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  • · Fachbeitrag · Auswärtstätigkeit

    Dienstreisen: Reisezeit oder Arbeitszeit?

    von RA Dirk Helge Laskawy, FA Arbeitsrecht, Aderhold Rechtsanwalts-gesellschaft mbH, Leipzig/München

    | Dienstreisen sind immer mehr Bestandteil der „normalen“ Tätigkeitsanforderungen. Umso wichtiger werden die Fragen, ob der Arbeitgeber Dienstreisen einseitig anordnen kann, wie Reisezeiten arbeitszeitrechtlich einzuordnen sind und ob die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehenden Reisezeiten vergütet werden müssen. Nachfolgend werden die arbeitszeitrechtlichen und vergütungsrechtlichen Aspekte von Reisezeiten erläutert. |

    Muss ein Arbeitnehmer Dienstreisen unternehmen?

    Nicht jeder Arbeitnehmer ist zu Dienstreisen bereit. Eine Verpflichtung, Dienstreisen zu unternehmen, besteht unproblematisch nur bei einer ausdrücklichen Regelung im Arbeitsvertrag. Daneben kann der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungs- und Direktionsrechts eine Dienstreise anordnen, wenn diese im Zusammenhang mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers steht. Diese Anordnung ist jedoch unzulässig, wenn hierdurch die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers einseitig geändert wird.

    Gesetzliche Regelung zur Arbeitszeit?

    Die gesetzliche Grundlage zur Regelung der Arbeitszeit ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Danach darf die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten. Ausnahmsweise kann sie auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren (§§ 3, 5 ArbZG).

     

    • Beispiel

    Ein in Leipzig tätiger Arbeitnehmer soll an einer ganztägigen Besprechung am Münchner Standort teilnehmen. Insgesamt ist er von 7 Uhr bis 21 Uhr unterwegs. Die höchstzulässige Arbeitszeit von 10 Stunden pro Werktag würde überschritten, sofern die Reisezeiten als Arbeitszeit zu werten sind.

     

    Arbeitszeit ist definiert als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Pausen (§ 2 Abs. 1 ArbZG). Bei der zulässigen Höchstarbeitszeit brauchen Fahrzeiten daher prinzipiell nicht berücksichtigt werden. Bei Dienstreisen ist zwischen Wege- bzw. Reisezeit und Arbeitszeit zu differenzieren. Wegezeiten sind während der Arbeitszeit, innerhalb oder außerhalb des Betriebsgeländes aus betrieblichem Anlass unternommene Wege innerhalb der Gemeindegrenzen des Betriebsorts. Reisezeiten sind auf Anordnung des Arbeitgebers unternommene Reisen außerhalb der Gemeindegrenzen des Betriebsorts.

    Stellen Wegezeiten Arbeitszeit dar?

    Die Fahrtzeit von der Wohnung zum regelmäßigen Arbeitsplatz ist keine Wegezeit. In dieser Zeit steht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung. Folgende Wegezeiten gelten hingegen als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG und sind bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit zu berücksichtigen:

     

    • Wegezeit von der Wohnung zu einer außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstelle für die Zeit, die über die Wegezeit Wohnung-Betrieb hinausgeht.
    • Betriebsbedingte Wegezeiten vom Betrieb zu außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstellen (beispielsweise vom Betrieb zur Baustelle oder vom Betrieb zum Kunden sowie von Kunde zu Kunde).

    Wann sind Reisezeiten als Arbeitszeit einzuordnen?

    Reisezeiten stellen Arbeitszeit dar, wenn das Reisen

    • zur Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers gehört (wie bei einem Lkw-bzw. Taxifahrer oder einem Reiseleiter) oder
    • Voraussetzung für die Erbringung der Hauptleistungspflicht ist (beispielsweise bei einem Handelsvertreter oder Pharmareferenten).

     

    Nach der Beanspruchungstheorie ist Reisezeit Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer während der Reise in einem Umfang beansprucht wird, der eine Einordnung als Arbeitszeit erfordert. Davon ist in folgenden Fällen auszugehen:

     

    • Der Arbeitnehmer muss während der Dienstreise seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht erfüllen (zum Beispiel Vorbereitung einer Präsentation, Führen von Telefonaten, Verfassen von E-Mails etc.). Steht es dem Arbeitnehmer frei, wie er diese Zeit nutzt (ausruhen, arbeiten), handelt es sich um Ruhezeit im Sinne des ArbZG (BAG, Urteil vom 11.7.2006, Az. 9 AZR 519/05).
    • Das Steuern eines Pkw beinhaltet bei den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht unerhebliche physische und psychische Belastungen für den Arbeitnehmer und ist daher als Arbeitszeit zu qualifizieren.

     

    Wichtig | Liegt Arbeitszeit vor, muss der Arbeitgeber bei Überschreiten der höchstzulässigen Arbeitszeit einen zusätzlichen Freizeitausgleich gewähren.

    Muss der Arbeitgeber Reisezeiten vergüten?

    Die Frage nach der Vergütung von Reisezeiten richtet sich unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung nach den Regelungen im Arbeitsvertrag. Ähnlich wie oben muss in folgenden Fällen eine Vergütung erfolgen:

     

    • Die Reisetätigkeit stellt die arbeitsvertraglich geschuldete Hauptleistung des Arbeitnehmers dar.
    • Die Reisetätigkeit ist keine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht, jedoch zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der Tätigkeit.
    • Falls eine vertragliche Regelung fehlt, gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (§ 612 Abs. 1 BGB).
    •  

    Wichtig | Der Arbeitnehmer kann die vollständige Vergütung von Reisezeiten nicht in jedem Fall erwarten. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls (BAG, Urteil vom 3.9.1997, Az. 5 AZR 428/96). Bei Arbeitnehmern in leitender oder sonstiger gehobenen Position kann eine Vergütungspflicht ausscheiden. Das gilt insbesondere, wenn das Gehalt deutlich oberhalb der durchschnittlichen Bezahlung der übrigen Beschäftigten liegt. Ebenso scheidet eine Vergütungspflicht aus, wenn abweichende Regelungen getroffen wurden.

     

    PRAXISHINWEIS | Zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Vergütung von Reisezeiten ist es sinnvoll, rechtzeitig verbindliche Vereinbarungen im Arbeitsvertrag zu treffen. Arbeitgeber können folgenden Formulierungsvorschlag nutzen:

    Musterformulierung / Vereinbarung zu Dienstreisen

    Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass der Arbeitnehmer zu Dienstreisen verpflichtet ist. Die notwendige Reisezeit wird, soweit sie die Dauer der individuellen täglichen Arbeitszeit überschreitet, an Arbeitstagen bis zu ... Stunden und an arbeitsfreien Tagen bis zu ... Stunden täglich wie Arbeitszeit vergütet.

     

    Checkliste / Vergütung von Reisezeiten

    • Reisetätigkeit ist laut Arbeitsvertrag die geschuldete Hauptleistungspflicht?
      • Ja: Zwingende Vergütungspflicht des Arbeitgebers.
      • Nein: Ist die Reisetätigkeit notwendig, um die vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erbringen, dann zwingende Vergütungspflicht.

     

    • Reisetätigkeit ist Nebenpflicht bzw. wird vom Arbeitgeber konkret angeordnet?
      • Ja: Vergütung wie vertraglich vereinbart.
      • Nein: Entscheidend ist, ob die Reisetätigkeit den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten war (§ 612 Abs. 1 BGB).
     

    Checkliste / Reiserichtlinie

    • Allgemeine Angaben
      • Geltungsbereich (Beginn; persönlicher, sachlicher Anwendungsbereich)
      • Benennung der buchenden Sekretariate oder Reisebüros
    • Spezielle Regelungen
      • Genehmigungspflicht der Reisen beim Vorgesetzten (ab bestimmtem Betrag)
      • Zahlung eines Reisekostenvorschusses
      • Nachträgliche Erstattung von Reisekosten (am besten Festlegung von Zahlungsmodalitäten während der Reise: bar/Unternehmenskreditkarte; Frist zum Vorlegen der Abrechnung sowie von Rechnungen/Quittungen)
      • Rückzahlung nicht genutzter Reisemittel
      • Versicherung (ggf. Notfallkarte des Unternehmens)
    • Hotel- sowie Fahr- und Flugbuchung
      • Buchungsart (Reisebüro, Internetportal, Preisgrenzen)
      • Stornierung (zum Beispiel unverzüglich; Kostentragung bei Verspätung)
      • Regelung zu Schadensfällen
      • zulässige Reisearten (Bahn, Miet-, Dienst-, Privatwagen, Flug)
      • Preisobergrenzen; Ausnahmen (Prinzip der Wirtschaftlichkeit)
      • Verpflegungskosten
    • Sonstige Regelungen (Parkgebühren, Park & Ride, Trinkgelder)
     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 34 | ID 42447393

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