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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 10.09.2003 – 5 K 341/00

    1. Wird eine sich über zwei Geschosse erstreckende Wohnung in einer einheitlichen Baumaßnahme und unter erheblichem Bauaufwand (u.a. Einziehen einer Geschossdecke statt des bisher vorhandenen Schwimmbads, Umwandlung der Balkone/Terrassen in Nutzfläche durch Versetzen der Außenmauern) in zwei Arztpraxen umgebaut, so sind alle Aufwendungen sowohl unter dem Gesichtspunkt der „Erweiterung” (Steigerung der Wohn-/Nutzfläche von 210 auf 302 qm) als auch unter dem Aspekt der „wesentlichen Verbesserung” (dauerhaft veränderte Gebäudenutzung unter Steigerung des Ertragspotentials) i.S. des auch im Steuerrecht maßgeblichen § 255 Abs. 2 HGB als Herstellungskosten und nicht als Erhaltungsaufwand zu behandeln.

    2. Das von der neueren BFH-Rechtsprechung eingeführte Kriterium der Standardverbesserung ist bei der Prüfung, ob Anschaffungs-/Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwand vorliegen, nur bei baulichen Veränderungen an einem Wohnzwecken dienenden Gebäude maßgeblich, nicht aber bei Umbauten zu betrieblich genutzten Räumlichkeiten.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    wegen Einkommensteuer 1995

    hat der 5. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 10. September 2003 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, wie Aufwendungen des Klägers (Kl) zum Umbau einer eigengenutzten Wohnung in zwei Arztpraxen steuerlich zu behandeln sind.

    Der Kl ist von Beruf … und Eigentümer des Grundstücks … in … In den Jahren 1979 bis 1982 überbaute er dieses Grundstück mit einem Gebäude und ließ es anschließend in Wohneigentum/Teileigentum aufteilen. Im Erdgeschoss (EG) befinden sich zum einen Räumlichkeiten, die vom Kl an einen … vermietet wurden, zum anderen seine von ihm und der Klin betriebene … Im Obergeschoss (OG) liegt eine an einen … vermietete Praxis. Ebenfalls im OG und – über eine Treppe erreichbar – auch im Dachgeschoss (DG) hatten die Kl ihre als Einfamilienhaus bewertete eigengenutzte Wohnung. Für diese Wohnung hatte der Kl seit 1993 auf die Nutzungswertbesteuerung verzichtet. Wegen der Pläne und Baubeschreibungen für das Gebäude … im Einzelnen wird auf die in den Belegakten des Beklagten (Bekl) abgehefteten Unterlagen Bezug genommen.

    In den Jahren 1995 und 1996 baute der Kl die auf zwei Ebenen (OG und DG) liegende eigengenutzte Wohnung der Kl in zwei eigenständige Arztpraxen um. Die Geschossfläche veränderte sich hierbei von 1060 m² um 62 m² auf 1122 m², der umbaute Raum von 1017 m³ um 305 m³ auf 1322 m³ und die Wohn- bzw. Nutzfläche von 210 m² um 92 m² auf 302 m². Diese Erhöhungen gehen darauf zurück, dass er ein bislang in seiner Wohnung im Obergeschoss gelegenes Schwimmbad abgerissen und auf dessen Fläche eine Geschossdecke zwischen OG und DG neu eingezogen hat. Darüber hinaus hat er die Balkone/Terrassen seiner Wohnung zu Nutzflächen umgewandelt, indem er neue Außenmauern anbringen und das Dach des Gebäudes über die bisherigen Terrassen hinaus verlängern ließ. Weiter wurde bei der Umgestaltung die komplette Heizungsanlage ausgetauscht, bestehende Wände versetzt, vorhandene Fenster und Jalousien erneuert und umfangreiche Elektro-, Sanitär-, Gipser- und Malerarbeiten durchgeführt. Im zweiten OG tauschte der Kl die bereits vorhandene Fußbodenheizung komplett aus (Bodenbelag/Heizkreislauf und Steuerungstechnik), da – so sein Vortrag – wegen Undichtigkeiten der vorhandenen Fußbodenheizung bereits Wasserschäden in der Decke der darunter liegenden Räume aufgetreten waren. Soweit der bestehende Bau nicht mehr umweltgerechten Materialien enthielt, sind diese entfernt worden. So wurde unter anderem die Dacheindeckung aus Asbest-Zement-Platten entsorgt und durch eine Titan-Zink-Verkleidung ersetzt und im OG der nicht mehr zeitgemäße Terrakotta – Fliesenbelag (Modell 1980) auf Wunsch der Mieter des Kl mit zeitgemäßen hellen Fliesen überklebt. An verschiedenen Stellen ließ der Kl zusätzlich Trennwände einziehen.

    Die gesamten Aufwendungen für die Umbaumaßnahmen beliefen sich auf 1.069.336,69 DM. Wegen der Darstellung der baulichen Veränderungen, der im Einzelnen entstandenen Aufwendungen und der Rechnungen hierzu wird auf Bl. 74 bis 76 der Einspruchsakten sowie Bl. 1 bis 114 der Belegakten des Bekl Bezug genommen. Die ursprünglichen Herstellungskosten für die eigengenutzte Wohnung hatten 268.722 DM betragen. Nach dem Umbau vermietete der Kl die neu entstandenen Arztpraxen mit Verträgen vom 25. April und 1. Februar 1996 (Bl. 92 bis 103 der Finanzgerichts – FG – Akten) für … DM und … DM monatlich.

    In der Einkommensteuer (ESt) – Erklärung für das Streitjahr 1995 machte der Kl wegen der vorgenannten Umbauarbeiten von den in 1995 angefallenen Gesamtkosten in Höhe von 29.213,43 DM in ihrer Zusammenstellung der Kosten (Bl. 26 und 27 der ESt-Akten des Bekl, Sektion 1995) entsprechend einer Schätzung ihres Architekten … vom 10. Juli 1997 (Bl. 28 der vorgenannten ESt-Akten) 27,83 % (= 8.130 DM) als Herstellungskosten und 72,17 % (= 21.083,43 DM) als Erhaltungsaufwendungen (Rest) aus dem Objekt … in … geltend, die der Bekl in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ergangenem erstmaligen ESt – Bescheid 1995 vom 21. Oktober 1997 zunächst antragsgemäß berücksichtigte.

    Nach einer bei den Kl durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) kam der Prüfer in seinem Bericht (abgeheftet in den Bp – Akten des Bekl) vom … unter Tz. 1.05 zu folgender rechtlicher Einschätzung:

    „Nach Ansicht der Bp wurden diese Umbauarbeiten zum Zwecke der Nutzungsänderung von Wohn- zu betrieblichen Zwecken durchgeführt. Diese Änderung eines bereits bestehenden Wirtschaftsgutes führt zu einem anderen Wirtschaftsgut, da die Nutzung und Funktion des Gebäudeteiles sich geändert hat. Darüber hinaus wurden die Umbaumaßnahmen in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchgeführt, so dass die Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen nicht getrennt werden können.

    Nach Ansicht der Bp stellen somit alle Aufwendungen, außer denen für die Schließ- und Briefkastenanlage, nachträgliche Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 HGB i.V. mit R 157 Einkommensteuerrichtlinien dar.

    Die Abschreibung ist wie bisher nach § 7 Abs. 5 EStG mit 2 % zu ermitteln.”

    Der Bekl schloss sich dieser Rechtsauffassung des Prüfers an und erließ am … einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 1995. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde in diesem Bescheid aufgehoben.

    Hiergegen richtete sich der Einspruch der Kl vom 3. November 1998.

    Im Laufe des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens besichtigte der Bausachverständige des Finanzamts … das Objekt … Wegen seiner Feststellungen wird auf seine Schreiben vom … und … 1999 (Bl. 74 und 95 der Einspruchsakten 1996 des Bekl) Bezug genommen. Die Kl legten ergänzend eine Stellungnahme des Architekturbüros … vom … vor (Bl. 3 der Einspruchsakten 1995 des Bekl).

    Mit Einspruchsentscheidung vom … wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück.

    Zur Begründung ihrer Klage vom … tragen die Kl vor, der planende Architekt habe die auf die Erweiterung entfallenden Aufwendungen durch eine qualifizierte Schätzung mit 297.650 DM ermittelt (Bl. 39 und 40 der Finanzgerichts – FG – Akten). Sie seien nur in dieser Höhe als Herstellungskosten zu behandeln. Im Streitjahr ergebe sich daher ein von den Gesamtaufwendungen in den Jahren 1995 und 1996 in Höhe von 1.069.336 DM abgeflossener und sofort abzugsfähiger Betrag in Höhe von 21.083,43 DM.

    Ihre Wohnung sei mit einem offenem Kamin, einer großen Dachterrasse sowie einer großzügigen Schwimmhalle sehr anspruchsvoll ausgestattet gewesen. Sie sei nicht durch Brand, Erdbeben oder dergleichen unbrauchbar oder gar wegen Zerstörung unbewohnbar geworden. Für einen Vollverschleiß der bei Beginn der Modernisierung 15 Jahre alten Räume lägen keinerlei Anhaltspunkte vor. Nach den Feststellungen des Bausachverständigen des Bekl habe der Umbau durch eine neue Raumaufteilung eine andere Nutzbarkeit der Räume ermöglicht. Der Umbau habe das bestehende Gepräge des Gebäudes nicht verändert. Es seien 62 m² neue Geschossflächen entstanden, die dem Gebäude aber keine lebensverlängernde Gestaltung gäben. Das Gebäude sei in Teileigentum aufgeteilt.

    Ihre bisherige Wohnung, die zum überwiegenden Teil im OG gelegen gewesen sei, sich aber über zwei Stockwerke erstreckt habe, sei modernisiert und in zwei abgeschlossene Wohnungen aufgeteilt worden. Wie der Bekl zu der Erkenntnis gelangen könne, dass die Wohnung entkernt worden sei, könne nicht nachvollzogen werden. Unzutreffend sei auch die Feststellung des Bekl, die Inneneinteilung sei komplett erneuert worden. Im dritten OG, dem größeren Teil der Wohnung, sei z.B. nicht eine Innenwand entfernt worden. Bei der Gestaltung des Grundrisses habe man darauf geachtet, dass die Räume auch nach der Erweiterung um zusätzliche Flächen und unter Berücksichtigung der Wünsche der Mieter mit geringem Aufwand wieder als Wohnräume nutzbar gemacht werden könnten. So seien beispielsweise in der ursprünglichen Küche, im Hauswirtschaftsraum und in den Toiletten sämtliche Anschlüsse belassen worden, so dass nach dem Einbau von zwei Bädern und geringen Investitionen eine Penthouse-Wohnung und ein Loft in modernstem Zuschnitt verfügbar sei. Die Modernisierung sei bei laufendem Betrieb der im Gebäude befindlichen Unternehmen (beispielsweise … usw.) und unter schwierigen Bedingungen erfolgt, da sich das Gebäude inmitten einer Fußgängerzone befinde und nur von einer vielbefahrenen Straße aus über einen Baukran mit Material habe beliefert werden können.

    Bei diesem Sachverhalt stellten die von ihnen getätigten Aufwendungen in Höhe von 72,17 % keine Herstellungskosten, sondern Erhaltungsaufwand dar. Denn Herstellungskosten lägen nach der auch für die Begriffsbestimmung im Steuerrecht maßgeblichen Definition in § 255 Abs. 2 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) nur dann vor, wenn es sich um Aufwendungen handele, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seiner Erweiterung oder für seine über den ursprünglichen Zustand hinausgehend wesentliche Verbesserung entstünden.

    In den ESt – Richtlinien 1993 werde zwar noch die Auffassung vertreten, Herstellungskosten seien anzunehmen, wenn das Wirtschaftsgut in seinem Wesen erheblich verändert oder über seinen bisherigen Zustand hinaus deutlich verbessert werde. In den ESt – Richtlinien 1999 werde hingegen als Folge einer Rechtssprechungsentwicklung nicht mehr auf die „Wesensänderung” abgehoben. Der Bekl verkenne daher, dass Herstellungsaufwand nunmehr nur noch dann angenommen werden könne, wenn sich ein Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert habe. Dies sei vorliegend auszuschließen, weil sich das bestehende Gepräge des Teileigentums des Kl nicht verändert habe.

    Wegen der weiteren Ausführungen der Kl, insbesondere ihrer weitergehenden umfangreichen rechtlichen Erwägungen, wird auf ihre Schriftsätze vom 9. Februar 2001, 14. Mai 2001, 17. August 2001, 3. Dezember 2001, 15. Januar 2002, 24. Februar 2003 und 25. Februar 2003, teilweise mit Anlagen, Bezug genommen.

    Die Kl beantragen,

    den geänderten ESt-Bescheid 1995 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um 21.083,43 DM vermindert wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Bekl beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Er trägt unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung vor, es sei unstreitig, dass die Kl ihre bisherige Wohnung in zeitgemäße Praxisräume umgestaltet hätten. Hierfür sei die Wohnung entkernt, teilweise seien Außenwände versetzt und in dem Bereich, in dem sich bisher das Schwimmbad befunden habe, eine Zwischendecke eingezogen worden. Anschließend sei eine komplett neue Inneneinteilung erfolgt, die nach jetzigem Stand einen reibungslosen Ablauf der Praxisbetriebe ermögliche. Da sich die Nutzung und Funktion des Gebäudeteils durch die nun fremdbetriebliche Nutzung geändert habe, sei das bisherige Wirtschaftsgut „eigengenutzte Wohnung” nicht mehr existent, es sei ein neues Wirtschaftsgut „Gebäudeteil fremdbetrieblich” geschaffen worden. Werde ein Gebäude für eine andere als die bisherige Nutzung umgestaltet, so werde ein neuer Vermögensgegenstand i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB hergestellt. Die hierfür aufgewendeten Kosten seien Herstellungskosten.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Bekl wird auf seine rechtlichen Erwägungen in den Schriftsätzen vom 30. März 2001, 22. Juni 2001, 30. September 2001 und 6. Februar 2003, teilweise mit Anlagen, Bezug genommen.

    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Gründe

    Die zulässige Klage ist nicht begründet.

    Die von den Kl geltend gemachten Aufwendungen stellen Herstellungskosten dar.

    Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Herstellungskosten alle Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese Begriffsdefinition des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB gilt auch steuerrechtlich (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1990, 830). Dagegen gehören zu dem sofort als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG – zu berücksichtigenden Erhaltungsaufwand in der Regel alle Aufwendungen für die laufende Instandhaltung und Instandsetzung eines Gebäudes (BFH-Urteil vom 19. Juni 1991 IX R 1/87, BStBl II 1992, 73). Die Auslegung bzgl. der Frage, ob Erhaltungsaufwand oder Herstellungskosten vorliegen, hat entsprechend den Grundsätzen des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu erfolgen (BFH-Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97, BStBl II 2003, 569 und vom 22. Januar 2003 X R 9/99, BStBl II 2003, 596). Dies hat letztlich durch die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Erweiterung” und „über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung” zu geschehen.

    Eine Erweiterung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB liegt u.a. dann vor, wenn ein Gebäude aufgestockt oder daran ein Anbau errichtet wird, wenn seine Substanz vermehrt oder seine nutzbare Fläche vergrößert wird oder wenn nachträglich Bestandteile eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren (BFH-Urteile vom 16. Februar 1993 IX R 85/88, BStBl II 1993, 544 und vom 9. Mai 1995 IX R 88/90, BStBl II 1996, 628). Aufwendungen für die Erweiterung eines Gebäudes sind dabei stets als nachträgliche Herstellungskosten zu beurteilen, auch wenn die Erweiterung nur geringfügig ist, z.B. wenn eine Dachterrasse zu einem Wintergarten umgestaltet wird (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1998 IX R 80/95, BFH/NV 1999, 605). Insbesondere dann, wenn durch Baumaßnahmen ein größerer Raum geschaffen und damit zugleich die Wohnfläche vergrößert wird, stellt dies stets eine Erweiterung i.S. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB dar (BFH-Urteil vom 22. Januar 2003 X R 9/99, a.a.O.). Eine Erweiterung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB liegt nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil des BFH vom 27. September 2001 X R 55/98, BFH/NV 2002, 627) weiter dann vor, wenn ein Gebäude in seiner Substanz vermehrt wird. Dies ist der Fall, wenn nachträglich Bestandteile eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren (BFH-Urteil vom 19. September 1995 IX R 37/93, BStBl II 1996, 131) und damit die Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes erweitert wird (BFH-Urteil vom 17. Juni 1997 IX R 30/95, BStBl II 1997, 802).

    Zu den dann steuerlich als Herstellungskosten zu wertenden Aufwendungen zählen auch Kosten für Baumaßnahmen, die für sich gesehen zwar als Erhaltungsaufwand zu beurteilen wären, die jedoch mit den (reinen) Herstellungskosten in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichem Zusammenhang stehen, so dass beide in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden (BFH-Urteil vom 16. Juli 1996 IX R 34/94, BStBl II 1996, 649). Ein sachlicher Zusammenhang in diesem Sinne besteht, wenn die einzelnen Baumaßnahmen bautechnisch ineinandergreifen (BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BStBl II 1996, 632), d.h., wenn die eine Baumaßnahme durch die andere bedingt ist (BFH-Urteil vom 9. März 1962 I 192/61 U, BStBl III 1962, 195). Wird die Wohn- oder Nutzfläche eines Gebäudes erweitert, so stehen danach alle Maßnahmen, die als Vorbedingung für die Herstellungsarbeiten erforderlich oder durch die Herstellungsarbeiten selbst veranlasst (verursacht) sind, in dem eben bezeichneten sachlichen Zusammenhang (vgl. hierzu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 18. Juli 2003 IV C 3 – S 2211 – 94/03, BStBl I 2003, 386 Rz. 34 f.). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH selbst dann, wenn die Nutzflächenvergrößerung nur geringfügig ist (BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 1/87, BStBl II 1992, 73 und vom 9. Mai 1995 IX R 2/94, BStBl II 1996, 637). In derartigen Fällen liegen danach insgesamt Herstellungsaufwendungen vor (vgl. hierzu auch Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 2. März 2001 II 387/99, dokumentiert bei Juris).

    Eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung, die gemäß § 255 Abs. 2 S. 1 HGB zu Herstellungskosten führt, ist nach der Rechtssprechung des BFH (vgl. Urteil des BFH vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFH/NV 2002, 966) gegeben, wenn nach objektiven Maßstäben der Gebrauchswert eines Gebäudes gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs deutlich erhöht wird. Dies ist dann der Fall, wenn durch die Baumaßnahmen vorhandener Wohnraum einer maßgebend höherwertigen Nutzung zugeführt wird und dadurch zusätzliches Nutzungspotential entsteht (BFH – Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, a.a.O.) und damit die Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes erweitert wird (Stuhrmann. Abgrenzung und Abzug von Erhaltungsaufwand bei Gebäuden im Privatvermögen, Neue Wirtschaftsbriefe – NWB – Fach 3, S. 12573). Eine wesentliche Verbesserung liegt vor allem dann vor, wenn ein Wirtschaftsgut so verändert wird, dass eine andere Gebrauchs- oder Verwendungsmöglichkeit gegeben ist (Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Kommentar zum HGB, 6. Aufl. 1995, § 255 Anm. 125). Ändern muss sich daher z.B. die Funktion, d.h. die Zweckbestimmung des Gebäudes (Ellrott/Schmidt/Wendt im Beck'schen Bilanzkommentar, 3. Aufl. 1995, § 255 Tz. 378 und Scharfenberg, Deutsches Steuerrecht – DStR – 1997, 473ff.). Eine derartige Funktionsänderung stellt beispielweise der Umbau eines Einfamilienhauses zu einem Zweifamilienhaus (BFH-Urteil vom 19. August 1986 IX R 80/82, BFH/NV 1987.147) dar sowie eines Einfamilienhauses zum Bürogebäude bei dauerhaft veränderter Gebäudefunktion (vgl. hierzu unter Hinweis auf die Rechtssprechung des BFH Glanegger in Schmidt, Kommentar zum EStG, 22. Aufl. 2003, § 6 Anm. 199).

    Bei Anwendung dieser Grundsätze, denen der Senat nach rechtlicher Prüfung folgt, sind die von den Kl geltend gemachten Aufwendungen im Streitfall insgesamt als Herstellungskosten zu qualifizieren.

    Die Wohn- bzw. Nutzfläche der zuvor von den Kl eigengenutzten Wohnung wurde durch die Baumaßnahmen von 210 m² um 92 m² auf 302 m² und der umbaute Raum von 1017 um 305 m³ auf 1322 m³ erheblich erweitert bzw. vergrößert. Grund hierfür war im Wesentlichen zum einen, dass auf der bisherigen Fläche des im Obergeschoss gelegenen Schwimmbades eine komplett neue Geschossdecke zwischen Obergeschoss und Dachgeschoss eingezogen wurde und zum anderen, dass die Balkone/Terrassen zu Nutzflächen der Arztpraxen umgewandelt wurden. Auf den Balkonen/Terrassen wurden neue Außenmauern erstellt und das Dach des Gebäudes über die bisherige Fläche der Balkon/Terrassen hinaus verlängert. Dass diese Erweiterungen nicht nur unerheblich waren, spiegelt sich wieder in der Aufstellung der Kl über die Um- und Anbaukosten der Arztpraxen (Bl. 1 und 2 der Belegakten des Bekl). Danach entfallen auch betragsmäßig die größten Aufwendungen auf die von den Kl in Auftrag gegebenen Maurer- und Gipserarbeiten. Die Aufwendungen der Kl für diese Erweiterungsmaßnahmen, mit denen die nutzbare Fläche des Objekts vergrößert und seine Substanz vermehrt wurden, sind daher bereits als Erweiterung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB Herstellungskosten und schon deshalb grundsätzlich nur in Form von AfA als Werbungskosten abziehbar. Die Aufwendungen für die Baumaßnahmen, die in sachlichem Zusammenhang (bautechnisches Ineinandergreifen) mit diesen (Erweiterungs-)Herstellungskosten stehen und daher baulich – z.B. mit dem Einziehen der neuen Geschossdecke – verbunden sind, gehören ebenfalls zu den Herstellungskosten.

    Unabhängig hiervon trat im Streitfall durch die Umgestaltung der zuvor von den Kl eigengenutzten Wohnung eine wesentliche Verbesserung des (gesamten) Teileigentums nach § 255 Abs. 2 S. 1 HBG ein, weil dem Kl durch die dauerhaft veränderte Gebäudefunktion ein erweitertes Nutzungspotential des Objekts erwachsen ist. Zwar ist zutreffend, dass nach der neueren Rechtssprechung des BFH von einer deutlichen Erhöhung des Gebrauchswerts dann auszugehen ist, wenn der Gebrauchswert des Gebäudes von einem einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird (vgl. Wolff-Diepenbrock, Der Betrieb – DB – 2002, 1286, Kap. III Tz. 3). Diese „Standardverbesserung” ist jedoch nur ein Beispiel für die Beantwortung der Frage, wann sich das Nutzungspotential eines Objekts deutlich verbessert hat (vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Juli 2003 IV C 3 – S 221 – 94/03, BStBl I 2003, 386, Rz. 28). Darüber hinaus ist die Prüfung dieses Kriteriums (Standartverbesserung) nach Auffassung des Senats nur dann angezeigt, wenn bauliche Veränderungen bei einem Wohnzwecken dienenden Gebäude zu untersuchen sind, nicht bei Umbauten hin zu betrieblich genutzten Räumlichkeiten.

    So verhält es sich aber im Streitfall. Hier wurde in einer einheitlichen Baumaßnahme in einem Zug (vgl. Stuhrmann, a.a.O., S. 2610 Anm. 4) vom Kl das bisher Wohnzwecken dienende Objekt in zwei – anschließend vermietete – Arztpraxen umgestaltet. Die Baumaßnahmen waren dabei (zwangsläufig) insgesamt aufeinander abgestimmt und entsprachen einer einheitlichen Konzeption (vgl. hierzu auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 24. September 1998 14 K 128/93, Steuer-Eildienst –StEd – 1998, 741). Damit wurde im Ergebnis nicht – wie die Kl meinen – nur ihre Wohnung modernisiert und an die gestiegenen Anforderungen an Funktion und Ausstattung angepasst, sondern durch die Umgestaltung die Nutzung bereits vorhandener und neuer Flächen geändert (Scharfenberg, a.a.O., S. 473 Tz. 2.12. Wesensänderung). Bereits damit ist dem Kl eine erweiterte Nutzungsmöglichkeit seines Teileigentums erwachsen.

    Der Senat weist in diesem Zusammenhang abschließend noch darauf hin, dass es wenig wahrscheinlich ist, bei einer Vermietung einer 302 m² großen Wohnung in … die vorliegend durch die anschließende Vermietung als zwei Arztpraxen tatsächlich realisierten 4.510 DM monatlich zu erwirtschaften, was zusätzlich die Erweiterung des Nutzungspotentials in finanzieller Hinsicht erhellt.

    Die Entscheidung über die Kostentragung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

    VorschriftenHGB § 255 Abs. 2 S. 1, EStG § 9 Abs. 1 S. 1, EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, EStG § 7 Abs. 4, EStG § 7 Abs. 5