08.01.2010
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 05.05.1999 – I 132/99
Unmittelbar Werbezwecken dienende Fahnenmasten auf dem Außengelände eines Lebensmittelmarktes sind als Betriebsvorrichtungen selbständige bewegliche Wirtschaftsgüter im Sinne des Investitionszulagengesetzes.
Im Namen des Volkes hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts in der Sitzung vom 5. Mai 1999 mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
1. Der Bescheid über Investitionszulage für das Jahr 1997 in der Fassung des geänderten Investitionszulagenbescheides 1997 vom 19. Oktober 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 1999 wird geändert. Die Investitionszulage für das Jahr 1997 wird auf insgesamt 4.309 DM festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Tatbestand
Umstritten ist, ob Werbezwecken dienende Fahnenmasten auf dem Außengelände eines Lebensmittelmarkts als bewegliche Wirtschaftsgüter im Sinne des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) anzusehen sind.
Die Klägerin betreibt einen Einzelhandel mit Lebensmitteln in Form eines Supermarktes in gemieteten Räumen. In dem Antrag vom 14. April 1998, eingegangen beim Beklagten am 17. April 1998, beantragte die Klägerin die Investitionszulage nach dem InvZulG 1996 für das Kalenderjahr 1997, unter anderem in Höhe von 697 DM (= 10 v. H. von 6.977 DM) für drei Fahnenmasten aus Aluminium mit rotationsfähigem Auslegerarm und einem Mast von jeweils sieben Meter Höhe, die die Klägerin in Streitjahr angeschafft und auf dem zum Betriebsgebäude gehörenden Parkplatz aufgestellt hatte. An ihnen sind zu Werbezwecken Fahnen mit dem Firmenemblem befestigt. Der Preis betrug 1.666,35 DM pro Fahnenmast. Um den Masten die notwendige und übliche Standfestigkeit zu geben, wurden Kunststoffhülsen in den Boden einbetoniert, deren Öffnung etwa 20 bis 25 cm aus der Erdoberfläche herausragt. Der mit der Errichtung des Fundaments beauftragte Unternehmer berechnete der Klägerin 3 × 539 DM zuzüglich Nebenkosten. Zum Zwecke der Standfestigkeit und der Diebstahlsicherung wurden die Masten mit den Hülsen verschraubt.
Mit Bescheid vom 11. Mai 1998 setzte der Beklagte die Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz für das Jahr 1997 zunächst auf 2.616 DM fest und versagte die Investitionszulage für die Fahnenmasten. Der Beklagte begründete die Ablehnung damit, dass die Fahnenmasten durch die Fundamentierung zu unbeweglichen Wirtschaftsgütern geworden seien. Die Klägerin machte mit dem dagegen erhobenen Einspruch geltend, dass die Fahnenmasten trotz Verbindung mit dem Grund und Boden weiterhin als bewegliche Wirtschaftsgüter anzusehen seien. Sie seien nicht Bestandteile des Grund und Bodens geworden; denn dieser erscheine auch ohne die Fahnenstangen nicht unvollständig.
Der Beklagte erließ am 19. Oktober 1998 einen geänderten Bescheid, in welchem die Investitionszulage für das Jahr 1997 aus anderen Gründen auf 3.612 DM festgesetzt wurde. In Bezug auf die Fahnenmasten blieb der Einspruch erfolglos.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, die Verschraubung der Masten mit den Hülsen (je zwei durch den Mast führende Schrauben) lasse sich ohne größeren Aufwand lösen, zum Beispiel um die Fahnenstangen bei Funktionsstörungen herausnehmen und umklappen oder bei Bedarf an anderer Stelle aufstellen zu können. Deshalb seien die Masten auch durch die Verschraubung mit den im Boden einbetonierten Haltehülsen nicht zu unbeweglichen Wirtschaftsgütern geworden. Die Klägerin meint, die zur Sicherung der Standfestigkeit verwendete Art der Befestigung der Masten an den im Boden einbetonierten Kunststoffhülsen sei für die Beurteilung der Fahnenmasten als bewegliche Wirtschaftsgüter von untergeordneter Bedeutung. Im Übrigen würden in der amtlichen AfA-Tabelle Fahnenmasten unter „Sonstige Anlagegüter” und nicht unter „Grundstückseinrichtungen” aufgeführt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
in Abänderung des Bescheid über Investitionszulage für das Jahr 1997 in der Fassung des geänderten Investitionszulagenbescheides 1997 vom 19. Oktober 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 1999 die Investitionszulage für das Jahr 1997 auf insgesamt 4.309 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, die Fahnenmasten hätten durch ihre Verbindung mit den im Boden fest verankerten Haltehülsen, welche wiederum durch die Fundamentierung wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens geworden seien, die selbstständige Bewertungsfähigkeit eines beweglichen Wirtschaftsgutes verloren, da sie ohne die Verbindung mit den im Boden einbetonierten Haltehülsen unvollständig erschienen oder ein negatives Gepräge erhielten. Darüber hinaus gehörten auch Außenanlagen, die den Fahnenmasten vergleichbar seien, wie etwa Wäschepfähle, Teppichklopfstangen usw., zu den unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Schließlich stellten die Fahnenmasten auch keine Betriebsvorrichtung gemäß § 68 des Bewertungsgesetzes (BewG) dar, weil es an dem erforderlichen besonders engen Zusammenhang zwischen Anlage und Betriebsablauf fehle, wie er zum Beispiel bei einer Maschine gegeben sei. Denn der Lebensmitteleinzelhandel werde nicht unmittelbar mit den Fahnenmasten betrieben, was schon daraus deutlich werde, dass bisher noch keine Investitionszulage für Außenanlagen beantragt worden sei. Ein etwaiger Nutzungs- und Funktionszusammenhang der Fahnenstangen zum Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb reiche jedenfalls nicht aus, um eine Qualifizierung der Fahnenmasten als Betriebsvorrichtung rechtfertigen zu können.
Die Klägerin und der Beklagte haben jeweils mit Schriftsatz vom 30. März 1999 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Nach § 2 Abs. 1 InvZulG ist die Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens begünstigt, wenn es sich – neben weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen – um bewegliche Wirtschaftsgüter handelt. Diese Voraussetzung erfüllen die Fahnenmasten. Denn es handelt sich um Betriebsvorrichtungen.
Der Begriff des beweglichen Wirtschaftsgutes wird im InvZulG – wie auch in anderen Fördergesetzen – nicht eigenständig erläutert. Vielmehr wird der Begriff des beweglichen Wirtschaftsgutes grundsätzlich in Anlehnung an das Einkommensteuerrecht bestimmt. Hier werden wiederum bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter, unter Rückgriff auf die Regelungen des bürgerlichen Rechts in den §§ 93 ff. BGB über wesentliche Gebäudebestandteile einerseits und Scheinbestandteile andererseits, in erster Linie an Hand des Bewertungsrechts unterschieden (vgl. BFH-Urteile vom 31. Juli 1997 III R 247/94, BFH/NV 1998, 215, vom 16. November 1990 III R 100/89, BFH/NV 1991, 772, vom 23. März 1990 III R 63/87 BStBl II 1990, 751). Nach § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG, der auch im Investitionszulagenrecht gilt, sind Betriebsvorrichtungen Maschinen und sonstige Vorrichtungen, die zu einer Betriebsanlage gehören (vgl. dazu BFH-Urteil vom 6. August 1998 III R 28/97, Deutsches Steuerrecht 1998, 1907). Sie sind nicht in das Grundvermögen einzubeziehen und damit selbstständige bewegliche Wirtschaftsgüter.
Die Frage, ob die Fahnenmasten wegen ihrer Verbindung mit den im Boden fest verankerten Haltehülsen entsprechend der Ansicht des Beklagten wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens geworden sind, kann dahingestellt bleiben. Denn Betriebsvorrichtungen bleiben bewegliche Wirtschaftsgüter, auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1987 III R 191/85, BStBl II 1988, 300). Betriebsvorrichtungen dienen nicht der Nutzung des Gebäudes, sondern stehen in einer besonderen und unmittelbaren Beziehung zu dem auf dem Grundstück oder in dem Gebäude ausgeübten Gewerbebetrieb (BFH-Beschluss vom 26. November 1973 GrS 5/71, BStBl II 1974, 132). Erforderlich ist, dass die Anlage in einer besonderen und unmittelbaren Beziehung zum gegenwärtig im Gebäude bzw. auf dem Grundstück ausgeübten Betrieb steht, das heißt, dass ihr in Bezug auf die Ausübung des Gewerbebetriebes eine ähnliche Funktion wie einer Maschine zukommt (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1990 II R 171/87, BStBl II 1991, 59; BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 43/91, BFH/NV 1993, 436). Hingegen reicht es nicht aus, wenn eine Anlage für einen Betrieb lediglich nützlich oder notwendig oder sogar gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 43/91, BFH/NV 1993, 436). Entscheidend ist, ob die Gegenstände von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes genutzt werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1989 III R 46/86, BFH/NV 1990, 598) und sie infolge ihrer auf den Betrieb ausgerichteten Funktion nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Grundstück stehen.
Der Senat sieht die genannten Voraussetzungen im Streitfall als gegeben an. Die Fahnenmasten dienen mit den an ihnen angebrachten Werbefahnen unmittelbar und gerade dem Betrieb des Lebensmittelhandels. Aus der Forderung der Rechtsprechung, die begünstigte Anlage müsse eine ähnliche Funktion wie eine Maschine haben, darf nach Auffassung des Senats nicht geschlossen werden, dass nur in die Produktion einbezogene Wirtschaftsgüter Betriebsvorrichtungen sein könnten. An die Stelle der Produktion tritt im Einzelhandel der Warenverkauf. Hierfür sind die Fahnenmasten mehr als nur nützlich. Denn sie dienen unmittelbar Werbezwecken. Werbemaßnahmen wiederum gehören – über die bloße Nützlichkeit oder Zwecktauglichkeit hinaus – zum Kernbereich der Betriebstätigkeit in Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften, weil deren Erfolg wesentlich von der Werbung mitbestimmt wird.
Demgegenüber besteht kein Nutzungs- und Funktionszusammenhang der Fahnenmasten zur bloßen Grundstücksnutzung. Die vom Beklagten zum Vergleich angeführten Wäschepfähle und Teppichklopfstangen haben als Außenanlagen einen Bezug zur Grundstücksnutzung, den betriebsgebundene Werbeanlagen gerade nicht aufweisen. Diese wiederum haben mit einer ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks nichts zu tun. Eine vergleichbare Abgrenzung ist auch der Rechtsprechung des BFH zu den Beleuchtungsanlagen zu entnehmen. Diese werden grundsätzlich nicht als Betriebsvorrichtungen angesehen, sondern dem Gebäude zugerechnet, weil sie erst die Voraussetzung für die Nutzung des Gebäudes in der Dunkelheit schaffen (BFH-Urteile vom 5. März 1974 I R 160/72, BStBl II 1974, 353 und vom 8. Oktober 1987, BStBl II 1988, 440). Jedoch sind Beleuchtungsanlagen für Schaufenster, also für Werbe- oder Reklamezwecke, die nicht zur Gebäudebeleuchtung erforderlich sind, Betriebsvorrichtungen (vgl. hierzu auch Zitzmann, Zulagen für Investitionen in den neuen Bundesländern, 5. Auflage, Tz. 63). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der BFH Schaufensteranlagen einer Drogerie (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 209/67, BStBl. II 1968, 581) und einer Apotheke (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1984 III R 33/81, BStBl. II 1985, 40) als Gebäudebestandteile und nicht als Betriebsvorrichtung angesehen hat, obwohl solche Anlagen auch Werbezwecken des Unternehmens dienen. Diese Entscheidungen beruhen darauf, dass Schaufenster als Teil der äußeren Umfassung eines Bauwerks, wie Außenmauern, dem Gebäude Schutz vor Witterung geben und als solche in erster Linie Teile des Gebäudes sind. Die Fahnenmasten weisen gerade keinen solchen Funktions- und Nutzungszusammenhang zum Gebäude und zum Grundstück auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) sieht der Senat keinen Grund.