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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Beschluss vom 31.01.2006 – 4 K 5850/02 Z

    Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird nach Art. 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Überschreiten Sortiertätigkeiten bei Altkleidersammelware (Feinsortierung nach Stoffqualität und modischen Anforderungen) diejenigen, die von einem einfachen Sortieren nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in” oder „Ursprungserzeugnisse” und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen in der Fassung des Beschlusses Nr. 1/97 des Assoziationsrats zwischen den Europäischen Gemeinschaften einerseits und der Republik Polen andererseits vom 30.6.1997 (ABl. der EG Nr. L 221/1) erfasst werden?


    Tatbestand

    I.

    Die Klägerin wendet sich gegen die Mitteilung des Beklagten an die polnischen Zollbehörden, dass von ihr ausgestellte Ursprungserklärungen und von ihr vorgelegte Ursprungszeugnisse für Ausfuhren gebrauchter Textilien nach Polen unrichtig seien, weil die von der Klägerin ausgeführten Textilien keinen Gemeinschaftsursprung hätten.

    Die Klägerin betrieb einen zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb für das Einsammeln, Befördern, Lagern und Behandeln von Bekleidung und Textilien. Seit 1998 ist sie der Hauptentsorger der Stadt A und weiterer Gemeinden für Textilabfall, den sie in eigenen, allgemein zugänglichen Straßencontainern sammelt. Den Textilabfall sortierte sie in eigenen Anlagen nach besonderen, von ihren Kunden bestellten Sortimenten.

    Die Klägerin verfügte über Lagereinrichtungen mit Sortiertischen, eine LKW-Waage und eine Presse, um sortierte Waren und davon getrennt Abfallware zusammenzupressen.

    In den Räumen der Klägerin wurden in einem ersten Schritt die Originalsammelware von etwaigem Müll befreit, nach den einzelnen Bestandteilen getrennt, entweder nach verwendbarer und nicht verwendbarer Kleidung oder in noch verwendbare Kleider, Taschen, Gürtel, Schuhe und in nicht mehr verwendbare Kleider. Bei den nicht mehr verwendbaren Kleidern wurde unterschieden, in wieweit sie für weitere Verwertungsvorgänge (Fasergewinnung, Putzlappenherstellung, Dämmmaterial) eingesetzt werden konnten.

    In einem zweiten Schritt wurde weiter differenziert. Spätestens bei diesem Schritt wurde zwischen Bekleidung, Schuhen, Putzlappen und Recyclingmaterial sowie nach Haushaltstextilien, Damen-, Herren- und Kinderbekleidung unterschieden.

    Daran schloss sich in der dritten Stufe die Feinsortierung an. In dieser wurde hinsichtlich von Bekleidung und Bekleidungszubehör nach Stoffqualitäten und weiteren Kriterien gemäß kundenspezifischen Anforderungen in mehr als 80 verschiedene Kategorien sortiert. Für reine Damenbekleidung ergab sich beispielhaft folgende Sortenliste:

    Kleider aus Baumwolle Kleider aus Wolle Kleider aus Seide Kleider aus Polyester Röcke aus Baumwolle Röcke aus Wolle Röcke aus Wolljersey Röcke aus Seide Röcke aus Polyester Röcke aus Plissee Hosenröcke Blusen aus Baumwolle Blusen aus Wolle Blusen aus Jersey Blusen aus Seide Blusen aus Polyester Wäsche aus Baumwolle Wäsche aus Nylon Nachthemden aus Baumwolle Nachthemden aus Nylon Büstenhalter Hüftgürtel Strumpfhosen Seidenkopftücher Bikinis Badeanzüge Hosen aus Baumwolle Jeans Hosen aus Cord Hosen aus Wollmischungen Trenchcoats Pelzmäntel Wollmäntel Webpelzmäntel Mäntel mit Thermofutter Mäntel in Jackenform Damen-Blazer


    Sortiert wird nur von Hand. Die damit beschäftigten sechs bis acht Mitarbeiter der Klägerin hatten vor allem besonders modische Sachen sortiert nach den Kundenkreisen herauszusuchen.

    Die Mitarbeiter der Klägerin erhielten eine Einarbeitungszeit von ein bis vier Wochen und mussten für eine Dauerbeschäftigung die unabdingbare Fähigkeit haben, modische Trends zu erkennen.

    Die Klägerin lieferte 1998 und 1999 durch die Sortierung aufbereitete Textilien in Säcken verpackt an Einzelhändler in Polen. Um den Nachweis der Ursprungseigenschaft im Sinne der Präferenzregelungen zu führen, gab sie für die gelieferten Waren auf den Handelsrechnungen Ursprungserklärungen ab oder legte vom Zollamt B des Beklagten ausgestellte Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 vor, in denen der Gemeinschaftsursprung bestätigt wurde.

    Auf Ersuchen der polnischen Zollverwaltung nach Überprüfung von Präferenznachweisen fand bei der Klägerin eine Außenprüfung durch den Beklagten statt, deren Ergebnis im Prüfungsbericht vom 04.02.2000 zusammengefasst wurde. Darin wurde festgestellt, dass die Klägerin keine Unterlagen zum Ursprungsnachweis der ausgeführten Waren habe vorlegen können.

    Bei der von der Klägerin ausgeführten gebrauchten Kleidung der Position 6309 der Kombinierten Nomenklatur machten die eingesetzten Vormaterialien einen Positionswechsel, wie ihn die Listenregel zu den Ursprungsregelungen im Warenverkehr mit Polen fordere, erforderlich. Die nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in” oder „Ursprungserzeugnisse” und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen – Protokoll Nr. 4 – erforderlichen Voraussetzungen der ausreichenden Be- oder Verarbeitung sei jedoch im präferenzrechtlichen Sinn aufgrund des Tragens und sonstigen Gebrauchs der Bekleidung nicht gegeben.

    Die Ursprungserklärungen seien von der Klägerin zu Unrecht ausgestellt worden. Die Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 seien ebenfalls zu Unrecht ausgestellt worden.

    Mit Verfügung vom 19.07.2001 stellte der Beklagte bezugnehmend auf die Feststellungen im Prüfungsbericht die Unrichtigkeit der im Prüfungsbericht aufgeführten Ursprungserklärungen fest. Zugleich nahm er die von seinen Zollstellen ausgestellte Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 zurück. Weiter teilte er mit, dass er das Ergebnis der Außenprüfung den Behörden der Republik Polen bekannt geben werde.

    Den gegen diese Verfügung fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30.06.2002 als unbegründet zurück. Darin führte er aus, der Gebrauch einer Ware durch Tragen, Waschen etc. stehe nicht einer Bearbeitung und damit einer qualitativen Veränderung gleich. Insoweit werde nicht auf die Ware eingewirkt. Die Ware werde nur abgenutzt.

    Den Nachweis, dass die gebrauchten und verwerteten Textilien sämtlich Ursprungswaren der Gemeinschaft seien, weil sie vollständig in der Gemeinschaft gewonnen oder hergestellt worden seien, habe die Klägerin nicht erbracht.

    Art. 5 Abs. 1 Buchst: h des Protokolls Nr. 4 bestimme ausdrücklich, dass in der Gemeinschaft gesammelte Altwaren nur dann als in der Gemeinschaft vollständig gewonnen oder hergestellt gelten könnten, wenn sie nur zur Gewinnung von Rohstoffen verwendet werden könnten. Dies sei jedoch bei den Alttextilien gerade nicht der Fall, da sie weitergetragen werden sollten.

    Auch sei ein Positionswechsel unerheblich, da das hier gegebene Sortieren nur eine Minimalbehandlung darstelle. Es beschränke sich auf die Unterscheidung zwischen gebrauchsfähigen Altkleidern und Abfall.

    Zur Begründung der dagegen fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die von ihr ausgeführten Textilien seien keine Altwaren, sondern Waren der Position 6310, da diese Position auch abfallrechtlichen Abfall umfasse. Die von ihr gesammelte Ware sei vor der Sortierung abfallrechtlich Abfall.

    Selbst wenn die ausgeführten Waren nur Altwaren der Position 6309 sein sollten, gelte folgendes: Neukleidung werde durch Tragen, Waschen und Strapazieren zu einer Altware der Position 6309. Dieser Tarifsprung berechtige, die Altwaren als in der Gemeinschaft hergestellt zu betrachten. Insoweit liege auch keine Minimalbehandlung vor. Das insoweit in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 aufgeführte Waschen diene nur der Säuberung oder Desinfizierung bei der Einfuhr, mache aber aus einer neuen keine alte Ware, sondern belasse die Textilien in ihrem ursprünglichen Zustand. Dieser Zustand werde aber durch den täglichen Gebrauch der Textilien so geändert, dass sie zu Altwaren würden.

    Schließlich werde auf die völlig andere Praxis der eidgenössischen Zollverwaltung hingewiesen, die in dem von ihr vorgelegten Schreiben der Zollkreisdirektion M vom 04.09.2003 deutlich werde.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    festzustellen, dass die Mitteilung des Beklagten zur Unrichtigkeit der Ursprungserklärungen und Ursprungszeugnisse gegenüber den polnischen Zollbehörden rechtswidrig gewesen ist.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    und verweist zur Begründung auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, die Altkleider gehörten auch nicht in die Position 6310. Abfallrechtliche Bestimmungen seien insoweit unerheblich.

    Aus formalen Gründen hat der Beklagte die als Verwaltungsakte ergangenen angefochtenen Verwaltungsentscheidungen während des Klageverfahrens aufgehoben. Gleichwohl hat er der polnischen Zollverwaltung mitteilen lassen, die geprüften Ursprungserklärungen und Ursprungszeugnisse seien zu Unrecht erstellt worden. Dabei hat er auch auf diesen Rechtsstreit hingewiesen.

    Gründe

    II.

    Die Klage ist nach deutschem Recht in der Form einer Feststellungsklage zulässig, denn die Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, ob der Beklagte zu seiner Mitteilung gegenüber den polnischen Zollbehörden berechtigt war. Insoweit genügt nämlich auch ein schützenswertes wirtschaftliches Interesse. Das ist hier schon im Hinblick auf Schadensersatzansprüche der polnischen Abnehmer gegenüber der Klägerin gegeben. Bei Nichtanerkennung der von der Klägerin abgegebenen Ursprungserklärungen drohen den Abnehmern der Klägerin erhebliche Zollnachforderungen, aufgrund derer die Abnehmer von der Klägerin Schadensersatz verlangen werden.

    Auch beabsichtigt die Klägerin, bei einer ihr günstigen Entscheidung die Ausfuhren wieder aufzunehmen.

    Für den Streitfall richtet sich die Ursprungsbestimmung nach dem Protokoll Nr. 4 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in” oder „Ursprungserzeugnisse” und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen in der Fassung des Beschlusses Nr. 1/97 des Assoziationsrats zwischen den Europäischen Gemeinschaften einerseits und der Republik Polen andererseits vom 30. Juni 1997 (ABl. der EG Nr. L 221/1), dem Protokoll Nr. 4.

    Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 4 gelten Erzeugnisse, die in der Gemeinschaft im Sinne des Art. 5 des Protokolls Nr. 4 vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, als Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft. Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. h des Protokolls Nr. 4 sind in der Gemeinschaft Altwaren vollständig gewonnen und hergestellt, wenn sie nur zur Gewinnung von Rohstoffen verwendet werden können. Die von der Klägerin in der Gemeinschaft gesammelten Altwaren sind aber demgegenüber als Kleidung und nicht noch nur als Rohstoffe verwendbar. Wie die Klägerin im Erörterungstermin vom 03.09.2004 klargestellt hat, verkaufte sie ausschließlich hochwertige Waren, die unmittelbar an Einzelhändler gingen und nicht mehr nachsortiert wurden.

    Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 gelten Erzeugnisse, die in der Gemeinschaft nicht vollständig hergestellt worden sind, als Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft, wenn sie im Sinne des Art. 6 des Protokolls Nr. 4 ausreichend be- oder verarbeitet worden sind. Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 des Protokolls Nr. 4 ergeben sich die Bedingungen für eine ausreichende Bearbeitung aus dem Anhang II zum Protokoll Nr. 4. Danach sind für Altwaren als Waren des Kapitels 63 die Be- und Verarbeitungen von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft ursprungsbegründend, wenn sie derart hergestellt werden, dass alle verwendeten Vormaterialien in eine andere Position als die hergestellte Ware einzureihen sind.

    Hierbei ist unter Herstellen jede Be- oder Verarbeitung einschließlich besonderer Vorgänge zu verstehen, Art. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 4.

    Die Klägerin hat Altwaren der Position 6309 der Kombinierten Nomenklatur, des Anhangs I der VO (EWG) Nr. 2658/87, hier in der Fassung der VOen (EG) Nr. 2086/97 - ABl. der EG Nr. L 312 – und VO (EG) Nr. 2261/98 - ABl. der EG Nr. L 292 - ausgeführt. Unter diese Position fallen ausschließlich Waren, die augenscheinlich gebraucht sind (s. Erl KN (HS) Pos. 6309 Rz. 02.0) und u.a. in Säcken oder ähnlichen Verpackungen den Zollbehörden gestellt werden (s. Erl KN (HS) Pos. 6309 Rz. 04.0). Bei diesen Waren handelt es sich um Waren aus Spinnstoffen des Abschnitts XI (s. Erl KN (HS) Pos. 6309 Rz. 07.0), Schuhe und Kopfbedeckungen aller Art (s, Erl KN (HS) Pos. 6309 Rz. 09.0).

    Vormaterialien der Altwaren sind keine Altwaren, sondern andere Waren aus Spinnstoffen oder Schuhe, denn diese Waren waren nicht in der für Altwaren zwingend erforderlichen Weise in Massenladungen, Ballen, Säcken oder ähnlichen Gebinden verpackt (s.Erl KN (HS) Pos. 6309 Rz. 04.0). Selbst wenn die Originalsammelware teilweise auch in Säcken in die von der Klägerin aufgestellten Container eingeworfen wurde, wurden diese Verpackungen zum Sortieren entfernt. Derart unverpackte Waren sind, auch wenn sie gebraucht sind, wie Neuwaren einzureihen (s. Erl KN (HS) Pos. 6309 Rz. 10.0). Für die Vormaterialien sind Ursprungseigenschaften nicht mehr feststellbar.

    Das Sortieren der Originalsammelware ist auch ein Herstellen im Sinne des Art. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 4, denn das Herstellen umfasst jede Be- oder Verarbeitung einschließlich besonderer Vorgänge. Dieser weite Begriff des Herstellens führt dazu, dass auch Sortiervorgänge, wie sie im Streitfall vorgenommen wurden, als ein Herstellen angesehen werden können.

    Obwohl die ausgeführten Altwaren die Ursprungseigenschaften nach Art. 6 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 erfüllen, gelten Be- oder Verarbeitungen wie ein einfaches Sortieren einschließlich des Zusammenstellens von Sortimenten nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 nicht als ursprungsbegründend.

    Das Gleiche gilt, soweit neben dem einfachen Sortieren auch ein einfaches Aussondern tritt, das gleichfalls durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 erfasst wird. Auch das Zusammentreffen von zwei oder mehr der unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 genannten Behandlungen ist nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. g des Protokolls Nr. 4 nicht ursprungsbegründend.

    Die Schwierigkeiten, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 hinsichtlich des hier zu beurteilenden Sortierens zutreffend auszulegen, rechtfertigen die Vorlage.

    Insoweit ist zum einen unklar, ob die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 genannten Tätigkeiten nur in ihrer einfachen Form nicht ursprungsbegründend sind, oder ob sie schlechthin eine Ursprungsbegründung ausschließen. Die diesbezüglichen Erwägungen sind nachfolgend unter 1. dargestellt.

    Sollte dies dahingehend zu beantworten sein, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 genannten Tätigkeiten nur in ihrer einfachen Form nicht ursprungsbegründend sind, ist weiter unklar, ob die von der Klägerin an den von ihr ausgeführten Altwaren ausgeübte Sortiertätigkeit über eine einfache Tätigkeit hinausgeht. Die Erwägungen dazu sind folgend unter 2. dargestellt.

    1.

    Nach dem deutschen Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 ist zwischen einem einfachen, keinen Ursprung verleihenden Sortieren und anderem Sortieren, das einen Gemeinschaftsursprung verleiht, zu unterscheiden.

    Für die Auslegung des Protokolls Nr. 4 sind nach Art. 120 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits (ABl. EG Nr. L 382 v. 31.12.1993) die Fassungen der Amtssprachen der seinerzeitigen Mitgliedstaaten und die Fassung in polnischer Sprache maßgebend.

    Die Fassungen romanischer Sprachen (französisch, spanisch, italienisch, portugiesisch) dieser Vorschrift legen gleichfalls diese Auslegung nahe, denn darin ist von einfachen Tätigkeiten u.a. des Sortierens die Rede. Beispielsweise heißt es in der französischen Fassung: „les opérations simples … d'assortiment (y compris la composition de jeux de marchandises)”. Der englischen und niederländischen Fassung kann aber möglicherweise entnommen werden, dass die dort genannten Tätigkeiten, zu denen u.a. das Sortieren gehört, schlechthin einfach sind. In der englischen Fassung heißt es nämlich „simple operations consisting of…matching (including the making-up of sets of articles)” und in der niederländischen Fassung „eenvoudige verrichtingen zoals…assorteren (daaronder begrepen het samenstellen van sets van artikelen)”.

    Aus den weiter genannten Gründen ist allerdings eher die Annahme zu rechtfertigen, dass Tätigkeiten, wie sie in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 genannt sind, nur dann nicht ursprungsbegründend sind, wenn es sich nur um einfache Tätigkeiten handelt.

    Das insoweit zu berücksichtigende Internationale Übereinkommen zur Vereinfachung und Harmonisierung von Zollverfahren, angenommen durch Beschluss des Rates vom 03.06.1977 (ABl. der EG Nr. L 166/1), enthält anders als das Übereinkommen über Ursprungsregeln des GATT 1994 (ABl. der EG Nr. L 336/144 v. 23.12.1994) keine Beschränkung auf nichtpräferenziellen Ursprung.

    Norm 6 der Anlage D.1 des Internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung und Harmonisierung von Zollverfahren bestimmt, dass nicht als wesentliche Be- oder Verarbeitung solche Arbeitsvorgänge gelten, die nicht oder nur wenig zu den wesentlichen Merkmalen oder Eigenschaften der Waren beitragen.

    Beispielhaft benennt die Norm dazu u.a. folgende Vorgänge:

    a) Behandlungen, die zur Erhaltung der Waren während ihres Transports oder ihrer Lagerung erforderlich sind,

    b) Behandlungen, die der Verbesserung der Aufmachung oder Handelsgüte der Waren oder ihrer Vorbereitung für den Transport dienen, wie…das Zusammenstellen von Packstücken, das Zusammenstellen und Einordnen von Waren,

    c) einfache Zusammensetzungsarbeiten.

    Im Umkehrschluss müssen weitergehende Vorgänge, die zu den Merkmalen und Eigenschaften der zu beurteilenden Ware wesentlich beitragen und nicht zu den beispielhaft genannten Vorgängen gehören, ursprungsbegründend sein, wenn sie die weiteren Voraussetzungen (beispielsweise den Tarifsprung) erfüllen. Gerade der Vergleich mit den beispielhaft in Norm 6 genannten Vorgängen zeigt, dass nur ganz einfache Behandlungen, die die Erhaltung der Ware betreffen, ihrer Aufmachung, der Verbesserung ihrer Handelsgüte oder der Transportvorbereitung dienen, nicht ursprungsbegründend sein sollen. Dies wird auch durch die besondere Erwähnung nur einfacher Zusammensetzungsarbeiten als Ausschluss einer Ursprungsbegründung deutlich.

    Im Regelfall soll es nämlich bei der allgemeinen Ursprungsregel, hier dem Tarifsprung, d.h. dem Positionswechsel, bleiben und weitere Kriterien sollen nur Ausnahmen darstellen, s. Anmerkung 2 zur Norm 3 der Anlage D.1 des Internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung und Harmonisierung von Zollverfahren. Abweichungen von der gewählten Ursprungsregel sind nämlich nur Ausnahmen. Damit müssen Auslegungen, die diese Ausnahmen weit auslegen, grundsätzlich ausscheiden. Insoweit sind Tätigkeiten, wie sie in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 genannt sind, nur in ihrer einfachen Form einer Begründung des Ursprungs abträglich, nicht aber, wenn sie schlechthin ausgeübt werden.

    2.

    Rechtlich unklar ist weiter, ob die von der Klägerin an den von ihr ausgeführten Altwaren ausgeübte Sortiertätigkeit über eine einfache Tätigkeit im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 4 hinausgeht.

    Rechtsprechung des EuGH gibt es hierzu nicht. Nur hinsichtlich der Ursprungsbegründung durch eine Montage hat der EuGH mit Urteil vom 13. Dezember 1989, C-26/88, Rzn. 17, 19, 20, Slg. 1989, 4253 ff., ZfZ 1990, 45 f., einige Kriterien aufgestellt.

    Danach sind einfache Zusammensetzungsarbeiten Vorgänge, die weder Arbeitskräfte mit besonderer Qualifikation noch hoch entwickelte Gerätschaften noch besonders für die Montage ausgerüstete Fabriken erfordern (Urteil vom 13. Dezember 1989, C­26/88, Rz. 17).

    Andererseits kann ein Montagevorgang ursprungsbegründend sein, wenn er aus technischer Sicht und im Hinblick auf die Definition der Waren die entscheidende Herstellungsstufe bildet, auf der die Bestimmung der verwendeten Bestandteile konkretisiert wird und auf der der Ware ihre besonderen qualitativen Eigenschaften verliehen werden (Urteil vom 13. Dezember 1989, C-26/88, Rz. 19, s. a. EuGH Urteil vom 31. Januar 1979, Rs. 114/78, Rz. 9, Slg. 1979, 151).

    Hilfsweise kann dabei auf die durch die Montage erzielte Wertschöpfung abgestellt werden (Urteil vom 13. Dezember 1989, C­26/88, Rz. 20).

    Andere Kriterien werden auch nicht in der Literatur vorgeschlagen.

    Die Anwendung dieser Kriterien lässt eine über ein einfaches Sortieren hinausgehende Qualifikation der Tätigkeit der Klägerin möglich erscheinen.

    Dass sich die Klägerin für das Sortieren nur angelernter Kräfte bediente, ist unerheblich, da es Ausbildungsberufe, die eine entsprechende Qualifikation sicherstellen, nicht gibt. Entscheidend für die Klägerin war die Fähigkeit ihrer mit dem Sortierten befassten Mitarbeiter, modische Trends zu erkennen und so die Sortimente zusammenstellen zu können. Die Qualität der Sortimente bestimmte nämlich die Zufriedenheit der Kunden der Klägerin, bei denen es sich um Einzelhändler handelte, die eine eigene Ausarbeitung der Altwaren nicht mehr vornahmen.

    Ohne die Fähigkeit, modische Trends erkennen zu können, waren die Mitarbeiter für die Klägerin praktisch nutzlos. Damit stellt diese Fähigkeit eine Qualifikation dar, die die ausgeübte Tätigkeit als über eine bloße Hilfstätigkeit hinausgehend erscheinen lässt.

    Gleichfalls muss auch der Umstand, dass die Klägerin das Sortieren und Zusammenstellen der Sortimente von Hand durchführen ließ und hierzu über keine besonders ausgerüstete Fabrik verfügte, nicht zwingend für die Feststellung des Gemeinschaftsursprungs schädlich sein.

    Anders als bei einer Montage stellt der Maschineneinsatz beim Sortieren kein auf eine einfache Tätigkeit hindeutendes Qualitätskriterium dar. Während maschinelles Sortieren sich je nach Einstellung und Einsatz der Maschine und ihrer Sensoren nur auf wenige messbare Kriterien wie beispielsweise Größe, Gewicht und genau definierte Farben beschränken kann, erlaubt ein manuelles Sortieren die Anwendung wesentlich komplexerer Maßstäbe wie etwa eines bestimmten modischen Trends. Dies konnte und könnte auch jetzt von Maschinen mit einem vertretbaren Aufwand gar nicht geleistet werden.

    Selbst das Abstellen auf die entscheidende Herstellungsstufe lässt im Streitfall mehrere Entscheidungen zu. Diese ist aus technischer Sicht und im Hinblick auf die Definition der Waren zu bestimmen (s.o. und EuGH Urteil vom 13. Dezember 1989, C-26/88, Rz. 19, aaO.; Urteil vom 31. Januar 1979, Rs. 114/78, Rz. 9, aaO.).

    Würde nur auf etwaige Veränderungen an dem Kleidungsstück abgestellt, das von einem Verbraucher in einen der Container der Klägerin hineingeworfen, dann von der Klägerin durch Aussondern und Sortieren gewonnen und schließlich ausgeführt wurde, wären Veränderungen nicht feststellbar. Die von der Klägerin ausgeführten, sauberen, modisch tragfähigen und tatsächlich gebrauchsfähigen Kleidungsstücke sind unverändert geblieben.

    Eine solche Sichtweise würde aber völlig die Tätigkeit der Klägerin ausblenden. Die Klägerin sammelt nämlich in ihren Containern besondere Abfälle, die sie erst aufbereiten muss. Die bloß gesammelten Abfälle sind aus abfallrechtlichen Gründen weder ausfuhrfähig noch ohne Aufbereitung von einem nennenswerten Wert. Ausgehend von der Sammelware, die sich in den Containern der Klägerin befindet, stellt die von ihr vorgenommene Aufbereitung die für die Ausfuhrware entscheidende Herstellungsstufe dar.

    Im Hinblick darauf, dass die Klägerin Altwaren der Position 6309 ausführt, stellt gerade ihre Tätigkeit die entscheidende Herstellungsstufe dar, denn nur dadurch erreichen die Altwaren die Verkaufsqualität.

    Die Annahme, dass das von der Klägerin geleitete Sortieren und Aussondern die entscheidende Herstellungsstufe darstellt, wird auch durch die dadurch bewirkte Wertschöpfung bestätigt. Die von der Klägerin gesammelte und so noch wertlose Ware erlangte erst durch die von ihr vorgenommene Aufbereitung einen Wert, der sich zwischen ca. 0,70 bis 1,00 DM/kg (0,36 bis 0,51 EUR/kg) bewegte.

    Für die Annahme einer entscheidenden Herstellungsstufe spricht auch das EuGH-Urteil vom 26. Januar 1977, Rs. 49/76, Rz. 6, Slg. 1977, 41 ff.. Danach ist nicht nur eine Minimalbehandlung, sondern eine wesentliche Be- oder Verarbeitung anzunehmen, wenn das aus der Be- oder Verarbeitung hervorgegangene Erzeugnis besondere Eigenschaften besitzt und von einer spezifischen Beschaffenheit ist, die es zuvor nicht hatte. Eine Ursprungsbegründung ausschließende Vorgänge, die nur die Aufmachung eines Erzeugnisses im Hinblick auf seine Verwendung betreffen, nicht aber zu einer erheblichen qualitativen Änderung seiner Eigenschaften führen, lassen sich im Streitfall durch den Wertzuwachs und die Tätigkeit der Klägerin ausschließen.

    Maßgebend für die Aussetzung des Verfahrens zur Vorabentscheidung war weiter, dass nicht nur beim vorliegenden Gericht, sondern auch bei anderen deutschen Finanzgerichten gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten anhängig geworden sind, nachdem die deutsche Zollverwaltung ihre frühere Verwaltungspraxis, auch in solchen Fällen einen Gemeinschaftsursprung anzunehmen, aufgegeben hatte. Diese Rechtsstreitigkeiten haben bislang nicht zur Klärung der Ursprungsfrage geführt, s. Urteil des BFH vom 15.11.2005, VII R 55/04.

    Auch hätte eine Entscheidung des EuGH nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Staaten eine Bedeutung, in die die Altwaren eingeführt wurden und in denen es bei Annahme fehlenden Gemeinschaftsursprungs zu Zollnacherhebungen kommt.

    VorschriftenVO (EG) 2086/97, VO (EG) 2061/98, VO (EWG) 2658/87 Anhang 1, KN Position 6309, Erl. KN Pos. 6309 Rz. 02.0, Erl. KN Pos. 6309 Rz. 04.0, Erl. KN Pos. 6309 Rz. 07.0, Erl. KN Pos. 6309 Rz. 09.0, Internationales Übereinkommen zur Vereinfachung und Harmonisierung von Zollverfahren Anlage D.1