht übersteigen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG).

    Für die Umstrukturierung der Deutschen Bundesbahn sieht § 12 des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes (DBGrG) Sondervorschriften vor. So gilt § 8 Abs. 3 EStG für die an die DB AG nach § 12 Abs. 2 und 3 DBGrG zugewiesenen Beamten und die Ruhestandsbeamten des früheren Sondervermögens Deutsche Bundesbahn entsprechend (§ 12 Abs. 8 DBGrG). Allein aus dieser Verweisung folgt aber noch nicht, dass alle Fahrvergünstigungen, die die DB AG den ihr zugewiesenen Beamten bzw. den Ruhestandsbeamten des früheren Sondervermögens Deutsche Bundesbahn gewährt, nach § 8 Abs. 3 EStG steuerbegünstigt sind. Denn es liegt keine Rechtsfolgenverweisung vor. Vielmehr befreit § 12 Abs. 8 DBGrG nur von der Voraussetzung, Arbeitnehmer der DB AG zu sein. Denn § 12 Abs. 8 DBGrG hat den § 8 Abs. 3 EStG nicht geändert und kann daher schon aus Gründen der Gleichbehandlung auch nicht so ausgelegt werden, dass ein Mitarbeiter des der DB AG zugewiesenen Eisenbahnvermögens (einschließlich des Klägers) den Rabattfreibetrag auf Fahrpeisvergünstigungen der DB AG auch dann erhalten soll, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 EStG im Verhältnis zu Mitarbeitern der DB AG nicht gegeben sind.

    b) Die vom Gesetzgeber des § 12 Abs. 8 DBGrG angenommene Anwendung des Rabattfreibetrags trifft aber inhaltlich zu. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten besteht der Sachbezug in der an einem konkreten Tag erbrachten verbilligten Beförderungsleistung, die auch allen anderen Kunden der DB AG angeboten wurde (so nun auch das dem erkennenden Senat bei Verkündung des vorliegenden Urteils noch nicht bekannte Urteil des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 01.12.2016 3 K 588/16, juris, Az. des BFH: VI R 3/17). Gegenstand des zu bewertenden Sachbezugs ist damit die konkret in Anspruch genommene Fahrt.

    Auf die Ausgestaltung des für die Fahrt erforderlichen Fahrscheins kommt es jedenfalls dann, wenn wie hier der Fahrschein nur für einen Tag (bzw. bis 3 Uhr des Folgetages) gilt, nicht an. Die Fernfahrkarten begründeten zwar ein Nutzungsrecht in der Art einer Tagesnetzkarte, welche anderen Kunden so nicht angeboten wird. Zur Überzeugung des Gerichts besteht an dieser über die konkrete Fahrt hinausgehenden weitergehenden Nutzungsmöglichkeit aber gerade kein eigenständiges Interesse der Bahnmitarbeiter und der ihnen nach § 12 Abs. 8 DBGrG gleichgestellten Arbeitnehmer. Denn das Fernticket hat nur eine Gültigkeitsdauer von einem Tag (bzw. um 3 Uhr des Folgetags). An diesem Tag möchte aber auch ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn (bzw. eine gleich gestellte Person) gerade nur von einem bestimmten Bahnhof zu einem bestimmten anderen Bahnhof (und ggf. zurück zum Abfahrtsbahnhof) befördert werden. Alternativ würde und könnte der Mitarbeiter ein entsprechendes Ticket lösen, so dass der Sachbezug in der Verbilligung der konkreten Beförderung zu sehen ist. Dass der Mitarbeiter bzw. der Kläger letztlich ein Tagesnetzticket erhält, beinhaltet somit nur eine Vereinfachung der Abrechnung der zumeist kostenlosen und ansonsten zu einem Festpreis (Zuzahlung von 20 Euro bzw. 30 Euro) möglichen Fahrt. Die Entfernung ist letztlich nur für die Höhe des ersparten Fahrpreises entscheidend.

    Von dieser Beurteilung ist erkennbar auch der BFH in dem Urteil vom 26.06.2014 VI R 41/13, BFHE 246, 423, BStBl. II 2015, 39 ausgegangen. Denn dort hat der BFH gerade ohne erkennbare Differenzierung nach den konkret genutzten Fahrscheinen entschieden, dass die Fahrvergünstigungen, die die DB AG den ihr zugewiesenen Beamten bzw. den Ruhestandsbeamten des Eisenbahnsondervermögens für die Beförderungsleistungen gewährt, nach § 8 Abs. 3 EStG begünstigt sind. Weder aus dem BFH-Urteil noch aus dem Urteil der Vorinstanz (FG Köln, Urteil vom 22.05.2013 7 K 3185/12, EFG 2013, 1403) ergibt sich, dass dort nur RegioTickets und keine FernTickets genutzt wurden oder dass es auf die Ausgestaltung der Fahrkarten ankäme.

    Soweit der Beklagte auf nach seiner Ansicht entgegenstehende Rechtsprechung hinweist, ist diese vorliegend nicht einschlägig. Denn dort lagen jeweils unterschiedliche Produkte vor. Insbesondere sind Darlehen an Verbraucher typischerweise - schon wegen der verbraucherschützenden Vorschriften - anders ausgestaltet als Darlehen an Unternehmen. Eine Bank kann daher nicht auf vorhandene Vordrucke und rechtliche Überlegungen zurückgreifen, wenn sie einem Arbeitnehmer ein Darlehen gewährt. Vielmehr sind dafür gesonderte Geschäftsbedingungen zu entwerfen und auch andere Bonititätsprüfungen anzustellen. Soweit der Beklagte auf die nicht begünstigte Überlassung einer Hausmeisterwohnung hinweist, ist auch die konkrete Überlassung einer bestimmten für diesen Zweck eingerichteten Wohnung nicht identisch mit der Überlassung anderer Wohnungen. Hingegen ist die Beförderungsleistung von einem Bahnhof zu einem anderen Bahnhof für alle Reisenden derselben Wagenklasse identisch. Die Mitarbeiter der DB AG und die gleichgestellten Arbeitnehmer zahlen nur weniger bzw. teils gar nichts. Dieser Preisnachlass betrifft aber gerade die zu bewertende Vergünstigung und begründet daher keine die Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG ausschließendes anderes Produkt. Es steht der Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG deshalb auch nicht entgegen, dass die für Mitarbeiter ohne Zuzahlung erhältlichen Ferntickets für bestimmte Züge zu bestimmten Zeiten nicht gelten. Insoweit gewährt letztlich die Bahn für bestimmte Züge zu bestimmten Zeiten lediglich keinen vollen Preisnachlass. Denn die Mitarbeiter bzw. die gleichgestellten Personen können stattdessen für diese Züge und Zeiten das Fernticket mit Zuzahlung in Höhe von 20 Euro (2. Klasse) bzw. 30 Euro (1. Klasse) nutzen. Die Frage, ob der Mitarbeiter (hier der Kläger) die konkrete Fahrt allgemein oder für bestimmte Züge (EC/IC und ICE) mit oder ohne Zuzahlung bzw. Zuschlag unternehmen kann, betrifft wiederum nur die - nach § 8 Abs. 3 EStG begünstigte - Höhe der Fahrpreisvergünstigung für die konkrete Fahrt.

    Die Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG auf die Fahrpreisvergünstigungen der Deutschen Bahn wird im Ergebnis auch nicht durch den Ansatz von Durchschnittspreisen ausgeschlossen. Zwar ist § 8 Abs. 3 EStG auf einen nach § 8 Abs. 2 Satz 6 (Sachbezugsverordnung) und Satz 10 (Durchschnittswerte) EStG pauschaliert bewerteten Vorteil nicht anzuwenden, da sich die Bewertung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG und die Pauschalierung nach § 8 Abs. 2 EStG unterscheiden und gegenseitig ausschließen. Nach der Rechtsprechung des BFH besteht aber dann, wenn sowohl die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 EStG gegeben als auch pauschalierte Werte nach § 8 Abs. 2 Satz 6 ff. EStG. vorhanden sind, ein Wahlrecht zwischen der Besteuerung nach § 8 Abs. 3 EStG auf Grundlage des um 4 % und den Rabattfreibetrags geminderten Endpreis (= der am Ende von Verkaufsverhandlungen als letztes Angebot stehende Preis einschließlich fremdüblicher Rabatte, vgl. BFH, Urteil vom 26.07.2012 VI R 30/09, BStBl. II 2013, 400, BFHE 238, 371 [BFH 26.07.2012 - VI R 30/09]) und zwischen der Besteuerung mit den pauschalierten Werten des § 8 Abs. 2 EStG (BFH, Urteil vom 26.07.2012 VI R 27/11, BStBl. II 2013, 402, BFHE 238, 376 [BFH 26.07.2012 - VI R 27/11]). Vorliegend sieht § 8 Abs. 3 EStG für die Fahrpreisvergünstigungen der DB AG jedoch keine Sachbezugswerte vor. Denn die Fahrkarten werden weder in der Sachbezugsverordnung genannt noch liegen die Voraussetzungen für Durchschnittswerte i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 10 EStG vor. Für letzteres wäre erforderlich, dass die oberste Finanzbehörde des Landes Hessen mit (ausdrücklicher) Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen Durchschnittswerte für die Mitarbeiterfahrkarten der Deutschen Bahn festgesetzt hätte. Dies ist nicht ersichtlich. Die insoweit von der DB AG und dem Bundeseigenvermögen gelebte und offenbar von den Finanzbehörden nicht beanstandete Praxis reicht dafür nicht aus. Es werden deshalb auch in der Literatur als Beispiele für Durchschnittswerte nach § 8 Abs. 2 Satz 10 EStG nur Freiflüge und die Beköstigung in der Seeschifffahrt genannt (vgl. Glenk, in: HHR, § 8 EStG, Rz. 142).

    Der Bewertung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die konkreten Fahrstrecken im Jahr 2014 nicht mehr bezeichnen kann. Denn die Anwendung § 8 Abs. 3 EStG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Steuerpflichtige keine hinreichenden Angaben zu den maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen machen kann. Dies folgt zwar nicht schon daraus, dass der Beklagte dem Grunde und der Höhe nach die Feststellungslast für den geldwerten Vorteil trägt. Denn im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht (hier nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) sind die Kläger verpflichtet, Angaben zu den in ihrer Sphäre verwirklichten Besteuerungsgrundlagen zu machen. Geschieht dies - wie hier - unzureichend, bedeutet dies aber nur, dass die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen zu schätzen sind (§ 162 Abs. 1 und 2 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO). Auch insoweit ist aber zu beachten, dass in erster Linie der Beklagte die (primäre) Feststellungslast für die steuererhöhenden Merkmale des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG, insbesondere als den üblichen Endpreis und die preisbildenden Umstände trägt. Eine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht eines Steuerpflichtigen kann zwar zur Folge haben, dass die Schätzung am oberen Rand des Schätzungsrahmens erfolgt. Vorliegend hatten die sich im Ruhestand befindlichen Kläger aber keinen hinreichenden Anlass, Unterlagen zur Fahrstrecke aufzubewahren. Denn sie konnten als steuerliche Laien davon ausgehen, dass die aus Vereinfachungsgründen angewandte Praxis der Besteuerung nach durchschnittlichen Werten die Aufbewahrung der Unterlagen erübrigt. Auch aus dem während des Streitjahrs veröffentlichten BFH-Urteil vom 26.06.2014 VI R 41/13 BFHE 246, 423, BStBl. II 2015, 39 ergab sich nicht, dass für die Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG Angaben zu den konkreten Fahrten erforderlich sind. Insbesondere hat der BFH die Feststellungen im vorinstanzlichen Urteil des Finanzgerichts Köln vom 22.05.2013 7 K 3185/12, EFG 2013, 1403, wonach das Bundeseisenbahnvermögen den geldwerten Vorteil in Absprache mit der Deutschen Bahn auf bestimmte Beträge festgelegt habe und dass diese Beträge unstreitig geblieben seien, nicht beanstandet. Wenn aber schon der BFH und das FG Köln nicht darauf eingehen, ob die in der Praxis gelebte Bewertung mit durchschnittlichen Werten seitens der Deutschen Bahn und des Eisenbahnvermögens überhaupt Maßstab für die Bewertung des geldwerten Vorteils gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 Satz 1 EStG sein kann, mussten die Kläger erst recht nicht damit rechnen, dass weitergehende Angaben (z. B. zur konkreten Fahrstrecke) für die zutreffende Besteuerung erforderlich sind.

    c) Mangels schuldhafter Verletzung der Mitwirkungspflicht ist es deshalb sachgerecht, den geldwerten Vorteil hinsichtlich der im Kalenderjahr bezogenen Beförderungsleistungen entsprechend der Angaben der Beteiligten auf 1.746,08 Euro zu schätzen. Der sich bei Hinzurechnung der Zuzahlungen (107,20 Euro) ergebende (geschätzte) Endpreis der Fahrten in Höhe von 1.853,28 Euro (= 1.746,08 Euro + 107,20 Euro) war zunächst gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG um den Bewertungsabschlag in Höhe von 4 % (= 74,13 Euro) und sodann gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG um die Zuzahlungen (107,20 Euro) und um den Rabattfreibetrag (1.080 Euro) zu mindern, so dass sich für 2014 ein steuerpflichtiger Sachbezug des Klägers in Höhe von 591 Euro (=1.853,28 ./. 74,13 Euro ./. 107,20 Euro ./. 1.080 Euro) ergibt. Da der Beklagte in der Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Fahrvergünstigungen einen Sachbezug in Höhe von 1.069 Euro berücksichtigt hat, ergibt sich eine Herabsetzung des Bruttoarbeitslohns um 478 Euro (= 1.069 Euro ./. 591 Euro).

    e) Der insoweit rechtswidrige Einkommensteuerbescheid war gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO entsprechend zu ändern. Dem Beklagten wurde gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO die Berechnung der sich daraus ergebenden Einkommensteuer aufgegeben.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 8 Abs.3