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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Beschluss vom 06.07.2006 – 5 V 2015/06

    Zur Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG beim Tausch von Gesellschaftsanteilen gegen noch zu bildende Anteile an einer amerikanischen Gesellschaft, fallendem Aktienkurs vor Erfüllung und dem Vorliegen von Treuhandvereinbarungen.


    BESCHLUSS

    In der Streitsache

    hat der 5. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht xxx, des Richters am Finanzgericht xxx und der Richterin am Finanzgericht xxx ohne mündliche Verhandlung am 06. Juli 2006 beschlossen:

    1. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1997 vom 16.12.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2005 wird in Höhe von 6.780 Euro aufgehoben. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

    2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 91%, der Antragsgegner zu 9%.

    Tatbestand

    I.

    Streitig ist im Hauptsacheverfahren unter dem Az. 5 K 4385/05, in welcher Höhe der Antragsteller Einkünfte nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) aus dem Verkauf seiner Anteile an der … …. GmbH an die W… GmbH (W…), einer Tochtergesellscchaft der O…. (O.), erzielt hat.

    Der Antragsteller hat seine Anteile zusammen mit den übrigen Anteilseignern mit notarieller Urkunde vom 28.01.1997 an W… veräußert. Als Gegenleistung war neben einer Barleistung (cash payment) auch die Hingabe von Aktien der O. vereinbart. In einer Vielzahl von Zusatzvereinbarungen sind Bedingungen hinsichtlich der in Aktien bestehenden Gegenleistung vereinbart worden.

    Die Aktien wurden dem Antragsteller am 25.08.1997 auf seinem Wertpapierkonto gutgeschrieben, unterlagen aber Verfügungsbeschränkungen. Weitere, als escrowed shares bzw. reserved shares bezeichnete Aktien unterlagen Treuhandvereinbarungen und ebenfalls Verfügungsbeschränkungen.

    Die Verfügungsbeschränkungen wurden am 08.01.1998 aufgehoben, die Freigabe aus der Treuhand erfolgte am 28.07.1998. Der Aktienkurs betrug am 28.01.1997 USD 5,625, am 25.08.1997 USD 3,375 und am 08.01.1998 USD 1,375.

    Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 04.11.2005, die Akten und die von den Antragstellern vorgelegten, teilweise in die deutsche Sprache übersetzten Verträge und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

    Die Antragsteller beantragen, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1997 vom 16.12.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2005 in Höhe von 64.012 EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit aufzuheben sowie die Vollziehung des Bescheids über Zinsen zur Einkommensteuer 1997 vom 16.12.2002 in Höhe von 13.646,77 EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.

    Der Antragsgegner (Finanzamt) beantragt, den Antrag abzulehnen.

    Gründe

    II.

    Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, nur teilweise begründet.

    1. Bezüglich Zinsen zur Einkommensteuer 1997 ist der Antrag nach Aktenlage unzulässig, da ein Vorverfahren nicht durchgeführt wurde, § 44 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Einspruchsentscheidung vom 04.11.2005 bezieht sich nur auf die Einkommensteuer 1997.

    2. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden überschlägigen Beurteilung des aktenkundigen Sachverhalts treten neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Streitsache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht bewirken (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO; Bundesfinanzhof – BFH – Beschlüsse vom 15.01.1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994; vom 24.02.2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298).

    Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, soweit der Antragsgegner den Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG für die Übertragung der Anteile an die W… GmbH mit mehr als 1.579.418 DM angesetzt hat.

    a) Im Streitfall liegt eine Veräußerung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG in Form einer Barzahlung sowie eines Tausches von Gesellschaftsanteilen vor. Der Veräußerungspreis bemisst sich somit nach dem in bar erlangten Kaufpreis sowie nach dem Wert der erlangten O.-Gesellschaftsanteile. Hierfür ist deren gemeiner Wert maßgebend, der nach § 9 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen, nicht aber ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse. Nach § 11 Abs. 2 BewG hat die Wertermittlung nach diesen Grundsätzen auch zu erfolgen, wenn es sich – wie im Streitfall – um die Bewertung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft handelt, die am Stichtag nicht an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind. Werden diese Anteile wie vorliegend an einer ausländischen Börse gehandelt und im Inland keine Kurswerte veröffentlicht, so ist ihr Wert dem Sinn des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG entsprechend regelmäßig aus den dortigen Kursnotierungen abzuleiten und für den Bewertungsstichtag in DM bzw. Euro umzurechnen (vgl. Beschluss des Finanzgerichts – FG – München vom 05.07.2002 11 V 209/02, juris, m.w.N.).

    Der Veräußerungsgewinn ist gemäß § 17 Abs. 2 EStG grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (BFH-Urteil vom 07.03.1995 VIII R 29/93, BStBl II 1995, 693). Auf den Zufluss des Entgelts kommt es grundsätzlich nicht an. Der Übergang der wirtschaftlichen Inhaberschaft an Kapitalgesellschaftsanteilen setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Berechtigte alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben kann, also neben dem Gewinnbezugsrecht und der Teilhabe an Wertveränderungen der Anteile alle Verwaltungsrechte einschließlich des Stimmrechts (BFH-Urteil vom 18.05.2005 VIII R 34/01, BStBl II 2005, 857).

    Der BFH hat jedoch mehrfach zum Begriff der Veräußerung in §§ 16 und 17 EStG entschieden, dass spätere Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Kaufpreis so lange und so weit materiellrechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen seien, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt habe (vgl. jüngst zu § 16 EStGBFH-Urteil vom 12.10.2005 VIII R 66/03, BStBl II 2006, 307).

    Den Regelungen liege die Annahme zu Grunde, dass das Veräußerungsgeschäft ohne Störungen so abgewickelt werde, wie es vertraglich vereinbart worden sei. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers solle jedoch nur der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn der Besteuerung unterworfen werden. Deshalb wird diskutiert, ob nach dem sog. Nettoprinzip Kursverluste einer in einer Fremdwährung bestehenden Kaufpreisforderung zwischen der Veräußerung und der Erfüllung der Forderung zu berücksichtigen sind; gleiches muss ggf. auch für Kursveränderungen von börsennotierten Gesellschaftsanteilen als Gegenleistung gelten (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn 279, 283 m.w.N.).

    b) Der Senat hat bei summarischer Prüfung Bedenken, ob er sich dieser Auffassung anschließen kann, da sie bei jedem Fall der Gegenleistung in Form von nicht bereits bei Vertragsschluss zu übergebenden Aktien die gesetzliche Grundentscheidung der Gewinnermittlung zum Stichtag der Veräußerung regelmäßig in ihr Gegenteil verkehren würde, nämlich in die Gewinnermittlung zum Zeitpunkt der Erlangung der Gesellschaftsanteile. Dies entspricht möglicherweise nicht der wirtschaftlichen Sichtweise der am Kaufvertrag beteiligten Parteien, der auch die steuerliche Bewertung von Leistung und Gegenleistung zum maßgeblichen Stichtag entsprechen sollte. Denn durch die vertragliche Bindung ohne weitere salvatorische Klauseln hat der Veräußerer das Risiko einer für ihn negativen Entwicklung des Kurswerts, aber auch die Chance einer Wertsteigerung der erworbenen Aktien übernommen. Auf einen bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses absehbaren und damit einkalkulierten Kursrückgang deutet vieles hin, wenn eine im Verhältnis zum Unternehmenswert erhebliche Gegenleistung durch neue, erst zu bildende Aktien geleistet werden soll.

    Soweit die Streitfrage jedoch im Streitfall von Bedeutung ist, bejaht der Senat das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids, und zwar in folgendem Umfang:

    aa) Der als Barzahlung zu entrichtende Teil des Veräußerungspreises ist – wie im Kaufvertrag – mit 735.750 DM anzusetzen. Die von den Antragstellern begehrte Reduzierung auf 733.320 DM wegen eines im Zahlungszeitpunkt niedrigeren Dollarkurses ist nicht anhand von präsenten Beweismitteln nachgewiesen.

    bb) Hinsichtlich der Bewertung der erlangten O.-Anteile ist zwischen dem stock payment und den im Escrow Agreement erfassten escrowed shares sowie reserved shares zu unterscheiden.

    aaa) Für das stock payment wurde im Kaufvertrag die Aushändigung von Aktienzertifikaten vereinbart. In einem dem Kaufvertrag beigefügten Exhibit L „Stock restriction and registration rights agreement” statuierten die Veräußerer und die O. ein Veräußerungs- und Belastungsverbot, das im ersten Jahr 79% und im zweiten Jahr 39% des stock payment erfasste und am 08.01.1998 aufgehoben wurde. Diese Vereinbarung stellt bei summarischer Prüfung eine schuldrechtliche Verfügungsbeschränkung dar, die sich auf den Wert der Gegenleistung nicht auswirkt. Daher sind die der restriction unterliegenden Aktien nicht mit dem Kurswert zum 08.01.1998 zu bewerten. Vielmehr sieht der Senat als Zeitpunkt für die Bewertung der Gegenleistung das Datum der Gutschrift der Aktien im Wertpapierdepot des Antragstellers als maßgeblich an. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte W… ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt und der Antragsteller rechtliches und wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erlangt. Die Aktien wurden seinem Depot am 25.08.1997 mit einem Kurswert von 3,375 USD gutgeschrieben. Ob der Antragsgegner demgegenüber den Kurswert bei Vertragsschluss (5,625 USD) ansetzen durfte, erscheint ernstlich zweifelhaft.

    Für einen Bewertungsabschlag ist bei summarischer Prüfung kein Raum, da die Aktien zum Börsenhandel zugelassen waren. Ein Abschlag kommt lediglich dann in Betracht, wenn es sich um sog. junge Aktien handelt, die im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung ausgegeben werden und (noch) nicht zum Börsenhandel zugelassen sind (vgl. FG München a.a.O. m.w.N.).

    bbb) Die Escrowed Shares waren zur Absicherung der Verpflichtungen der Veräußerer aus dem Kaufvertrag bestimmt, die Reserved Shares zur Absicherung eines eventuellen negativen Eigenkapitals der Veräußerer in der Schlussbilanz der … … GmbH. Beide Aktienbündel wurden an Treuhänder übertragen, der Antragsteller behielt neben allen anderen Rechten als Aktionär das Stimmrecht, unterwarf sich aber wiederum umfangreichen Verfügungsbeschränkungen. Da der Antragsteller beide Aktienpakete als Sicherheit eingesetzt und sich damit den Aktienwert zu eigen gemacht hat, vertritt der Senat bei summarischer Prüfung die Auffassung, dass er bereits beim Abschluss des Kaufvertrags am 28.01.1997 wirtschaftlicher Eigentümer der Escrowed Shares und der Reserved Shares geworden ist. Diese Aktien sind daher mit 5,625 USD zu bewerten, wobei die Herabsetzung der Zahl der Reserved Shares auf 4.613 Stück als rückwirkende Kaufpreisminderung zu berücksichtigen ist.

    cc) Als Veräußerungskosten können nur die durch präsente Beweismittel nachgewiesenen 18.400 DM berücksichtigt werden.

    c) Der Veräußerungsgewinn ist daher für Zwecke der Aufhebung der Vollziehung wie folgt zu ermitteln:

    Veräußerung Prof. xxxx (unstreitig)145.000 DM


    Veräußerung W… :

    – Barzahlung735.750 DM
    – Stock Payment 19.336 Aktien × 3,375 USD × 1,8424 =120.233 DM
    – Escrowed Shares 76.316 Aktien × 5,625 USD × 1,6296 =699.550 DM
    – Reserved Shares 4.613 Aktien × 5,625 USD × 1,6296 =42.285 DM
    ./. Veräußerungskosten./. 18.400 DM
    Veräußerungsgewinn1.724.418 DM
    (bisher angesetzt1.774.498 DM)
    Einkommensteuer 1997436.710 DM
    (bisher festgesetzt439.970 DM)


    Dies führt für Zwecke der Aufhebung der Vollziehung zu einer Reduzierung der festgesetzten Einkommensteuer 1997 um 13.260 DM = 6.780 EUR.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 17