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  • 05.09.2018 · IWW-Abrufnummer 204234

    Sozialgericht München: Urteil vom 09.02.2018 – S 46 EG 87/17

    Zum zu versteuernden Einkommen nach § 1 Abs. 8 BEEG zählen auch die gesondert mit der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 EStG versteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen. (Rn. 26)


    SG München

    Urteil v. 09.02.2018


    Tenor

    I. Die Klage gegen den Bescheid vom 21. März 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2017 wird abgewiesen.

    II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

    Tatbestand

    1

    Die Klägerin begehrt Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat ihrer Tochter (geboren ...04.2016). Strittig ist der Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 8 BEEG.

    2

    Die Klägerin beantragte im Juni 2016 Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat ihrer Tochter V. Die verheiratete Klägerin übte vor der Geburt eine nichtselbstständige Tätigkeit aus. Während des Bezugszeitraums sei keine Erwerbstätigkeit vorgesehen. Die Einkommensgrenze von 500.000,-Euro für Elternpaare werde voraussichtlich nicht überschritten. Die Klägerin erhielt ab 22.02.2016 Mutterschaftsgeld von kalendertäglich 13,- Euro und einen Zuschuss des Arbeitgebers von kalendertäglich 142,29 Euro. Vorgelegt wurde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014, der für den Ehemann ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 1.499.951,- Euro auswies. Der Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2015 liege noch nicht vor. Nach den Entgeltnachweisen der Klägerin erzielte diese in der Zeit von Januar 2015 bis einschließlich März 2016 einen steuerpflichtigen Bruttolohn zwischen 7272,- und 8300,- Euro im Monat.

    3

    Mit Bescheid vom 27.09.2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufig Elterngeld in folgender Höhe: für den ersten Lebensmonat keine Leistung, für den zweiten Lebensmonat 116,12 Euro und für den dritten bis zwölften Lebensmonat jeweils 1800,- Euro.

    4

    Die Klägerin legte im März 2017 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vor. Danach hatte das Ehepaar in diesem Jahr ein Einkommen von 596.408,- Euro, davon 446.138,- Euro nach dem Splittingtarif versteuert und 150.270,- Euro Einkommen aus Kapitalvermögen, versteuert mit der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

    5

    Mit Bescheid vom 21.03.2017 stellte der Beklagte den Leistungsanspruch endgültig auf null Euro fest und verfügte eine Erstattung der ausgezahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 18.116,12 Euro. Der Anspruch auf Elterngeld sei gemäß § 1 Abs. 8 BEEG entfallen, weil in dem letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen von 596.408,-Euro, mithin von mehr als 500.000,- Euro vorgelegen habe.

    6

    Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch. Das zu versteuernde Einkommen der Klägerin nach § 2 Abs. 5 EStG habe sich auf 464.138,- Euro belaufen und habe damit unterhalb der Einkommensgrenze gelegen. Kapitaleinkünfte, die gemäß § 32d Abs. 1 EStG der Abgeltungssteuer unterliegen, seien bei dem zu versteuernden Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG nicht zu berücksichtigen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2017 als unbegründet zurückgewiesen. Für die Einkommensgrenze sei das zu versteuernde Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 446.138,- Euro und das zu versteuernde Einkommen aus Kapitalvermögen in Höhe von 150.270,- Euro zu addieren.

    7

    Die Klägerin hat am 04.07.2017 Klage erhoben, die sie wie den Widerspruch begründete. Ergänzend führte sie aus, dass § 2 Abs. 5 EStG das zu versteuernde Einkommen als die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer bezeichne. Damit sei die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer auch das zu versteuernde Einkommen im Sinne dieser Vorschrift und somit die Grundlage für die Einkommensgrenze nach § 1 Abs. 8 BEEG. Die Kapitalerträge, die vorab nach § 32d EStG versteuert würden, seien bei dieser Grenze nicht zu berücksichtigen.

    8

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid vom 21.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2017 aufzuheben.

    9

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    10

    Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

    Entscheidungsgründe

    11

    Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist aber unbegründet, weil der strittige Bescheid dem Gesetz entspricht und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.

    12

    Der Leistungsanspruch besteht nicht, weil die sog. „Millionärsgrenze“ des § 1 Abs. 8 BEEG von 500.000,- Euro vom Elternpaar überschritten wird. Bei dieser Grenze sind auch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die gemäß § 32d Abs. 1 EStG mit der Abschlagsteuer versteuert werden, als Einkommen zu berücksichtigen. Rechtsgrundlage der strittigen abschließenden Entscheidung ist § 8 Abs. 3 Nr. 1 BEEG i.V.m. § 26 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III.

    13

    1. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 21.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2017, indem die vorläufige Bewilligung durch eine endgültige Festsetzung ersetzt wurde und eine Erstattung in Höhe von 18.116,12 Euro gefordert wurde. Diese Entscheidung beinhaltet drei Verfügungen: die Beseitigung der Vorläufigkeit, die abschließende Festsetzung der Höhe der Leistung und die Erstattung der überzahlten Leistung (BSG, Urteil vom 26.03.2014, B 10 EG 13/13 R, Rn. 11 bei Juris).

    14

    Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die abschließende Festsetzung der Höhe der Leistung auf null und die Erstattungsverfügung. Statthaft ist eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG. Die Klage ist aber nicht begründet, weil der geltend gemachte Leistungsanspruch nicht besteht.

    15

    2. Anwendbar ist das BEEG in der Fassung des Elterngeld-Plus-Gesetzes vom 18.12.2014. Dieses ist für Geburten ab 01.07.2015 anwendbar, vgl. § 27 dieses Gesetzes.

    16

    3. Nach § 1 Abs. 8 BEEG entfällt ein Anspruch auf Elterngeld, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG in Höhe von mehr als 250.000,- Euro erzielt hat. Wenn der andere Elternteil, wie hier der Ehemann der Klägerin, die Voraussetzung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BEEG erfüllt, also mit dem Kind in einem Haushalt lebt, ist die Grenze eine Summe von zu versteuerndem Einkommen beider Personen von 500.000,- Euro.

    17

    Das Kalenderjahr 2015 ist der letzte abgeschlossene Veranlagungszeitraum für die Einkommensteuer vor der Geburt der Tochter am xx.04.2016. Das zu versteuernde Einkommen der beiden Elternteile beträgt in diesem Jahr 596.408,- Euro und übersteigt diese Grenze. Die Klägerin ist deshalb von Leistungen ausgeschlossen. Der Beklagte hatte das Elterngeld in der abschließenden Entscheidung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BEEG i.V.m. § 26 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III auf null festzusetzen und die Erstattung der ausbezahlten Leistungen zu fordern.

    18

    § 1 Abs. 8 BEEG legt fest, dass der Anspruch auf Elterngeld entfällt, wenn Elternpaare im letzten Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG in Höhe von mehr als 500.000,- Euro haben.

    19

    § 2 Abs. 5 EStG lautet:

    „Das Einkommen, vermindert um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge, ist das zu versteuernde Einkommen; dieses bildet die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer. Knüpfen andere Gesetze an den Begriff des zu versteuernden Einkommens an, ist für deren Zweck das Einkommen in allen Fällen des § 32 um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 [Kinderfreibeträge] zu vermindern.“

    20

    Die Klägerin folgert aus den beiden Vorschriften, dass für die Millionärsgrenze nach § 1 Abs. 8 BEEG nur das zu versteuernde Einkommen anzusetzen ist, das der tariflichen Einkommensteuer unterliegt. Deshalb seien Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abschlagsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG und damit nicht der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, hier nicht zu berücksichtigen. Für diese Ansicht spricht die Bezugnahme auf § 2 Abs. 5 EStG, ferner dass der Gesetzgeber nicht auf § 2 Abs. 5a EStG verwiesen hat und dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (Haushaltsbegleitgesetz, BT-Drucksache 17/3452, Seite 8) auch auf die Grenze für den Spitzensteuersatz in § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG, mithin auf den Einkommensteuertarif, verwiesen hatte.

    21

    Diese Rechtsansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen.

    22

    § 1 Abs. 8 BEEG stellt auf den Begriff des „zu versteuernden Einkommens“ in § 2 Abs. 5 EStG ab, nicht auf die weitere Unterscheidung, welches Einkommen der tariflichen Einkommensteuer unterliegt und welches Einkommen nicht. Diese Unterscheidung erfolgt auch erst in § 2 Abs. 5b EStG, wonach Rechtsnormen des EStG, die an den Begriff des zu versteuernden Einkommens anknüpfen, Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG nicht einzubeziehen haben. Insoweit ist der zweite Halbsatz in § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG, dass das zu versteuernde Einkommen die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer bildet, kein Regelungsgegenstand, auf den sich § 1 Abs. 8 BEEG bezieht.

    23

    Auch die Absicht des Gesetzgebers, Bezieher besonders hoher Einkommen von der Leistung auszuschließen, spricht gegen die Auslegung der Klägerin. Der Gesetzgeber wollte insbesondere nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen privilegieren. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (a.a.O.), die ausdrücklich feststellt, dass diese Einkommensgrenze auch Einkünfte aus Kapital oder Miete erfassen soll.

    24

    Die Bezugnahme der Gesetzesbegründung auf § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG diente allein der Begründung der Höhe der Millionärsgrenze. Nach der damaligen Fassung dieser Norm setzte der Spitzensteuersatz bei einem Einkommen von 250.401,- Euro ein, bzw. dem doppelten Betrag bei zusammenveranlagten Ehegatten. Der Gesetzgeber wollte mit diesem Hinweis nur die Wahl der Höhe der Einkommensgrenze von 250.000,- bzw. 500.000,- Euro begründen und etwa nicht den Einkommensbegriff einschränken.

    25

    Für die Einbeziehung der Kapitalerträge, die der Abschlagsteuer unterliegen, spricht auch der Inhalt von § 2 Abs. 5a EStG. Diese Vorschrift legt fest, dass außersteuerliche Rechtsnormen, wie das BEEG, beim zu versteuernden Einkommen die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach § 32d Abs. 1 EStG pauschal versteuert werden, zu berücksichtigen haben. Mit dieser Regelung machte der Gesetzgeber deutlich, dass die Nichtberücksichtigung dieser Kapitaleinkünfte beim zu versteuernden Einkommen allein im Rahmen des Einkommensteuergesetzes in Betracht kommt. Um entgegen dieser Regelung die Nichtberücksichtigung auch auf das BEEG zu erstrecken, hätte der Gesetzgeber des BEEG dies ausdrücklich festlegen müssen.

    26

    Zusammenfassend ist festzustellen, dass auch gesondert mit der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 EStG versteuerte Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der „Millionärsgrenze“ des § 1 Abs. 8 BEEG zu berücksichtigen sind. Sie sind im Rahmen der außersteuerlichen Rechtsnormen des BEEG Teil des zu versteuernden Einkommens nach § 2 Abs. 5 EStG.

    27

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

    RechtsgebieteSGB III, BEEG, EStGVorschriftenEStG § 32d Abs. 1; SGB III § 328 Abs. 3; BEEG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 26 Abs. 2

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