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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Thüringen: Gerichtsbescheid vom 24.02.2000 – III 1269/99

    Fallen im ersten Jahr der Anschaffung eines nach dem Eigenheimzulagengesetz begünstigten Gebäudes Erhaltungsaufwendungen an, die 51 v.H. der Netto-Anschaffungskosten des Gebäudes ausmachen, handelt es sich um anschaffungsnahe Aufwendungen, die vom Vorkostenabzug nach § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst a EStG ausgeschlossen sind.


    Im Namen des Volkes hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts am 24. Februar 2000 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Umstritten ist, ob von den Klägern getätigte Aufwendungen Erhaltungsaufwand oder anschaffungsnahen Aufwand darstellen.

    Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom 7. April 1997 (Urkundenrolle Nr. 000/1997) des Notars Schmidt ein Einfamilienhaus zu einem Kaufpreis von 130.000 DM, wobei Besitz, Nutzen, Gefahr und Lasten am 16. September 1997 auf die Kläger übergingen. Das beklagte Finanzamt setzte auf der Basis des Kaufpreises antragsgemäß eine Eigenheimzulage ab 1997 fest.

    Im Mai 1997 wandten die Kläger ausweislich einer Rechnung vom 22. Mai 1997 der Firma K-Bau GmbH für den Einbau von Kunststofffenstern mit Isolierverglasung 8.559,68 DM auf, für die Lieferung einer Heizungsanlage entstanden den Klägern ausweislich einer Rechnung vom 13. August 1997 der Fa. G-Heizungen Aufwendungen in Höhe von 8.188,87 DM. In der Zeit vom 10. Mai bis zum 27. Mai 1997 entstanden den Klägern im Zuge des Einbaus der Fenster, der Heizungsanlage und einer neuen Badezimmerausstattung ausweislich mehrerer Kleinrechnungen für „Trockenausbau”, „Wasser-Installation”, „Isolierstoffe”, „Befestigungstechnik”, „Bauentwässerung”, „Montageschaum”, „Holz”, „Baustoffe”, „Kellerabläufe”, „Rohre”, „Sanitärzubehör” und „Flachheizkörper”, „Rigipsplatten”, „Baumörtel” und „Kabeltrommeln” Aufwendungen von insgesamt 2.889,36 DM. Insoweit beträgt die Summe dieser Aufwendungen 19.637,91 DM. Es wird auf die „Aufstellung 2” zur Einkommensteuererklärung verwiesen. In der Zeit vom 19. März 1997 bis zum 29. September 1997 entstanden den Klägern im Zuge des Heizungseinbaus und der Badezimmersanierung sowie weiterer Umbaumaßnahmen ausweislich zahlreicher Rechnungen für „Steckdosen”, „Schalter”, „Leitungen”, „Sicherungsautomat”, „Lack”, „Estrich-Beton”, „Wasser-Installation”, „Baumörtel”, „Befestigungstechnik”, „Sanitär-Zubehör”, „Trockenausbau”, „Unterputzspülkasten”, „Isolierstoffe”, „Bauentwässerung”, „Holz”, „Gips”, „Rohrleitungen”, „Bauschuttcontainer-Entsorgung”, „Haustür” (Rechnung der Fa. K-Bau GmbH vom 29. Mai 1997 über 4.681,28 DM), „Fliesenkleber”, „Handwerkzeuge”, „Verlegeplatten”, „Armaturen”, „Folien”, „Tapete”, „Fliesen”, „Innentüren und Zargen”, „Elektroinstallation”, „Leisten”, „Anschlussschlauch”, „Türbeschläge”, „Paneele”, „Profilholz”, „Paneelstifte”, „Acryleinbauwanne”, „Badewannenträger”, „Ab- und Überlaufgarnitur”, „Wannenbatterie”, „Wand-WC”, „WC – Sitz”, „Waschbeckenhalterung”, „Waschtischeinlochbatterie”, „Waschtische”, „Brausebatterie”, „Brausegarnitur” (vgl. hinsichtlich der zuletzt angeführten Badezimmerausstattung: Rechnung der Fa. XY vom 9. September 1997 über 4.525,68 DM), „Zählerschrank”, „Steckdosen”, „Duschkabine”, „Badeausstattung”, „Treppen und Geländer” insgesamt Aufwendungen in Höhe von 33.162,63 DM.

    In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 beantragten die Kläger erstmals den Abzug von Erhaltungsaufwendungen nach § 7 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 33.163 DM für die zuletzt genannten Umbaumaßnahmen und von Erhaltungsaufwendungen nach § 10 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 19.638 DM für den bereits gesondert angeführten Einbau von Kunststofffenstern, einer Heizungsanlage und dabei entstandenen weiteren Kosten in Höhe von 2.889,36 DM. Im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 2. Oktober 1998 berücksichtigte der Beklagte sämtliche geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen nach § 7 FördG mit einem Abzugsbetrag in Höhe von 4.000 DM. Den Abzug der Erhaltungsaufwendungen nach § 10 i EStG lehnte der Beklagte ab. Dies begründete er damit, dass anschaffungsnaher Aufwand gegeben sei. Denn bereits die bis 1997 angefallenen Erhaltungsaufwendungen von netto insgesamt 45.914 DM betrügen mehr als 15 % der Anschaffungskosten des Einfamilienhauses (= 13.565 DM), so dass von einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung des Gebäudes und damit von „anschaffungsnahem” Aufwand auszugehen sei.

    Am 28. Oktober 1998 stellten die Kläger beim Beklagten einen Antrag auf „schlichte Änderung” nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung (AO) des Einkommensteuerbescheids, in dem sie wiederum die steuerliche Berücksichtigung von Erhaltungsaufwendungen nach § 10 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a EStG begehrten.

    Nach erfolglosem Einspruch gegen die Ablehnung des Änderungsantrags durch den Beklagten verfolgen die Kläger mit der Klage ihr Begehren weiter. Die Kläger machen geltend, bei der 15 v. H.-Grenze des Abschnitts R 157 Abs. 4 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) handele es sich lediglich um einen Richtwert und ein Indiz, das nur die Vermutung zulasse, dass es sich bei dem Überschreiten des Werts eventuell um Herstellungskosten handeln könnte. Der Beklagte könne nicht allein auf Grund umfangreicher Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen auf eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes schließen. In diesem Zusammenhang stützen sich die Kläger u. a auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg vom 22. Januar 1998 I 1099/97, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1998, 646. Im Streitfall sei durch die Instandsetzungsmaßnahmen lediglich ein zeitgemäßer Wohnkomfort geschaffen worden, durch die Renovierung sei weder die Nutzungsdauer verlängert noch der Nutzungswert erheblich erhöht worden. Hierfür bieten die Kläger Beweis durch Sachverständigengutachten an.

    Die Kläger beantragen sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 2. Oktober 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 1999 dahingehend zu ändern, dass Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 19.638 DM gemäß § 10 i Abs. 1 Satz 2 EStG berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Zutreffend hat der Beklagte den Antrag der Kläger auf schlichte Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO des Einkommensteuerbescheids 1997 abgelehnt und den Abzug der Aufwendungen nach § 10 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a EStG nicht vorgenommen, weil es sich um „anschaffungsnahe Aufwendungen” handelte.

    Nach § 10 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a EStG kann ein Steuerpflichtiger Erhaltungsaufwendungen bis zu 22.500 DM, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind, wie Sonderausgaben abziehen. Die Erhaltungsaufwendungen müssen gemäß § 10 i Abs. 1 Satz 2 EStG insbesondere unmittelbar mit der Anschaffung des Gebäudes zusammenhängen und dürfen nicht zu den Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören.

    Da § 10 i EStG die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht definiert, ist grundsätzlich vom allgemeinen Begriff der Herstellungs- und Anschaffungskosten des Einkommensteuerrechts auszugehen. Denn Begriffe, die der Gesetzgeber in einem Gesetz mehrfach verwendet, sind in der Regel im gleichen Sinn gemeint und somit einheitlich auszulegen. Es gelten im Rahmen des § 10 i EStG daher auch die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten Grundsätze über den sog. anschaffungsnahen Herstellungsaufwand. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bilden erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungskosten Herstellungsaufwand, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem entgeltlichen Erwerb eines bebauten Grundstücks erbracht werden und dadurch das Wesen des Gebäudes verändert, der Nutzungswert erheblich erhöht oder dessen Nutzungsdauer wesentlich verlängert wird (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 IX R 117/90, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1992, 285).

    Für die Beurteilung, ob es sich bei sog. anschaffungsnahen Aufwendungen um Herstellungskosten handelt, sind die Begriffsmerkmale des – auch im Steuerrecht maßgeblichen § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches – HGB – heranzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1998 X R 89/95, Sammlung der nicht amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1999, 776). Danach sind Herstellungskosten auch gegeben, wenn ein Vermögensgegenstand über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessert wird. Eine wesentliche Verbesserung im Sinne der letzten Alternative des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB kann auch durch grundlegende Instandsetzungsmaßnahmen erreicht werden (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 1989 IX R 44/86, BStBl II 1990, 53; vom 29. Oktober 1991 IX R 117/90, BStBl II 1992, 285; vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BStBl II 1996, 632). Wann eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes vorliegt, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 IX R 117/90, BStBl 1992, 285). Bei sog. anschaffungsnahen Aufwendungen sprechen aber bereits die Höhe der Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis und deren enger zeitlicher Zusammenhang mit der Anschaffung dafür, dass die Aufwendungen das Gebäude über seinen beim Erwerb gegebenen Zustand hinaus wesentlich verbessern. Eine solche wesentliche Verbesserung ist dann auf Grund der Art der Baumaßnahmen und der Höhe des dadurch bedingten Aufwands im Verhältnis zur Höhe der Kaufpreise offenkundig (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. Mai 1995 IX R 4/92, BFH/NV 1996, 202). Werden die Instandsetzungsmaßnahmen in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung vorgenommen und sind die Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis hoch, ist danach im Allgemeinen der Schluss gerechtfertigt, dass Herstellungsaufwand vorliegt (vgl. BFH-Urteile vom 23. September 1992 X R 10/92, BStBl II 1993, 338; vom 10. Mai 1995 IX R 4/92, BFH/NV 1996, 202; BFH-Beschluss vom 30. August 1995 X B 37/95, BFH/NV 1996, 120). Einen engen zeitlichen Zusammenhang nimmt der BFH in der Regel bei Vornahme aufwändiger Instandsetzungsarbeiten innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren seit der Anschaffung des Gebäudes an. Denn die aufwändige Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes innerhalb der Zeitspanne legt den Schluss nahe, dass deren Kosten die Höhe des Kaufpreises gemindert haben (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 123/90, BStBl II 1992, 30).

    Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die im Anschaffungsjahr von den Klägern getragenen Erhaltungsaufwendungen als anschaffungsnaher Herstellungsaufwand anzusehen. Es liegt offenkundig eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes vor. Denn bereits die im ersten Jahr der Anschaffung des Gebäudes angefallenen Erhaltungsaufwendungen – einschließlich der nach § 7 FördG geltend gemachten Kosten – in Höhe von insgesamt netto 45.914 DM sind nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum anschaffungsnahen Aufwand (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 1995 X B 37/95, BFH/NV 1996, 120: BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 59/90, BFH/NV 1992, 32) als hoch im Verhältnis zu Kaufpreis anzusehen, da sie 51 v. H. der Netto-Anschaffungskosten des Gebäudes in Höhe von 90.435 DM ausmachen. Da kein anderer Aufteilungsmaßstab vorliegt, ist davon auszugehen, dass die gesamten Anschaffungskosten für das erworbene Einfamilienhaus in Höhe von 113.043 DM (15/115 von 130.000 DM) zu 80 v. H. auf das Gebäude und zu 20 v. H. auf den Grund und Boden entfallen.

    Danach bedurfte es auch nicht der Durchführung einer Beweisaufnahme zur Klärung der Frage, ob nicht nur nach der Höhe, sondern auch nach der Art der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes eingetreten ist. Die vereinzelt gegen die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung angeführten Einwände (vgl. zum Beispiel Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 22. Januar 1998 I 1099/97, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1998, 646 (Rev. eingelegt); Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 1999 3 K 1234/98 (n. rkr.), EFG 2000, 59), rechtfertigen es aus Sicht des erkennenden Senats nicht, von der ständigen Rechtsprechung des BFH abzuweichen. Soweit der BFH im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens entschieden hat, dass auch bei im Verhältnis zum Kaufpreis hohen anschaffungsnahen Aufwendungen im Einzelfall auf Grund eines – mit entsprechenden Beweisangeboten versehenen – Vorbringens des Steuerpflichtigen konkret zu prüfen sei, ob die strittigen Aufwendungen zu einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 Handelsgesetzbuch geführt hätten (vgl. BFH – Beschluss vom 17. Juni 1998 IX B 61/98, BFH/NV 1999, 32; ähnlich auch Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 25. August 1999 9 K 3129/97 E, Revision eingelegt (Az.: des BFH IX R 61/99, EFG 1999, 1274), geht der erkennende Senat davon aus, dass der BFH mit der lediglich nach summarischer Prüfung ergangenen Einzelfallentscheidung nicht von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung abweichen wollte.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat durch Gerichtsbescheid entschieden und lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 115 Abs. 2 FGO).

    VorschriftenHGB § 255 Abs. 2 S. 1, EStG § 10i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a