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  • · Fachbeitrag · Bundesfinanzministerium

    Weihnachtsüberraschung: Neuer USt-Vordruck fordert „Uneinbringlichkeitseintragungen“

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Gewöhnlich veröffentlicht das BMF Anfang Oktober die USt-Voranmeldungs- und Jahreserklärungsformulare für das Folgejahr. Doch dieses Mal war alles anders: Nicht nur, dass die neuen Vordrucke für 2021 erst am 22.12.20 publiziert wurden und sich deren Aufbau stark verändert hat. Sie enthalten zudem grundlegend neue Deklarationspflichten, die für viele Unternehmen Systemumstellungen und Schulungen für die Buchhaltung zur „Uneinbringlichkeitsproblematik“ nach sich ziehen werden ‒ und das mit nur neun Tagen Vorlauf vor dem Jahreswechsel. |

    1. Zum Hintergrund

    Der neue Vordruck zur USt-Voranmeldung (VA) 2021 rückt die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze (inkl. bezogener Eingangsleistungen nach § 13b UStG) in den Vordergrund und berücksichtigt zudem die Änderungen des JStG 2020 ‒ z. B. zu § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG (Zeile 42) oder zu den ab 1.7.21 durch EU-Vorgaben novellierten „Versandhandelsumsätzen“ (Zeile 52). Die entscheidende Änderung betrifft jedoch die Ergänzung der Kz. 50 bzw. 37 (Zeilen 71 ‒ 74) auf der Rückseite ‒ mit den erstmals einzutragenden „Uneinbringlichkeitsvolumina“. Dort hat der Unternehmer ab Januar 2021 die wegen Uneinbringlichkeit erforderlichen Umsatzkorrekturen (Nettoumsatz!) bzw. die spiegelbildlichen Vorsteuerkorrekturen auf Leistungsempfängerseite (dort: die Vorsteuerbeträge selbst!) einzutragen.

     

    MERKE | Korrekturen dieser Art konnten die FÄ bislang nur durch detaillierte Analysen im Zuge von Außenprüfungen identifizieren, da diese Zahlen bislang nur als Negativbeträge im Gesamtsaldo der in der USt-VA erklärten Umsatz- und Vorsteuerbeträge untergingen. Diese fehlende Identifizierbarkeit führte mitunter dazu, dass das FA des Leistenden dessen USt-Minderung unerkannt abhakte, aber das FA des Leistungsempfängers mit seiner Einforderung der spiegelbildlichen Vorsteuerkorrektur oft „zu spät kam“ und daher ausfiel (vgl. z. B. BFH 8.3.12, V R 49/10). Mit den neuen/zusätzlichen Erklärungspflichten soll mutmaßlich die spiegelbildlich-synchrone Korrektur und deren Überwachung durch den Fiskus künftig besser gewährleistet werden.

     

     

    Auch wenn § 17 UStG eine Palette unterschiedlichster Korrekturtatbestände enthält: Einzutragen sind in den neuen Kz. 50 u. 27 ausschließlich „Uneinbringlichkeitsvorgänge“ i. S. v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Dazu bedarf es zweierlei:

     

    • a) Differenzierte Verbuchung: Um durch die Verbuchung die neuen Kennziffern zutreffend befüllen zu können, müssen seit Januar die „Uneinbringlichkeits-Sachverhalte“ des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG von übrigen Vorgängen des § 17 UStG buchhalterisch separiert werden. Dies erfordert nicht zu unterschätzenden Anpassungsbedarf in der Verbuchungspraxis bzw. beim Kontenrahmen und den Steuererklärungsprozessen ‒ was IT-seitig noch Vorlaufzeit benötigen dürfte.

     

    • b) Vertiefte Rechtskenntnisse zu § 17 UStG: Um die neuen Deklarationspflichten zutreffend zu erfüllen, sind jedoch vor allem fundierte Kenntnisse auf Buchhaltungsebene zu § 17 UStG erforderlich. Nur so kann die treffsichere Identifizierung solcher Uneinbringlichkeitsfälle des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gelingen. Dieser zusätzliche Informations- und Schulungsbedarf dürfte die Mandanten kurzfristig vor schier unlösbare Probleme stellen.

    2. Die große Palette der „Uneinbringlichkeitsfälle“

    § 17 UStG kennt eine Vielfalt unterschiedlichster Gründe für Korrekturen der Bemessungsgrundlage, von denen die „Uneinbringlichkeit“ nur eine ist. Aber selbst zu dieser Problematik haben die Gerichte eine Palette unterschiedlichster Fallkonstellationen identifiziert, von denen die wichtigsten nachfolgend skizziert werden:

     

    • Hintergrund

    Der als gesetzlicher Ausnahmefall „nach vereinnahmten Entgelten“ (§ 20 UStG) versteuernde Unternehmer führt die in seiner Vergütung enthaltene USt erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung ab, während alle übrigen Unternehmer die USt bereits bei Umsatzausführung abzuführen und damit vorzufinanzieren haben. Als Korrektiv sieht § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG eine Wiederherabsetzung der bereits abgeführten USt in jenem Zeitpunkt vor, in dem sich die noch offene Vergütungs-(Rest)-Forderung als „uneinbringlich“ erweist. Eine Definition zum „Uneinbringlichkeitsbegriff“ fehlt im Gesetz, sodass der Rechtsanwender auf die Rechtsprechung angewiesen bleibt: Von Uneinbringlichkeit ist demnach auszugehen, soweit „der Leistende seinen Vergütungsanspruch bei objektiver Betrachtung auf absehbare Zeit ganz oder teilweise rechtlich oder tatsächlich nicht wird durchsetzen können“. Abzustellen ist auf die objektive Nichtdurchsetzbarkeit.

     

    2.1 Zahlungsunfähigkeit/Insolvenz des Schuldners

    Der eindeutigste Grundfall einer Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn vor Begleichung der Forderung über das Vermögen des Leistungsempfängers das Insolvenzverfahren eröffnet wird: In diesem Zeitpunkt tritt „spätestens“ ‒ wie BFH und BMF betonen ‒ Uneinbringlichkeit ein, was dann auch für Forderungen aus Belieferungen unter Eigentumsvorbehalt gilt (BFH 13.11.86, V R 59/79).

     

    Beachten Sie | Die Insolvenzeröffnung führt stets zur „Vollkorrektur“ der betroffenen Umsatzsteuer, also unabhängig davon, ob und in welcher Höhe mit einer Insolvenzquote zu rechnen ist, da die Insolvenzeröffnung „insolvenzrechtlich“ die Beitreibbarkeit der Forderung stoppt (BFH V R 59/79, Rz. 16). Denn bei Auskehrungen der späteren Insolvenzquote sieht § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG eine erneute Gegenkorrektur vor (BFH V R 14/08, Rz. 41).

     

    PRAXISTIPP | Uneinbringlichkeit wird aber auch bereits vor Insolvenzeröffnung (s. o. „spätestens“) bejaht, sobald zuvor bereits der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gegeben war (FG Sachsen 10.1.13, 6 K 1332/10; nach eidesstattlicher Versicherung: FG Nürnberg 11.11.03, II 132/2002). Dass die Forderung eines Gesellschafters „eigenkapitalersetzenden Charakter“ erlangt (FG Thüringen 1.12.09, 3 K 921/07) oder eine Forderung aus Lieferung oder Leistung in ein Darlehen umgewandelt wird, genügt jedoch noch nicht (FG Köln 14.11.13, 15 K 2659/10).

     

    2.2 Schlichte Nichtzahlung?

    Bleibt die Bezahlung für den erbrachten Umsatz aus, so ist umstritten, ob bereits die „längere Nichtbegleichung“ ‒ z. B. nach reaktionslos gebliebenen Mahnungen ‒ zur „Uneinbringlichkeit“ führt:

     

    Auf dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip beruhende ertragsteuerliche Forderungsberichtigungen berechtigen nicht automatisch auch zur USt-Folgeberichtigung, soweit es angesichts bislang fehlender Beitreibungsversuche noch an der „objektiven Nichtdurchsetzbarkeit“ mangelt (BFH 16.7.81, IV R 89/80; FG Baden-Württemberg 5.6.97, 6 K 171/95). Das FG Sachsen hat für die Dokumentation der „Nichtbeitreibbarkeit“ zumindest entsprechende (juristische) Beitreibungsversuche gefordert (17.3.04, 2 K 2580/03; keine „Uneinbringlichkeit“ vor „Klageerhebung“: FG Thüringen 1.12.09, 3 K 921/07; vgl. auch FG Nürnberg 3.6.14, 2 K 1058/13). Diese strenge Sicht ist wegen des o. a. Vorfinanzierungseffekts m. E. unsachgerecht. Denn daraus würde folgen, dass der Unternehmer ‒ nur für USt-Zwecke ‒ „dem verlorenen schlechten Geld noch gutes (zur dokumentierten Rechtsverfolgung) hinterherwerfen“ müsste.

     

    In diesem Sinne geht das FG Berlin-Brandenburg (11.9.17, 7 V 7209/17) von einem „abgeschwächten Nachweiserfordernis“ insbesondere bei Kleinforderungen aus: Auch ohne dokumentierte Beitreibungsversuche soll das Überschreiten des Zahlungsziels um das Zwei- bis Dreifache, mindestens aber um mehr als sechs Monate für die Uneinbringlichkeit genügen. Uneinbringlichkeit liegt jedoch spätestens bei zivilrechtlicher Verjährung vor. Entsprechendes muss m. E. gelten, wenn sonstige Umstände (Schuldner ist verstorben/unbekannt verzogen) die Unmöglichkeit dokumentieren.

     

    2.3 Substanziierte Einwendungen des Schuldners

    Von „Nichtdurchsetzbarkeit auf absehbare Zeit“ geht der BFH zudem dann aus, wenn der Schuldner den Anspruch bzw. die Höhe des Entgelts ‒ z. B. unter Verweis auf Mängel an der Leistung ‒ substanziiert bestreitet (dafür bedarf es weder Fachgutachten noch anwaltlicher Schriftsätze) und damit verdeutlicht, dass er die (Rest-)Forderung nicht begleichen wird (BFH V R 49/10, Rn. 22 u. V R 72/03, Rn. 22). Damit kann eine Uneinbringlichkeit für den bestrittenen Anteil sogar „von Beginn an“, also bereits am Tag der Leistungserbringung vorliegen, sodass spätere Einigungen/Teilzahlungen im weiteren Verlauf erneute Korrekturen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG auslösen (BFH XI B 10/14, Rn. 20).

     

    Beachten Sie | M. E. müssten solche nachträglichen „Wiederanhebungen“ des Entgelts mit Negativ-Vorzeichen in Kz. 50 bzw. 37 einzutragen sein; die Vordruckerläuterungen verweisen dagegen nur auf § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 UStG. Sachverhalte des o. a. „substanziierten Bestreitensz“ sind häufig in ihrer Konstellation und Ablaufhistorie komplex und bedürfen daher der sorgfältigen Beurteilung:

     

    • Beispiel 1 (Sachverhalt ähnlich dem o. a. BFH-Fall V R 49/10)

    Die Immobiliengesellschaft V hatte Generalunternehmer G mit der Errichtung eines Warenhauses zur späteren USt-pflichtigen Verpachtung beauftragt. Nach Fertigstellung fakturierte G in 11/81 eine Gesamtsumme von 40 Mio. EUR zzgl. USt und forderte nach Abzug der bereits geleisteten Zahlung einen Restbetrag von 5 Mio. EUR. Auf diesen Schlussbetrag leistete die V Anfang des Jahres 1982 nur 2 Mio. EUR und verweigerte für den Rest unter Verweis auf eine dezidierte Mängelliste bis zu deren Beseitigung weitere Zahlungen. Dies führte zu einem Rechtsstreit mit wechselseitiger Klageerhebung auf Mängelbeseitigung, Zahlung bzw. Vertragsstrafen über mehrere Instanzen, der erst im Jahr 2001 in einen Vergleich mündete: Danach hatte die G nur noch einen Mangel zu beseitigen und damit sollten alle wechselseitigen Ansprüche abgegolten sein. Das FA forderte daraufhin die von V abgezogene Vorsteuer aus dem nun hinfälligen Restbetrag über 3 Mio. für das Jahr 2001 zurück, da erst in diesem Jahr die finale Werklohnsumme festgestanden habe.

     

    Der BFH verwehrte dem FA ‒ trotz der entsprechend vollzogenen USt-Minderung bei G ‒ die Vorsteuerrückforderung in 2001, da „Uneinbringlichkeit“ bereits mit „substanziiertem Bestreiten“ bei Restzahlungsverweigerung Anfang 1982 ‒ aber „spätestens mit Klageerhebung in 1983“ ‒ vorgelegen habe. Diese „Spätestens“-Aussage des BFH verdeutlich die Schwierigkeit, in solchen Fällen den konkret maßgeblichen Zeitpunkt zu fixieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn wechselseitiger Schriftverkehr zu fortgesetzten Zahlungsproblemen, Ratenzahlungsvereinbarungen mit erneutem Zahlungsverzug oder einem letztlich dann doch noch verlängerten Zahlungsziel führt oder wenn nur sporadische Teilzahlungen erfolgen (illustrierend z. B. in: FG Berlin-Brandenburg 11.9.17, 7 V 7209/17).

     

    2.4 Aufrechnungsproblematik/Forderungsverzicht

    Eine Abwandlung zu den Fällen des „substanziierten Bestreitens“ betrifft Vorgänge, bei denen der Leistungsempfänger zwar nicht die Begründetheit der Leistungsforderung selbst rügt, aber bei deren Begleichung mit (vermeintlichen) Gegenforderungen aufrechnet, deren Existenz wiederum der Leistende bestreitet (vgl. BFH V R 13/04, Rn. 13 u. XI R 19/16, Rn. 24 ff). Zudem:

     

    Der spätere Verzicht des Leistenden auf die Begleichung der (Rest-)Forderung führt gleichfalls zur nachträglichen Korrektur der Bemessungsgrundlage i. S. v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ‒ und zwar auch dann, wenn ein solcher Verzicht durch den Gesellschafter-Geschäftsführer zulasten seiner leistenden Gesellschaft aus privaten Motiven erfolgte (BFH V R 37/98, Rn. 16) oder wenn „aus privaten Gründen“ auf weitere Beitreibungshandlungen verzichtet wird (BFH XI B 63/14, Rn. 11).

     

    2.5 Keine Minderung durch Forderungsabtretung unter Nominalwert

    Kann bei einer nicht beglichenen Forderung die „Uneinbringlichkeit“ für USt-Korrekturzwecke nicht nachgewiesen werden, so hilft die „Abtretung der Forderung unter Nominalwert“ dem Unternehmer auch nicht weiter:

     

    • Beispiel 2 (Abtretung einer Forderung mit fragwürdiger Werthaltigkeit)

    Unternehmer U hat aus Warenlieferungen eine Forderung von 100 EUR zzgl. 19 EUR USt gegen seinen vorsteuerabzugsberechtigten Abnehmer A. Nach erfolgloser erster Mahnung tritt U diese Forderung zum (Brutto-)Preis von 59,50 EUR an F ab und nimmt eine hälftige Einzelwertberichtigung und entsprechend hälftige USt-Korrektur vor.

     

    Nach der BFH-Rechtsprechung wird die Leistungsbeziehung zwischen U und A durch die Abtretung nicht berührt ‒ entscheidend (auch für das Vorsteuerabzugsrecht des A!) bleibt, was A letztlich auf diese Forderung an F zahlt. Nach Abschn. 17.1 Abs. 6 UStAE muss U folglich für eine „Uneinbringlichkeitskorrektur“ seiner USt nachweisen, welchen Bruttobetrag A letztendlich an F gezahlt hat. Da F in der Praxis jedoch regelmäßig seine Gewinnspanne ggü. U nicht offenlegen wird, hat U ein Problem. In seiner Entscheidung vom 6.5.10 (V R 15/09, Rn. 19) hat der BFH indes durch Verweis auf § 162 AO erkennen lassen, dass er diese tatsächlichen Zahlungseingänge auch für „schätzbar“ hält, worauf die OFD Frankfurt (Vfg. 8.2.11, UR 11, 522) mit entsprechendem Schätzungsverweis auch hinweist (Einigung bei Außenprüfungsfällen).

     

    Diese Irrelevanz von Forderungsabtretungen macht für die von der derzeit bundesweit thematisierten „AvP-Insolvenz“ betroffenen Apotheken deutlich, dass bei erfolgter Abtretung an AvP und der vollständigen Begleichung durch die GKV kein Raum für § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG bleibt. Dies dürfte sogar für jene Varianten gelten, in denen AvP nur als Inkassobevollmächtigter der Apotheke agierte ‒ denn dann dürfte sich die Apotheke wohl die schuldbefreiende Zahlung der GKV und deren vollständige Vereinnahmung durch den Inkassobevollmächtigten AvP als Entgeltsvereinnahmung zurechnen lassen müssen.

     

    2.6 Weitere „Uneinbringlichkeitsprobleme in Kurzform“

    • a) Minderung vs. Schadenersatz
    • Nur „leistungsbezogene Kürzungen“ (z. B. Ausführungsmängel) sind Entgeltsminderung, während Kürzungen wegen Mängelfolgekosten (z. B. entgangener Gewinn, Auftragsverlust) eine Aufrechnung mit gegenläufigen Schadenersatzforderungen darstellen können (vgl. z. B. BFH 16.1.03, V R 72/01; 17.12.09, V R 1/09).

     

    • b) „Uneinbringlichkeit auf Zeit“
    • Diese Konstellation betrifft Sachverhalte, bei denen der Leistungserbringer seine Vergütung vertraglich über mehrere Jahre verteilt „ratierlich“ erhält (z. B. beim sog. Bau-Sicherungseinbehalt, der als Restbetrag erst nach Ablauf der Gewährleistung eingefordert werden kann ‒ BFH V R 31/12 mit Anwendung durch BMF 3.8.15). Der BFH lässt aktuell durch den EuGH klären, ob dies auch bei ratierlichen Dienstleistungsvergütungen gelten könnte (BFH V R 16/19; EuGH C-324/20).

     

    • c) Nachträgliche Uneinbringlichkeit
    • Betrifft erfolgreiche Rückforderungen bei bereits vollständig beglichenen Forderungen ‒ z. B. bei Anfechtung durch den Insolvenzverwalter gem. § 129 ff. InsO (BFH V B 60/18).

     

    • d) Uneinbringlichkeit aus Rechtsgründen
    • In seiner Entscheidung V R 22/10 hatte der BFH geurteilt, bei dem in Insolvenz gehenden Unternehmer U dürfe dieser hinsichtlich seiner vom ihm vorinsolvenzlich erbrachten Ausgangsleistungen seine insofern noch ausstehende Vergütung mit Insolvenzeröffnung nicht mehr selbst vereinnahmen bzw. die zugehörige USt ans FA abführen, sodass U auf den Inso-Eröffnungsstichtag diesen Umsatz nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG als „uneinbringlich aus Rechtsgründen“ zu stornieren habe, während der diese Forderung später vereinnahmende Insolvenzverwalter die diesbezügliche USt „als Massekosten“ voll ans FA abzuführen habe. In diesen Sonderfällen erfolgt ausnahmsweise keine spiegelbildliche Vorsteuerkorrektur, da der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers von der Insolvenz nicht berührt war („einseitige Uneinbringlichkeit“).

     

    • e) Uneinbringlichkeit nach „Organschafts-Beendigung“
    • Ergibt sich nach Austritt einer Organgesellschaft (OG) aus dem bisherigen USt-Organschaftsverbund eine „Uneinbringlichkeitskorrektur“ bezüglich einer vor Organschaftsende begründeten Forderung oder Verbindlichkeit dieser OG, so war streitig, ob diese USt-Korrekturberechtigung bzw. Vorsteuerkorrekturpflicht wegen des Ursprungsbezugs noch den vormaligen Organträger (OT) oder die inzwischen aus der Organschaft ausgetretene OG betrifft. Der BFH misst den erst nach Organschaftsaustritt angesiedelten Korrekturtatbeständen i. S. v. § 17 UStG (trotz des Rückbezugs auf damalige Forderungen oder Verbindlichkeiten) keine Rückwirkung bei. Somit wäre nicht der OT, sondern die vormalige OG deklarations- und zahlungspflichtig/-berechtigt (vgl. BFH V R 2/05; OFD Frankfurt 12.7.17, S 7105 A - 21 - St 110).

     

    FAZIT | Akzeptiert das FA des Leistenden dessen USt-Korrektur wegen „Uneinbringlichkeit“, hat der Leistende kein Interesse an einem Bekanntwerden dieses Umstandes gegenüber seinem Kunden, da dieser dies als Signal für das „endgültige Abschreiben seiner Zahlungsverpflichtung“ werten würde. Diese Publizierung der „Uneinbringlichkeits-Einschätzung“ darf das FA jedoch ggü. dem Leistungsempfänger vornehmen (kein Verstoß gegen „Steuergeheimnis“: Abschn. 17.1. Abs. 5 S. 10 UStAE/vgl. auch jüngst EuGH C-672/17). Die daraus folgernde Betrags- und Zeit-Kongruenz der Uneinbringlichkeitskorrekturen auf beiden Seiten dürften die Finanzämter durch die neuen Kennziffern nun deutlich stärker sicherstellen können.

     

    Wichtig: Soweit Sie anfänglich bis zur internen Systemumstellung das zutreffende Ausfüllen der Kennziffern nicht gewährleisten können, sollten Sie dies zur „Exculpation“ (vgl. BFH V R 4/18 Rn. 34) durch einen Eintrag in Zeile 82/Kz. 23 mit erläuterndem Beiblatt offenlegen.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 89 | ID 47106353

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