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  • · Fachbeitrag · Arbeitsentgelt

    Arbeitgeber muss nicht alle Überstunden zahlen

    von Fachanwalt für Arbeitsrecht Rainer Hoffmann, St. Ingbert

    | Arbeitgeber kennen das Problem: Arbeitnehmer verlangen für angeblich geleistete Überstunden eine Extravergütung. Vor allem nach einer Kündigung gibt es darüber häufig Streit. Gut, dass das BAG klare Regeln für die Vergütung von Überstunden aufgestellt hat. Lesen Sie nachfolgend, wann Arbeitgeber Überstunden zahlen müssen und wann nicht. |

    Pflicht zur Abgeltung von Überstunden

    Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach jede Mehrarbeit oder dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es nicht. Ohne eine eindeutige und wirksame Vergütungsregelung muss der Arbeitgeber geleistete Überstunden zusätzlich vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (§ 612 Abs. 1 BGB). Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht (BAG, Urteil vom 22.2.2012, Az. 5 AZR 765/10; Abruf-Nr. 120650). Allerdings kann sich eine Vergütungspflicht für Überstunden auch aus dem Arbeits- oder einem Tarifvertrag ergeben.

     

    Wichtig | In Arbeitsverträgen findet sich oft eine Abgeltungsklausel mit etwa folgendem Wortlaut: „Durch die Bruttovergütung ist eine etwaige Über- oder Mehrarbeit abgegolten“. Diese Klausel bringt dem Arbeitgeber nichts, wenn sich nicht klar ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem Umfang von der Klausel erfasst werden sollen (BAG, Urteil vom 17.8.2011, Az. 5 AZR 406/10; Abruf-Nr. 114254). Arbeitgeber müssen hier sorgfältig formulieren.

    Zwei grundsätzliche Voraussetzungen

    Erst in einem aktuellen Urteil hat das BAG klare Regeln für die Vergütung von Überstunden aufgestellt (BAG, Urteil vom 10.4.2013, Az. 5 AZR 122/12; Abruf-Nr. 133957). Macht der Arbeitnehmer Überstunden geltend, muss er darlegen

    • dass er tatsächlich Überstunden geleistet hat und
    • dass diese vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet waren oder
    • dass sie zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.

     

    Wichtig | Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Arbeitnehmer (so auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.11.2013, Az. 5 Sa 222/13; Abruf-Nr. 141010).

     

    1. Stufe: Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer

    Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt zunächst voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeit in einem zeitlichen Umfang erbracht hat, der die normale Arbeitszeit übersteigt. Dazu muss er konkret vortragen,

    • von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht,
    • welche genauen Zeiten er über die Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet hat (Arbeitstage, genau Arbeitszeiten und Pausenzeiten) und
    • welche konkrete Tätigkeit er ausgeführt hat (auch Bereitschaftsdienst).

     

    2. Stufe: Anordnung, Billigung oder Duldung durch den Arbeitgeber

    Zusätzlich muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nachweisen, dass er die Überstunden angeordnet, billigt oder geduldet hat:

     

    • Dazu muss der Arbeitnehmer im Einzelnen vortragen, wer wann auf welche Weise wieviele Überstunden angeordnet hat. Ohne ausdrücklich Anordnung muss er eine konkludente Anordung nachweisen. Dazu muss er darlegen,
      • dass er eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der normalen Arbeitszeit nicht zu leisten vermochte oder
      • dass ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben worden war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte (zum Beispiel Lkw-Tour, BAG, Urteil vom 16.5.2012, Az. 5 AZR 347/11; Abruf-Nr. 122375).

     

    • Fehlt eine vorherige Anordnung, muss der Arbeitnehmer eine ausdrückliche oder konkludente nachträgliche Billigung der bereits geleisteten Überstunden durch den Arbeitgeber darlegen. Dieser muss zu erkennen geben, mit der erfolgten Leistung der Überstunden einverstanden zu sein.

     

    • Wichtig | Eine Billigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber oder ein Vorgesetzter eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet. Die bloße widerspruchslose Entgegennahme der vom Arbeitnehmer gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen reicht allerdings nicht aus. Vielmehr muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben hat, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden gewesen zu sein.

     

    • Kann der Arbeitnehmer weder eine Anordnung noch Billigung nachweisen, muss er darlegen, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese duldet. Davon ist auszugehen, wenn er keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden in Zukunft zu unterbinden.

     

    • Wichtig | Der Arbeitnehmer muss darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Will der Arbeitgeber weitere Überstunden nicht dulden, muss er seine Maßnahmen zu deren Unterbindung nachweisen.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Arbeitgeber ist auf der sicheren Seite, wenn er arbeitsvertraglich eine Ausschlussfrist von drei Monaten für Arbeitnehmeransprüche vereinbart. Die Frist beginnt mit der jeweiligen Monatslohnabrechnung zu laufen. Innerhalb der Ausschlussfrist muss der Arbeitnehmer seine Überstunden dem Grunde und der Höhe nach konkret darlegen. Ein Antrag auf allgemeinen Überstundenausgleich genügt nicht.

     

    Weiterführende Hinweise:

    • Beitrag „Die ‚Top 10‘ rund um das Thema Überstunden und Überstundenvergütung“, LGP 3/2012, Seite 51 
    • Beitrag „So formulieren Arbeitgeber Ausschlussfristen rechtssicher“, LGP 4/2006, Seite 72
    • Musterformulierung „Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen“ unter Downloads → Musterverträge/Musterschreiben → Arbeitsrecht
    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 71 | ID 42595873

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