08.01.2010
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 12.02.2003 – 4 K 3858/00
- Die Bestimmung des Preises beim Aktienkauf zwischen Gesellschafter und Gesellschaft nach einem zukünftigen Börsenkurs ist bei einem „engen Markt” und kurzfristigen Kurssteigerungen gerade zu diesem Zeitpunkt ein Indiz für eine gezielte Marktbeeinflussung.
- Wird der Börsenkurs beim Aktienkauf zwischen Gesellschafter und Gesellschaft von den Gesellschaftern kurzfristig gezielt in die Höhe getrieben, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe des Überpreises vor.
- Darlehenszinsen sind beim kreditfinanzierten Aktienkauf nur in Höhe der Finanzierung des Überpreises als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen.
Die Körperschaftsteuerbescheide 1995 und 1996, die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1995 und zum 31.12.1996, die Gewerbesteuermessbescheide 1995 und 1996, die Bescheide über die gesonderte Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.1995 und den 31.12.1996 sowie die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 und den 01.01.1997, jeweils vom 01.09.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.08.2000, werden dahingehend abgeändert, dass:
Zinsen für die zum Erwerb der W Aktien aufgenommenen Gesellschafterdarlehen anteilig nur insoweit als verdeckte Gewinnausschüttungen und andere Ausschüttungen i.S.v. § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG zu behandeln sind, wie die Darlehen der Finanzierung des über den Teilwert (31.12.1995) der Aktien hinausgehenden Teils des Kaufpreises dienten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Teilwertabschreibung auf Aktien der W AG und Finanzierungskosten (Darlehenszinsen) für den Erwerb dieser Aktien verdeckte Gewinnausschüttungen und i.S. von § 27 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (KStG) Ausschüttungen sind.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das die Herstellung und den Vertrieb elektrischer und elektronischer Bauteile zum Gegenstand hat. Gesellschafter waren in den Streitjahren die Eheleute Herr L (80 %) und Frau L (20 %). Herr L war gleichzeitig alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Ausweislich der Bilanzen erzielte die Klägerin in den Streitjahren folgende Umsätze und Gewinne:
1993 | 1994 | 1995 | 1996 | |
Umsatz | 5.003.897,00 DM | 4.116.270,00 DM | 3.812.320,00 DM | 3.768.341,00 DM |
Gewinn | 435.927,00 DM | 348.259,00 DM | ./. 1.903.045,23 DM | 276.804,00 DM |
Bilanzsumme | 4.732.793,00 DM | 4.318.847,00 DM | 12.423.835,00 DM | 13.201.887,00 DM |
Eigenkapital | 879.880,00 DM | 888.140,00 DM | ./. 358.702,00 DM |
Der in den Bilanzen im Umlaufvermögen ausgewiesene Wertpapierbestand belief sich zum 31.12.1993 auf 2.098.095,-- DM, zum 31.12.1994 auf 2.035.020,-- DM, zum 31.12.1995 auf 10.138.404,-- DM und zum 31.12.1996 auf 10.494.486,-- DM.
Der hohe Verlust in 1995 beruhte im Wesentlichen auf einer Teilwertabschreibung auf sich im Betriebsvermögen befindliche Aktien der W AG. Nach den Feststellungen einer für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung liegt der Teilwertabschreibung folgender Sachverhalt zugrunde:
In der Gesellschafterversammlung vom 06.09.1995 wurde beschlossen, dass die Klägerin von ihren beiden Gesellschaftern 43.000 Stück Aktien der W AG kauft. Als Kaufpreis wurde der Mittelkurs der Aktie an der Frankfurter Börse in der Zeit vom 12. bis 14.09.1995 zuzüglich eines Paketzuschlages von 5 % vereinbart. Zum Erwerb der Aktien sollte die Klägerin einen „kurzfristigen” Kredit von den Gesellschaftern erhalten, um den Kaufpreis zu begleichen. Der Kredit sollte mit 4 % verzinst und die Zinsgutschrift jährlich zum 31.12. des Kalenderjahres erfolgen. Der Beschluss sah eine jederzeitige Tilgungsmöglichkeit durch die Klägerin sowie eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit vor. Als Grund für den Aktienverkauf wurde in dem Gesellschafterbeschluss angegeben, dass es vorteilhaft sei, die bereits vorhandenen Anteile der Klägerin an der W AG auf eine Schachtelbeteiligung von 10 % zu erhöhen, um damit die Forderungen auf einem Aufsichtsratsitz gegenüber dem Großaktionär H besser durchsetzen zu können. Auch könnten die Geschäftsbeziehungen mit dem Hkonzern dadurch noch mehr aktiviert werden. Nach den Ausführungen in dem Beschluss wurde mit einer Erhöhung der Gewinne der Gesellschaft gerechnet. Ausweislich der Depotauszüge der Dresdner Bank erfolgte die Übertragung von 5.000 Aktien der W AG von Frau Frau L und die Übertragung von 37.043 Aktien der W AG von Herrn Herr L am 17.10.1995, nachdem der Auftrag an die Bank am 12.10.1995 erteilt worden war.
Der an Herrn L zu zahlende Kaufpreis für den Aktienerwerb belief sich auf 9.376.649,10 DM. An Frau L war ein Kaufpreis von 1.228.500,-- DM zu entrichten. Dies entsprach einem Stückpreis von 245,70 DM bei 43.163 aus dem Privatvermögen der Gesellschafter stammenden Aktien.
Die Gegenbuchung für die Einbuchung der Wertpapiere ins Umlaufvermögen der Klägerin erfolgte als Verbindlichkeiten auf den Verrechnungskonten der beiden Gesellschafter.
Am 26.09.1996 gewährte Herr L der GmbH ein Darlehen i.H.v. 1.400.000,-- DM und überwies das Geld an die GmbH, die am gleichen Tag 1.425.000,-- DM an Frau L zur Tilgung der aus dem Aktienerwerb bestehenden Verbindlichkeiten weiterleitete. Frau L gewährte der GmbH am 22.11.1996 ein Darlehen i.H.v. 9.150.000,-- DM. Das Geld wurde am gleichen Tag an die GmbH überwiesen, die es am gleichen Tag an Herrn L i.H.v. 9.100.000,-- DM zur Tilgung der aus dem Aktienerwerb bestehenden Verbindlichkeiten weiterleitete. Darlehensverträge liegen dem Gericht nicht vor.
Zum Jahresende wurde der Saldo der Verrechnungskonten nach der Zinsstaffelmethode verzinst und um den Zinsanteil erhöht. Auf Herrn L entfielen für 1995 insgesamt Guthabenzinsen i.H.v. 1.261,-- DM (Saldo aus verrechneten Guthabenzinsen bis 10/95 mit Schuldzinsen aus dem Wertpapiergeschäft i.H.v. 31.327,-- DM ab 11/95) und auf Frau L Schuldzinsen i.H.v. 3.970,34 DM (verrechnete Guthabenzinsen bis 10/95 mit Schuldzinsen aus Wertpapiergeschäft ab 11/95 i.H.v. 4.164,-- DM). Für 1996 wurden auf dem Verrechnungskonto von Herrn L insgesamt 330.902,-- DM an Schuldzinsen und auf dem Verrechnungskonto von Frau L insgesamt 66.380,82 DM verbucht.
Durch die Aktien erwarb die Klägerin in 1995 einen Anteil am Stammkapital der W AG i.H.v. 9,7 %. Durch den börslichen Nachkauf weiterer Aktien in 1996 erhöhte sie den Anteil auf 10,0018 %.
Da die Kurswerte der W AG zum 31.12.1995 auf 190,-- DM gesunken waren, nahm die Klägerin zum Bilanzstichtag eine Teilwertabschreibung auf die Wertpapiere i.H.v. insgesamt 2.404.179,10 DM vor. In der Gewinn- und Verlustrechnung wurde die Teilwertabschreibung nicht unter „Abschreibungen” sondern unter der Position „Verlust aus dem Abgang von Gegenständen des Umlaufvermögens” ausgewiesen. An der Bewertung der Aktien wurde zum 31.12.1996 festgehalten.
Am 10.12.1997 kauften die Gesellschafter die Aktien zu einem Kaufpreis von je 189,-- DM je Aktie zurück. Frau L erwarb 47.800 Stück für 9.034.200,-- DM und Herr L 7.600 Stück für 1.436.400,-- DM. Die Verbuchung erfolgte über die Verrechnungskonten der Gesellschafter. Ein tatsächlicher Geldfluss fand nicht statt.
Die Aktien der W AG befanden sich bereits seit 1987 im Privatvermögen der Gesellschafter. In den Jahren 1991 bis 1993 bewegte sich der Aktienkurs bei Werten zwischen 300,-- DM und 350,-- DM. Ab 1994 bis ungefähr Mitte 1995 bewegte sich der Kurs der Aktie nach unten bis auf ungefähr 137,-- DM. Der Verkauf der Aktien an die Klägerin erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem die Aktie nach ihrem o.a. erheblichem Kursverfall binnen kurzer Zeit am 13.09.1995 einen Spitzenkurs von ungefähr 245,-- DM erreichte, ehe sie bis zum 20.09. auf unter 160,-- DM abstürzte.
Die wirtschaftlichen Indikatoren der W AG waren seit 1994 nach unten gerichtet. Der Umsatz erreichte in 1994 seinen Höchststand. Der Jahresüberschuss sank von knapp 10 Mio auf rund 1,1 Mio. DM in 1994. Nachdem für die Wirtschaftsjahre 1990 bis 1993 eine Dividende von 12,-- DM gezahlt worden war, verringerte sich die Dividende um 7,-- DM pro Aktie auf 5,-- DM in 1994. In dem Bericht des Vorstandes betreffend den Ausblick für die WGruppe heißt es, dass trotz verbesserter Absatzchancen eine Beeinflussung der Ertragslage durch den Preisdruck erwartet wird und dass Überkapazitäten im Büromöbelbereich die Erlössituation 1995 belasten.
Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung qualifizierte der Beklagte die zum 31.12.1995 vorgenommene Teilwertabschreibung i.H.v. 2.404.179,10 DM als verdeckte Gewinnausschüttung, des Weiteren sah er die Zinsaufwendungen für die zum Erwerb der WAktien in Anspruch genommenen Darlehen i.H.v. 35.297,34 DM in 1995 und 397.283,55 DM in 1996 als verdeckte Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter Herrn und Frau L an. Die Ausschüttungsbelastung für die Teilwertabschreibung stellte der Beklagte im Zeitpunkt der Tilgung der Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Aktienkauf im Jahre 1996, für die Zinsen im Zeitpunkt der Verbuchung auf den Verrechnungskosten der Gesellschafter in 1995 und 1996 her. Gegen die aufgrund der Außenprüfung erlassenen geänderten Steuerbescheide über Körperschaftsteuer 1993 - 1996, Gewerbesteuermessbetrag 1994- 1996, Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1995- 31.12.1996, gesonderte Feststellung gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1993-31.12.1996, Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 01.01.1995-01.01.1997, Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile zum 31.12.1994 und Vermögensteuer auf den 01.01.1995 jeweils vom 01.09.1999 wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch. Diesen Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 10.08.2000 zurück.
Zur Begründung der Qualifizierung der Teilwertabschreibung als verdeckte Gewinnausschüttung führte er aus, dass der Aktienkauf der Klägerin durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei. Dafür spreche insbesondere, dass der An- und Verkauf von Wertpapieren nicht zum Unternehmensgegenstand gehöre und der Umfang des Aktienerwerbs für einen Betrieb mit den Umsatz und Gewinnzahlen der Klägerin nicht nur unüblich sondern wegen des bestehenden Kursrisikos bei einem Unternehmen dieser Größenordnung existenzgefährdend sei. Auch sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Mitteln die Klägerin langfristig die Anschaffungskosten der Wertpapiere habe finanzieren wollen. Die von der Klägerin gehegte Dividendenerwartung von 12,-- DM je Aktie sei unrealistisch gemessen, da für 1994 am 30.06.1995 eine Dividendenausschüttung von nur 5,-- DM je Aktie vorgenommen worden sei. Weiterhin sei der Verkauf zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem sich die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens stetig nach unten entwickelt habe. Behauptete Übernahmepläne von ausländischen Investoren seien nach Auskunft des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zumindest bis Mitte 1998 nicht öffentlich geworden. Der Erwerb einer Schachtelbeteiligung, um Gewerbesteuer zu sparen, könne nicht wie von der Klägerin behauptet, das Ziel des Aktienerwerbs gewesen sein, da durch den Erwerb des Aktienpakets im Jahre 1995 lediglich 9,7 % des Stammkapitals und erst in 1996 ein über 10 %iger Anteil erworben worden seien.
Gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung wandte sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage.
Sie ist der Ansicht, es liege keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, da der Aktienkauf betrieblich veranlasst sei.
Die von dem Beklagte monierte unübliche vertragliche Gestaltung der Aktienkäufe liege nicht vor. Zum einen schreibe das BGB keine schriftliche Vertragsform vor, zum anderen seien über die mündlichen Vereinbarungen mit den Gesellschaftern schriftliche Fixierungen vorgenommen worden. So seien in dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 06.09.1995 die Modalitäten um den Aktienkauf detailliert niedergelegt und die jeweiligen Aktienkäufe auch schriftlich bestätigt worden. Die Abwicklung der Aktienkäufe sei nachvollziehbar - wie zwischen den Vertragsparteien vereinbart - über die Verrechnungskonten erfolgt. Der formale Ablauf der Aktienübertragung lasse darauf schließen, dass alle Vorgänge ernsthaft gewollt, ordnungsgemäß vereinbart und die getroffenen Abreden auch tatsächlich durchgeführt worden seien.
Auch die Finanzierbarkeit des Aktienerwerbes sei gewährleistet. Unabhängig davon, dass solche Geschäfte steuerlich wirksam fremdfinanziert werden könnten, hätten hier stille Reserven im Betriebsvermögen i.H.v. rund 1,7 Mio. DM bestanden. Auch habe mit einer Dividendenzahlung von mindest 8,-- DM pro Aktie gerechnet werden können, die eine Finanzierung gesichert hätte. Aber selbst bei einer Ausschüttung von nur 5,-- DM pro Aktie hätten verbleibende Verluste aus dem Aktiengeschäft über einen Zeitraum von über 35 Jahren allein aus den stillen Reserven der anderen Aktien im Betriebsvermögen abgedeckt werden können.
Die wirtschaftliche Situation der W AG habe die Investition auch gerechtfertigt. Die Beteiligung sei keinesfalls als Risikogeschäft zu qualifizieren. Die W AG habe in den Jahren 1990 bis 1995 ausnahmslos Gewinne erzielt und regelmäßig Ausschüttungen vorgenommen. Ein objektiver Kaufinteressent habe daher zu Recht davon ausgehen können, dass Ende 1990 zugeführtes Kapital von 250,-- DM pro Aktie sicher nicht verbraucht sei, sondern im Gegenteil eine Mehrung erfahren habe, sodass die Aktien nach wie vor ungemildert werthaltig seien. Auch habe die Einschätzung der Unternehmenslage der WAG im Geschäftsjahr 1994 eine positive Entwicklung erwarten lassen. Gegenüber der Branche sei das Umsatzminus geringer als beim Durchschnitt der Branche ausgefallen. Für 1995 sei mit verbesserten Absatzchancen zu rechnen gewesen.
Wesentlicher Grund für die Übertragung sei die Gewerbesteuerersparnis durch Erwerb einer Schachtelbeteiligung gewesen. Soweit die Gewerbesteuerminderung erst durch den weiteren Aktienerwerb in 1996 erreicht worden sei, beruhe dies auf einer rechtlichen Fehleinschätzung der Geschäftsleitung.
Durch den Erwerb einer Schachtelbeteiligung seien weitere sekundäre Vorteile, wie z.B. die Ausweitung der direkten Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und den Konzerntöchtern der Firma H AG sowie die Durchsetzung der Forderung auf Gewährung eines Aufsichtsratsitzes in der W AG verbunden gewesen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten seien die vorgenommenen Wertpapiergeschäfte angesichts der Unternehmensgröße weder unüblich noch risikoreich gewesen. Bereits in den Jahren 1988 bis 1989 seien Wertpapiere im Wert von 6,1 Mio. DM gekauft und in den Jahren 1990 bis 1992 seien weitere Käufe über 6,31 Mio. DM getätigt worden. Der Wertpapierbestand habe sich Ende 1992 so auf rund 12,41 Mio. DM belaufen. Die Kursentwicklung der Aktie habe niemand verlässlich voraussehen können.
Die Klägerin führt mehrere steuerrechtliche Entscheidungen an, aus denen sich ergibt, dass branchenfremde Aktiengeschäfte, auch wenn es sich um Risikogeschäfte handele, allein nicht zu einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis führten. Selbst wenn sich eine entsprechende Risiko- und Spekulationsbereitschaft mit den Absichten des Gesellschaftergeschäftsführers decken sollte, führe dies nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. In welchem Umfang sich eine Kapitalgesellschaft - gemessen an ihrem eigentlichen Unternehmensgegenstand und den daraus erwirtschafteten Erlösen - zur Durchführung von Aktien oder den diversen Termingeschäften entschließe, sei Gegenstand der unternehmerischen Entscheidung. Es sei nicht Aufgabe der steuerlichen Beurteilung die Qualität dieser Entscheidung abzuschätzen und bei sich als unrichtig einzuschätzenden Entscheidungen diese im Ergebnis als private Liebhaberei zu behandeln.
Auch die Kursentwicklung der sich seit 1987 im Privatbesitz der Gesellschafter befindlichen W AG Aktien gebe keinen Anlass zu der Annahme, dass die Gesellschafter den Höchststand der Aktien abgewartet hätten, um sich möglichst hohe private Gewinne zu sichern. Die Wertentwicklung der Kurse zeige, dass sich die Aktie in den Jahren 1991 bis 1993 bei Werten zwischen 300,-- DM und 350,-- DM bewegt habe. Wenn die Behauptungen des Beklagten zuträfen, hätte man die Aktien ganz gewiss bereits damals bei Werten weit oberhalb der klagebefangenen Kurszahlen an die Gesellschaft übertragen müssen. Durch den nicht über die Börse vorgenommenen privaten Aktienerwerb hätten die Gesellschafter ihre redlichen Absichten gezeigt, da es ansonsten mühelos möglich gewesen wäre, die Aktien anonym über die Börse, über einen Treuhänder oder einen Strohmann für die Gesellschaft zu erwerben.
Nachdem die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen hat (vgl. den Abtrennungs- und Einstellungsbeschluss des Senats vom 20.03.2003), beantragt sie nunmehr noch, die Körperschaftsteuerbescheide 1995 und 1996, die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 (1) Körperschaftsteuergesetz zum 31.12.1995 bis 31.12.1996, die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1995 und 1996, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1995 und 31.12.1996 sowie die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 und 01.01.1997 jeweils vom 01.09.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.08.2000 dahingehend abzuändern, dass die als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierte Teilwertabschreibung i.H.v. 2.404.179,10 DM sowie die als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierten Zinszahlungen i.H.v. 35.297,34 DM in 1995 und 397.283,55 DM in 1996 nicht als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist es darauf hin, dass der Erwerb einer Schachtelbeteiligung zum Zwecke der Gewerbesteuerersparnis bzw. zur Intensivierung der Geschäftsbeziehungen zu Konzerntöchtern der H AG nicht der wesentliche Grund für den Aktienverkauf gewesen sein könne. Wenn jemand beabsichtige Gewerbesteuer zu sparen, sei es wenig glaubhaft, dass er sich nicht über die Notwendigkeit einer Schachtelbeteiligung bereits zu Beginn des Jahres informiere. Hinsichtlich der Intensivierung der Geschäftsbeziehungen sei nicht ersichtlich, weshalb entscheidend gewesen sein solle, ob sich die Aktien im Betriebsvermögen der Klägerin oder im Privatbesitz der ihr beherrschenden Gesellschafter befänden. Was die Dividendenausschüttungen der W AG betreffe, sei aufgrund der angespannten Ertragssituation bestenfalls mit einer Konsolidierung auf dem zuletzt erreichten Niveau von 5,-- DM pro Aktie zu rechnen gewesen.
Die Aktienkursentwicklung zeige, dass der Verkauf der Aktien zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, zu dem die wirtschaftlichen Indizien der Firma nach unten gerichtet und nur kurzzeitig ein höherer Börsenkurs bestanden habe. Die Fremdunüblichkeit liege darin, dass der Aktienkauf gerade zu dem Zeitpunkt stattgefunden habe, zu dem die Aktie einen erkennbar kurzfristigen, ungewöhnlich steilen Anstieg zu einem punktuellen Höchstkurs erfahren habe. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte die Aktie zu diesem vereinbarten Höchstkurs nicht erworben, sondern vielmehr erkannt, dass der Kurs zu diesem Zeitpunkt langfristig gesehen am oberen Ende der bisherigen Tiefst-/Höchst-kursbandbreite gelegen habe. Er hätte abgewartet und einen der langfristigen Kursentwicklung entsprechenden Kaufkurs ausgehandelt. Angesichts der Fremdunüblichkeit des Verhaltens obliege es der Klägerin darzutun, inwieweit andere nachvollziehbare Faktoren vorgelegen hätten, deren Vorteile die wirtschaftlichen Nachteile für die Gesellschaft bei Kauf zu diesem Höchstkurs ausgeglichen hätten. Dies habe die Klägerin nicht hinreichend dartun können.
Dem Gericht haben vier Bände Verwaltungsakten zur Steuernummer 35 232 2010 7 vorgelegen. Sie waren Gegenstand des Verfahrens.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet.
Der Beklagte hat in Höhe der vorgenommenen Teilwertabschreibungen zutreffend eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen. Soweit der Klägerin für die Finanzierung des Aktienkaufs Finanzierungskosten entstanden sind, sind diese jedoch nur insoweit als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren, wie sie auf den Kaufpreisanteil i.H.d. Teilwertabschreibung entfallen.
1. a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (Urteil des BFH vom 14. März 1990 I R 6/89 BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795 m.w.N.). Für die Mehrzahl der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.
Davon ausgehend ist die Anschaffung der Aktien in Höhe der Teilwertabschreibung als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren. Insoweit ist eine Vermögensminderung bei der Klägerin eingetreten, die - wie unten ausgeführt wird - auf Gründen des Gesellschaftsverhältnisses beruht. In Höhe der Teilwertabschreibung hat die Klägerin ihre Gesellschafter vom Risiko eines Wertverlustes der Beteiligungen freigestellt. Bei Verwirklichung dieses Risikos tritt dann eine effektive Vermögensminderung bei der Kapitalgesellschaft ein, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und somit eine verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz darstellt. Eines Vermögensabflusses bedarf es zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz nicht.
Dabei ist das Gericht anders als das Finanzamt allerdings der Auffassung, dass auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Aktien erwerben durfte, also der Erwerb als solcher nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Sind doch nach ständiger Rechtsprechung des BFH selbst hochspekulative Geschäfte (z.B. Devisentermingeschäfte) der Zuordnung zur betrieblichen Sphäre nicht entzogen (BFH-Urteil vom 20.04.1999 VII R 63/96, BStBl II 1999, 466). Selbst wenn sich eine entsprechende Risiko- und Spekulationsbereitschaft mit den Absichten und Neigungen des Gesellschaftergeschäftsführers decken sollte, ändert sich daran prinzipiell nichts. Auch unternehmerische Fehlmaßnahmen und -entscheidungen, so krass sie auch für den Außenstehenden sein mögen, bleiben betrieblich veranlasst und ziehen nicht automatisch eine verdeckte Gewinnausschüttung nach sich (BFH-Urteil vom 08.07.1998 I R 123/97, Deutsches Steuerrecht 1998, 1749). Schließlich gehört die mehr oder minder stark ausgeprägte Risikoträchtigkeit von Geschäften zum Wesen einer jeden unternehmerischen Tätigkeit. Der Geschäftsleiter bestimmt, welche geschäftlichen Risiken er eingehen will. Auch der Umstand, dass das Halten von Beteiligungen nicht zum eigentlichen Geschäftszweck der Klägerin gehört, schließt die Zuordnung derartiger Geschäfte in den betrieblichen Bereichen nicht aus. Etwas anderes gilt nur für reine Glückspiele, wie Lotto, Toto oder Roulette.
Neben der objektiven Eignung von Aktienbeständen zur Verstärkung des Betriebskapitals und damit zur Förderung des Betriebes zeigt sich im Streitfall die mangelnde gesellschaftliche Veranlassung des Aktienverkaufs insbesondere daran, dass in der Vergangenheit verhältnismäßig große Aktienbestände von der Klägerin gehalten wurden. So hat die Klägerin bereits in den Jahren 1988 bis 1989 und in den Jahren 1990 bis 1992 Wertpapiere im Wert von 6,1 Mio. bzw. 6.31 Mio DM gekauft und größtenteils über Kredite finanziert. Wertpapiergeschäfte in der vorliegenden Größenordnung waren daher nichts Außergewöhnliches für die Klägerin. Damit einhergehend hat die Klägerin auch Dividenden und Kursgewinne aus den Aktienbeständen erzielt, die von 1987 bis 1996 - nach ihren unwidersprochenen Angaben zufolge - i.H.v. insgesamt 2.503.372,-- DM steuerwirksam geworden sind.
Gleichwohl hätte im Streitfall ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter den Aktienkauf nicht in der geschehenen Weise abgeschlossen. Es ist höchst ungewöhnlich, bei einem so engen Markt wie im Streitfall den Preis von einem künftigen Börsenkurs abhängig zu machen. Bei der Enge des Marktes musste mit Kurssprüngen gerechnet werden, wie sie durch den Erwerb der 4 %igen Beteiligung durch Herrn Peter Weber auch eingetreten sind. Vor diesem Hintergrund hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter entweder den aktuellen Börsenkurs beim Erwerb der Aktien zugrunde gelegt, zumindest hätte er aber eine entsprechende Höchstgrenze für den Kauf vereinbart. Beides ist nicht geschehen. Unter den gegebenen Umständen ist das Gericht daher der Überzeugung, dass der Geschäftsführer der Klägerin in dem Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien Teilwertabschreibungen „mitnehmen” wollte. Dabei hat er das Risiko eines Kurssprungs und einer anschließenden Teilwertabschreibung jedenfalls bewusst in Kauf genommen, um ein Ergebnis zu erzielen, das für die Gesellschafter insgesamt gesehen günstig war. In Höhe des überhöhten Kaufpreises für die Aktien, der hier in Form der Teilwertabschreibung dokumentiert wird, liegt damit eine Veranlassung aus Gründen des Gesellschaftsverhältnisses vor. Der Betrag der Teilwertabschreibung ist folglich außerbilanziell als verdeckte Gewinnausschüttung hinzuzurechnen.
b) Neben einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz liegt im Zeitpunkt der Zahlungen des Kaufpreises für die Aktien bzw. im Zeitpunkt der Aufnahme der dafür erforderlichen Darlehen bei den Gesellschaftern in 1996 eine andere Ausschüttung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG vor. In diesem Zeitpunkt sind die der Vermögensminderung entsprechenden Mittel durch die Darlehensvereinbarungen mit den Gesellschaftern abgeflossen (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.1987 I R 260/83, BStBl II 1988, 460).
Die Verbuchung der Kaufpreisforderung auf den Verrechnungskonto im Zeitpunkt des Aktientransfers ist dabei noch nicht als Mittelabfluss anzusehen. Bei einem Verrechnungskonto ist zu unterscheiden, ob dieses als Rückstellungskonto geführt wird, oder ob es den Charakter eines Girokontos hat, das dem jederzeitigen freien Zugriff des Gesellschafters unterliegt. Nur bei jederzeitigem freien Zugriff liegt in der Gutschrift von Forderungen auf dem Verrechnungskonto gleichzeitig der Mittelabfluss (Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 18.04.1988, EFG 1989, 535). Voraussetzung für den Abfluss ist daher, dass die Gesellschaft entsprechend liquide ist. Nur dann besteht die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Gesellschafters über den Ausschüttungsbetrag (Streck, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz 5. Auflage, § 27 KStG Anm. 10). Im Streitfall haben die Gesellschafter aufgrund der Höhe der Kaufpreisforderung im Verhältnis des Aktivvermögens der Klägerin zum Zeitpunkt der Verbuchung der Kaufpreisforderungen noch keine wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Zu diesem Zeitpunkt standen der Gesellschaft keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung, um die Forderung ihrer Gesellschafter zu befriedigen. Demzufolge ist erst im Zeitpunkt der Umwandlung der Kaufpreisforderung in den Darlehensanspruch ein Abfluss i.S.d. § 27 Abs. 3 Satz 3 KStG gegeben. Die durch den Abfluss eingetretene Vermögensminderung korrespondiert dabei mit der Vermögensmehrung bei den Gesellschaftern, die einen in Höhe der Teilwertabschreibung überhöhten Kaufpreis für das Aktienpaket erhalten haben.
2. Hinsichtlich der in den Streitjahren angefallenen Darlehenszinsen liegen folgerichtig nur insoweit verdeckte Gewinnausschüttungen vor, wie die Aufnahme des Darlehens der Finanzierung des über den Teilwert hinausgehenden Teils des Kaufpreises diente. Die Aufnahme des übrigen Teils des Darlehens beruht nicht auf gesellschaftsrechtlichen Gründen, weil - wie oben ausgeführt - der Erwerb als solcher nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst ist.
b) Bezüglich des Zinsanteils liegt auch eine andere Ausschüttung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG vor. Das Finanzamt hat die Ausschüttungsbelastung im Prinzip zutreffend bereits im Zeitpunkt der Verbuchung der Zinsaufwendungen hergestellt, da die Gesellschafter jederzeitigen freien Zugriff auf das Vermögen der Klägerin hatten. Da auch die erforderliche Liquidität vorhanden war, bestand zum Zeitpunkt der Verbuchung auf dem Verrechnungskonto die wirtschaftliche Verfügungsmacht der Gesellschafter über den Ausschüttungsbetrag.
3. Die Neuberechnung der Steuerfestsetzungen bzw. Feststellungen nach Maßgabe dieses Urteils obliegt dem Finanzamt (§ 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Klägerin waren die Kosten ganz aufzuerlegen, da der Beklagte nur zu einem sehr geringen Teil unterlegen ist.