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  • 08.01.2010

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 20.09.2001 – 12 K 5320/00

    1. Der Wirksamkeit der Bekanntgabe steht nicht entgegen, dass die Postzustellungsurkunde im Adressfeld den angegebenen Empfänger nicht als den gem. § 183 AO gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten ausweist.

    2. Mit der Niederlegung beim Postamt der Wohnsitzgemeinde und der Mitteilung hierüber ist die Ersatzzustellung gem. § 3 Abs. 3 VwZG i.V.m. § 182 ZPO vollzogen und damit die Zustellung der angefochtenen Bescheide rechtswirksam.

    3. Durch den Hinweis auf die Abweichungen in dem Steuerbescheid wird der ursächliche Zusammenhang zwischen unterbliebener Anhörung und Versäumen der Einspruchsfrist unterbrochen und überlagert.


    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Tatbestand

    Bei der Klägerin handelt es sich um eine mit Vertrag vom 1.12.1993 gegründete Kommanditgesellschaft, deren Gegenstand in der Verwaltung des Grundvermögens der Gesellschaft, insbesondere dessen Vermietung sowie die Erbringung von Dienstleistungen für die Mieter und der Handel von Waren des täglichen Mieterbedarfs besteht. Persönlich haftender Gesellschafter ist die A Verwaltungsgesellschaft mbH ohne Kapitaleinlage, Kommanditisten sind die Eheleute B.Z und C.Z mit einer im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage von je vier Millionen DM. In dem am 20.4.1994 beim ursprünglich zuständigen Finanzamt E abgegebenen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung von Personengesellschaften sind die Eheleute Z als Empfangsbevollmächtigte der Gesellschaft angegeben.

    Die Steuererklärung der Klägerin für 1993 ging am 7.3.1995, die Steuererklärung 1994 am 1.12.1995 bei der beklagten Behörde (dem Finanzamt) ein. Die von dieser erlassenen, gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheide für 1993 vom 3.11.1995 und 1994 vom 12.2.1996 stellten erklärungsgemäß ausgleichsfähige Verluste der Klägerin in Höhe von insgesamt 6.150.676 DM (1993) bzw. 2.801.858 DM (1994) fest. Mit Bescheid vom 29.12.1999 änderte das Finanzamt die Feststellungsbescheide 1993 und 1994 nach § 164 Abs. 2 AO dahingehend ab, dass es die zuvor als sofort abziehbar ausgewiesenen Verluste unter Anwendung des § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in verrechenbare Verluste umqualifizierte. Die Gründe für die Änderung werden in der Anlage zum Änderungsbescheid, der mit dem Hinweis versehen ist, dass der Vorbehalt der Nachprüfung für 1993 und 1994 bestehen bleibe, ausführlich erläutert. U. a. wird darin ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG nicht vorlägen, da der Erlös aus der Veräußerung des in den neuen Bundesländern befindlichen Grundbesitzes der Klägerin zweifelsohne ausreiche, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu tilgen. Zwar lägen die Buchwerte des Grundbesitzes laut Bilanz unter den Wertansätzen der Verbindlichkeiten.

    Allerdings sei zu berücksichtigen, dass in dem Grundbesitz erhebliche stille Reserven schlummerten. Unter diesen Umständen sei nicht mit der Inanspruchnahme eines Kommanditisten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu rechnen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgenannten Änderungsbescheid und die diesem beigefügte Anlage Bezug genommen. Der an A.Z als Empfangsbevollmächtigten der Klägerin gerichtete geänderte Feststellungsbescheid wurde dem Adressaten mit Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt. Die PZU enthält in dem mit „1.1 Geschäftsnummer” überschriebenen Feld die um die Kenn-Nummer des Finanzamts und das Stellenzeichen des zuständigen Bezirks ergänzte Steuernummer der Klägerin und in dem unmittelbar daneben gelegenen Feld „1.2 Ggf. weitere Kennz.” die Angabe „geänderter Feststellungsbescheid für 1993 und 1994”. Ausweislich des auf der PZU angebrachten Vermerks des Postbediensteten erfolgte die Zustellung - nachdem in der Wohnung des Adressaten niemand angetroffen wurde - in der Weise, dass am 30.12.1999 die schriftliche Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung in den Hausbriefkasten des Adressaten eingelegt und die Sendung beim Postamt in Y niedergelegt wurde. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgenannte PZU Bezug genommen. Im Rahmen eines Amtshilfeersuchens bestätigte die Deutsche Post, Niederlassung Briefpost Y, dem Finanzamt die Niederlegung des Schriftstücks durch die Zustellerin Frau X und teilte ergänzend mit, dass laut dem Nachweis der niedergelegten Schriftstücke die Sendung am 5.1.2000 von der Ehefrau des Herrn Z abgeholt worden sei.

    Mit Schreiben vom 20.3.2000, beim Finanzamt eingegangen am 21.3.2000, legten die steuerlichen Berater der Klägerin Einspruch gegen die geänderten Feststellungsbescheide 1993 und 1994 vom 29.12.1999 ein und beantragten, diese ersatzlos aufzuheben und von der Vollziehung auszusetzen. Zur Begründung machten sie geltend, dass die Klägerin bis heute weder die betreffenden Bescheide noch eine Mitteilung des Postboten über die Hinterlegung der Bescheide beim Postamt erhalten habe. Daher sei eine Bekanntgabe zum 30.12.1999 nicht erfolgt bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren. Außerdem sei der Adressat der in Kopie vorliegenden Postsendung zwar Feststellungsbeteiligter, nicht aber gesetzlicher Vertreter

    oder Empfangsbevollmächtigter des Gesellschaft.

    In einem am 25.4.2000 geführten Telefonat teilte die zuständige Sachbearbeiterin des Finanzamts dem Steuerberater W mit, dass die Klägerin für eine Betriebsprüfung (Bp) vorgemerkt gewesen sei. Bei Durchsicht der zur Bp vorgeschlagenen Fälle sei ihr aufgefallen, dass die Steuerfestsetzungen 1993 und 1994 am 31.12.1999 zu verjähren drohten. Da sie die Auffassung vertreten habe, dass im Falle der Klägerin § 15a EStG Anwendung finde und mit dem Beginn der Prüfungshandlungen noch in 1999 nicht mehr habe gerechnet werden können, habe sie die Bescheide geändert. Zeit zur Gewährung von rechtlichem Gehör hätte wegen der drohenden Verjährung nicht mehr bestanden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den über das Gespräch angefertigten Aktenvermerk vom 25.4.2000 (Bl. 33 der Feststellungsakten) verwiesen.

    Mit Schriftsatz ihrer steuerlichen Berater vom 30.5.2000 machte die Klägerin zusätzlich geltend, dass der Vorbehalt der Nachprüfung in den Änderungsbescheiden als Vorläufigkeitsvermerk i.S. von § 165 AO auszulegen sei, da das Finanzamt im Hinblick auf die Sachverhaltsfragen zu § 15a EStG ausdrücklich dokumentiert habe, dass die Änderbarkeit der Bescheide hätte erhalten bleiben sollen. Vermutlich habe das Finanzamt insoweit die falsche Rechtsvorschrift angewendet. Daher werde hilfsweise beantragt, die Änderungsbescheide nach § 165 AO für vorläufig zu erklären und den Einspruch als Änderungsantrag zu qualifizieren.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 31.10.2000 verwarf das Finanzamt den Rechtsbehelf der Klägerin als unzulässig. Zur Begründung gab es an, dass ausweislich der PZU die Bekanntgabe des Änderungsbescheides am 30.12.1999 erfolgt und daher der Einspruch vom 21.2.2000 (gemeint ist wohl der 21.3.2000) verspätet erhoben worden sei. Der Zustellungsakt sei ordnungsgemäß vollzogen worden. Die Zustellung an einen der Ehegatten als Empfangsbevollmächtigten für die Gesellschaft genüge, um eine wirksame Bekanntgabe gegenüber allen Feststellungsbeteiligte zu gewährleisten. Die PZU, mit der der angefochtene Verwaltungsakt zugestellt worden sei, sei hinreichend bestimmt gewesen und habe den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) genügt. Eine Änderung der Bescheide nach § 164 AO sei nicht möglich, da mit Ablauf des 30.1.2000 Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

    Im vorliegenden Verfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Hierzu macht sie folgendes geltend:

    1. Die Bescheide seien unter Verletzung zwingender Vorschriften über die förmliche Zustimmung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG zugestellt worden; eine Heilung nach § 9 Abs. 1 VwZG komme nicht in Betracht.

    Der Liste der Deutschen Post über niedergelegte Schriftstücke vom 30.12.1999 sei zu entnehmen, dass ein Schriftstück für Herrn A. Z hinterlegt und im Januar 2000 von seiner Ehefrau abgeholt worden sei. Die Rubrik für den Tag der Niederlegung sei allerdings nicht ausgefüllt. Ebenso sei das Abholdatum in der Liste nicht in die entsprechende Spalte eingetragen. Auch das Namenszeichen des aushändigenden Bediensteten der Deutschen Bundespost sei nicht zu erkennen. Frau Z könne sich nicht erinnern, die zugestellte Sendung an ihren Ehemann ausgehändigt zu haben. Sie habe die Sendung aber mit Sicherheit nicht geöffnet. Herr Z habe die Sendung nie erhalten und demgemäß den Inhalt der geänderten Feststellungsbescheide 1993 und 1994 vom 29.12.1999 zu keiner Zeit zur Kenntnis genommen. Als bei Herrn Z die geänderten Feststellungsbescheide 1995 bis 1997 eingegangen seien, habe er diese sofort am 21.02.2000 an Herrn Steuerberater M weitergeleitet. Dieser habe umgehend rückgefragt, ob denn geänderte Bescheide 1993/1994 zugegangen seien. Herr Z habe dies verneint. Auf Nachfrage bei dem Finanzamt habe Herr M Kopien der Bescheide erhalten. Auf diesem Weg habe Herr Z erstmalig Kenntnis von den geänderten Feststellungen erhalten.

    Diese „Zustellung” der Änderungsbescheide verletze die zwingende Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG über die förmliche Zustellung. Diese Bestimmung sei verletzt, wenn die zuzustellende Sendung nicht mit einer ausreichenden, den Inhalt der Sendung einwandfrei identifizierenden Geschäftsnummer versehen sei. Es genüge nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- (Urteile vom 12.1.1990 VI R 137/86, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1990, 602; vom 16.3.2000 III R 19/99, BStBl II 2000, 520) für eine wirksame Zustellung nach § 3 VwZG nicht, wenn die PZU und/oder die Sendung (d. h. der Briefumschlag) als Geschäftsnummer lediglich die Steuernummer ausweise. Die PZU weise unter der Gliederungsnummer „l.1. Geschäftsnummer” aber lediglich die um die dreistellige Kennnummer des veranlagenden Finanzamts ergänzte Steuernummer auf.

    Nach der BFH-Entscheidung in BStBl II 2000, 520 sei weiter zu prüfen, ob sich der Inhalt der Sendung anhand weiterer Vermerke auf der Postzustellungsurkunde oder in den Steuerakten identifizieren lasse. Als solcher Vermerk komme zwar die Eintragung unter der Gliederungsnummer 1.2 „ggf. weitere Kennzeichen” in Betracht. Doch der Vermerk „geänderter Feststellungsbescheid für 1993 + 1994” lasse nicht den zweifelsfreien Rückschluss zu, es handele sich hier um die geänderten Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der Klägerin für die Jahre 1993 und 1994. Genauso gut hätte es sich um die gesonderte Feststellung von Gewinn des Herrn Z handeln können, oder um die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns einer der fünf weiteren Gesellschaften, an denen Herr Z beteiligt sei. Dem Vermerk könne noch nicht einmal zwingend entnommen werden, dass es sich um eine Gewinnfeststellung handele. Alternativ kämen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen oder etwa die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 EStG in Frage.

    Der PZU fehle jeder Hinweis, dass der Bescheid an Herrn Z nicht als Betroffenen, sondern nur als Empfangsbevollmächtigten ergehen sollte. Für die Zustellung und die Bekanntgabe an Bevollmächtigte seien die gleichen Grundsätze anzuwenden. Die Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten sei aber unwirksam, wenn nicht zu erkennen sei, dass Betroffener nicht der Bevollmächtigte, sondern der Steuerpflichtige sei.

    Die aufgezeigten Versäumnisse ließen sich auch nicht durch Verweis auf das Steuergeheimnis rechtfertigen. Das Steuergeheimnis schütze nicht vor Offenlegung der Steuerart, in der ein Bescheid ergehe, gegenüber dem Zustellungsbediensteten der Post. Im Gegenteil, die Offenbarung solcher Informationen sei durch die Formstrenge des VwZG geradezu zwingend zugelassen (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO). Die Aufnahme der Steuerart in die Postzustellungsurkunde entspreche auch gängiger Praxis der Finanzbehörden, so dass der Vertreter des Finanzamts seine entsprechend verfahrenden Kollegen pauschal einer Straftat bezichtige (§ 355 des Strafgesetzbuches). Der Aufnahme der Feststellungsbeteiligten in die PZU könne das Steuergeheimnis schon deshalb nicht entgegen stehen, weil eine separate Zustellung der Feststellungsbescheide an alle Beteiligten durchaus zulässig gewesen wäre.

    Die Vermerke auf der PZU erlaubten daher nicht die rasche und mühelose Feststellung, ob die Zustellung wirksam sei oder nicht, so dass dem durch die Formstrenge des VwZG verfolgten Gesetzeszweck nicht genügt sei. Der besonderen Formstrenge des VwZG sei nur genügt, wenn ein sachkundiger Dritter allein aufgrund des Vermerks in der PZU bestimmen könne, um welchen Bescheid es sich handele. Die gegen § 3 Abs. 1 S. 2 VwZG verstoßende Zustellung sei daher unwirksam. Die fehlerhafte Zustellung könne auch nicht in eine schlichte Bekanntgabe nach § 122 AO umgedeutet werden.

    Eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 9 VwZG scheide aus, denn Herr Z habe die streitgegenständlichen Feststellungsbescheide nie erhalten. Damit fehle es an der Voraussetzung des § 9 Abs. 1 VwZG. Ob die Ehefrau des Herrn Z das zugesandte Schriftstück bei der Post abgeholt habe, spiele insoweit keine Rolle. Das Finanzamt habe durch die Wahl des Herrn A. Z als Empfangsbevollmächtigten zum Ausdruck gebracht, dass es gegenüber Herrn Z bekannt geben wollte. Frau Z sei weder Adressatin des zugestellten Schriftstücks, noch Empfangsbevollmächtigte für Postsendungen, die an ihren Ehemann adressiert seien. Sie sei daher aus Rechtsgründen gehindert, von dem Inhalt des Schriftstücks Kenntnis zu nehmen. Das Abholen der Schriftstücke durch Frau Z könne auch nicht zu einer Bekanntgabe der Änderungsbescheide nach § 122 Abs. 7 AO führen. Die Erleichterungen des § 122 Abs. 7 AO gälten nicht für förmliche Zustellungen, so dass jedem Inhaltsadressaten eine Ausfertigung des Bescheides zugestellt werden müsse. Außerdem hätten die vorliegenden Verwaltungsakte nicht die Ehegatten Z, sondern die Klägerin betroffen.

    2. Im übrigen hätte der Beklagte in der Sache entscheiden müssen, weil die Bescheide noch nicht der Festsetzungsverjährung unterlegen hätten. Der streitgegenständliche Bescheid weise einen Vorläufigkeitsvermerk auf, der die Feststellung 1993 und 1994 der Ablaufhemmung unterwerfe (§§ 171 Abs. 8, 165 AO).

    Der Vorläufigkeitsvermerk sei der ausdrücklichen Anordnung, dass der Vorbehalt der Nachprüfung für 1993 und 1994 aufrecht erhalten bleibe (Seite 2 des Bescheids), im Wege der Auslegung zu entnehmen. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts sei unter Einschluss seiner Nebenbestimmungen erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Entscheidend sei, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen - dem „objektiven Verständnishorizont” - den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte.

    Zwar sei der terminus technicus „vorläufig” bzw. „§ 165 AO” an keiner Stelle der Änderungsbescheide erwähnt. Das von der Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis, wonach die Auslegung zumindest einen Anhalt in der bekannt gegebenen Regelung haben müsse, beziehe sich aber nicht auf das Zitat der korrekten Rechtsvorschrift, sondern auf den zum Ausdruck gekommenen Willen der Behörde. Dieser habe sich auf das Offenhalten des Falles konzentriert. Die Auslegung des Feststellungsbescheides nach dem objektiven Verständnishorizont ergebe nämlich, dass das Finanzamt den Fall auf jeden Fall noch „offen” halten wollte. Hätte das Finanzamt den Bescheid hingegen nicht offen halten wollen, so wäre es aus seiner Sicht angezeigt gewesen, den Vorbehalt expressis verbis aufzuheben oder aber keine Verfügung mehr zum Vorbehalt zu treffen.

    Für diese Auslegung spreche zudem, dass das Finanzamt die Annahmen, auf die es den Änderungsbescheid gestützt habe, noch gar nicht geprüft habe. Eine endgültige Feststellung gegenüber der Klägerin würde daher als willkürliche Abweichung von der ständigen Rechtspraxis in Rechtsprechung und Finanzverwaltung zu § 15a EStG den Missbrauchstatbestand erfüllen. Die Anwendung der Ausnahmevorschrift § 15a Abs. 1 Satz 3 letzter Hs. EStG sei nur nach eingehender Prüfung der wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Mitunternehmerschaft möglich. § 15a Abs. 1 Satz 3 letzter Hs. EStG sehe vor, die Abziehbarkeit von Verlusten zu versagen, wenn eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung der Kommanditisten nach Art des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist. Der BFH habe klargestellt, dass es bei der Prüfung des wirtschaftlichen Risikos nicht nur auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag ankomme, sondern auch eine voraussichtliche zukünftige Entwicklung zu berücksichtigen sei. Mit der Eintragung der Haftsumme in das Handelsregister sei daher im Regelfall ein echtes wirtschaftliches Risiko verbunden. Eine andere Wertung sei nur dann gerechtfertigt, wenn die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft und deren gegenwärtige und zu erwartende Liquidität (nicht nur stichtagsbezogen) im Verhältnis zum nach dem Gesellschaftsvertrag festgelegten Gesellschaftszweck und dessen Umfang so außergewöhnlich günstig sei, dass die finanzielle Inanspruchnahme des einzelnen zu beurteilenden Kommanditisten nicht zu erwarten sei. Feststellungen des Finanzamts zu diesen entscheidungsrelevanten Kriterien lägen nicht vor. Die Zustellung eines nicht offen gehaltenen Bescheids würde daher die Vermutung nahe legen, dass der Finanzamt bewusst versucht hätte, die auf bloßen unsubstantiierten Vermutungen fußenden Bescheide in die Feststellungsverjährung zu retten. Ob eine solche Intention tatsächlich vorgelegen habe oder nicht, spiele keine Rolle. Jedenfalls brauche sie dem Finanzamt aus Sicht des für die Auslegungspraxis maßgeblichen objektiven Dritten im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht unterstellt werden.

    Das Finanzamt habe den Fall nur noch durch einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO offen halten können. Der Verweis auf § 164 AO in einem am 29.12.1999 zur Post gegebenen Bescheid wäre sinnlos, da mit Ablauf des 31.12.1999 Feststellungsverjährung gedroht habe. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 164 Abs. 4 AO entfalle der Vorbehalt der Nachprüfung und damit die Korrekturmöglichkeit, wenn die Festsetzungsfrist ablaufe. Demgegenüber erlaube die vorläufige Feststellung über die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 AO, den Fall bis zur Beseitigung der Ungewissheit offen zu halten. Die Voraussetzungen für einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO hätten auch vorgelegen, da das Finanzamt zu den Tatsachen, auf die er die Änderung gestützt habe, noch keine Feststellungen getroffen gehabt habe. Unter Tatsache sei - ebenso wie im Rahmen des § 173 AO - jeder Lebensvorgang zu verstehen, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestands erfülle. Dabei könne es sich um einzelne Tatsachen, aber auch um eine Summe von Tatsachen handeln, die ihrerseits den Sachverhalt ausmachten, der unter das Gesetz subsumiert werde. In der zentralen Frage, ob eine Haftung der Kommanditisten ausgeschlossen ist, gehe das Finanzamt von erheblichen stillen Reserven aus, die „in dem Grundbesitz schlummern”. Insoweit sei bislang nicht geklärt, aufgrund welcher „tatsächlicher Sachverhalte” das Finanzamt eine Haftung der Kommanditisten als ausgeschlossen ansehe. Insbesondere die Annahme von stillen Reserven sei eine ungewisse Tatsache; der Anwendungsbereich des § 165 AO sei damit eröffnet. Um eine auf gesicherten Tatsachen beruhende Veranlagung durchführen zu können, hätte es ergänzender Feststellungen zu dem tatsächlichen Wert der Grundstücke bedurft. Aus Sicht der Klägerin könne dem Verweis auf den Vorbehalt der Nachprüfung daher nur die Bedeutung eines Vorläufigkeitsvermerks zukommen.

    3. Schließlich sei der Klägerin kein rechtliches Gehör gewährt worden, so dass nach den konkreten Umständen im Einzelfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Die rechtzeitige Anfechtung des Feststellungsbescheids sei nämlich nur unterblieben, weil die Klägerin vor Erlass des Steuerbescheids nicht angehört worden sei.

    Die Steuerbehörden seien grundsätzlich verpflichtet, den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe des § 91 Abs. 1 AO Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dass diese Voraussetzung angesichts der Steuerauswirkung gegeben sei, bedürfe keiner näheren Begründung. Indem das Finanzamt schlicht unterstellt habe, in dem Grundvermögen der Klägerin schlummerten stille Reserven, habe es eine entscheidungserhebliche Tatsache überraschend in das Verfahren eingeführt. Wenn § 91 Abs. 1 Satz 2 AO bereits die wesentliche Abweichung von dem erklärten Sachverhalt zuungunsten des Steuerpflichtigen als (zwingenden) Anhörungsgrund benenne, müsse rechtliches Gehör erst recht gewährt werden, wenn die Finanzbehörde eine völlig neue Tatsachenbehauptung in das Verfahren einführt, zu der der Steuerpflichtige bislang noch nicht Stellung nehmen konnte.

    Zwar könne von der Anhörung nach § 91 Abs. 2 Nr. 2 AO abgesehen werden, wenn durch die Anhörung eine für die Entscheidung maßgebliche Frist in Frage gestellt würde, z. B. die Einhaltung der Festsetzungsfrist. Die Voraussetzungen des § 91 Abs. 2 Nr. 2 AO hätten zugunsten der Klägerin aber nicht vorgelegen. Es sei selbstverständlich, dass das Finanzamt nicht bis kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit dem Erlass des Verwaltungsakts warten könne, um dann unter Berufung auf die Einhaltung dieser Frist die notwendige Anhörung zu unterlassen. Ansonsten würde es dem Finanzamt regelmäßig ermöglicht, bis zum Ende der Festsetzungsfrist zu warten und dann auf eine Anhörung zu verzichten. Der Verwaltung wäre es bei solch einer Auslegung an die Hand gegeben, das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs. 2 GG) nach Belieben zu gewähren oder auch nicht. Die Ausnahmevorschrift des § 91 Abs. 2 Nr. 2 AO sei vielmehr eng auszulegen. Getreu ihrem Wortlaut stelle sich die Frage, ob das Finanzamt die Möglichkeit hatte, den Steuerpflichtigen vor Erlass des Verwaltungsaktes anzuhören. Daran könne es beispielsweise fehlen, wenn das Finanzamt erst kurzfristig vor Ablauf der Festsetzungsfrist von Tatsachen Kenntnis erhalte, die eine andere Bewertung des Steuerfalls rechtfertigten. Davon könne im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Das Finanzamt habe sich vielmehr kurzfristig, und augenscheinlich ohne fundierte Prüfung der Sachlage, für eine andere Bewertung der bereits bekannten Tatsachen entschieden. In einem solchen Fall sei aber nicht einzusehen, dass das staatliche Interesse an einer Sicherung des Steueraufkommens die verfassungsrechtlichen Garantien des Bürgers außer Kraft setze. Im Gegenteil, es bestehe ein privates wie ein öffentliches Interesse daran zu prüfen, ob die Neubewertung des Steuerfalls tragfähig oder übereilt sei.

    Das Finanzamt könne sich auch nicht unter Verweis auf den Inhalt der Anlage zu dem Feststellungsbescheid auf ein mitursächliches Verschulden der Klägerin berufen. Der gewählte Empfangsbevollmächtigte, Herr Z, habe nämlich den fraglichen Bescheid nie erhalten; er habe deshalb auch keine Kenntnis von dessen Anlagen haben können. Die Bekanntgabefiktion einer Zustellung durch Niederlegung ersetze nicht die tatsächliche Kenntnisnahme von dem niedergelegten Schriftstück. Der BFH habe mit Urteil vom 13.12.1984 VIII R 19/81 (BStBl 1985 II, 602) die Ursächlichkeit der unterbliebenen Anhörung in einem Fall verneint, in dem die Steuerpflichtigen zunächst in der irrigen Auffassung nicht gegen einen Steuerbescheid vorgegangen waren, die Abweichung von der Steuererklärung sei zwischen dem Finanzamt und ihrem Prozessbevollmächtigten besprochen worden. Der BFH habe argumentiert, die Steuerpflichtigen seien durch die Ausführungen im Steuerbescheid darauf hingewiesen worden, dass das Finanzamt ihren Gewinn höher als angegeben geschätzt hatte. Deshalb könnten sie sich nicht auf die fehlende Anhörung berufen. Der Sachverhalt liege daher im entscheidenden Punkt anders, denn die Versäumung der Einspruchsfrist durch die Klägerin habe nicht auf einem Irrtum beruht. Gegen einen Änderungsbescheid, der so weitreichende steuerliche Konsequenzen auf die bloße Vermutung der Existenz stiller Reserven stützt, hätte sie zweifelsohne sofort Einspruch eingelegt.

    Ein mögliches Verschulden von Frau Z bleibe außer Betracht, da sie nicht Adressatin des Feststellungsbescheids gewesen, sondern nur in der Rolle einer Botin aufgetreten sei. Soweit Frau Z das auf der Post abgeholte Schriftstück verloren oder verlegt haben sollte, sei ihr Verschulden Herrn Z nicht zuzurechnen. § 110 Abs. 1 AO sehe lediglich die Zurechnung des Verschuldens eines Vertreters vor. Herr Z habe seine Ehefrau aber nicht generell zur Vertretung in seinen Steuersachen bevollmächtigt. Der Empfangsvertreter nehme eine Willenserklärung in eigenem Namen entgegen, während Frau Z nur beauftragt gewesen sei, das bei der Post niedergelegte Schriftstück weiterzuleiten. Solch ein Auftrag mache sie lediglich zur Empfangsbotin von Herrn Z. Frau Z habe sich bei ähnlichen Botengängen zuvor stets als zuverlässig erwiesen. Das Verschulden Frau Z könne Herrn Z daher nicht zugerechnet werden. Schließlich sei es nicht möglich, der Klägerin ein Verschulden von Frau Z mit dem Argument zuzurechnen, sie sei ja wie Herr Z Empfangsbevollmächtigte der Klägerin. Das Finanzamt habe den Bescheid ausdrücklich gegenüber „Herrn A. Z” bekannt geben wollen; eine die Bekanntgabe gegenüber Frau Helga Z ersetzende Zustellung liege offensichtlich nicht vor. Frau Z habe durch das Verlieren oder Verlegen des Schriftstücks aber auch keine sonstigen Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt. Sofern sie ein auf den Namen ihres Ehemanns niedergelegtes Schriftstück bei der Post abgeholt habe, sei sie nur gegenüber ihrem Ehemann, nicht aber gegenüber der Klägerin zur Sorgfalt verpflichtet. Frau Z wäre gegenüber ihrem Ehemann auch gar nicht berechtigt gewesen, ein an diesen adressiertes Schriftstück zu öffnen.

    Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin ein anderer Verschuldensvorwurf gemacht werden könnte, der der Ursächlichkeit der unterlassenen Anhörung entgegenstünde. Der BFH beurteile das Kriterium der Ursächlichkeit anhand eines großzügigen Maßstabs, weil sich Feststellungen dazu häufig nur schwer treffen ließen. Im Zweifel müsse man zugunsten des Steuerpflichtigen entscheiden (BFH in BStBl II 1985, 601). Im Lichte der gesetzlichen Regelung, die eine unwiderlegliche Vermutung fehlenden Verschuldens des Steuerpflichtigen enthalte, dürfe die Rechtsfolge des § 126 Abs. 3 AO nur dann in Frage gestellt werden, wenn zweifellos allein andere Gründe als die unterlassene Anhörung ursächlich für das Versäumen der Anfechtungsfrist gewesen seien. Das Finanzamt hätte daher in der Frage der Wiedereinsetzung zugunsten der Klägerin entscheiden müssen.

    4. In der Sache gehe der streitgegenständliche Feststellungsbescheid schon deshalb fehl, weil in den „Ost-Immobilien” der Klägerin keine nennenswerten stillen Reserven vorhanden gewesen seien (Beweis: Sachverständigengutachten).

    Die Klägerin beantragt,

    die Einspruchsentscheidung vom 1.11.2000 und die geänderten Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1993 und 1994 vom 29.12.1999 aufzuheben,

    hilfsweise,

    das Finanzamt zu verpflichten, die geänderten Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1993 und 1994 vom 30.12.1999 aufzuheben,

    weiter hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es meint, dass die Zustellung durch die Post am 30.12.1999 mittels PZU nicht fehlerhaft sei. Die PZU enthalte neben der Angabe der Steuernummer den Vermerk „geänderter Feststellungsbescheid 1993 + 1994”. Durch die räumliche Beziehung zu der die Sendung identifizierenden Geschäftsnummer lasse sich der Inhalt der zugestellten Sendung eindeutig entnehmen. Sowohl die betreffenden Jahre als auch, dass es sich um Änderungsbescheide handelt, seien erkennbar. Um die gesonderte Feststellung des Gewinns einer der fünf weiteren Gesellschaften, an denen Herr Z beteiligt sein wolle, könne es sich nicht handeln, da dann auf der PZU unter der Geschäftsnummer eine andere Steuernummer gestanden hätte. Anhand der Steuernummer sei es für den sachkundigen Betroffenen erkennbar, um welche Gesellschaft es sich handelt. Eine Angabe auf der PZU bezüglich der Art der Einkünfte sei nicht erforderlich. Diese Angabe habe sogar zu unterbleiben, da die Angaben so zu erfolgen hätten, dass sie einerseits die Identifizierung des Inhalts der Sendung, andererseits einem Dritten möglichst keinen Rückschluss auf den Inhalt der Sendung zuließen (Steuergeheimnis). Die Zustellung der Feststellungsbescheide sei an Herrn Z als von der Klägerin bestellten Empfangsbevollmächtigten erfolgt. Seit der steuerlichen Erfassung der Gesellschaft seien sämtliche Verwaltungsakte an Herrn A. Z als Empfangsbevollmächtigten adressiert worden. Auch die geänderten Feststellungsbescheide für die nachfolgenden Jahre seien im Februar 2000 an Herrn Z als Empfangsbevollmächtigten zugestellt worden. Einwendungen hiergegen seien nie erhoben worden.

    Die Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten sei nicht etwa unwirksam, weil nicht zu erkennen sei, dass der Adressat als Bevollmächtigter angesprochen wird. Für die Beweisfunktion der PZU, der Zugang eines Schriftstücks, sei die Angabe, in welcher Eigenschaft der Adressat angesprochen wird, nicht erforderlich. Die Bekanntgabe der geänderten Feststellungsbescheide an den zur Empfangnahme Bevollmächtigten sei wirksam, weil die Bescheide eindeutig erkennen ließen, dass Betroffener nicht der Bevollmächtigte, sondern die Klägerin sei. Den Bescheiden sei ausdrücklich zu entnehmen, dass diese an Herrn Z als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten für die Klägerin ergehen solle.

    Die Behauptung der Klägerin, Herr Z habe die Sendung nie erhalten, sei nicht erheblich. Die Zustellung mittels PZU setze keine tatsächliche Kenntnisnahme des Empfängers voraus. Mit der Benachrichtigung und Niederlegung des Schriftstücks beim Postamt Y sei die Sendung zugestellt worden. Auf eine Kenntnisnahme komme es nicht mehr an.

    Der Klägerin sei nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 126 Abs. 3, 110 AO zu gewähren. Von der nach § 91 Abs. 1 AO erforderlichen Anhörung habe gemäß § 91 Abs. 2 Nr. 2 AO abgesehen werden können, weil durch die Anhörung die Einhaltung der Festsetzungsfrist, die zum 31.12.1999 geendet habe, in Frage gestellt worden sei. § 126 Abs. 3 AO finde somit keine Anwendung. Schließlich habe den zugestellten Änderungsbescheiden eine Anlage beigelegen, in der die Gründe für die Änderung ausführlich erläutert worden seien. Die Änderung der Feststellungsbescheide für 1993 und 1994 sei nicht absichtlich kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist vorgenommen worden, um eine Anhörung zu unterlassen. Spätestens im Einspruchsverfahren hätten die Beteiligten die Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern.

    Die Feststellungsbescheide seien nicht nach § 165 AO, sondern nach § 164 Abs. 2 AO ergangen.

    Die vom Finanzamt für die Klägerin geführten Steuerakten (ein Band Feststellungsakten, ein Bilanzheft) haben dem Gericht vorgelegen und waren folglich Gegenstand des Verfahrens.

    Gründe

    Die Klage ist nicht begründet.

    I. Hauptantrag

    Die Auffassung des Finanzamts, dass einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide der Eintritt der Festsetzungsverjährung dieser Verwaltungsakte entgegenstehe, unterliegt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Finanzamt hat daher zu Recht den Einspruch als unzulässig verworfen.

    Gemäß § 169 Abs. 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung

    oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist, die im Streitfall vier Jahre beträgt (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO), abgelaufen ist. Nach § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. Abweichend hiervon beginnt die Festsetzungsfrist, wenn aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO später beginnt (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Gemäß § 181 Abs. 1 AO gelten die Bestimmungen der §§ 169 bis 171 AO sinngemäß für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (hier nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO).

    Im Streitfall hat die Klägerin die Feststellungserklärungen 1993 und 1994 im Jahre 1995 beim Finanzamt eingereicht. Die Festsetzungsfrist begann daher mit Ablauf des 31.12.1995 und endete zunächst mit dem 31.12.1999. Da jedoch am 30.12.1999 geänderte Feststellungsbescheide erlassen wurden, endete die Festsetzungsfrist im Streitfall mit Eintritt der Bestandskraft dieser Bescheide (§ 171 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AO in der in den Streitjahren geltenden Fassung).

    Durch den am 21.3.2000 beim Finanzamt eingegangenen Einspruch ist eine Hemmung der Verjährung gemäß § 171 Abs. 3 Satz 1 AO nicht eingetreten, da die am 30.12.1999 erlassenen Änderungsbescheide mit Niederlegung der Postsendung beim Postamt Y wirksam bekannt gegeben wurden und daher bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Monatsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO abgelaufen war. Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften über die Zustellung von Verwaltungsakten sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht erkennbar.

    Der Lauf der Rechtsbehelfsfrist setzt voraus, dass die Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides den gesetzlichen Vorschriften entspricht; andernfalls gilt das nicht oder unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangene Schriftstück nach § 9 Abs. 1 VwZG erst in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat (BFH-Urteil vom 6.9.1990 IV R 7/90, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1991, 714, m.w.N.).

    Im Streitfall erfolgte die Zustellung der Änderungsbescheide gemäß § 122 Abs. 5 AO i.V. mit § 3 VwZG durch die Post mit PZU. Nach § 3 Abs.1 Satz 2 VwZG ist hierbei die zuzustellende Sendung mit der Anschrift des Empfängers und der Bezeichnung der absendenden Dienststelle, einer Geschäftsnummer sowie einem Vordruck für die Zustellungsurkunde zu versehen. Nach § 3 Abs. 3 VwZG, § 195 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) muss die von dem Postbediensteten über die Zustellung zu fertigende Urkunde die Übergabe der ihrer Anschrift und ihrer Geschäftsnummer nach bezeichneten Sendung bezeugen. Da die PZU nicht die Übergabe des Schriftstücks selbst bezeugt, sondern nur die Übergabe einer Sendung, die mit einer Geschäftsnummer bezeichnet ist (§ 195 Abs.2 ZPO), stellt die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung sowie auf der PZU die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her. Wegen der gebotenen Gewähr für Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Postsendung muss die Geschäftsnummer infolgedessen die Identifizierung der zugestellten Sendung ermöglichen. Angesichts dieses Zwecks der Geschäftsnummer reicht es aus, wenn der fragliche Vorgang derart durch Zahlen und Buchstaben gekennzeichnet ist, dass der Empfänger die Sendung eindeutig dem Vorgang zuordnen kann; weitergehende Rechte hat der Empfänger im Hinblick auf die Art der Geschäftsnummer nicht (vgl. zu den vorstehenden Rechtsgrundsätzen die BFH-Urteile vom 17.10.1984 I R 167/81, BStBl II 1985, 74; vom 12.1.1990 VI R 137/86, BStBl II 1990, 602; vom 6.9.1990 IV R 7/90, BFH/NV 1991, 714; vom 19.6.1991 I R 77/89, BStBl II 1991, 826; vom 16.3.2000 III R 19/99, BStBl II 2000, 520).

    Diese Förmlichkeiten sind im Streitfall vom Finanzamt beachtet worden. Durch die Eintragungen in den Gliederungsnummern 1.1 und 1.2 werden sowohl der Steuerpflichtige (die Klägerin) als auch die zuzustellenden Schriftstücke (die geänderten Feststellungsbescheide 1993 und 1994) eindeutig und unverwechselbar ausgewiesen. Der Einwand der Klägerin, es hätte sich genauso gut um die gesonderte Feststellung von Gewinn des Herrn Z oder um die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns einer der fünf weiteren Gesellschaften, an denen Herr Z beteiligt sei, handeln können, ist unbeachtlich, da unter der angegebenen Steuernummer die Klägerin beim Finanzamt geführt wird und nicht Herr Z oder eine andere Gesellschaft (vgl. hierzu BFH in BFH/NV 1991, 714). Da in den für die Klägerin erteilten Erstbescheiden erklärungsgemäß lediglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt wurden, ist es fern liegend anzunehmen, dass die Änderungsbescheide eine andere Einkunftsart oder die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 EStG betreffen. Hiervon abgesehen hat das Finanzamt mit Recht darauf hingewiesen, dass die Art der Einkünfte nicht auf der PZU anzugeben ist. Gleiches gilt nach der Auffassung des Senats bei der vorliegend gegebenen, auf § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG beruhenden Verbindung der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte einer Mitunternehmerschaft mit der Feststellung eines verrechenbaren Verlustes (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 23.2.1999 VIII R 29/98, BStBl II 1999, 592). In beiden Fällen reicht es aus, dass die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen aus den in der Sendung enthaltenen Bescheiden ersichtlich sind. Der Wirksamkeit der Bekanntgabe steht auch nicht entgegen, dass die PZU im Adressfeld den angegebenen Empfänger nicht als gemäß § 183 AO von den Gesellschaftern bestellten gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten ausweist. Eine entsprechende Verwaltungsübung ist dem Senat aus seiner praktischen Tätigkeit nicht bekannt. Da seit der steuerlichen Erfassung der Klägerin entsprechend der Angabe im hierzu abgegebenen Fragebogen gemäß § 183 AO i.V. mit § 6 Abs. 1 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO vom 19.12.1986 (abgedruckt bei Tipke/Kruse, AO/Finanzgerichtsordnung -FGO-, 16. Aufl. § 180 AO Tz. 79) sämtliche für die Gesellschaft bestimmte Verwaltungsakte Herrn Z bekannt gegeben und von diesem unbeanstandet entgegengenommen wurden, konnten insoweit auch keine Missverständnisse aufkommen. Im Übrigen ist die auf der PZU angegebene Adresse nur für die Bestimmung des postalischen Adressaten von Bedeutung. Insoweit reicht es im Falle des § 183 AO aber aus, dass im Anschriftenfeld Name und Adresse des Empfangsbevollmächtigten angegeben sind. Damit ist dieser hinreichend als Bekanntgabeadressat ausgewiesen. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, gegen wen sich der Bescheid richtet, d.h. gegen wen bzw. für wen er seine Wirkungen entfaltet (sog. Inhaltsadressat). Im Falle des § 183 AO muss sich diesbezüglich aus dem Gesamtinhalt des Bescheides ergeben, dass dieser an den Adressaten in seiner Eigenschaft als Empfangsbevollmächtigter der Gesellschafter gerichtet ist und dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten (die Inhaltsadressaten des Bescheides) erfolgt (§ 183 Abs. 1 Satz 5 AO; vgl. auch BFH-Urteil vom 20.12.2000 I R 50/00, BFH/NV 2001, 949; ferner Tipke/Kruse, a.a.O., § 179 Tz. 8; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 179 AO Rz. 50 und 56). Diesen Voraussetzungen werden die geänderten Feststellungsbescheide vom 29.12.1999 gerecht. Durch die auf der PZU angebrachten Angaben lässt sich somit der Inhalt des Sendung hinreichend sicher identifizieren.

    Entgegen der im Rahmen der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Einwendungen ist die Niederlegung der Postsendung ordnungsgemäß vollzogen worden. Eine wirksame Ersatzzustellung durch Niederlegung bei der Postanstalt (§ 182 ZPO) setzt voraus, dass der Adressat der zuzustellenden Sendung die Wohnung, in der der Zustellungsversuch unternommen wird, tatsächlich innehat, dass er in der Wohnung nicht angetroffen wird und dass ferner ein Versuch der Ersatzzustellung nach § 181 Abs. 1 und 2 erfolglos bleibt (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG- vom 1.3.1991 8 C 31/89, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1991, 1904). Die Zustellerin X hat das Vorliegen der beiden letztgenannten Voraussetzungen in der PZU vom 30.12.1999 vermerkt und durch ihre Unterschrift beurkundet. Für die „Niederlegung” ist der Zeitpunkt maßgebend, an dem der Postbote das zuzustellende Schriftstück im Anschluss an den (erfolglosen) Zustellungsversuch wieder zum Zustellungspostamt bringt und dort in den Geschäftsgang gibt, um es dem Zustellungsempfänger zugänglich zu machen (BVerwG in NJW 1991, 1904; Tipke/Kruse, a.a.O., § 3 VwZG Tz. 7). Es ist gerichtsbekannt und im Übrigen vom Senat anhand vergleichbarer Fälle stichprobenweise überprüft worden, dass der Postbedienstete, der den Zustellungsversuch unternommen hat, in aller Regel nicht identisch ist mit dem Postbediensteten, der die Sendung niedergelegt hat. Aufgabe des Zustellers ist lediglich, die Sendung bei der Postdienststelle des Wohnorts abzuliefern. Die Niederlegung wird sodann üblicherweise von dem Schalterbeamten, der die Sendung zwecks Aushändigung an den Adressaten entgegennimmt, vollzogen. Auch dieser Vorgang ist in dem Feld 11 der PZU durch die Unterschrift des betreffenden Postbediensteten dokumentiert. Soweit in der Bescheinigung der Niederlassung Briefpost Y vom 20.4.2000 ausgeführt wird, die Sendung sei durch die Zustellerin Frau X niedergelegt worden, handelt es sich um eine ungenaue und daher missverständliche Formulierung, die sich allerdings angesichts der eindeutigen, dem üblichen Geschehensablauf entsprechenden Angaben in der PZU als rechtlich unerheblich erweist. Mit der am 30.12.1999 erfolgten Niederlegung beim Postamt der Wohnsitzgemeinde und der Mitteilung hierüber ist die Ersatzzustellung somit gemäß § 3 Abs. 3 VwZG i.V. mit § 182 ZPO vollzogen und damit die Zustellung der angefochtenen Bescheide rechtswirksam geworden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 21.8.1974 I R 78/74, BStBl II 1975, 18 und vom 5.1.1990 III S 7/89, BFH/NV 1991, 332). Aufgrund der gesetzlichen Zugangsfiktion des § 182 ZPO ist es ohne Belang, ob die Liste der Deutschen Post über die am 30.12.1999 niedergelegten Schriftstücke möglicherweise unvollständig ausgefüllt ist und andere Ungereimtheiten enthält. Das Finanzamt musste auch keine weiteren Ermittlungen anstellen, ob der Adressat die Sendung tatsächlich erhalten hat (Tipke/Kruse, a.a.O., § 3 VwZG Tz. 7 m.w.N.). Der am 21.3.2000 beim Finanzamt eingegangene Einspruch wurde folglich verspätet eingelegt.

    Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist scheidet aus.

    Nach § 110 Abs. 1 AO kann auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 110 Abs. 2 Satz 2 AO). Hierbei ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur davon auszugehen, dass die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist darzulegen sind und ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf der Antragsfrist zumindest dann unzulässig ist, wenn es sich um einen völlig neuen, bisher nicht vorgetragenen Sachverhalt handelt (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 100 AO Tz. 76 m.w.N.).

    Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen im Streitfall nicht vor.

    Aus der Beanstandung der Klägerin, ihr sei vor Erlass der Änderungsbescheide kein rechtliches Gehör gewährt worden, ergibt sich kein Grund für eine Wiedereinsetzung. Zwar gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben ist und dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 AO). Diese Rechtsfolge tritt jedoch nur ein, wenn das Unterbleiben der Anhörung ursächlich für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist war (BFH-Urteil vom 13.12.1984 VIII R 19/81, BStBl II 1985, 601, m.w.N.). Davon kann aber nicht ausgegangen werden, wenn in dem unter Verletzung der Anhörungspflicht ergangenen Steuerbescheid - wie im Streitfall - auf die Abweichungen hingewiesen wird. Hierdurch wird der ursächliche Zusammenhang zwischen unterbliebener Anhörung und Versäumung der Einspruchsfrist unterbrochen oder überlagert (BFH in BStBl II 1985, 601; BFH-Urteil vom 6.12.1988 IX R 158/85, BFH/NV 1989, 561; Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 2.12.1981 VI 217/78, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1982, 274; Tipke/Kruse, a.a.O., § 126 AO Tz 12). Denn der Steuerpflichtige erhält dann die Gelegenheit, seine Einwendungen innerhalb der Rechtsbehelfsfrist vorzutragen.

    Darüber hinaus ist bereits dem eigenen Vorbringen der Klägerin zu entnehmen, dass nicht die unterbliebene Anhörung ursächlich für die Fristversäumung war, sondern der Umstand, dass der Empfangsbevollmächtigte, dessen Verschulden ihr gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 AO zuzurechnen ist, die Änderungsbescheide nicht erhalten hat. Auch die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente vermögen jedoch eine Wiedereinsetzung nicht zu rechfertigen.

    Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, die Ehefrau des Empfangsbevollmächtigten sei von diesem des Öfteren als Botin für die Abholung der an ihn adressierten Post eingesetzt worden und habe sich bei diesen Gelegenheiten stets als zuverlässig erwiesen (vgl. zur Zurechnung des Verschuldens von Boten und Familienangehörigen Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 AO Tz. 68, m.w.N.). Denn hierbei handelt es sich um ein Vorbringen, das erstmalig im gerichtlichen Verfahren und damit nach Ablauf der Antragsfrist geltend gemacht wurde und daher bei Prüfung der Frage, ob der Empfangsbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten, nicht mehr berücksichtigt werden kann (z.B. BFH-Beschluss vom 24.9.1985 III B 3/85, BFH/NV 1986, 190). Diese Antragsfrist nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, das den Wiedereinsetzungsgrund abgibt, hier also mit der Übersendung des Bescheidkopien an den steuerlichen Berater der Klägerin (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 AO Tz. 73 m.w.N.).

    Aus dem gleichen Grund brauchte der Senat auch nicht zu prüfen, ob die Klägerin aufgrund des den Änderungsbescheiden beigefügten Vorbehalts der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) in Verbindung mit den Ausführungen in der Anlage zu diesen Bescheiden ohne Verschulden annehmen konnte, die Feststellungen seien vorläufig i.S. des § 165 AO erlassen worden (vgl. zu einem ähnlichen Fall den Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf vom 8.3.1989 8 V 507/88 A, EFG 1989, 443; ferner Klein/Rüsken, AO, 7. Aufl. 2000, § 164 Anm. 3). Diese Argumentation ist ebenfalls erst nach Ablauf der Antragsfrist - nämlich mit Schriftsatz des steuerlichen Beraters der Klägerin vom 30.5.2000 - vorgetragen worden.

    II. Hilfsantrag

    Der Hilfsantrag scheitert bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen.

    Begehrt ein Steuerpflichtiger in der Annahme, ein Steuerbescheid (Feststellungsbescheid ) sei gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig ergangen, die Änderung dieses Bescheides (wegen des Wegfalls der Ungewissheit), so bedarf es zunächst einer Entscheidung der Finanzbehörde über diesen Antrag. Wird er abgelehnt, so muss der Steuerpflichtige hiergegen Einspruch einlegen (Klein/Rüsken, AO, 7. Aufl. 2000, § 165 Anm. 57). Erst dann, wenn das Finanzamt diesen Rechtsbehelf abschlägig beschieden hat, kommt eine Verpflichtungsklage i.S. des § 40 Abs. 1 FGO in Betracht.

    Im Streitfall hat die Klägerin mit Schriftsatz des steuerlichen Beraters vom 30.5.2000 (hilfsweise) einen entsprechenden Antrag gestellt. Über diesen Antrag, auf den das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung vom 1.11.2000 mit keinem Wort eingegangen ist, liegt noch keine Entscheidung des Finanzamts vor. Von der Möglichkeit, einen Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 2 AO) zu erheben, hat die Klägerin (noch) keinen Gebrauch gemacht. Da somit die Voraussetzungen der §§ 44 und 46 FGO nicht gegeben sind, erweist sich die unmittelbare Klageerhebung als nicht zulässig.

    Da somit die Klage in vollem Umfang erfolglos geblieben ist, waren der Klägerin gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    Gründe, die gemäß § 115 Abs. 2 FGO eine Zulassung der Revision rechtfertigen, sind für den Senat nicht ersichtlich.

    VorschriftenAO § 122 Abs. 5, VwZG § 3, AO § 183, AO § 110