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  • 11.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122733

    Sozialgericht Stuttgart: Urteil vom 07.03.2012 – S 4 R 6197/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Sozialgericht Stuttgart
    Az.: S 4 R 6197/09
    Verkündet am 07.03.2012

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    in dem Rechtsstreit XXX

    Die 4. Kammer des Sozialgerichts Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2012 durch die Richterin B. als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter A. L. und D. P. für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand:
    Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

    Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in L., welche Hersteller, wie zum Beispiel die R. B. GmbH beim Abverkauf ihrer Produkte im Einzelhandel unterstützt. Der Beigeladene zu 1) arbeitete von April 2007 bis Mai 2009 freiberuflich als sogenannter Shop-in-Shop-Verkäufer (SiS). Es existiert kein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Die Klägerin ist für das Projekt Shop in Shop in Kontakt mit circa 100 freien Mitarbeitern, die im gesamten Bundesgebiet Aufträge annehmen. Der Beigeladene zu 1) hatte dabei das gesamte Sortiment des Kunden (hier der R. B. GmbH) zum Beispiel in einem Baumarkt zu präsentieren und bei einer solchen Präsentation die Endkunden individuell zu beraten.

    Aufgrund eines Antrags der Klägerin vom 31.03.2008 wurde ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Absatz 1 Satz 1 SGB IV eingeleitet. Mit Anhörungsschreiben vom 01.10.2008 bekundete die Beklagte die Absicht, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Mit Schreiben vom 13.10.2008 erläuterte die Klägerin ihr Vertragsverhältnis zum Beigeladenen zu 1). Mit Bescheid vom 24.10.2008 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit als SiS-Verkäufer bei der Klägerin seit dem 01.04.2007 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit Aufnahme der Beschäftigung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1) verpflichtet sei, Kleidung der Firma B. zu tragen. Zudem sei er durch die terminlichen und örtlichen Vorgaben des Auftraggebers an regelmäßige Arbeits- und Anwesenheitszeiten gebunden. Somit bestehe für ihn kein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der freien Wahl des Arbeitsortes sowie der Arbeitszeit. Zudem erfolge eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines Dritten. Das Weisungsrecht des Auftraggebers in Bezug auf Ort und Art und Weise der Tätigkeit ergebe sich aus dem jeweils erteilten Auftrag. Der Beigeladene zu 1) habe zwar die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, bei Annahme eines Auftrages seien ihm bezüglich Ort und Zeit jedoch Vorgaben gemacht worden. Zudem werde dem Beigeladenen zu 1) der jeweilige Einsatzort von der Klägerin zugewiesen. Er habe die regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten von Montag, Freitag und Samstag von 10:00 Uhr bis 19:00 Uhr bzw. von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr einzuhalten. Er sei ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers tätig. Nach außen erscheine er als Mitarbeiter des Auftraggebers. Im allgemeinen Geschäftsverkehr werde er nicht als selbstständig Tätiger wahrgenommen. Der Beigeladene zu 1) sei zwar nicht verpflichtet, die Leistung persönlich zu erbringen, allein die formale Berechtigung die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, schließe jedoch das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel ist. Zudem sei das Vorliegen eines für die selbstständige Tätigkeit typischen unternehmerischen Risikos zu verneinen, weil weder eigenes Kapital noch eigene Betriebsmittel eingesetzt werden durch die bei Erzielung geringerer Umsätze die Gefahr des Verlustes besteht. Auftretende Schwankungen gegebenenfalls gezahlter Umsatzprovisionen seien mit dem Entgeltrisiko vergleichbar, welche stundenweise beschäftigte Arbeitnehmer zu tragen hätten. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen.

    Gegen den Bescheid wurde mit Schreiben vom 12.11.2008 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass allgemeine Sorgfalts- und Obhutspflichten, die sowohl Arbeitnehmer als auch Selbstständige immer zu erfüllen hätten, nicht als Indiz für die eine oder andere Auffassung gewertet werden könnten. Zudem bestehe keine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1), Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen. Ebenso bestünde keine Verpflichtung, das Hemd oder T-Shirt von der R. B. GmbH zu tragen. Die Kleidung werde dem Vorführer für den Fall angeboten, dass er der Meinung sei, dass dies seiner Präsentation helfe. Zudem trage die angebotene Kleidung nicht den Aufdruck der Klägerin, sondern den der R. B. GmbH. Der Beigeladene zu 1) habe grundsätzlich keine festen Arbeitszeiten einzuhalten und auch keine festen Arbeitszeiten bezüglich bestimmter Tage noch eine feste Wochenarbeitszeit. Monatlich entscheide die Klägerin neu, wem Aufträge angeboten werden bzw. der Beigeladene zu 1), welche Aufträge er annimmt. Als ein starkes Indiz wäre weiterhin zu werten, dass in beiderseitigem Einvernehmen kein schriftlicher Vertrag geschlossen worden sei, wie dies bei Arbeitsverträgen zwingend der Fall sei. Es bestünde im gegenseitigen Einvernehmen unter anderem kein Anspruch auf Zahlung bei Krankheit und Urlaub. Der Beigeladene zu 1) sei auch nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Auftraggeber sei die Klägerin, nicht die Robert Bosch GmbH. Auch das Vorliegen eines unternehmerischen Risikos sei zu bejahen. Der Beigeladene zu 1) habe keine Garantie auf ein Entgelt, die Bezahlung erfolge nur im Erfolgsfall.

    Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2009 zurück. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die eigene Arbeitskraft vom Beigeladenen zu 1) nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt werde. Es erfolge, wie den vorliegenden Rechnungen zu entnehmen sei, eine pauschale Bezahlung je Einsatztag in Höhe von 100,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Der Beigeladene zu 1) setze ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig. Selbst wenn der Auftragnehmer über ein eigenes Fahrzeug, Kommunikationsmittel wie Telefon und Computer bzw. geeignete Kleidung für die ausgeübte Tätigkeit verfüge, werde hierdurch ein unternehmerisches Risiko mit eigenständigen Gewinn- und Verlustchancen nicht begründet. Ein Kapitaleinsatz, der auch mit der Möglichkeit eines Verlustes verbunden sei, liege nicht vor. Es spiele ebenfalls keine Rolle, dass keine Regelung über Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz getroffen wurden. Die Aufnahme derartiger Regelungen gehöre nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein solches habe regelmäßig zur Folge, dass Urlaubs- und Lohnfortzahlungsansprüche bzw. Kündigungsschutz entstehen können. Der Beigeladene zu 1) unterliege bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung dem Direktionsrecht des Arbeitgebers bzw. der Märkte, in denen die Aufträge durchgeführt werden. Er könne zwar frei entscheiden, ob er Aufträge annehme oder ablehne, bei Annahme erfolge jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Der zeitliche Rahmen der Tätigkeit sei zwar nicht exakt nach Tagen, Stunden oder Minuten bestimmt, aber doch derart hinreichend eingegrenzt, dass er als bestimmter zeitlicher Rahmen im Sinne der Rechtsprechung zur persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers zu qualifizieren sei. Im Hinblick auf die festgestellte Weisungsbindung sei ebenfalls anzumerken, dass auch jedem Arbeitnehmer ein gewisser Freiraum bei der Ausgestaltung seiner Tätigkeit eingeräumt sei. Die Tätigkeit vom Beigeladenen zu 1) sei entsprechend der eines Arbeitnehmers im Wesentlichen durch Vorgaben des Auftraggebers geprägt, also überwiegend fremdbestimmt.

    Dagegen erhob die Klägerin am 14.09.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart.

    Im laufenden Verfahren änderte die Beklagte ihren Bescheid vom 24.10.2008 durch den Bescheid vom 01.07.2010 ab. Es werde nunmehr festgestellt, dass in der vom Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum ausgeübten Beschäftigung als SiS-Verkäufer bei der Klägerin Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Dieser Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.

    Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1) die Wahl habe, ob er einen Auftrag annehme oder nicht. Von diesem Wahlrecht habe der Beigeladene zu 1) Gebrauch gemacht. Die Klägerin habe dem Beigeladenen zu 1) keine Vorwürfe gemacht, wenn ein Auftrag ausfiel. Sie habe den Beigeladenen zu 1) auch nicht gefragt, warum er einen Auftrag ablehne, dies habe allein in seiner Entscheidung gestanden. Zudem sei dem Beigeladenen zu 1) gestattet gewesen, sich durch andere Personen vertreten zu lassen. Er schulde seine Dienstleistung nicht höchstpersönlich. Zudem gestatte die Klägerin all ihren freien Mitarbeitern auch für Konkurrenten tätig zu werden. Wenn der Beigeladene zu 1) einen Auftrag angenommen hatte, so habe die Klägerin ihm lediglich den groben Rahmen vorgegeben, nämlich die ungefähre Dauer des Einsatzes, den Einsatztag, den Einsatzort und die Art des Einsatzes (Präsentation eines bestimmten Produktes oder Leitung einer Shop-in-Shop-Veranstaltung). Der Beigeladene zu 1) habe selbstständig mit dem jeweiligen Baumarkt geklärt, an welcher Stelle er wie einen Stand anbringen könne. Er habe in Abstimmung mit dem jeweiligen Baumarkt seine eigenen Vorstellungen und Erfahrungen einbringen können, um seinen Einsatz nach seinen Wünschen zu gestalten. Er habe während der Öffnungszeiten der Baumärkte frei wählen können, wann er seine Präsentation beginne, unterbreche und beende. Er habe sich bei der Klägerin weder an- noch abmelden müssen. Die Klägerin habe auch die Anwesenheitszeiten der freien Mitarbeiter nicht kontrolliert. Sie müssten sich nur im Lieferantenbuch der Baumärkte bei Ankunft und Verlassen des Marktes eintragen. Die R. B. GmbH und die Klägerin hätten dem Beigeladenen ein Hemd, ein T- Shirt, eine Weste und ein Namensschild mit Logos der R. B. GmbH zur Verfügung gestellt. Diese habe er tragen können, um dem Endkunden kenntlich zu machen, welche Produkte er präsentiere. Er sei jedoch hierzu nicht verpflichtet gewesen. Ansonsten habe die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) kein Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt. Den Stand habe die R. B. GmbH zur Verfügung gestellt. Soweit der Beigeladene zu 1) eine Vorführung geplant habe, habe er das Vorführmaterial wie zum Beispiel eine Werkbank und Holz für Bohrmaschinenpräsentationen auf eigene Rechnung besorgen müssen. Der freie Mitarbeiter sei bei Shop-in-Shop-Veranstaltungen zur Produktvorführung nicht verpflichtet gewesen. Er habe die Kunden auch einfach nur mündlich beraten können. Den Baumarkt habe er auf eigene Kosten aufsuchen müssen. Nach dem Ende eines Auftrags habe der Beigeladene zu 1) die Anzahl an verkauften Produkten notiert, damit die Klägerin die Provision ermitteln konnte. Anschließend habe der Beigeladene zu 1) eine Honorarrechnung in Höhe der vereinbarten Tagespauschale von 100,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer erstellt. Zudem habe er wie alle freien Mitarbeiter eine Provision von 2% der von ihm veranlassten Umsätze von Geräten der R. B. GmbH erhalten. Von diesen Umsätzen sei ein Grundumsatz abgezogen worden, der üblicherweise auch ohne eine besondere Vorführleistung erzielt werde (ca. 700,00 € bis 1.200,00 €, je nach Größe des Baumarktes). Die Provision des Beigeladenen zu 1) habe im Jahr 2009 zwischen 0,00 € und 39,74 € geschwankt. Andere freie Mitarbeiter hätten teilweise eine Provision erzielt, die die Tagespauschale sogar deutlich überstiegen habe. Der Beigeladene zu 1) habe eine Vergütung lediglich für angenommene und ausgeführte Aufträge erhalten. Die Klägerin gewähre ihm keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auch keinen bezahlten Erholungsurlaub. Weiter werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) auch inhaltlich keine Weisungen erteile. Er handele völlig eigenverantwortlich. Er könne Produkte präsentieren, er könne die Kunden auch nur mündlich beraten. Ganz wesentlich für seine selbstständige Tätigkeit spreche seine Bezahlung nach Erfolg und die Möglichkeit des Beigeladenen zu 1), das Auftragsvolumen frei zu wählen. Dies sei nach der jüngeren Rechtsprechung der Landessozialgerichte ein wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Zudem werde es dem Beigeladenen zu 1) gestattet, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Wäre der Beigeladene zu 1) sein Arbeitnehmer, würde eine Konkurrenztätigkeit gegen das jedem Arbeitsvertrag immanente Wettbewerbsverbot verstoßen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2008, abgeändert durch den Bescheid vom 01.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum selbstständig tätig war.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte verweist zur Begründung ihres Antrags auf die angefochtenen Bescheide.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten geführte Verwaltungsakte verwiesen.

    Entscheidungsgründe:

    I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 24.10.2008, ersetzt durch den Bescheid vom 01.07.2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1) ist im streitigen Zeitraum in seiner Tätigkeit als Shop-in-Shop-Verkäufer versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

    Mit Bescheid vom 01.07.2010 hat die Beklagte die ursprünglich nur dem Grunde nach erfolgte Feststellung einer Sozialversicherungspflicht auf die Feststellung der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung präzisiert und damit die vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Anforderungen an eine Entscheidung im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erfüllt (vgl. BSG, Urteil v. 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R). Der neue Bescheid wurde Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens nach § 96 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl. auch Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil v. 20.11.2009 - L 4 R 1540/08, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24.03.2010 - L 9 KR 13/08, LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 31.03.2010 - L 6 3/09).

    Gemäß § 5 Absatz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 1 Absatz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 20 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie §§ 25, 26 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sind Personen, die als Arbeiter und Angestellte gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sozialversicherungspflichtig.

    Gemäß § 7 Absatz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl. zum Ganzen z.B. zuletzt BSG, Urteil v. 27.07.2011 - B 12 KR 10/09 R, Rn. 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 6 Rn. 14 m.w.N.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 19 Seite 69 f., Nr. 13 Seite 31 f. und Nr. 4 Seite 13, jeweils m.w.N.; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr. 5 Seite 26 f. m.w.N).

    Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Beigeladene zu 1) ausgehend von diesen Grundsätzen im streitigen Zeitraum als Shop-in-Shop-Verkäufer bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist.

    Der Beigeladene zu 1) hat seine Arbeit zwar nicht in der Betriebsstätte der Klägerin verrichtet, sondern in einem Baumarkt. Diese organisatorische Besonderheit ist jedoch rechtlich ohne Bedeutung, weil sich das aus der speziellen Tätigkeit des Beigeladenen - Präsentation und Vorführung von Waren beim Endkunden - und damit aus der Natur der Sache ergab. Der Beigeladene zu 1) wurde von der Klägerin in einem bestimmten Baumarkt in der Regel am Montag, Freitag und Samstag eingesetzt. Die geleistete Stundenanzahl wurde dabei täglich im Baumarkt erfasst. Am Anfang eines jeden Monats wurden die Aufträge auf die Mitarbeiter der Klägerin verteilt. Einen großen Gestaltungsspielraum hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort kann die Kammer dabei nicht erkennen. Zwar konnte der Beigeladene zu 1) darüber entscheiden, ob er eine von der Klägerin angebotene Tätigkeit übernehmen wollte oder nicht. Nach Bereiterklärung war er jedoch dem Weisungsrecht der Klägerin unterworfen, die Ort, Zeit und Dauer des Arbeitseinsatzes bestimmte. Auch ein „unständig Beschäftigter“, der auf der Grundlage einzelner Arbeitsverträge tätig wird, ist jedoch für die Zeiten dieser (befristeten) Beschäftigung, in dem er dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, Arbeitnehmer (Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 20.10.2005 - L 8/14 KR 334/04 - juris; vgl. dazu auch BSG, SozR 4100, § 13 Nr. 6).

    Eine weitgehende Weisungsfreiheit ist bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nach Auffassung der Kammer nicht vorstellbar. Waren zu präsentieren und zu verkaufen sind persönlich undifferenzierte Arbeiten, die einen eigenen Gestaltungsspielraum nicht wirklich zulassen. Auch im Pflichtenheft von B. wurden allgemeine Verhaltensregeln für Shop-Verkäufer aufgestellt und deren Aufgaben konkretisiert. Beispielsweise wurde der Verkäufer darin zum Tragen der B-Kleidung, zum Eintrag ins Lieferantenbuch bei Ankunft und Verlassen des Marktes, zur Pflege der Aktionsflächen, zur Aktualisierung von Werbe und Verkaufsförderungsmaterial und zur Meldung von fehlender und beschädigter Ware verpflichtet. Auch wenn diese Vorgaben nach Aussage des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung nicht so gelebt wurden, so machen sie doch deutlich, dass ein großer eigener Gestaltungsspielraum des Beigeladenen zu 1) nicht bestanden haben kann, auch wenn die Einhaltung der genannten Vorgaben nicht streng überwacht wurde.

    Der Beigeladenen zu 1) hatte auch kein unternehmerisches Risiko als Kennzeichen einer selbständigen Tätigkeit. Außer der teilweise selbst gestellten Kommunikationsmittel wie Telefon oder Computer hat er keinerlei Betriebsmittel einsetzen und kein eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes investieren müssen. Er hat, wie es für Arbeitnehmer typisch ist, allein seine Arbeitskraft und Berufserfahrung eingesetzt und dafür jedenfalls die Tagespauschale in Höhe von 100,- € erhalten. Da er somit für eine konkrete Arbeitsleistung eine bestimmte Vergütung erwarten konnte und der Erfolg der eingesetzten Arbeitszeit damit nicht ungewiss war, trug er kein Vergütungsrisiko. Mit einem unternehmerischen Risiko hat es auch nichts zu tun, dass der Beigeladenen zu 1) das Entgelt nur dann erhielt, wenn er mit der Klägerin einen Arbeitseinsatz vereinbart hatte; denn es ist das Risiko eines jeden unständig Beschäftigten, nach Ablauf des vereinbarten Arbeitseinsatzes wieder ohne Arbeit zu sein. Dass der Beigeladene zu 1) das Risiko trug, im Fall von Krankheit oder sonstigen Hinderungsgründen kein Entgelt zu erhalten, spricht ebenfalls nicht für Selbständigkeit. Die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft spricht nur dann für Selbständigkeit, wenn ihr eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht. Dagegen vermag die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als Arbeitnehmer anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken keine Selbständigkeit zu begründen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 20.10.2005 - L 8/14 KR 334/04; so auch BSG, SozR 2200, § 1227 Nr. 17 S. 37; BSG, USK 79, 129; BSGE 51, 164, 170 = SozR 2400, § 2 Nr. 16 S. 23; vgl. auch BSG, SozR 2400, § 2 Nr. 19 S. 30). Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich der Beigeladene zu 1) bei einem eigenen Ausfall wegen Krankheit oder anderer Umstände weder um eine Ersatzkraft bemühen noch die Kosten für eine Ersatzkraft tragen musste.

    Ausschlaggebend ist vorliegend auch nicht, dass der Beigeladene zu 1) für seine Tätigkeit Umsatzsteuer abgeführt hat. Es entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass das Abführen und Erheben von Umsatzsteuer kein maßgebliches Indiz ist, um eine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder selbstständige Betätigung zu erachten (vgl. BSG, Urteil v. 04.06.1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSG, Urteil v. 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 1, Rn. 22; BSG, Urteil v. 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - juris). In dieser tatsächlichen Handhabung zeigt sich lediglich der Wille der Vertragspartner, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als eine selbständige zu behandeln. Dieser Wille allein macht aus einem tatsächlich bestehenden Beschäftigungsverhältnis aber keine selbstständige Tätigkeit. Subjektive Fremd- und Selbsteinschätzungen sind untaugliche Hinweise zur Qualifizierung einer Dienstleistung als abhängige Beschäftigung oder unternehmerische Tätigkeit; eine Beschäftigung ist anzunehmen, wenn das Gesamtbild der jeweiligen Dienstleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, ggf. der maßgeblichen Fachkreise, auf eine persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers gegenüber seinem Dienstgeber schließen lässt (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil v. 17.05.2011 - L 5 R 368/09 BSG, Urteil v. 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - juris).

    Ebenfalls gegen eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) spricht, dass er für seine Tätigkeit als Shop-in-Shop-Verkäufer nach eigenem Vortrag kein Gewerbe angemeldet hat und mit seiner Tätigkeit auch nicht werbend am Markt aufgetreten ist. Zudem hatte er keinen Einfluss auf die Preisgestaltung und keine eigene Kalkulation.

    Dass mit dem Beigeladenen zu 1) keine schriftlichen Verträge geschlossen wurden und er keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bzw. keinen Urlaubsanspruch gegen die Klägerin hatte, lässt ebenfalls nicht den Schluss auf eine selbstständige Tätigkeit zu. Auch hierbei zeigt sich lediglich der Wille der Klägerin, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als selbstständige zu behandeln. Lohnfortzahlungs- und Urlaubsansprüche sind jedoch Rechte, die jedem Arbeitnehmer bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zustehen und nicht disponibel sind. Daher können sie auch nicht als Indizien für bzw. gegen eine abhängige Beschäftigung angeführt werden.

    Der Beigeladene zu 1) hatte zwar prinzipiell die Möglichkeit, eigene Arbeitnehmer zu beschäftigen und Aufträge durch diese ausführen zu lassen. Von dieser Möglichkeit haben einzelne Mitarbeiter der Klägerin auch tatsächlich Gebrauch gemacht. Mit der damit einhergehende Übernahme von Arbeitgeberpflichten liegt grundsätzlich ein Anhaltspunkt für eine selbständige Tätigkeit vor. Mit der Einstellung von Personal sind unabhängig von der Auftragslage, laufende Ausgaben und wirtschaftliche Verpflichtungen verbunden, die das Risiko in sich bergen, Kapital mit dem Risiko eines Verlusts einzusetzen, letztendlich also auch ein Unternehmerrisiko darstellen. Davon zu unterscheiden ist die bloß formalvertragliche Berechtigung, Arbeiten auch durch andere durchführen zu lassen, wenn von dieser tatsächlich nie Gebrauch gemacht wird und die persönliche Leistungserbringung die Regel ist. Derartige Formalberechtigungen können, wenn sie tatsächlich nicht zum Tragen kommen, nicht als Indiz für eine selbständige Tätigkeit, sondern allenfalls als Ausdruck des Wunschs, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegen soll, gewertet werden (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7 Absatz 1 SGB IV Rn. 117). Auch wenn vereinzelte Mitarbeiter der Klägerin tatsächlich von der Möglichkeit, eigene Arbeitnehmer zu beschäftigen, Gebrauch gemacht haben, war dennoch die persönliche Leistungserbringung bei dem Großteil der Mitarbeiter der Klägerin und insbesondere beim Beigeladenen zu 1) die Regel.

    Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Shop-in-Shop-Verkäufer war diese somit als abhängige Beschäftigung einzustufen. Die Klage war daher abzuweisen.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

    Rechtsmittelbelehrung:
    Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
    Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
    Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Stuttgart, Theodor-Heuss-Str. 2, 70174 Stuttgart, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
    Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
    Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

    Karrierechancen

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