08.01.2010
Finanzgericht Köln: Beschluss vom 04.07.2001 – 13 V 1430/01
Verzichtet ein Gesellschafter auf seine gegenüber der Kapitalgesellschaft bestehende Forderung, ist die Einlage bei der Kapitalgesellschaft auch dann entsprechend dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 9.6.1997 - GrS 1/94, StRK KStG 1977 § 8 Abs. 1 R. 58 mit dem Teilwert der Forderung zu bewerten, wenn der Darlehensforderung eigenkapitalersetzender Charakter zukommt.
Tatbestand
Die A GmbH (im folgenden Antragstellerin genannt) entwickelt Kabelsätze für Kfz-Verbindungs- und Elektroniksysteme und andere Automobilzulieferprodukte. Das Unternehmen gehörte im Streitjahr zur Unternehmensgruppe der B, C- Stadt, D-Land.
Gesellschafter der Antragstellerin waren bis zum 27.11.1996 die E GmbH in F-Stadt/Deutschland (E) mit 9.999.999,– DM der Geschäftsanteile und die G. in H-Stadt/D-LAND (Konzernmutter) mit 1.000,– DM der Geschäftsanteile.
Mit Vertrag vom 27.11.1996 erwarb die Firma I GmbH, J-Stadt, alle Geschäftsanteile im Nennbetrag von 10.000.0000,– DM für 7.654.000.– DM. Nachfolgend wurde zunächst die I GmbH und sodann die I GmbH & Co OHG Gesamtrechtsnachfolgerin der Antragstellerin.
Für die Veranlagungszeiträume 1992 bis 1994 fand eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin statt, bei der unter anderem festgestellt wurde, daß die in der Steuerbilanz 1994 ausgewiesene Einlage in Höhe von 18.000.000,– DM aus einem Forderungsverzicht der Muttergesellschaft (E) zum 31.5.1994 resultierte. Dieser Forderungsverzicht wurde bei der Antragstellerin für steuerliche Zwecke als Gesellschaftereinlage zum Nennwert behandelt und in das EK 04 eingestellt (Tz. 12 des Bp-Berichts vom 1.4.1999).
In den Wirtschaftsjahren 1990/1991 bis 1993/1994 war die Antragstellerin bilanziell überschuldet. Die Forderungen der E gegenüber der Antragstellerin resultieren aus Darlehen, die sie der Tochtergesellschaft in der fraglichen Zeit gewährt hatte:
Zeitpunkt | Betrag | |
DM | ||
Darlehensgewährung | 20.12.1991 | 11.582.411,25 |
Darlehensgewährung | 05.08.1992 | 6.000.000,00 |
Darlehensrückzahlung | 10.11.1992 | ./. 2.082.411.25 |
Darlehensgewährung | 10.12.1993 | 2.500.000,00 |
Darlehensstand | 30.05.1994 | 18.000.000,00. |
Die bilanzielle Überschuldung der Antragstellerin im gleichen Zeitraum stellt sich wie folgt dar: 30.11.1991 21.155.606 DM, 30.11.1992 11.741.362 DM, 30.11.1993 15.329.459 DM, 30.11.1994 2.730.571 DM.
Auf der Ebene der E als Muttergesellschaft wurden die Darlehensforderungen gegen die Antragstellerin 1994 in voller Höhe einkommensmindernd abgeschrieben.
Dem Forderungsverzicht in Höhe von 18.000.000 DM liegt ein Gesellschafterbeschluß vom 31.5.1994 zugrunde, der folgendes beinhaltet:
„Die Unterzeichnenden E GmbH und A, Inc. sind die alleinigen Gesellschafter der A (Deutschland) GmbH, Köln.
Unter Verzicht auf sämtliche Form- und Fristenvorschriften fassen wir folgenden Gesellschafterbeschluß:
Die E GmbH wird zugelassen, in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der A (Deutschland) GmbH zum Zwecke der bilanziellen Sanierung der A (Deutschland) GmbH zum 31. Mai 1994 eine gesellschaftsrechtliche Einlage in der Form eines verlorenen Gesellschafter-Zuschusses in Höhe von DM 18.000.000 … mit der Maßgabe zu erbringen, das dieser in der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung als außerordentlicher Ertrag vereinnahmt wird.
E GmbH verpflichtet sich hiermit entsprechend dem Vorstehenden.
In Erfüllung dieser Verpflichtung zur Erbringung dieser gesellschaftsrechtlichen Einlage verzichtet E GmbH zum 31. Mai 1994 auf einen entsprechenden Teilbetrag ihrer Darlehensforderung gegen die A (Deutschland) GmbH.
G. ist damit einverstanden, daß E GmbH die vorbezeichnete gesellschaftsrechtliche Einlage erbringt.”
Der Antragsgegner bewertete entsprechend der Beurteilung der Betriebsprüfung den Einlagewert des Forderungsverzichtes mit 0,– DM und erhöhte dementsprechend mit dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG für das Jahr 1994 vom 25.01.2000 den Steuerbilanzgewinn um 18.000.000,– DM und nahm entsprechende Folgeänderungen bei der mit Bescheid gleichen Datums ergangenen gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1994 vor. Dies erfolgte unter Bezugnahme auf den Beschluß des BFH vom 9.6.1997 GrS 1/94, BStBl II 1998, 307. Die Wertlosigkeit der Forderung wurde dabei maßgeblich mit der Abschreibung bei der Muttergesellschaft begründet.
Die hiergegen erhobenen Einsprüche wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, daß gemäß § 8 Abs. 1 KStG für die Einkommensermittlung bei Körperschaften die Regelungen in § 4 Abs. 1 EStG gälten, die für offene und verdeckte Einlagen Gültigkeit hätten. Eine verdeckte Einlage könne auch durch Forderungsverzicht bewirkt werden. Ein solcher Verzicht führe durch den Wegfall der zu passivierenden Verbindlichkeit bei der Kapitalgesellschaft zu einer Vermögensmehrung, die nach handelsrechtlichen Grundsätzen als Gewinn ausgewiesen werden könne. Steuerrechtlich erfolge ein Abzug der verdeckten Einlage bei der Ermittlung des Einkommens, wenn der Anteilseigner den Verzicht im Hinblick auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt habe. Entsprechend dem strengen Niederstwertprinzip sei die Forderung der E zutreffend auf 0,– DM abgeschrieben worden (§ 238 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB).
Hinsichtlich der Bewertung dieser Forderung habe kein steuerliches Wahlrecht bestanden. Vielmehr seien die bei der Bilanzaufstellung objektiv vorhandenen Umstände aus der Sicht des sorgfältigen Kaufmannes durch die Abschreibung auf 0,– DM richtig ausgewertet worden. Die Einlage bei der Antragstellerin sei im Zeitpunkt des Verzichtes mit dem Teilwert zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Werde der Schulderlaß in der Krise ausgesprochen, so betrage der Teilwert regelmäßig 0,– DM. Eine Indiz für den Teilwert in dieser Höhe folge auch aus der Bewertung bei der Darlehensgeberin.
Die Bestimmung des Wertes auf den 31.5.1994 könne nicht unter Berücksichtigung des anläßlich der Veräußerung der Geschäftsanteile auf den 30.11.1996 erstellten Wertgutachtens erfolgen, das ausgehend von einem Firmenwert in Höhe von 7.654.000 DM nach Abzug des Eigenkapitals in Höhe von 1.424.000 DM stille Reserven in Höhe von 6.230.000 DM ausweise. Denn der Engineering-Vertrag, der zur Verbesserung der Gewinnsituation geführt habe, sei erst nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden. Bei der Auffassung der Antragstellerin, daß die künftige Gewinnentwicklung bereits zum Zeitpunkt des Forderungsverzichtes absehbar gewesen sei, handele es sich um eine nicht durch Tatsachen belegte Spekulation, die nicht zur Wertfindung herangezogen werden könne.
Soweit die Antragstellerin die Werthaltigkeit des Forderungsverzichtes schließlich mit Rückgriffsrechten gegenüber der Konzernspitze begründe, sei ihr entgegenzuhalten, daß ein eindeutiger Verzicht ausgesprochen worden sei, der nicht mit Wirkung für die Vergangenheit rückgängig gemacht werden könne. Tz. 22 des BMF-Schreibens vom 17.11.1994 (BStBl I 1995, 25) beziehe sich im übrigen nur auf nichtanrechungsberechtigte Anteilseigner als Darlehensgeber. Die E sei demgegenüber im Inland ansässig.
Die Folgeänderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1994 beruhe auf § 35 b Abs. 2 Satz 2 Gewerbesteuergesetz.
Mit Bescheid vom 28.2.2001 lehnte der Antragsgegner auch die Aussetzung der Vollziehung der streitbefangenen Bescheide ab. Die Antragstellerin begehrt nunmehr die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch den erkennenden Senat.
Sie macht geltend, daß das zum 30.11.1996 erstellte Unternehmenswertgutachten auch für die Einlagebewertung zum 31.5.1994 heranzuziehen sei. Ihr Geschäft habe sich seit der zweiten Hälfte des Jahres 1994 nicht wesentlich geändert. Vielmehr würden stabile Jahresüberschüsse ausgewiesen, so daß davon auszugehen sei, daß zum Zeitpunkt des Forderungsverzichtes dieselben stillen Reserven vorhanden gewesen seien. Der von dem Antragsgegner angesprochene Engieering-Vertrag, der der Antragstellerin auf Dauer durch Festschreibung eines Aufschlagsatzes für Entwicklungskosten gegenüber ihren europäischen Schwestergesellschaften in Höhe von 8 % ein positives Ergebnis garantiere, sei – wie dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses auf den 30.11.1994 (Seite 12) entnommen werden könne – bereits im Wirtschaftsjahr 1993/1994 durchgeführt worden. Demgemäß sei sehr wohl absehbar gewesen, daß sie zukünftig Gewinne erzielen werde. Dafür spreche auch, daß die Umsetzung von Veränderungen innerhalb eines internationalen Konzerns regelmäßig gewisse Vorlauf- und Planungszeiten erfordere. Auch ein fremder Dritter hätte diese Erkenntnisse in seine Überlegungen im Sinne einer positiven Beeinflussung der Forderungsbewertung miteinbezogen. Der Engineering-Vertrag könne bei der Unternehmensbewertung auf den Zeitpunkt des Darlehensverzichts nicht außen vor gelassen werden. Der werthaltige Teil der Forderung betrage demgemäß 6.2 Mio. DM (Korrigiertes Eigenkapital unter Berücksichtigung der stillen Reserven: ./. 11.800.000,– DM).
Soweit der Antragsgegner auf die bei der E vorgenommene Abschreibung abstelle, verkenne er, daß hinsichtlich der Werthaltigkeit eines Darlehens regelmäßig von den tatsächlichen Gegebenheiten bei dem Darlehensnehmer auszugehen sei. Eine Forderung, auf die in der Krise verzichtet werde, sei keinesfalls zwingend mit 0,– DM zu bewerten. Vielmehr liege der werthaltige Teil einer solchen Forderung im Falle einer positiven Fortbestehensprognose erheblich über dem Zerschlagungswert. Eine solche positive Prognose habe indessen im Streitfall bestanden. Zudem habe die Betriebsprüfung der E zunächst beabsichtigt, die Teilwertabschreibung rückgängig zu machen. Die handelsrechtliche Behandlung als Ertrag sei schließlich für steuerliche Zwecke nicht maßgebend.
Für Zwecke der Beurteilung einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a KStG werde in Tz. 22 des BMF-Schreibens vom 15.12.1994 festgestellt, daß in Konzernfällen regelmäßig davon auszugehen sei, daß die Muttergesellschaft für die Verbindlichkeit der Tochtergesellschaft einstehen müsse, wenn dies durch die Muttergesellschaft nicht widerlegt werde. Gehe man dementsprechend davon aus, daß die amerikanische Konzernmutter für die Verbindlichkeit der Antragstellerin einstehen müsse, könne die Forderung der E zum Zeitpunkt des Verzichtes nicht wertlos gewesen sein. Denn ein fremder Dritter hätte dieser Forderung einen Wert in Höhe ihres Nominalwertes beigelegt, wenn ein Ausfallrisiko durch ein Rückgriffsrecht auf einen solventen Dritten abgesichert sei.
Die gewährten Darlehen hätten der Krisenfinanzierung gedient, wie sich aus dem Überschuldungsstatus und aus den vorangegangen Rangrücktrittserklärungen ergebe. Die Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 9.6.1997 könnten aber nicht für derartige krisenbestimmte Darlehen gelten, da deren Gewährung von vorneherein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sei und das Darlehen schon gesellschaftsrechtlich materielle Eigenkapitalfunktion habe. Wenn auf der Ebene des Gesellschafters der Betrag eines krisenbestimmten Darlehens wegen seiner gesellschaftsrechtlichen Veranlassung als Anschaffungskosten für die Beteiligung zur erfassen sei, folge nach den allgemeinen Denkgesetzen zwingend, daß auf der Ebene der Gesellschaft in gleicher Höhe eine gesellschaftrechtliche Einlage anzunehmen sei. Die Entscheidung des Großen Senats sei maßgeblich von der Vorstellung getragen, daß der nicht werthaltige Teil eines Forderungsverzichts deshalb als steuerwirksame Gewinnerhöhung zu erfassen sei, weil auch ein gedachter fremder Dritter bei vergleichbarem Sachverhalt mit seiner Forderung ausgefallen wäre und somit der Verlust aus der Sicht des Darlehensgebers nicht gesellschaftsrechtlich, sondern betrieblich veranlaßt gewesen sein müsse. Wenn aber die Gewährung des Darlehens von vorneherein als gesellschaftsrechtlich veranlaßt gewertet werden müsse, könnten diese Überlegungen offenkundig nicht gelten, so daß der gesamte Darlehensbetrag als gesellschaftsrechtliche Einlage zu erfassen sei.
Selbst wenn aber die Grundsätze des BFH-Beschlusses vom 9.6.1997 auf krisenbestimmte Darlehen anzuwenden seien, müsse bereits in der Darlehensgewährung eine verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft gesehen werden, soweit die Forderung zu diesem Zeitpunkt nicht werthaltig gewesen sei. Der nachträgliche Verzicht auf ein krisenbestimmtes Darlehen könne demnach nicht zu anderen steuerlichen Konsequenzen führen als der Fall eines sofortigen Gesellschafterbarzuschusses, der unzweifelhaft eine steuerfreie Gesellschaftereinlage darstelle.
Selbst wenn man aber der Ansicht des Antragsgegners folge, daß die Darlehensforderung zum 31.5.1994 einen Teilwert von 0 DM hatte, so ergebe sich gerade daraus, daß der Forderungsverzicht aus Rechtsgründen unwirksam gewesen wäre und somit im Streitjahr nicht zum Erlöschen der entsprechenden Verbindlichkeit geführt haben könne. Denn die Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 31.5.1994 ergebe, daß die Verpflichtung zur Erbringung einer gesellschaftsrechtlichen Einlage in Höhe von 18.000.000 DM dadurch aufschiebend bedingt gewesen sei, daß die Erfüllungswirkung hinsichtlich dieser Einlageverpflichtung tatsächlich eintrete, indem die Annahme bezüglich der Werthaltigkeit der Forderung sich als zutreffend erweise. Es handele sich mithin um eine sog. rechtliche Gegenwartsbedingung. Eine Bedingung sei im Auslegungswege regelmäßig anzunehmen, wenn ohne das angenommene Ereignis der Vertrag überhaupt nicht sinnvoll wäre oder wenn die Parteien einen Umstand stillschweigend für eine selbstverständliche Voraussetzung halten. Aus der Sicht des verzichtenden Gesellschafters wäre es aber nicht sinnvoll gewesen, auf eine Forderung zu verzichten, solange er hierdurch nicht seine gesellschaftsrechtliche Einlageverpflichtung erfüllen könne. Aus der Wortwahl „in Erfüllung” werde deutlich, daß die Parteien wie selbstverständlich davon ausgegangen seien, daß die Forderung werthaltig und damit durchsetzbar gewesen sei. Andernfalls wäre sie als kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG einredebehaftet gewesen. Ein gleichwohl ausgesprochener unbedingter Verzicht hätte keinen Sinn gemacht, da der Anspruch auf 18.000.000 DM durch den Erlaß einer wertlosen – da derzeit nicht zu erfüllenden – Verbindlichkeit erfüllt worden wäre. Eine gesellschaftsrechtliche Einlage setze aber eine Zuführung in das Gesellschaftsvermögen voraus, die die Haftungsmasse vermehre. Der Verzicht auf eine einredebehaftete Forderung stelle somit kein geeignete Einlageleistung dar.
Die Geschäftsführer der Antragstellerin hätten durch die unbedingte Annahme des Darlehensverzichts auch gegen ihre Pflichten verstoßen und unterlägen der Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG analog. Ein derartiges pflichtwidriges und sinnloses Handeln könne jedoch im Rahmen einer Vertragsauslegung nicht unterstellt werden. Der diesfalls vorliegende unrichtige Ausweis der Verbindlichkeit in der Handelsbilanz wäre in der Weise zu berichtigen, daß die Verbindlichkeit erst mit dem Wegfall der Einrede nach § 30 Abs. 1 GmbHG ausgebucht würde. In diesem Zeitpunkt würde die Erhöhung des Endvermögens indessen durch den Abzug einer nun werthaltigen Einlage neutralisiert.
Selbst wenn man in der Verknüpfung des Verzichts mit der Erfüllung der Einlageverpflichtung nur eine Zweckbestimmung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative BGB sehen wollte, ergäbe sich kein anderes Ergebnis, da diesfalls der Bereicherungsanspruch der E zu passivieren gewesen wäre. Denn die Einrede nach § 30 Abs. 1 GmbHG hätte nur vorübergehenden Bestand gehabt und könne daher einer Passivierung nicht entgegenstehen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Bescheid für 1994 über Körperschaftsteuer und Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG vom 25.1.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 in der Weise von der Vollziehung auszusetzen, daß für die Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG von einem um 18.000.000 DM verminderten Einkommen auszugehen ist,
den Bescheid auf den 31.12.1994 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom 25.1.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 in der Weise von der Vollziehung auszusetzen, daß von einem um 18.000.000 DM erhöhten vortragsfähigen Gewerbeverlust auszugehen ist.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er trägt ergänzend vor, daß im Rahmen der Betriebsprüfung der E die Wertberichtigung auf Forderungen in Höhe von 18.000.000 DM nunmehr anerkannt werde. Im übrigen verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.
Gründe
Der Antrag ist nur teilweise begründet.
1.) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, daß neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe vorliegen, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (ständige Rechtsprechung des BFH seit dem Beschluß vom 10.2.1967 III B 9/69, BStBl III 1967, 182). Soweit es hierfür allein auf die Beurteilung von Tatfragen ankommt, gilt die Verteilung der Feststellungslast im Hauptsacheverfahren entsprechend im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung, wobei das Aussetzungsverfahren von der Besonderheit gekennzeichnet ist, daß einerseits nur präsente Beweismittel verwertet werden können (Urteil des BFH vom 14.7.1976 I R 138/74, BStBl II 1976, 682), andererseits aber auch nicht der volle Beweis der behaupteten Tatsachen erbracht werden muß. Es genügt vielmehr deren Glaubhaftmachung (Beschluß des BFH vom 15.6.1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44).
2.) Nach diesen Grundsätzen können im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Feststellungen nur in dem Umfang bestehen, in dem der Antragsgegner die Werthaltigkeit der Darlehensforderung auch bezüglich der mit Gutachten vom 30.11.1996 festgestellten stillen Reserven in Höhe von 6,2 Mio. verneint hat. Die Antragstellerin hat insoweit plausibel dargelegt, daß der zur Gewinnverbesserung führende Engineering-Vertrag bereits im Wirtschaftsjahr 1993/1994 durchgeführt worden sei und demgemäß bei der Unternehmensbewertung zum 31.5.1994 als zuverlässig absehbare Geschäfts-chance hätte berücksichtigt werden müssen. Die Beantwortung der Frage, inwieweit der Unternehmenswert der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts dennoch ggf. niedriger zu beziffern ist, muß der Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
3.) Keine ernstlichen Zweifel bestehen demgegenüber hinsichtlich der gewinnerhöhenden Berücksichtigung der nicht durch den vorgenannten Einlagewert steuerlich neutralisierten Vermögensmehrung durch Verzicht auf die vormals zu passivierende Darlehensforderung.
3.1. Nach § 7 Abs. 1 KStG bemißt sich die Körperschaftsteuer nach dem zu versteuernden Einkommen, das sich gemäß § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 KStG auf Grund des nach § 4 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ermittelten Gewinns aus dem Gewerbebetrieb ergibt. Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahrs und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dabei ist für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, zu denen insbesondere die Ansatz- und Bewertungsvorschriften der §§ 246 ff. und 252 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) gehören, ist das Betriebsvermögen durch den Fortfall der Darlehensverbindlichkeit erhöht worden.
3.2. Die Antragstellerin war verpflichtet, die gegenüber der E bestehende Darlehensverbindlichkeit bis zu ihrem Erlöschen mit dem Nennwert zu passivieren.
Verbindlichkeiten sind sowohl nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) als auch nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB mit ihrem Nennwert bzw. Rückzahlungsbetrag zu bewerten (BFH, Urteil vom 31. Januar 1980 IV R 126/76, BStBl II 1980, 491, 492/493). Der Umstand, daß die Antragstellerin angesichts ihrer Liquiditäts- oder Vermögenslage unter Umständen die Schuld nicht oder jedenfalls nicht sofort hätte zurückzahlen können, rechtfertigt keine niedrigere Bewertung der Verbindlichkeit. Denn aus dem handelsrechtlichen Verbot des Ausweises nicht realisierter Gewinne (§ 252 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB) ist zu folgern, daß der Nennwert bei Verbindlichkeiten nicht durch Teilwertabschreibungen unterschritten werden darf (Schmidt/Glanegger, EStG, 20. Aufl. 2001, § 6 Anm. 387 und 401).
3.3. Der Verzicht führte nach § 397 Abs. 1 BGB zum Erlöschen der zum Zeitpunkt des Verzichts bestehenden Darlehensschuld. Durch den Fortfall des Passivpostens kam es demzufolge zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens um 18.000.000 DM.
Der Auslegung des in dem Gesellschafterbeschluß vom 31.5.1994 ausgesprochenen und von der Antragstellerin angenommenen Forderungsverzichtes als aufschiebend bedingtes Rechtsgeschäft im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB vermag der Senat nicht zu folgen.
Der Forderungsverzicht trug durchaus die Eignung in sich, die Kreditfähigkeit der Antragstellerin zu verbessern, da er deren Eigenkapitalquote erhöhte. Zum gleichen Ergebnis führt die Betrachtung eines hypothetischen Konkursfalles, in dem die Quote der anderen Gläubiger durch den ausgesprochenen Forderungsverzicht gestiegen wäre. Wenn auch einiges dafür spricht, daß die Forderung der E im Konkursfall gemäß § 32a Abs. 1 GmbHG einredebehaftet gewesen wäre, so müssen die Voraussetzungen einer solchen Einrede doch von den hierdurch begünstigten Gläubigern zunächst einmal dargelegt und nachgewiesen werden, was aus Gläubigersicht eine durchaus wesentliche Unterscheidung zwischen der Gewährung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen und deren Einlage durch Verzicht darstellt. Daß zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts überhaupt verteilbares Vermögen vorhanden war, hat die Antragstellerin durch Hinweis auf einen erheblich über 0,– DM liegenden Zerschlagungswert selbst vorgetragen. In gleicher Weise hätten die durch den Forderungsverzicht begünstigten Gläubiger von zukünftigen Steigerungen des Vermögenswerts profitiert. Der Forderungsverzicht kann daher entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht als sinnloses Handeln der Beteiligten, das eine abweichende Auslegung erzwingen müßte, angesehen werden.
Nicht zutreffend erscheint überdies die Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 31.5.1994 in der Weise, daß der Antragstellerin eine voll werthaltige Einlage zugesagt worden sei, so daß die Annahme einer nur teilweise werthaltigen Erfüllungsleistung eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer der Antragstellerin darstellen müsse. Richtig ist vielmehr, daß die in einem einheitlichen Gesellschafterbeschluß enthaltenen Festlegungen bezüglich der Verpflichtung zur Einlage und der Art der Erfüllung dieser Verpflichtung in ihrer Gesamtschau belegen, daß eine über den streitbefangenen Forderungsverzicht hinausgehende Einlageleistung nicht zugesagt worden war. Mit der Annahme dieses Forderungsverzichtes haben die Geschäftsführer der Antragstellerin demgemäß die ihnen aus dem Gesellschafterbeschluß erwachsene Rechtsposition in vollem Umfang ausgeschöpft. Zu einer nur bedingten Annahme des Forderungsverzichtes bestand demnach seitens der Antragstellerin kein Anlaß.
3.4. Durch den Beschluß des Großen Senats vom BFH vom 9.6.1997 GrS 1/94 (BStBl II 1998, 307) ist geklärt worden, daß ein auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhender Verzicht eines Gesellschafters auf seine nicht mehr vollwertige Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft bei dieser nur zu einer Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung führt. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind Einlagen mit dem Teilwert des eingelegten Wirtschaftsgutes – in diesem Fall also der Forderung des Gesellschafters – anzusetzen. Der Teilwert ist der Wert, den ein gedachter Erwerber für den Erwerb der Forderung hätte aufwenden müssen. Für die Bewertung der Forderung sind allein die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts maßgeblich (Urteil des BFH vom 15.10.1997 I R 103/93, BFH/NV 1998, 572).
Dieser Einlagewert kann auch bei Anlegung eines summarischen Prüfungsmaßstabs im Streitfall keinesfalls 6,2 Mio DM überstiegen haben. In Höhe des Unterschiedsbetrages zum Nennwert der Forderung ist folglich durch den Verzicht eine Vermögensmehrung bei der Antragstellerin eingetreten, die in gleicher Höhe ihren Steuerbilanzgewinn beeinflussen muß. Eine darüber hinausgehende Werthaltigkeit der Forderung kann auch nicht mit Hinweis auf Rückgriffsrechte der E gegen die Konzernspitze begründet werden. Denn die Durchsetzung derartiger Rückgriffsrechte setzt im Nichtvertragskonzern entweder schuldhafte Treupflichtverletzungen oder zu Lasten des Stammkapitals gehende entnahmegleiche Maßnahmen des herrschenden Unternehmers voraus (vgl. dazu Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, Schlußanhang I, Tz. 80 ff).
Das Vorliegen derartiger Voraussetzungen ist im Streitfall weder vorgetragen noch erkennbar. Gleiches gilt für den Eintritt der Verlustausgleichspflicht im sog. qualifizierten faktischen Konzern (vgl. dazu Zöllner, a.a.O. Tz. 86 ff.). Allein aufgrund der in dem BMF-Schreiben vom 17.11.1994, BStBl I 1995, 25 ff., Tz. 22, aufgestellten Regelvermutung für die Einstandspflicht der Muttergesellschaft in Konzernfällen kann der erkennende Senat demgegenüber die Feststellung des Bestehens von Rückgriffsrechten nicht treffen. Inwieweit diese Verwaltungsanweisungen hier einschlägig sind, kann demgemäß dahinstehen.
Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf die von ihr zitierte Rechtsprechung des BFH zu § 17 EStG bzw. zu dem gleichförmigen Anschaffungskostenbegriff des § 6 EStG i.V.m. § 255 Abs. 1 HGB zu Beteiligungen im Betriebsvermögen berufen.
Zwar führt der Ausfall eines sog. krisenbestimmten Darlehens nach dem BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94 (BStBl II 1999, 339) zu nachträglich um den Nennwert des Darlehens zu erhöhenden Anschaffungskosten der Beteiligung beim wesentlich beteiligten Gesellschafter. Diese Rechtsprechung betrifft aber die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste, die nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG beim wesentlich beteiligten Gesellschafter zu berücksichtigen sind.
Eine Übertragung dieser Bewertung einer Darlehensforderung, mit der ein Gesellschafter bei Auflösung der GmbH durch Insolvenz ungewollt ausfällt, auf den hier zu entscheidenden Streitfall hält der Senat für nicht gerechtfertigt. Insbesondere ist der erkennende Senat nicht der Auffassung der Antragstellerin, die Rechtsgrundsätze des Beschlusses des Großen Senats des BFH GrS 1/94 vom 9. Juni 1997 seien auf sogenannte krisenbestimmte Darlehen nicht anzuwenden.
Die Fälle des § 17 Abs. 1 EStG – d.h. die Anteilsveräußerung bei wesentlicher Beteiligung – und des § 17 Abs. 4 EStG – d.h. die Auflösung einer Kapitalgesellschaft – sind schon vom Sachverhalt her nicht mit dem vorliegenden Streitfall gleichzusetzen. Außerdem ist es kein Verstoß gegen Grundsätze innerer Folgerichtigkeit, wenn die Besteuerung des Anteilseigners nach § 17 EStG nach teilweise anderen Bewertungsgrundsätzen gehandhabt wird als die Besteuerung von außerordentlichen Erträgen einerseits und getätigten Einlagen andererseits bei der Kapitalgesellschaft.
Diese Differenzierung zwischen Einlagebewertung und Ermittlung der (nachträglichen) Anschaffungskosten einer Beteiligung hat auch der VIII. Senat des BFH mit Urteil vom 10.11.1998 VIII R 6/96 (BStBl II 1999, 348) nochmals betont.
Besteht demnach kein Anlaß, bei dem Verzicht auf eine nicht mehr vollwertige eigenkapitalersetzende Darlehensforderung den gesamten Darlehensbetrag allein deshalb als gesellschaftsrechtliche Einlage zu erfassen, weil die Gewährung des Darlehens von vornherein gesellschaftsrechtlich veranlaßt war, so kann die ertragssteuerliche Neutralität des Forderungsverzichtes auch nicht dadurch herbeigeführt werden, daß die Gewährung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens von vorneherein als verdeckte Einlage angesehen wird. Denn auch die eigenkapitalersetzende Funktion eines Gesellschafterdarlehens ändert nichts an dessen Fremdkapitalcharakter (Urteil des BFH vom 5.2.1992 I R 327/90, BStBl II 1992, 532). Andernfalls hätte es der gesetzlichen Regelung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung in § 8a KStG nicht bedurft. Es obliegt der Entscheidung der Anteilseigner, ob sie den Kapitalbedarf ihrer Gesellschaft durch Zuführung von Eigenkapital oder durch Gewährung von Darlehen befriedigen. An den unterschiedlichen steuerlichen Folgen dieser Gestaltungen müssen sich die Beteiligten dann aber festhalten lassen.
Hinsichtlich der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1994 ist im Umfang der Stattgabe Folgeaussetzung zu gewähren (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 4 FGO, § 35 b GewStG; Beschluß des BFH vom 24.3.1999 I S 8/98, BFH/NV 1999, 1643).
Im Hinblick auf das gegen das Urteil des Senats vom 30.1.2001 – 13 K 2347/99 (EFG 2001, 588) – anhängige Revisionsverfahren I R 30/01 läßt der Senat die Beschwerde zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.