30.05.2022 · IWW-Abrufnummer 229437
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 14.10.2021 – 1 K 655/17
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand
Die Parteien streiten - nach der Einschränkung der Klage wegen der Klage gegen den Haftungsbescheid - über einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer. Umstritten ist, ob Aufwendungen, die die Klägerin anlässlich der Veranstaltung von "Gesundheitstagen" für ihre Mitarbeiter in den Kalenderjahren 2011-2014 getragen hat, nach § 3 Nr. 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht als Arbeitslohn zu versteuern sind.
Die Klägerin ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die als selbstständige Untergliederung der A (A), einem Verband der E, tätig ist. Sie ermöglichte ihren Arbeitnehmern in den Kalenderjahren 2011-2014 die Teilnahme an sog. Gesundheitstagen, zu denen eine Anmeldung erforderlich war. Veranstalter dieser Tage waren die B gGmbH, die C gGmbH und das D (Bl. 16, 195 der Gerichtsakte - GA-). Die jeweilige Veranstaltung begann am Freitag um 12: 00 Uhr und endete am Sonntag um 13: 30 Uhr bzw. 14: 00 Uhr. Die Teilnehmer waren jeweils in auswärtigen Hotels untergebracht. Das Veranstaltungsangebot bestand beispielsweise aus der Einführung in Nordic Walking, Rückenschule, progressive Muskelentspannung, Ernährungskursen (2012; vgl. im Übrigen Bl 157 - 161 der Gerichtsakte -GA-). Für die Durchführung des Kursangebots hatte der Veranstalter jeweils zertifizierte Trainer engagiert.
Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Seminargebühren betrugen in den Kalenderjahren 2011 und 2012 je Arbeitnehmer 285 €, in den Kalenderjahren 2013 und 2014 jeweils 280 €. Die Klägerin übernahm in den Jahren 2011 und 2012 je Arbeitnehmer einen Anteil in Höhe von 186 €, in den Kalenderjahren 2013 und 2014 jeweils einen Anteil in Höhe von 181 €. Die Kalkulation der jeweiligen Veranstaltung richtete die Klägerin an den Kosten des jeweiligen Veranstalters aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnungen Bl. 158 - 161 GA verwiesen. Der jeweilige Arbeitnehmer zahlte in den Kalenderjahren 2011-2014 einen Eigenanteil in Höhe von jeweils 99 € an den Veranstalter (vgl. Bsp. aus dem Kalenderjahr 2013 Bl. 197 GA). Die jeweiligen Krankenkassen der Arbeitnehmer betrachteten die Zahlungen der Teilnehmer als Aufwendung im Sinne des § 20 SGB V bzw. § 20a SGB V und leisteten (auf Antrag) Zahlungen in einer Spanne von 75 - 99 €.
Die Klägerin behandelte die Zahlungen an ihre Arbeitnehmer für die Gesundheitstage nach § 3 Nr. 34 EStG als steuerfrei. Dem folgte der Beklagte nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung nicht (Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 18. August 2016, Blatt 5 ff, 17 GA). Die Prüferin vertrat die Ansicht, dass die Steuerbefreiung im Sinne des § 3 Nr. 34 EStG sich nur auf die in § 20 SGB V und § 20a SGB V aufgeführten Präventionsleistungen und nicht auf die mit den Präventionsleistungen in Zusammenhang stehenden Neben- oder Zusatzleistungen (Kosten für Verpflegung und Übernachtung) erstrecke. Zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers seien nur dann im Sinne des § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach feststünden. Eine Aufteilung des Gesamtrechnungsbetrages im Schätzungswege sei nicht zulässig. Die jeweilige Krankenkasse habe dem Arbeitnehmer die Aufwendungen für in § 20 SGB V und § 20a SGB V aufgeführte Präventionsleistungen erstattet. In Anbetracht dessen seien die Aufwendungen des Arbeitgebers für die Gesundheitstage (Übernachtung, Verpflegung) mangels gesetzlicher Steuerbefreiung als steuerpflichtiger Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) zu behandeln. Sie unterlägen dem Steuerabzug vom Lohn im Sinne des § 38 EStG. Wegen der Ermittlung des steuerpflichtigen Arbeitslohnes wird auf die Anlage 5 des Lohnsteuer-Außenprüfungsberichts vom 18. August 2016 verwiesen (Blatt 26-58 GA). Daraus resultierten folgende Beträge:
Kalenderjahr Steuerpflichtiger Arbeitslohn
2011 21.477,00 €
2012 19.846,80 €
2013 11.180,17 €
2014 20.076,60 €
Am 14. September 2016 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit Januar 2011 bis Dezember 2014, in dem er Haftungsbeträge in Höhe von 5.339 € sowie Nachforderungsbeträge in Höhe von 35.985,06 € - jeweils nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer - festsetzte.
Mit ihrem Einspruch gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid machte die Klägerin geltend, dass die Bundesregierung mit dem Jahressteuergesetz 2009 (BTDrs. 545/08) die Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und die betriebliche Gesundheitsförderung als gesundheitspolitische Ziele der Bundesregierung betrachtet habe. Mit der Einführung der Steuerfreiheit in § 3 Nr. 34 EStG werde es entbehrlich, zu prüfen, ob eine Maßnahme der Vorbeugung spezifisch berufsbedingter Beeinträchtigungen der Gesundheit der Arbeitnehmer diene, bei der kein Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG vorliege. Für Arbeitgeber und Finanzverwaltung habe so die Anwendung der Regelung vereinfacht werden sollen. Für den Arbeitgeber entfalle damit das Risiko der Lohnsteuerhaftung. Der damalige Verfahrensbevollmächtigte (und jetzige Prozessbevollmächtigte) machte geltend, dass der Gesetzgeber § 3 Nr. 34 EStG relativ weit gefasst habe. Nach § 20 Abs. 5 SGB V könne eine Krankenkasse Präventionsleistungen selbst erbringen oder einen Dritten mit den Maßnahmen beauftragen. Die Leistungen könnten auch wohnortsfern erbracht werden. Unter Verweis auf das Urteil des SG Düsseldorf vom 18. April 2013 (16 K9 122/12 L) vertrat er die Ansicht, dass in den Fällen, in denen sich der Charakter der Sachzuwendung nur einheitlich beurteilen lasse - nämlich als Arbeitslohn - eine Zuwendung mit Blick auf § 3 Nr. 34 EStG nur einheitlich behandelt werden könne. Bis zu einem Betrag in Höhe von 500 € sei daher die Steuerfreiheit zu gewähren. Auch der Umstand, dass die Krankenkassen die Eigenleistungen der Arbeitnehmer durch eigene Leistungen bezuschusst hätten, spreche dafür, dass die Gesamtmaßnahme förderbar im Sinne des § 20 SGB V sei. Die Hauptleistung, die Mitarbeiter in Anspruch nähmen, seien Leistungen zur Gesundheitsförderung. Die Kosten der Übernachtung und Verpflegung seien Nebenleistungen im Verhältnis zur Hauptleistung. Sie teilten damit das Schicksal der Hauptleistung. Die Aufwendungen, die die Krankenkassen durch Zuschuss in Höhe von 99 € getragen hätten, beträfen auch nicht den Eigenanteil. Vielmehr bemesse sich dieser Zuschuss nach den einzelnen durchgeführten Bausteinen einer solchen Gesamtmaßnahme und dem Budget der Krankenkasse. Dafür spreche auch der Rechnungstext: Gesundheitstage/Eigenanteil/Übernachtung/Verpflegung.
Am 30. Januar 2018 erließ der Beklagte einen geänderten Haftungs- und Nachforderungsbescheid. Darin setzte er die Nachforderungsbeträge in Höhe von 35.095,79 € nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer fest. Er unterwarf der Lohnversteuerung im Kalenderjahr 2011 jeweils 99 € (Seminargebühren für die Trainerpauschale) nicht der Lohnversteuerung, da die Klägerin diese Aufwendungen übernommen hatte und die Krankenkassen ihre Erstattungsbeträge direkt an die Klägerin gezahlt hatten. Als Arbeitgeberin sei sie daher nicht endgültig mit diesen Aufwendungen belastet gewesen. Der Beklagte minderte daher für das Kalenderjahr 2011 die steuerliche Bemessungsgrundlage von 21.477 € um 2.505 € auf 18.972 € und korrigierte insoweit die Nachversteuerung.
Im September 2017 erhob die Klägerin eine Untätigkeits-Anfechtungsklage. Nachdem der Berichterstatter eine entsprechende Frist gesetzt hatte, entschied der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2018 über den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzüge für die Zeit vom Januar 2011 bis Dezember 2014. Darin wies er den Einspruch gegen den Nachforderungsbescheid vom 14. September 2016 in Gestalt des geänderten Bescheides vom 31. Januar 2018 als unbegründet zurück. Das Leistungsgebot betrug 0 €. Der Beklagte stellte darauf ab, dass das Angebot der Gesundheitstage eine Maßnahme zur allgemeinen Gesunderhaltung der Arbeitnehmer darstelle. Die Teilnahme sei freiwillig und auf Wochenenden begrenzt. Auch Ehe-/Lebenspartner sowie die im Haushalt wohnenden Kinder hätten an den Veranstaltungen teilnehmen können. Das Interesse der Arbeitnehmer übersteige damit das überwiegend eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers. Die Aufwendungen, die die Klägerin als Arbeitgeberin für die Gesundheitstage getragen habe - 181 € bzw. 186 € je Teilnehmer - seien daher als Arbeitslohn zu qualifizieren.
Für die Steuerbefreiung mit einem jährlichen Höchstbetrag i.H.v. 500 € knüpfe das Gesetz explizit an die in den §§ 20 und 20a SGB V (a. F.) aufgeführten Präventionsleistungen an. Mit den Präventionsleistungen in Zusammenhang stehende Neben- oder Zusatzleistungen (für Verpflegung, Reise und Unterkunft) seien nicht begünstigt. Die Förderfähigkeit der Leistungen sei durch eine Bescheinigung der Krankenkasse nachzuweisen. Leistungen des Arbeitgebers nach § 3 Nr. 34 EStG seien nur dann steuerfrei, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach feststünden. Eine Aufteilung des Gesamtrechnungsbetrages im Schätzungswege sei nicht zulässig. Vielmehr müssten sich die einzelnen Aufwendungen aus den Rechnungsbelegen ergeben.
Vorliegend sei es unstreitig, dass man an den Gesundheitswochenenden überhaupt Präventionsleistungen im Sinne der §§ 20/20a SGB V erbracht habe. Denn die Krankenkassen hätten die Veranstaltungen bezuschusst. Anders als im Kalenderjahr 2011 hätten die Veranstalter die Leistung der Krankenkasse nicht gegenüber der Klägerin als Arbeitgeberin abgerechnet. Vielmehr hätten die Veranstalter - nach Abzug der über die Jahre gleich bleibenden Trainerpauschale von ca. 99 € - von den Gesamtkosten i.H.v. 285 € bzw. 280 € den verbleibenden Kostenanteil i.H.v. 181 € bzw. 186 € unter dem Posten "betriebliche Gesundheitstage" pro Teilnehmer und Zimmer ihr gegenüber abgerechnet. Eine Aufteilung bzw. ein Hinweis, ob neben den Kosten für Unterkunft (Rechnungstext "Zimmer") und Verpflegung in diesen Beträgen noch weitere Seminarkosten o. ä. enthalten seien, sei den Rechnungen nicht zu entnehmen. Auch eine rechnungsbelegte Aufteilung des arbeitgeberseitigen Kostenanteils habe die Klägerin - trotz Aufforderung - nicht nachgewiesen.
Aus der nachgereichten Kalkulation der Trainerpauschale in Höhe von 98,67 € (Seminarkosten) sowie den vorgelegten Flyern und der Rechnungslegung gegenüber den Arbeitnehmern ergebe sich seiner Ansicht nach, dass nur der Eigenanteil der Arbeitnehmer in Höhe von 99 € zu den nach dem SGB V geförderten Präventionsleistungen zähle. Denn auf den Rechnungen an die Arbeitnehmer seien - neben der Kurtaxe - lediglich für den Posten "Gesundheitstage/Eigenanteil" Kosten in Höhe von 99 € aufgeführt. Auf den Rechnungstext "Übernachtung/Verpflegung" entfielen hingegen - ausweislich der Rechnung für die Teilnehmer - keine Aufwendungen. Der Eigenanteil der Teilnehmer habe neben den Kosten der Gesundheitstage auch keine Aufwendungen für Unterbringung und Verpflegung umfasst. Die Krankenkassen hätten demgegenüber allein den Anteil der Kurse, der den Anforderungen der §§ 20,20a SGB V entsprochen hätte, gefördert. Diese hätten nach dem Kalenderjahr 2011 an die Klägerin keine weiteren Zahlungen geleistet.
Die Klägerin habe auch keine weiteren Seminargebühren bzw. Aufwendungen für Präventionsleistungen nachgewiesen, die über die kalkulierte Trainerpauschale von 98,67 € hinausgegangen seien. Die Arbeitnehmer hätten diesen Betrag übernommen, um ihn sodann von der Krankenkasse erstattet zu erhalten.
Auch aus der Rechnungslegung an die Klägerin hinsichtlich der Beträge zu 181 € bzw. 186 € ergäben sich keine anderen Schlussfolgerungen. Denn die Rechnungen der B gGmbH bzw. D gGmbH enthielten keinerlei Aufteilung der Arbeitgeberaufwendungen in getrennte Kostenanteile für Präventionsleistungen, Unterkunft und Verpflegung pro Teilnehmer. Die Klägerin habe ab dem Kalenderjahr 2012 daher keine Aufwendungen für Präventionsleistungen - auch nicht in Form von Neben- oder Zusatzleistungen - getragen.
Mit der Übernahme der beantragten Pauschalsteuer als Arbeitgeberin werde die Klägerin zum Steuerschuldner. Die Pauschalsteuer gelte als Lohnsteuer. Die Inanspruchnahme der Klägerin im Rahmen des Nachforderungsbescheides sei somit rechtmäßig erfolgt.
Die Klägerin verweist zur Begründung ihrer Klage zunächst auf ihre Argumentation im Einspruchsverfahren, auf die Bezug genommen wird. Sie schildert ihre Verfahrensweise wie folgt: Die Veranstalter hätten Kurse wie Einführung in Nordic Walking, Rückenschule, progressive Muskelgestaltung, Ernährungstheorie, Aqua-Fitness sowie Rückenschule angeboten. Teilweise habe sie - beispielsweise mit der F - ein gemeinsames Projekt der betrieblichen Gesundheitsförderung betrieben (vergleiche Blatt 149 GA). Von anderen Krankenkassen habe sie eine Zusage zur Bezuschussung - je nach Krankenkasse 75 - 99 € - erhalten (vergleiche Blatt 152 GA). Sie habe für ihre Arbeitnehmer einen Kostenanteil von 181 bis 186 € übernommen. Zur Ermittlung der Gutscheinkosten habe sie für die einzelnen Jahre Musterkalkulationen der C gGmbH verwendet (vergleiche Blatt 157 - 161 GA). Die Kalkulation beinhalte sowohl die Kosten für Unterbringung und Verpflegung der Trainer als auch die Lohnkosten der Trainer. Für das Jahr 2014 habe sie einen Gesamtkostensatz je Teilnehmer von 280 € ermittelt. Von diesem Betrag habe jeder Teilnehmer einen Eigenbetrag in Höhe von 99 € für Unterkunft, Verpflegung zuzüglich Kurtaxe direkt an das Hotel entrichtet. Ihr habe der Veranstalter je Teilnehmer 181 € in Rechnung gestellt. Falsch sei daher die Darstellung des Finanzamts, die Teilnehmer hätten ihren Eigenanteil an den Veranstalter gezahlt.
Aus den Rechnungen könnten keine negativen Schlussfolgerungen gezogen werden. Ihre Mitarbeiter hätten vom Hotel eine Rechnung für das Engagement Gesundheitstage erhalten. Sie hätten an das Hotel selbst für Kurtaxe nebst Anteil für Verpflegung und Unterkunft gezahlt. Er, der Prozessbevollmächtigte, habe hier auch nicht widersprüchlich vorgetragen. Die Rechnung an die Mitarbeiter wiesen 7-prozentige und 19-prozentige Umsatztatbestände aus. Auf den Rechnungen sei eindeutig die Leistung ausgewiesen und zwar Kurtaxe, Übernachtung (Umsatzsteuer 7 %) und Verpflegung (Umsatzsteuer 19 %). Von den kalkulierten Gesamtkosten in Höhe von 280 € bzw. 285 € hätten ihre Arbeitnehmer 99 € für Übernachtung und Verpflegung getragen und an das Hotel gezahlt.
Soweit der Beklagte nach Präventionsleistungen, Unterkunft und Verpflegung aufgeschlüsselte Rechnungen verlange, könne sie diese Unterlagen für die Veranlagungszeiträume für die Jahre vor 2013 nicht vorlegen. Denn die Rechnungen hätten Fremddienstleister, Hotels bzw. Veranstalter gestellt.
Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass in dem Fall, in dem das Gericht die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 34 EStG nicht für die gesamte Maßnahme anwenden wolle, die Richtlinie 72 der Lohnsteuer-Richtlinien 2005 a. F. (für Betriebsveranstaltungen) einschlägig sein könne. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Februar 2018 verwiesen (B. 173 GA).
Die Klägerin beantragt,
1.
den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2014 vom 14. September 2016, geändert durch Bescheid vom 31. Januar 2018, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2018, aufzuheben,
2.
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren für notwendig zu erklären,
3.
im Falle des teilweisen oder gänzlichen Unterliegens die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2018, auf die Bezug genommen wird. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren sei widersprüchlich. Teilweise habe die Klägerin behauptet, dass der Eigenanteil der Arbeitnehmer von 99 € Nebenkosten für betriebliche Gesundheitstage (Seminargebühren) auch Unterkunfts- und Verpflegungskosten umfasse. In ihrer Stellungnahme vom 10. Dezember 2017 behauptet sie nunmehr, im Eigenanteil der Arbeitnehmer seien nur Unterkunfts- und Verpflegungskosten enthalten. Aus dem vorgelegten Rechnungsmuster gehe kein Aussteller hervor. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Veranstalter B gGmbH (rechnungsbelegt 2011-2013) zugleich auch der Eigentümer des Ferienzentrums in G sei. Aussteller der an die Klägerin gerichteten Rechnungen sei das B Ferienzentrum G.
Gegen die Darstellung, der Eigenanteil enthalte lediglich Unterkunfts- und Verpflegungskosten, spreche sowohl die E-Mail Korrespondenz mit den Krankenkassen (H vom 8. November 2010, Anlage 3 des Klägerschreibens vom 10. Dezember 2017, Blatt 152 GA), die Darstellung in den Flyern, die Erläuterung im Klägerschreiben vom 3. November 2016 und die Rechnungslegung an die Arbeitnehmer. Man habe die Mitarbeiter explizit darauf hingewiesen, dass die Krankenkassen den Eigenbetrag von 99 € übernähmen, soweit die im Voraus gebilligten Kurse den Anforderungen des §§ 20, 20a SGB V entsprächen. Daher seien auch bei der Rechnungslegung an die Arbeitnehmer keine Unterkunfts- und Verpflegungskosten ausgewiesen.
Auch die Rechnungslegung der Anbieter B gGmbH/B Ferienzentrum G und A pro D gGmbH zeigten nicht, dass in dem verbleibenden Arbeitgeberanteil auch Kosten für Präventionsleistungen enthalten seien. Nachweise - insbesondere eine Aufteilung in den Rechnungen - habe die Klägerin bislang nicht vorlegen können. Vielmehr entspreche die kalkulierte Trainerpauschale von 98,67 € betragsmäßig dem Eigenanteil der Arbeitnehmer. Höhere Aufwendungen für Präventionsleistungen habe die Klägerin weder beziffert noch nachgewiesen.
Die Behauptung der Klägerin, sie selbst sei in 2013 Veranstalterin gewesen, könne er nicht nachvollziehen. Flyer und Rechnungslegung zeigten, dass - wie in den Vorjahren - die B gGmbH bzw. B Ferienzentrum G Leistungen abgerechnet hätten. In 2013 habe man lediglich die durch die B gGmbH in Rechnung gestellten Beträge versteuert. Dass diese Beträge in 2013 ausschließlich auf Unterkunft und Verpflegung entfallen seien, sei dem Vortrag der Klägerin vom 15. Februar 2018 zu entnehmen. Insofern bleibe in 2013 mangels nachweislich arbeitgeberseitig getragener Präventionsleistungen kein Raum für die Anwendung des § 3 Nr. 34 EStG.
Hilfsweise habe der Prozessbevollmächtigte argumentiert, es hätten Betriebsveranstaltungen vorgelegen. Entgegen der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Rechtslage und der Definition einer Betriebsveranstaltung (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 16. November 2005, BStBl II 2006, 440 [BFH 16.11.2005 - VI R 68/00]) hätten die Arbeitnehmer der Klägerin in den Streitjahren Seminare für die allgemeine Gesundheitserhaltung besucht. Begriff und Zweck der Gesundheitstage als Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sprächen gegen das Vorliegen einer Betriebsveranstaltung. Wegen der weiteren Argumentation wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 18. April 2018 verwiesen (Bl. 186a, 187 GA).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im aufrechterhaltenen Umfang begründet. Die in den Jahren 2011 - 2014 geleisteten Zahlungen der Klägerin für ihre Mitarbeiter anlässlich der Veranstaltung sog. Gesundheitstage sind nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei und daher nicht als Arbeitslohn zu versteuern. Der Nachforderungsbescheid ist daher aufzuheben.
1. Die in Streit stehenden Leistungen der Klägerin für ihre Arbeitnehmer in den Jahren 2011 - 2014 stellen Arbeitslohn dar, der grundsätzlich der Lohnbesteuerung zu unterwerfen ist.
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - neben Gehältern und Löhnen - auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH-Urteile vom 7. Mai 2014 VI R 73/12, BFHE 245, 230, BStBl II 2014, 904, Rz 15 und vom 19. November 2015 VI R 74/14, BFHE 252, 129, BStBl II 2016, 303, Rz 10).
Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 36/12, BFHE 243, 520, BStBl II 2014, 278, Rz 10 und vom 10. März 2016 VI R 58/14, BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621, Rz 17).
Ob sich eine unentgeltlich oder verbilligt überlassene Sachzuwendung als geldwerter Vorteil oder als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung des Arbeitgebers erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ergibt die Würdigung aller tatsächlichen Umstände, dass die Zuwendung ausschließlich oder ganz überwiegend der Entlohnung des Arbeitnehmers dient, ist der geldwerte Vorteil in voller Höhe Arbeitslohn. Ergibt die Würdigung demgegenüber, dass sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist, liegt insgesamt kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Dies gilt auch, wenn die Zuwendung für den Arbeitnehmer mit angenehmen Begleitumständen verbunden ist (BFH-Urteil vom 11. März 2010 VI R 7/08, BFHE 228, 505, BStBl II 2010, 763, Rz 14).
Eine Sachzuwendung kann auch gemischt veranlasst sein, so dass eine Aufteilung in Arbeitslohn und eine Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2005 VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30, sowie Urteil vom 30. April 2009 VI R 55/07, BFHE 225, 58, BStBl II 2009, 726). Lässt sich der Charakter einer Sachzuwendung dagegen nur einheitlich beurteilen, ist die Zuwendung im Rahmen einer Gesamtwürdigung einheitlich dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 2006 VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691).
Die Zahlungen, die die Klägerin für ihre Arbeitnehmer in den Jahren 2011 - 2014 anlässlich der Veranstaltungen sog. Gesundheitstage i.H.v. 181 - 186 € geleistet hat, betrachtet der Senat nach den zuvor dargestellten Grundsätzen als Vorteile, die dem jeweiligen Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zugeflossen sind. Die teilweise Erstattung erfolgte auf der Grundlage der Betriebszugehörigkeit des jeweiligen Teilnehmers nach Anmeldung zu einer der Veranstaltungen. Die Zahlungen der Klägerin waren daher durch das konkrete Arbeitsverhältnis veranlasst.
Die gewährten Vorteile besaßen auch Arbeitslohncharakter. Entgegen der Darstellung der Klägerin leistete sie die Zuschüsse zu den Veranstaltungen nicht in ihrem ganz überwiegend eigenen Interesse.
Der Senat verkennt an dieser Stelle nicht, dass die Klägerin grundsätzlich ein hohes Interesse daran hat, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer zu erhalten, um durch niedrigen Krankheitsstand und geringere Fluktuation der Mitarbeiter eigene Kosten einzusparen. Diese potentiellen mittelbaren Vorteile führen im vorliegenden Fall nicht dazu, dass die betrieblichen Belange der Klägerin bei der Durchführung der Gesundheitstage im Vordergrund standen. Vielmehr vermittelten die durchgeführten Veranstaltungen gesundheitspräventive Kenntnisse und Anleitungen zu einer gesünderen Lebensweise. Die Gesundheitstage wiesen keinen Bezug zu berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf. Es gab für die Arbeitnehmer der Klägerin keine Verpflichtung, an den entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Darüber hinaus gewährten gesetzliche Krankenkassen ihren Mitgliedern für die Gesundheitstage Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention nach §§ 20, 20a SGB V. Insoweit gewährten die angebotenen Veranstaltungen Vorteile, die eine gesündere Lebensplanung und Lebensführung zum Ziel hatten. Die Arbeitnehmer der Klägerin waren insoweit durch die gewährten Zuwendungen privat bereichert.
Aus den gleichen Gründen weist der Senat die Argumentation des Prozessbevollmächtigten zurück, die Leistungen der Klägerin an ihre Arbeitnehmer für die Gesundheitstage könnten mit Blick auf die Richtlinie 72 der Lohnsteuer-Richtlinien 2005 (a.F.) nicht als Arbeitslohn zu qualifizieren sein. Denn die im Streitzeitraum nicht mehr anwendbare Richtlinienbestimmung betrifft Betriebsveranstaltungen, die nach den vorherigen Ausführungen nicht vorgelegen haben.
2. Die Zahlungen der Klägerin für ihre Arbeitnehmer sind jedoch gemäß § 3 Nr. 34 EStG a.F. von der Versteuerung als Arbeitslohn befreit.
Gemäß § 3 Nr. 34 EStG in der bis zum 27. Juli 2015 gültigen Fassung (a. F.) sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20 und 20a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genügen, steuerfrei, soweit sie 500 € im Kalenderjahr nicht übersteigen.
a) Die Klägerin hat Veranstaltungen durchführen lassen, die zu einer Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung i.S.d. § 3 Nr. 34 EStG führen sollten.
Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 34 EStG sollte die Steuerbefreiungsvorschrift dazu führen, die Bereitschaft des Arbeitgebers zu erhöhen, seinen Arbeitnehmern Dienstleistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes sowie zur betrieblichen Gesundheitsförderung anzubieten, indem der Arbeitgeber entsprechende Barzuschüsse für die Durchführung derartiger Maßnahmen aufwendet (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/10189, Seite 47). Eine gesetzliche Definition dieser Dienstleistungen enthält das Gesetz nicht. Zur sachlichen Eingrenzung der Steuerbefreiung wurde in der Nr. 34 auf die §§ 20, 20a SGB V Bezug genommen. Danach sollten "insbesondere" die Leistungen, die im Leitfaden Prävention der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen aufgeführt sind, gefördert werden. Die Gesetzesbegründung wiederum benennt die im Leitfaden Prävention genannten Handlungsfelder "Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes (Primärprävention)" sowie "betriebliche Gesundheitsförderung". Wegen der benannten Handlungsfelder wird auf die Gesetzesbegründung verwiesen.
Ob und inwieweit Maßnahmen des Arbeitgebers im sogenannten "Leitfaden Prävention" des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt sein müssen, um zu einer Anwendung des § 3 Nr. 34 EStG gelangen zu können, ist zweifelhaft, kann im Ergebnis vorliegend offenbleiben.
§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB V a. F. sieht die Erbringung von "Leistungen zur primären Prävention" vor. Diese Leistungen sind in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung des SGB V gesetzlich nicht näher definiert. Eine Legaldefinition des Begriffs "primäre Prävention" wurde erst durch § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ab 25. Juli 2015 gültigen Fassung vom 17. Juli 2015 (n. F.) - und danach nach dem Streitzeitraum - in das SGB V aufgenommen. Danach handelt es sich bei primärer Prävention um die "Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken". Diese Definition kann auch für den vorliegenden Rechtsstreit übernommen werden.
Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V a. F. sollen Leistungen zur Primärprävention den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern. Diese Bestimmung des Leistungszwecks entspricht der Regelung in § 3 Nr. 34 EStG. Weitere sachliche Anforderungen an die Leistungen zur Primärprävention enthält § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V a. F. selbst nicht. Vielmehr wird für die Konkretisierung dieser allgemeinen Anforderungen für die Leistungserbringung durch die Krankenkassen auf untergesetzliche Regelwerke verwiesen. Es heißt in § 20 Abs. 1 Satz 3 SGB V a. F.: "Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt gemeinsam und einheitlich unter Einbeziehung unabhängigen Sachverstandes prioritäre Handlungsfelder und Kriterien für Leistungen nach Satz 1, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Zielgruppen, Zugangswegen, Inhalten und Methodik." In Wahrnehmung dieses Auftrags ist zunächst durch die damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen und später durch den heutigen GKV-Spitzenverband der "Leitfaden Prävention" beschlossen worden (für die Streitjahre 2011 bis 2014 in der Fassung vom 27. August 2010).
Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass der "Leitfaden Prävention" nicht ausschließlich ("insbesondere") für die Anwendung des § 3 Nr. 34 EStG entscheidend ist. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den "Leitfaden Prävention" nicht als allein maßgeblich für die Gewährung der Steuerfreiheit betrachtete. Darüber hinaus beschränkte sich der Gesetzeswortlaut des § 20 SGB V a.F. zur Bestimmung der Leistungen der Krankenkassen auf den Begriff der "Primärprävention". Trotz des Wortlauts des § 3 Nr. 34 EStG waren Anforderungen zur Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit dieser Leistungen in § 20 SGB V a. F. nicht normiert.
Dem Verweis auf die §§ 20 und 20a SGB V in § 3 Nr. 34 EStG zur Bestimmung der Anforderungen an Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit der Gesundheitsleistungen können jedoch in Ermangelung unmittelbar im Gesetz bestimmter materieller Anforderungen an die Leistungen der Gesundheitsförderung keine weiteren Einschränkungen für die Begrenzung der Steuerbefreiung entnommen werden. Insoweit kann nicht auf den "Leitfaden Prävention" zurückgegriffen werden. Dies wäre mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren (Fissenewert in Frotscher/Geurts, EStG, § 3 Nr. 34 EStG, Rz. 6, Stand: 13.01.2010).
Vielmehr war es für die Anwendung des § 3 Nr. 34 EStG a. F. ausreichend, wenn die Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit, die der Arbeitgeber bezuschusst hatte, Mindestanforderungen an Qualität und Zielgerichtetheit erfüllten. Die gesetzlichen Mindestanforderungen können jedenfalls dann als erfüllt angesehen werden, wenn die betreffenden Maßnahmen durch Physiotherapeuten, Heilpraktiker und qualifizierte Fitnesstrainer erbracht würden (Urteil des FG Bremen vom 11. Februar 2016 - 1 K 80/15 (5), Betriebsberater -BB- 2016, 870 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllten die für die Durchführung der Veranstaltung engagierten Trainer im Entscheidungsfall unstreitig. Der Prozessbevollmächtigte hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Trainer über entsprechende Befähigungsnachweise verfügt haben. Im Vorfeld hatte man mit einzelnen Krankenkassen zudem Gespräche geführt. Der Senat weist zudem darauf hin, dass die Krankenkassen zu den Veranstaltungen jeweils Zuschüsse geleistet haben.
Darüber hinaus hat die Klägerin auch die im maßgeblichen "Leitfaden Prävention" in der Fassung vom 27. August 2010 genannten Voraussetzungen i.S.d. § 3 Nr. 34 EStG erfüllt. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, ist für § 3 Nr. 34 EStG auf "Handlungsfelder" abzustellen. Der Inhalt der Gesundheitswoche spiegelte die Handlungsfelder im "Leitfaden Prävention" in der Fassung vom 27. August 2010 wider. Angebote wie Rückenschule, progressive Muskelentspannung, Ernährungsberatung waren Gegenstand der betrieblichen Gesundheitsförderung i.S.d. §§ 20, 20a SGB V (vgl. Seite 46, 68 des Leitfadens bzgl. Ernährungsberatung, Seite 65 bzgl. Reduzierung des Belastung des Bewegungsapparates, Seite 54f Prävention durch Förderung der Entspannung, Seite 43 Reduzierung gesundheitlicher Risiken durch Verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme).
Soweit der Vortrag des Beklagten dahingehend verstanden werden kann, dass seiner Ansicht nach eine Steuerfreistellung gemäß § 3 Nr. 34 EStG ausscheidet, wenn keine (vollständige) Förderung einer Veranstaltung durch die Krankenkasse erfolgt, ist diese Gesetzesauslegung nicht haltbar. Würden die jeweiligen Aufwendungen für betriebliche Gesundheitsmaßnahmen vollständig von den Krankenkassen übernommen, würde sich die Frage der Steuerfreistellung gemäß § 3 Nr. 34 EStG lediglich in Einzelfällen stellen. Die Vorschrift würde ihres wesentlichen Anwendungsbereichs beraubt und wäre weitestgehend überflüssig. Denn die Frage der Kostenerstattung durch den Arbeitgeber würde sich im Regelfall nicht stellen, wenn zuvor die Krankenkassen die Aufwendungen der Veranstaltungen getragen hätten.
Darüber hinaus ist die Frage der Förderung einer betrieblichen Gesundheitsmaßnahme von Vorgaben der einzelnen Krankenkassen abhängig, die in die Vorschrift des § 3 Nr. 34 EStG keinen Eingang gefunden haben. Beispielsweise spricht die Bereichsleiterin Gesundheitsförderung der H davon, dass das "Angebot Mischkursbewegung, Ernährung und Entspannung" nicht die entsprechend nötige Gesamteinheitenzahl für eine Förderung durch die Krankenkasse aufweist (E-Mail-Anschreiben vom 8. November 2010, Blatt 152 GA). Weiterhin lässt sich die konkrete Förderung einer Gesundheitsveranstaltung durch die jeweilige Krankenkasse nicht allein auf der Grundlage des jeweils gültigen "Leitfaden Prävention" beurteilen, der lediglich allgemeine Voraussetzungen aufstellt. Die Finanzverwaltung war in Anbetracht der Ausgestaltung des § 3 Nr. 34 EStG a.F. und der Inbezugnahme der §§ 20, 20a SGB V nicht dazu in der Lage, eine materiellrechtliche Überprüfung der Tatbestandsmerkmale "Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung" vorzunehmen. Folgte man der Argumentation des Beklagten, hätte die Finanzverwaltung jeweils eine eigene "Krankenkassenprüfung" durchführen müssen, die weitere untergesetzliche Regelungen hätte miteinbeziehen müssen. Diese Vorgehensweise wäre mit dem Wortlaut und Sinn des § 3 Nr. 34 EStG nicht in Einklang zu bringen und hat auch nicht stattgefunden.
b) Die Klägerin beansprucht für die Streitjahre zu Recht auch die Steuerfreistellung von solchen Zuschüssen, die sie für die Übernachtung und Verpflegung ihrer Angestellten an die Tagungsveranstalter gezahlt hat.
Der Beklagte hat geltend gemacht, dass die Förderung von Übernachtung- und Verpflegungsaufwendungen nach dem Leitfaden Prävention ausgeschlossen seien. Eine Förderung im Rahmen des § 3 Nr. 34 EStG könne daher nicht stattfinden. Der Leitfaden Prävention in der Fassung vom 27. August 2010 spricht im Rahmen der Primärprävention nach § 20 Abs. 1 SGB V davon, dass bei wohnortfernen Kompaktangeboten sich die Krankenkassen ausschließlich an den Kosten der Präventionsmaßnahmen selbst beteiligen. Eine Förderung erfolgt danach nicht für Unterkunft, Verpflegung, Kurtaxe und andere Leistungen (Seite 37 des Leitfaden Prävention in der Fassung vom 27. August 2010).
Der Leitfaden Prävention beschreibt jeweils die Förderung einer Gesundheitsmaßnahme durch eine Krankenkasse. Wie bereits zuvor dargestellt, richtet sich die Anwendung des § 3 Nr. 34 EStG nach anderen Maßstäben. Weder verweist das Steuergesetz auf den jeweils gültigen Leitfaden Prävention in Form einer Rechtsgrundverweisung noch sind die Kriterien des GKV-Spitzenverbandes für die steuerliche Begünstigung nach § 3 Nr. 34 EStG allein ausschlaggebend. Gewährt der Arbeitgeber Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung darüber zu befinden, ob ein Leistungspaket vorliegt, das lediglich einer einheitlichen Behandlung zugänglich ist oder Teile der Zuschüsse - vorliegend als nicht durch § 3 Nr. 34 EStG erfasst - zu behandeln sind. Der Senat wendet hier die Grundsätze an, die die Rechtsprechung zur Aufteilung von Zuschüssen in Arbeitslohn bzw. einer Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse entwickelt hat (vgl. BFH-Urteil vom 21. November 2018 VI R 10/17, BFHE 263, 196, BStBl II 2019, 404). Danach ist entscheidend, ob sich der Charakter einer Sachzuwendung nur einheitlich (oder unterschiedlich) beurteilen lässt.
Die Gesundheitstage, die die Klägerin vorliegend initiiert hat, sind als eine einheitliche Maßnahme, die insgesamt der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 34 EStG unterliegt, zu beurteilen. Die Klägerin hat ihre Arbeitnehmer extern unterbringen lassen, um - unabhängig von einer Arbeitsplatzumgebung - an mehreren Tagen unterschiedliche gesundheitliche Gesundheitsmaßnahmen (Handlungsfelder) miteinander zu verbinden und ein komplexes Angebot bereitzustellen. Der jeweilige Veranstalter konnte die Gesundheitsmaßnahmen in der geplanten Reihenfolge und im ausgewiesenen Umfang lediglich erbringen, da die Arbeitnehmer der Klägerin auswärtig untergebracht waren und eine Verpflegung erhielten. Die jeweiligen Veranlassungsbeiträge griffen so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist. Die Positionen Übernachtungskosten, Verpflegungskosten und Seminarkosten sind insoweit einer unterschiedlichen Betrachtung nicht zugänglich (so auch Urteil des FG Düsseldorf vom 26. Januar 2007 - 9 K 3682/15 L, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2017, 732 im Falle der Veranstaltung einer "Sensibilisierungswoche").
c) Eine gesetzliche Einschränkung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 34 EStG aufgrund der Höhe der geleisteten Zuschüsse ergab sich in den Streitjahren nicht. Die je Arbeitnehmer erbrachten Leistungen der Klägerin überschritten den nach § 3 Nr. 34 EStG maßgeblichen Höchstbetrag von 500 € je Arbeitnehmer in keinem Fall.
Der Senat braucht bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entscheiden, ob die Zuschüsse zu den Gesundheitswochen auch nach der gesetzlichen Neuregelung der Präventionsleistungen durch das Präventionsgesetz im Jahr 2015 nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei wäre (vgl. BT-Drs. 18/4282, Seite 26). Denn zur Vermeidung von Unsicherheiten bei der Anwendung der bisherigen Gesetzeslage hat der Gesetzgeber erst für Zeiträume nach den Streitjahren in § 20 SGB V n.F. detaillierte Anforderungen an die von den Krankenkassen zu erbringenden Präventionsangebote eingefügt. Darüber hinaus sind Präventionsleistungen nunmehr zu zertifizieren. Auf ein entsprechendes Zertifikat verweist nunmehr § 3 Nr. 34 EStG n.F., wobei gem. § 52 Abs. 4 Satz 6 EStG für unzertifizierte Maßnahmen, die vor dem 1. Januar 2019 begonnen wurden, Bestandsschutz besteht. Die jeweiligen Finanzämter sind seither nach der gesetzgeberischen Intention von der Prüfung einer Gesundheitsmaßnahme befreit, da auf die Zertifizierung verwiesen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Sie berücksichtigt die Rücknahme der Klage hinsichtlich des Haftungsbescheids.
Die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ergibt sich aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen, § 115 Abs. 2 FGO.
Hinweis:
Revision eingelegt - Az. BFH: VI R 24/21tet.