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  • 06.07.2017 · IWW-Abrufnummer 194978

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 21.02.2017 – 1 K 68/14

    1. Die steuerliche Anerkennung einer Pensionsrückstellung setzt nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG im Hinblick auf die in einer Pensionszusage enthaltene Abfindungsklausel nicht die Festlegung der für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendenden Sterbetafel voraus.

    2. Pensionszusagen sind auch nach Einfügung des Eindeutigkeitsgebots in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht klar und eindeutig ist.


    SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES FINANZGERICHT
    Beselerallee 39 - 41
    24105 Kiel
    Tel. 0431 988 3845, Fax 0431 988 3846

    Az.: 1 K 68/14
    Urteil vom 21. Februar 2017
    Aktenzeichen des BFH: I R 26/17

    Das Urteil wurde im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abgabenordnung überarbeitet.

    1 K 68/14

    In dem Rechtsstreit

    wegen    Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge 2009 bis 2011

    hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 21. Februar 2017 für Recht erkannt:

    Die geänderten Bescheide für 2009 bis 2011 über Körperschaft­steuer und den Gewerbesteuermessbetrag vom 25. Februar 2014 werden aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob die in einer Pensionszusage enthaltene Abfindungsklausel das Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch ohne konkrete Festlegung der für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendenden Sterbetafel erfüllt.

    Die Klägerin ist eine mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 12. Januar 1998 gegründete GmbH, deren Gegenstand der Betrieb einer Agentur für die Vermittlung von … ist. Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin sind A und B. Die Klägerin schloss mit den Geschäftsführern am 1. April 1998 jeweils einen Geschäftsführervertrag, eine Tantiemevereinbarung und einen Kraftfahrzeugüberlassungsvertrag. Mit Gesellschafterbeschluss vom 19. November 1998 wurden die Geschäftsführerverträge um eine Pensionszusage vom 19. November 1998 ergänzt. Mit den Pensionszusagen wurde den Geschäftsführern eine jährliche Altersrente ab dem 65. Lebensjahr in Höhe von 40.000 DM (A) bzw. 60.000 DM (B) sowie eine vorgezogene Altersrente, eine Berufsunfähigkeitsrente und eine Witwen- und Waisenrente zugesagt. Im Hinblick auf die Zahlung der Versorgungsbezüge sahen die Pensionszusagen folgende Abfindungsklausel vor:

    „Das Unternehmen behält sich vor, bei Eintritt des Versorgungsfalles wegen Erreichens der Altersgrenze bzw. Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes anstelle der Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe des Barwerts der Rentenverpflichtung zu gewähren. Hierdurch erlöschen sämtliche Ansprüche aus der Pensionszusage einschließlich einer etwaigen Hinterbliebenenrente. […] Bei der Ermittlung des Kapitalbetrages sind ein Rechnungszinsfuß von 6 vom Hundert und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden […].“

    Für die den Geschäftsführern erteilten Pensionszusagen bildete die Klägerin in der Bilanz Pensionsrückstellungen, die sich zum 31. Dezember 2009 auf 229.330 € beliefen und in den Streitjahren 2010 um 24.923 € auf 254.253 € und 2011 um 26.180 € auf 280.433 € erhöht wurden. Die Höhe der Rückstellungen wurde mit einem Rechnungszins von 6% auf der Grundlage der Richttafeln 2005G von Prof. Dr. Klaus Heubeck ermittelt. Die Klägerin wurde in den Streitjahren 2009 bis 2011 erklärungsgemäß veranlagt.

    Im Rahmen einer für die Streitjahre 2009 bis 2011 bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung stellte die Fachprüferin für betriebliche Altersversorgung der Groß- und Konzernbetriebsprüfungsstelle des Finanzamts E fest, dass die in den Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklausel keine Angaben dazu enthalte, welche Sterbetafel für die Berechnung des Barwerts der Rentenverpflichtung zu verwenden sei. Das Schriftformerfordernis des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG sei nur erfüllt, wenn das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Abfindungshöhe, das auch die zu verwendende Sterbetafel beinhalte, eindeutig und präzise fixiert sei (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- vom 6. April 2005, Bundessteuerblatt -BStBl- I 2005, 619, Tz. 3). Die Bildung der Pensionsrückstellungen scheide daher in den Streitjahren aus, so dass die Pensionsrückstellungen wie folgt aufzulösen seien:

    Stichtag        Auflösungsbetrag        Gewinnänderung
    31.12.2009    - 229.330 €    + 229.330 €
    31.12.2010    - 254.253 €    + 24.923 €
    31.12.2011    - 280.433 €    + 26.180 €

    Der Beklagte schloss sich den Feststellungen der Außenprüfung an und setzte mit Änderungsbescheiden vom 25. Februar 2014 die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre 2009 bis 2011 in folgender Höhe fest:

        Körperschaftsteuer    Gewerbesteuermessbetrag
    2009     74.671 €    17.423 €
    2010    40.679 €    9.492 €
    2011    51.311 €    11.970 €    

    Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 25. März 2014 beim Finanzgericht eingegangenen Sprungklage, der der Beklagte mit dem am 25. April 2014 eingegangenen Schriftsatz vom 23. April 2014 zugestimmt hat. Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage vor, dass die Pensionszusage im Hinblick auf die Abfindungsklausel dem Schriftformerfordernis des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG genüge, da es nach dem BMF-Schreiben vom 28. August 2001 (BStBl. I 2001, 594) für die eindeutige Ermittlung der Kapitalbetrages nur einer alternativen Festlegung von Rechnungszinsfuß oder anzuwendender Sterbetafel bedürfe. Die den Geschäftsführen der Klägerin erteilten Versorgungszusagen beinhalteten neben dem Hinweis auf die Anwendung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik auch den Rechnungszinsfuß. Für die Berechnung der Pensionsrückstellungen habe die Klägerin die Heubeck-Tafeln verwendet, bei denen es sich um die einzigen von der Finanzverwaltung anerkannten Sterbetafeln für die Ermittlung von Teilwerten gemäß § 6a EStG handele. Die Klägerin stützt sich für die Anwendung der Richttafeln von Heubeck ergänzend auf den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 24. Juni 2004 1 V 61/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1756), nach dem bei fehlenden Angaben über die biometrischen Rechnungsgrundlagen die Richttafeln von Heubeck heranzuziehen seien.

    Die Klägerin beantragt,
    die geänderten Bescheide für 2009 bis 2011 über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag vom 25. Februar 2014 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf Stellungnahmen der Fachprüferin für betriebliche Altersversorgung der Groß- und Konzernbetriebsprüfung vor, dass es für die steuerliche Anerkennung der Pensionszusage erforderlich sei, in der Abfindungsklausel klar und eindeutig das Berechnungsverfahren zur Ermittlung des Abfindungsbetrags festzulegen. Hierzu gehöre auch die Festlegung der zu verwendenden Sterbetafel. Für die Berechnung der steuerlichen Pensionsrückstellungen seien zwar nur die Heubeck-Tafeln anerkannt. Für die Frage, wie der Zusagende und der Pensionsberechtigte bei einer Kapitalabfindung den zivilrechtlichen Abfindungsbetrag bemessen, sei aus steuerlicher Sicht aber jede Sterbetafel zulässig. Aus dem BMF-Schreiben vom 28. August 2001 (BStBl I 2001, 594) ergebe sich, dass alle Parameter, die für die versicherungsmathematische Ermittlung der Höhe der Versorgungspflichten erforderlich seien, schriftlich festgelegt werden müssten. Im Falle der vereinbarten Kapitalabfindung seien danach zur Ermittlung der Höhe der Abfindung die Angabe des Rechnungszinses und der Sterbetafel erforderlich. Hieran fehle es in den streitigen Pensionszusagen, da diese nur auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik verwiesen.

    Die nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG erforderlichen eindeutigen Angaben zur Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen bezögen sich nicht nur auf die Leistungen, die in die Ermittlung der Höhe der Pensionsrückstellung einflössen, sondern auf alle in Aussicht gestellten Leistungen. Die Höhe der in Aussicht gestellten Kapitalabfindung spiele zwar keine Rolle bei der Bemessung der Pensionsrückstellung. Es bestehe aber gleichwohl Unklarheit über die Höhe der in Aussicht gestellten Abfindungsleistung, da die für deren Berechnung zu verwendende Sterbetafel in der Zusage nicht genannt werde. Hieraus könne bei Geltendmachung der Abfindung Streit über die Höhe der zu leistenden Abfindung entstehen, der nach der Gesetzesbegründung vermieden werden solle. Soweit in der Gesetzesbegründung und in R 41 Abs. 7 EStR 2001 von Unklarheiten über den Inhalt der Pensionszusage, insbesondere über die Faktoren, die für die Bemessung der Pensionsrückstellung wesentlich sind, die Rede sei, stelle dies nur eine beispielhafte Nennung von Faktoren dar, für die Eindeutigkeit gefordert werde. Das Gericht habe daher darüber zu entscheiden, ob eine Auslegung der Pensionszusage im Hinblick auf die dort für die Ermittlung der Kapitalabfindung nicht eindeutig festgelegte zu verwendende Sterbetafel zulässig sei und ob diese Auslegung dann zu der geforderten Eindeutigkeit führe.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.

    I. Die Klage ist als Sprungklage gemäß § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Vorverfahren zulässig, da der Beklagte innerhalb eines Monats dem Finanzgericht gegenüber zugestimmt hat.

    II. Die angefochtenen Bescheide für 2009 bis 2011 über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag vom 25. Februar 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht die Bildung der Pensionsrückstellungen für die den Geschäftsführern erteilten Pensionszusagen im Hinblick auf die darin enthaltenen Abfindungsklauseln in den Streitjahren nicht anerkannt.

    1. Die in den Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklausel begründet – zwischen den Beteiligten unstreitig – keinen schädlichen Vorbehalt i.S. des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Nach dieser Vorschrift darf eine Pensionsrückstellung nur gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage keinen Vorbehalt enthält, dass die Pensionsanwartschaft oder die Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, oder ein solcher Vorbehalt sich nur auf Tatbestände erstreckt, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung oder ein Entzug der Pensionsanwartschaft oder der Pensionsleistung zulässig ist. Bei der streitigen Abfindungsklausel handelt es sich aufgrund der zum Barwert vorzunehmenden Abfindung nicht um einen schädlichen Vorbehalt i.S. des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG (BFH-Urteil vom 10. November 1998 I R 49/97, BStBl II 2005, 261).

    2. Die schriftlich erteilten Pensionszusagen erfüllen im Hinblick auf die Abfindungsklausel auch das Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG. Das Eindeutigkeitsgebot erfordert bei einer einschränkenden Auslegung der Vorschrift nicht die Festlegung einer bestimmten für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendenden Sterbetafel in der Pensionszusage (vgl. unter a). Für den Fall, dass sich das Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG auch auf die Festlegung der Sterbetafel erstreckt, ergibt sich die eindeutige Festlegung der anzuwendenden Sterbetafel aus der Auslegung der streitigen Abfindungsklausel (vgl. unter b).

    a) Nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG darf für eine Pensionsverpflichtung eine Rückstellung (Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage schriftlich erteilt ist; die Pensionszusage muss u.a. eindeutige Angaben zur Höhe der in Aussicht gestellten Leistungen enthalten. Nach dem BMF-Schreiben vom 28. August 2001 (BStBl. I 2001, 594) sind für die steuerliche Anerkennung der Pensionsrückstellung auch Angaben für die versicherungs­mathematische Ermittlung der Höhe der Versorgungsverpflichtung (z.B. anzuwendender Rechnungszinsfuß oder anzuwendende Ausscheidewahrscheinlichkeiten) schriftlich festzulegen, sofern es zur eindeutigen Ermittlung der in Aussicht gestellten Leistungen erforderlich ist. Diese Regelungen gelten nach Tz. 3 des BMF-Schreibens vom 6. April 2005 (BStBl. I 2005, 619) entsprechend für in Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklauseln. Danach wäre im Streitfall für die steuerliche Anerkennung der Pensionsrückstellungen die Angabe der für die Berechnung der Kapitalabfindung anzuwendenden Sterbetafel erforderlich.

    b) Der Senat schließt sich der vom Beklagten und dem BMF vertretenen Auffassung zu den Anforderungen an Abfindungsklauseln nicht an, auch wenn diese durch den Wortlaut des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG gedeckt wird. Das Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG ist nach Auffassung des Senats nach der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck der Vorschrift vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass die Vorschrift nicht die Festlegung der für die Berechnung der Höhe der Kapitalabfindung maßgeblichen Sterbetafel in der Abfindungsklausel verlangt.

    aa) Das Eindeutigkeitsgebot ist durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (Bundesgesetzblatt I 2001, 3794) -StÄndG- in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG eingefügt worden. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass mit der Einfügung des Eindeutigkeitsgebots die zuvor in R 41 Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien 2001 geregelten Anforderungen an den Inhalt der Pensionszusage gesetzlich klargestellt werden sollten (BTDrucks 14/7341, 10). Eine mit der Gesetzesänderung verbundene Erweiterung dieser Anforderungen auf die im BMF-Schreiben vom 28. August 2001 (BStBl. I 2001, 594) angesprochenen und in H 41 Abs. 7 des Einkommensteuer-Handbuchs 2001 übernommenen Angaben für die versicherungsmathematische Ermittlung der Höhe der Versorgungsverpflichtung lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.

    bb) Der Gesetzgeber hat in § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG eine spezielle Regelung für Abfindungsklauseln geschaffen. Danach darf eine Pensionszusage keinen schädlichen Kürzungsvorbehalt enthalten. Einschränkungen der Pensionsleistungen sind nur nach allgemein anerkannten Grundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens zulässig. Das Verbot schädlicher Kürzungsvorbehalte in § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG ist an das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge (BetrAVG) angelehnt. Für die Abfindung unverfallbarer Anwartschaften auf eine vom Arbeitgeber zugesagte betriebliche Altersversorgung wird in § 4 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 5 BetrAVG eine Berechnung des Abfindungsbetrags nach dem Barwert vorgeschrieben. Die Abfindung muss damit dem Wert des gesamten Versorgungsversprechens zum Abfindungszeitpunkt entsprechen (Gebot der Wertgleichheit). Das Gebot der Wertgleichheit wird § 4 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 5 BetrAVG dadurch konkretisiert, dass für die Barwertberechnung die Rechnungsgrundlagen und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik maßgebend sind.

    Das Gebot der Wertgleichheit enthält eine wesentliche Vorprägung für die steuerrechtliche Beurteilung der Abfindungsklausel. Die Abfindungsklausel stellt nur dann einen unschädlichen Vorbehalt i.S. des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG dar, wenn – wie im Streitfall – die Abfindung mit dem jeweiligen Barwert zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand erfolgen soll. Eine Abfindungsklausel, die dem Arbeitgeber die Möglichkeit vorbehält, die Pensionsverpflichtung jederzeit in Höhe des Teilwerts nach § 6a Abs. 3 EStG abzufinden, ist dagegen als steuerschädlicher Vorbehalt i.S. des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren (BFH-Urteil vom 10. November 1998 I R 49/97, BStBl II 2005, 261). Aus der mit dem Gebot der Wertgleichheit verbundenen Anknüpfung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG an die Barwertberechnung des § 4 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 5 BetrAVG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Festlegung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik bei der Berechnung des Barwerts auch im Hinblick auf das Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG für ausreichend hält.

    cc) Durch das Schriftformgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG sollen Unklarheiten über den Inhalt der Pensionszusage, insbesondere über die Faktoren, die für die Bemessung der Pensionsrückstellung wesentlich sind (Zeitpunkt der Zusage, Art und Höhe der Leistungen) vermieden werden (BTDrucks 7/1281, 38). Nach dem Zweck des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG, der durch die Einfügung des Eindeutigkeitsgebots als bloße gesetzliche Klarstellung der Verwaltungspraxis keine Änderung erfahren hat, dienen die von der Vorschrift geforderten Angaben der Beweis­sicherung über den Umfang der Pensionszusage, soweit sich diese Angaben auf die Bemessung der Pensionsrückstellung auswirken, deren Bildung sich dem Grunde und der Höhe nach § 6a Abs. 1 EStG richtet (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 37/02, BStBl II 2004, 121).

    Handelt es sich, wie in dem Urteilsfall des BFH (Urteil vom 24. März 1999 I R 20/98, BStBl II 2001, 612), der Anlass für die gesetzliche Regelung des Eindeutigkeitsgebotes war (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 36. Aufl., § 6a Rz. 15), um eine beitragsorientierte Zusage, so kann die Höhe der Versorgungsanwartschaft nur ermittelt werden, wenn neben Angaben zu dem anzuwendenden Rechnungszins auch Angaben zu den biometrischen Ausscheidewahrscheinlichkeiten vorliegen. Da bei einer beitragsorientierten Zusage für die Umrechnung in Versorgungsanwartschaften regelmäßig nicht der Grundsatz der Wertgleichheit gilt, kommt der Festlegung dieser Berechnungsparameter eine besondere Bedeutung zu, da zunächst der vom Arbeitgeber zu leistende Beitrag in eine Versorgungsanwartschaft umgerechnet werden muss, um die Höhe der Pensionsrückstellung ermitteln zu können.

    Die vorgenannten Erwägungen gelten für die Berechnung der Abfindungshöhe nicht in gleicher Weise, da die Abfindungsklausel für die Höhe der Pensionsrückstellung keine Bedeutung hat. Bei der Bildung der Pensionsrückstellung ist für eine Abfindungsklausel kein Abschlag vorzunehmen, wenn die Abfindung – wie im Streitfall – mit dem jeweiligen Barwert zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand erfolgen soll und die Abfindungsklausel damit einen unschädlichen Vorbehalt i.S. des § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG darstellt (BTDrucks 7/1281, 38). Die Pensionsrückstellung ist zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls in vollem Umfang aufzulösen, wenn die Pensionszusage entsprechend dem in der Zusage enthaltenen Wahlrecht des Arbeitgebers durch eine Kapitalabfindung erfüllt wird, da in diesem Fall keine weitere Versorgungsverpflichtung des Arbeitgebers besteht (vgl. Gosch in Kirchhof, EStG Kommentar, 15. Aufl. § 6a Rz. 23). Die streitige Abfindungsklausel wirkt sich damit weder in Form eines Abschlags bei der Bildung der Pensionsrückstellung noch bei der Kapitalabfindung nach Eintritt des Versorgungsfalls auf die Höhe der Pensionsrückstellung aus. Nach dem Zweck des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG kommt es daher für die Erfüllung des Eindeutigkeitsgebots nicht darauf an, ob die Pensionszusage im Hinblick auf die Abfindungsklausel eindeutige Angaben zur Berechnung der Abfindungshöhe enthält.

    dd) Der Senat sieht sich in der einschränkenden Auslegung des Eindeutigkeitsgebots schließlich dadurch bestätigt, dass hierdurch praktische Probleme im Hinblick auf die eindeutige Festlegung der Sterbetafel zum Zeitpunkt der Pensionszusage vermieden werden, die bei der Berechnung des Barwerts der Pensionszusage zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand Anwendung finden soll. Derartige Probleme können sich insbesondere daraus ergeben, dass die zum Zeitpunkt der Pensionszusage eindeutig festgelegte Sterbetafel aufgrund zwischenzeitlich vorgenommener Anpassungen an die demographische Entwicklung nicht mehr mit der Sterbetafel zum späteren Zeitpunkt des Versorgungsfalls übereinstimmt (vgl. H.-J. Heger, Betriebsberater 2005, 1378, 1380).

    b) Der Abfindungsklausel ist im Wege der Auslegung die eindeutige Festlegung der Richttafeln von Heubeck als anzuwendende Sterbetafeln zur Ermittlung der Abfindungshöhe zu entnehmen.

    Der in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG enthaltene Begriff der Eindeutigkeit lässt offen, ob sich die Berechnungsparameter für die Höhe der Abfindung – im Streitfall die anzuwendende Sterbetafel – unmittelbar aus der Pensionszusage ergeben müssen oder ob es hierfür ausreicht, dass nach einer Auslegung der Pensionszusage keine Zweifel an diesen Berechnungsparametern verbleiben. Pensionszusagen sind nach der zu § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG in der Fassung vor dem StÄndG ergangenen Rechtsprechung des BFH anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen, soweit ihr Inhalt nicht klar und eindeutig feststeht (BFH-Urteil vom 24. März 1999 I R 20/98, BStBl II 2001, 612). Die Einfügung des Eindeutigkeitsgebots in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG durch das StÄndG hat hieran nichts geändert, da es sich nur um eine gesetzliche Klarstellung dessen handelt, was schon vorher galt (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 37/02, BStBl II 2004, 121; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Beschluss vom 24. Juni 2004 1 V 61/03, Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1756).

    Die Abfindungsklausel knüpft mit der Formulierung, dass bei der Ermittlung des Kapitalbetrags in Höhe des Barwerts der Rentenverpflichtung „ein Rechnungszinsfuß von 6 vom Hundert und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik“ anzuwenden sind, an die gesetzliche Regelung zur Berechnung des Teilwerts in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG an.

    Die Finanzverwaltung erkennt hierbei seit 1998 in langjähriger Verwaltungspraxis die Richttafeln von Heubeck als mit den anerkannten versicherungsmathematischen Grund­sätzen i.S. des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG übereinstimmend an (BMF-Schreiben vom 31. Dezember 1998, BStBl I 1998, 1528; BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2005, BStBl I 2005, 1054). Die Anwendung anderer oder modifizierter Rechnungsgrundlagen wird von der Finanzverwaltung nur anerkannt, wenn die besonderen Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 9. Dezember 2011 (BStBl I 2011, 1247) erfüllt sind. Der Senat legt die Abfindungsklausel aufgrund der Übernahme des Wortlauts des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG dahin aus, dass die Vertragsparteien mit der Bezugnahme auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik die Anwendung der von der Finanzverwaltung anerkannten Richttafeln von Heubeck festschreiben wollten, die für die Berechnung des Teilwerts nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG aufgrund der langjährigen Verwaltungspraxis der Verkehrssitte entspricht.

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da es an höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Auslegung und Reichweite des Eindeutigkeitsgebots des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG fehlt und der Rechtssache damit grundsätzliche Bedeutung zukommt.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 6a EStG

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