08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 10.05.2000 – 4 K 1284/00
Antrag auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung: Die dauernde Dienstunfähigkeit eines ehemaligen Finanzbeamten, die zu dessen vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand geführt hat, schließt nicht zwangsläufig die persönliche Eignung zur Ausübung des Berufs als Steuerberater aus. Diese liegt vor, wenn der Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß ausgebübt werden kann, was voraussetzt, in etwa halbtags als Steuerberater tätig sein zu können (Anschluss an BFH-Urteil vom 21.7.1964 - VII 279/63, HFR 1965, 82).
IM NAMEN DES VOLKES hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Finanzgerichts ...
und der Richter am Finanzgericht ... und ...
sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ...
auf Grund mündlicher Verhandlung vom 10. Mai 2000
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Befreiung von der Steuerberaterprüfung aus gesundheitlichen Gründen zu versagen ist.
Der am .... 1945 geborene Kläger war seit dem ....1971 im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung tätig, seit ... ....1988 als Steueramtsrat in der Steuerfahndung. ... ... 1999 wurde er aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Mit Antrag vom 27.9.1999 begehrte der Kläger, ihn nach § 38 Abs. 2 StBerG unter Befreiung von der Steuerberaterprüfung zum Steuerberater zu bestellen.
Auf die Anregung des Beklagten, im Hinblick auf § 37 Abs. 2 Nr. 2 StBerG die Einsicht in seine Personalakten zu gestatten bzw. ein aktuelles amtsärztliches Gutachten vorzulegen, erklärte der Kläger, daß er die Einsicht in seine Personalakte nicht gestatte. Er legte ferner ein ärztliches Attest einer orthopädischen Gemeinschaftspraxis vom 1.11.1999 mit folgendem Wortlaut vor:
„Der Gesundheitszustand von Herrn ... erlaubt noch eine Restberufstätigkeit. Eine berufliche Tätigkeit, die in der Regel 2 Stunden nicht überschreitet und sowohl sitzend, gehend als auch stehend verrichtet werden kann, ist aus orthopädischer Sicht unbedenklich.
Die Belastbarkeit von Herrn ... wird auf alle Fälle unterhalbschichtig einzuschätzen sein.”
Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.2.2000 mit, daß der bei ihm gebildete Zulassungsausschuß am 8.2.2000 beschlossen habe, dem Antrag auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung nicht stattzugeben, weil der Kläger aufgrund seines Gesundheitszustandes dauernd unfähig sei, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben. Dies beruhe darauf, daß der Kläger nur weniger als die Hälfte der normalen Arbeitszeit leisten könne.
Mit seiner Klage beantragt der Kläger, den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 15.2.2000 zu verpflichten, ihn von der Steuerberaterprüfung zu befreien.
Aufgrund erheblicher inzwischen vorhandener beruflicher Hilfsmittel, wie z. B. die Datenverarbeitung, könne es nicht mehr auf eine mindestzeitliche berufliche Tätigkeit ankommen. Mit diesen Hilfsmitteln könne der Beruf des Steuerberaters auch stundenweise ausgeübt werden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Auch bei Einsatz der heute zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel erfordere die Bearbeitung fristgebundener Arbeiten die Fähigkeit zu einer mindestens halbtägigen Berufsausübung.
Am 10.5.2000 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 a StBerG sind von der Steuerberaterprüfung zu befreien ehemalige Beamte oder Angestellte des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung, die mindestens 15 Jahre auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachbearbeiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung. Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 StBerG müssen jedoch daneben auch die in § 37 StBerG für die Zulassung zur Prüfung genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Nach § 37 Abs. 2 Nr. 2 StBerG ist die Zulassung zur Prüfung und damit auch die Befreiung von der Prüfung wegen des Fehlens der persönlichen Eignung zu versagen, wenn der Bewerber infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner geistigen Kräfte dauernd unfähig ist, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben. Der Zulassungsausschuß hat zu Recht angenommen, daß in der Streitsache dieser Versagungsgrund eingreift.
Die dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers, die zu der vorzeitigen Ruhestandsversetzung geführt hat, schließt zwar nicht zwangsläufig die persönliche Eignung des Klägers zur Ausübung des Berufs als Steuerberater aus. Die persönliche Eignung liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Bewerber trotz vorhandener körperlicher Gebrechen den Beruf als Steuerberater ordnungsgemäß ausüben kann, wenn auch nur in einem eingeschränkten Umfang. Eine ordnungsgemäße Berufsausübung i. S. des § 37 Abs. 2 Nr. 2 StBerG setzt jedoch voraus, daß der Bewerber etwa halbtags als Steuerberater tätig sein kann. Der Senat schließt sich insoweit dem BFH-Urteil vom 21.7.1964 VII 279/63, HFR 1965, 82 an (vgl. auch Urteil des Finanzgerichts Münster vom 21.3.1991 7 K 1497/90 StB in EFG 1991, 758 sowie Meggendorfer in Bonner Handbuch der Steuerberatung, B 417 und Mutze-Schöne, Stb-StBev-Handbuch, Kennzahl 095 S. 33 und 34).
An diesem Erfordernis ist entgegen der Auffassung des Klägers auch in Anbetracht der heute zur Verfügung stehenden Hilfsmittel, insbesondere der elektronischen Datenverarbeitung, festzuhalten. Das Steuerberatungsgesetz sieht keine Möglichkeit einer auf eine bestimmte Art der Tätigkeit oder auf einen bestimmten Umfang beschränkten Zulassung vor. Die Ausübung des Berufs als Steuerberater erfordert generell ein Mindestmaß an zeitlicher Belastbarkeit. Der Steuerberater muß eine Vielzahl von Fristen einhalten, die zwangsläufig zu einem Zeitdruck führen. Eine Minimierung des täglichen Arbeitspensums ist deshalb oft nicht möglich, insbesondere wenn Sondertermine wie z. B. Schlußbesprechungen, Gerichtstermine oder Mandantenbesprechungen notwendig sind.
Aufgrund des vom Kläger selbst eingeholten und vorgelegten fachärztlichen Attestes steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger nur etwa zwei Stunden täglich und nicht in etwa halbtags einer Berufsausübung nachgehen könnte. Damit steht der prüfungsfreien Bestellung zum Steuerberater § 37 Abs. 2 Nr. 2 StBerG zwingend entgegen, ohne daß dem Beklagten insoweit ein Ermessensspielraum zustünde.
An dieser Beurteilung ändert auch § 51 Schwerbehindertengesetz nichts. Die hiernach vorgesehene bevorzugte Zulassung schwerbehinderter Bewerber kann nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Bestimmung nur dann eingreifen, wenn die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung erfüllt sind. Dies ist aber in der Streitsache – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.