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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 22.06.2005 – 5 K 207/01

    1. Wird hinsichtlich einer Umsatzsteuervorauszahlung der GmbH nach Fälligkeit ein Stundungsantrag gestellt und vom FA unter Bewilligung einer Nachfrist zur Zahlung abgelehnt, so kann auch eine steuerlich nicht vorgebildete Geschäftsführerin einer GmbH nicht davon ausgehen, nunmehr die Umsatzsteuervorauszahlungsschuld nicht mehr bedienen zu müssen. Hat sie nicht spätestens anlässlich der erst nach Fälligkeit und unter gleichzeitiger Ablehnung der Stundung gewährten Nachfrist steuerlichen Rat eingeholt, ist ihr das als grobe Fahrlässigkeit haftungsbegründend vorzuwerfen.

    2. Säumniszuschläge zu vor Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsberechtigung des GmbH-Geschäftsführers fälligen Umsatzsteuervoranmeldungen zählen zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, für die ggf. nach § 69 Satz 1 AO gehaftet wird; die erweiterte Haftung nach § 69 Satz 2 AO betrifft demgegenüber die Säumniszuschläge, die infolge einer steuerlichen Pflichtverletzung entstehen, ohne dass hinsichtlich ihrer Nichtentrichtung eine Pflichtverletzung des Haftungsschuldners vorliegt.

    3. Der Geschäftsführer darf bei Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens auch wichtige, die Aufrechterhaltung des Betriebes betreffende Verbindlichkeiten (z.B. Arbeitnehmerlöhne, Lieferantenverbindlichkeiten) nicht ohne Pflichtverletzung vorrangig gegenüber dem Fiskus bedienen. Er darf sich auch nicht durch Vorausabtretung von Kundenforderungen an Lieferanten aufgrund verlängerter Eigentumsvorbehalte außerstande setzen, die geschuldete Umsatzsteuer entsprechend den sonstigen Forderungen anteilig abzuführen (Ausführungen zum Grundsatz der anteiligen Tilgung, u.a. zur Beweislast, zur Berechnung und zur Schätzung der für die Haftung maßgeblichen Beträge, zum Haftungszeitraum bei Verstoß gegen den Grundsatz der anteiligen Tilgung und Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens).

    4. Der von der Geschäftsführerin als Haftungsschuldnerin behauptete nachträgliche Ausfall von in den haftungsgegenständlichen Voranmeldungszeiträumen angemeldeten Forderungen lässt den Steuerschaden unberührt. Der spätere Ausfall solcher Forderungen kann lediglich zu einer Berichtigung in dem Besteuerungszeitraum führen, in dem die Änderung eingetreten ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 UStG). Nur wenn eine Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldung und die entsprechende wirksame Aufrechnung mit den Abgabenschulden noch vor Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Haftungsbescheid erfolgen, ist der Ausfall der umsatzsteuerpflichtigen Forderungen im Haftungsverfahren zu berücksichtigen. Führen Berichtigung und Aufrechnung erst später zum (teilweisen) Erlöschen der haftungsgegenständlichen Steuerschuld, ist wegen der Akzessorietät der Haftung eine Korrektur des Haftungsbescheides in einem gesonderten Verfahren nach § 130 AO vorzunehmen.


    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 5. Senat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht Z., der Richterin am Finanzgericht K und des Richters am Verwaltungsgericht T sowie der ehrenamtlichen Richter Herr G. und Frau S. auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 22. Juni 2005

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 82 v.H. und der Beklagte zu 18 v.H.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Tatbestand

    Streitig ist die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für Umsatzsteuer 11/96 und 01/97 sowie Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 11/96 und 01/97 der Malermeister L. GmbH in Höhe von 21.899,63 DM.

    Die Klägerin war seit Gründung der Malermeister L. GmbH mit Gesellschaftsvertrag vom 20.10.1995, eingetragen im Handelsregister am 14.02.1996, Alleingeschäftsführerin. Der Malermeister L. GmbH wurde ab Juli 1996 eine Dauerfristverlängerung nach § 18 Abs. 6 Umsatzsteuergesetz – UStG – i. V. m. § 46 ff. Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV – gewährt.

    Mit am 21.01.1997 beim damals örtlich zuständigen Finanzamt S. eingegangener Umsatzsteuervoranmeldung November 1996 meldete die Klägerin für die Gesellschaft eine Zahllast in Höhe von 74.422,70 DM an. Ebenfalls am 21.01.1997 hatte die Klägerin eine Stundung der Umsatzsteuer November 1996 beantragt. Für Dezember 1996 erfolgte am 24.01.1997 eine Umsatzsteuervoranmeldung mit einen Vorsteuerüberschuss in Höhe von 18.312,90 DM, den das Finanzamt S. am 30.01.1997 an die Malermeister L. GmbH auszahlte. Am 27.01.1997 überwies die Malermeister L. GmbH eine Sondervorauszahlung 1997 in Höhe von 7.967 DM. Am 28.02.1997 reichte die Klägerin eine berichtigte Anmeldung für Dezember 1996 mit einem Vorsteuerüberschuss in Höhe von 30.266,10 DM ein. Das weitere sich aufgrund der berichtigten Anmeldung ergebende Erstattungsguthaben in Höhe von 11.953,20 DM wurde auf die Umsatzvorauszahlung November 1996 umgebucht. Die Sondervorauszahlung 1997 wurde entsprechend auf 6.881 DM berichtigt und die Überzahlung von 1.086 DM ebenfalls mit der Umsatzsteuervorauszahlung November 1996 verrechnet. Unter dem 03.02.1997 lehnte das Finanzamt S. den Stundungsantrag wegen Umsatzsteuervorauszahlung November 1996 ab. Der Malermeister L. GmbH wurde allerdings eine Nachfrist zur Zahlung der Steuerschuld bis zum 03.03.1997 eingeräumt. Am 03.03.1997 buchte das Finanzamt S. ein Guthaben aus Umsatzsteuer 1995 in Höhe von 535,80 DM auf die Umsatzsteuerzahllast für November 1996 um. Ein erneuter Stundungsantrag wegen der Umsatzsteuervorauszahlung November 1996 vom 06.03.1997 wurde vom Beklagten unter dem 13.03.1997 abgelehnt. Ebenfalls am 06.03.1997 meldete die Klägerin für Januar 1997 eine Zahllast in Höhe von 21.637,80 DM an. Am 14.04.1997 erfolgte für Februar 1997 die Anmeldung eines Vorsteuerüberschusses in Höhe von 6.195,10 DM, den das Finanzamt S. auf die Umsatzsteuervorauszahlung November 1996 umbuchte. Die am 21.04.1997 eingegangene Umsatzsteuervoranmeldung für März 1997 weist eine Zahllast von 647,50 DM aus, die die Malermeister L. GmbH am gleichen Tag beglich. Am 28.07.1997 setzte der Beklagte die Umsatzsteuervorauszahlung Juli 1997 der Malermeister L. GmbH mit einem Vorsteuerüberschuss von 5.381,00 EUR fest, den er auf die Umsatzsteuervorauszahlung 01/97 umbuchte.

    Die Klägerin beantragte am 13.05.1997 die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Malermeister L. GmbH, die das Amtsgericht C. nach Sequestrationsanordnung vom 16.05.1997 am 02.07.1997 antragsgemäß beschloss.

    Mit Haftungsbescheid vom 13.10.1997 nahm das Finanzamt S. die Klägerin nach vorheriger Anhörung für Umsatzsteuerschulden aus den Voranmeldungszeiträumen November 1996 und Januar bis März 1997 sowie für die bis zum 13.05.1997 entstandenen Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer November 1996 und Januar 1997 in Höhe von zusammen 46.349 DM in Haftung. Es ging dabei von einer geschätzten Benachteiligung des Finanzamts gegenüber anderen Gläubigern in Höhe von 50 v.H. aus.

    Dagegen legte die Klägerin am 11.11.1997 Einspruch ein. Zum Fälligkeitszeitpunkt der Umsatzsteuervorauszahlung November 1996 seien allenfalls noch 10 bis 15 v.H. der offenen Verbindlichkeiten und zum Fälligkeitszeitpunkt der Umsatzsteuervorauszahlung Januar 1997 allenfalls noch 5 v.H. der offenen Verbindlichkeiten beglichen worden. Hierbei handele es sich zwar lediglich um eine Schätzung der Klägerin. Die Haftungsquote könne aber allenfalls bei 10 v.H. liegen. Im Übrigen habe die Klägerin für die GmbH bei der Umsatzsteuervoranmeldung November 1996 Abschlagsrechnungen berücksichtigt, die nie bezahlt worden seien. Die hierfür veranschlagte Umsatzsteuer sei zu korrigieren. Auch im Übrigen sei noch mit einer Änderung der Umsatzsteuerzahllast durch Stornierungen und Ausbuchungen zu rechnen. Der Gesamtvollstreckungsverwalter sei zur Abgabe korrigierter Umsatzsteuervoranmeldungen aufgefordert worden. Ferner habe die Klägerin mit einer Stattgabe ihrer Stundungsanträge wegen der Umsatzsteuervorauszahlung November 1996 beim Finanzamt S. rechnen können, die sie vor Fälligkeit gestellt habe.

    Ab dem 02.02.1998 wurde aufgrund einer Änderung der Amtsbezirke der Beklagte für das Haftungsverfahren gegen die Klägerin zuständig.

    Im Einspruchsverfahren gelang es dem Beklagten letztlich nach Einsichtnahme in alle die Malermeister L. GmbH betreffenden Unterlagen beim Insolvenzverwalter und beim vormaligen Steuerberater der Gesellschaft, anhand der bis zum 27.03.1997 vollständig vorhandenen Kontoauszüge des Geschäftskontos die unbaren Zahlungen der Gesellschaft ab dem 10.01.1997 bis zu diesem Zeitpunkt i. H. v. insgesamt 653.112,17 DM festzustellen. In den von Januar bis März 1997 vorgefundenen Primanota der Malermeister L. GmbH waren auf dem Kassekonto Barzahlungen i. H. v. 1.831,74 DM verbucht worden. In einem Sequesterbericht vom 19.06.1997 waren offene Verbindlichkeiten in Höhe von 673.818,05 DM ausgewiesen. Die Klägerin versicherte unter dem 17.04.2000 an Eides statt, dass sämtliche Geschäftsunterlagen der Malermeister L. GmbH dem Gesamtvollstreckungsverwalter übergeben worden seien. Demgemäß ging der Beklagte von im angenommenen Haftungszeitraum vom 10.01.1997 bis zum 13.05.1997 zu tilgenden Verbindlichkeiten von 1.328.765 DM (653.112,17 DM + 1.831,74 DM + 673.818,05 DM) und einer Tilgung in Höhe von insgesamt 654.946 DM (653.112,17 DM + 1.831,74 DM) und damit von einer durchschnittlichen Tilgungsquote bezogen auf alle Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum in Höhe von 49 v.H. aus.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2001 nahm der Beklagte die Klägerin nur noch für Umsatzsteuer 11/96 und 01/97 sowie Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 11/96 und 01/97 der Malermeister L. GmbH i. H. v. 31.410 DM in Haftung und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

    Am 12.11.2001 hat die Klägerin Klage erhoben.

    Im Klageverfahren hat der Beklagte die Haftungssumme wie folgt neu berechnet: Statt die durchschnittliche Tilgungsquote auf die nach den erfolgten Umbuchungen und der Anrechnung der Sondervorauszahlung 1997 noch offenen Steuerschulden anzuwenden, hat er die Tilgungsquote auf alle haftungsgegenständlichen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen der Malermeister L. GmbH angewandt. Erst von den sich danach ergebenden bei pflichtgemäßem Verhalten zu tilgenden Anteilen der haftungsgegenständlichen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen hat er die erfolgten Umbuchungen und die anzurechnende Sondervorauszahlung 1997 als tatsächliche erfolgte Tilgungsleistungen in Abzug gebracht und den verbleibenden Betrag als Haftungssumme angesehen. Aufgrund dessen hat der Beklagte die Haftungssumme mit Teilrücknahmebescheid vom 06.06.2002 auf 21.899,63 DM vermindert.

    Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund des gewährten Zahlungsaufschubes sei die Fälligkeit der ältesten Steuerschuld erst am 03.03.1997 eingetreten. Der Haftungszeitraum beginne daher erst in diesem Zeitpunkt. Das Ende des Haftungszeitraumes liege ca. zwei Wochen vor dem 13.05.1997, weil bereits zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der Malermeister L. GmbH gegeben gewesen sei und die Klägerin lediglich den Gesamtvollstreckungsantrag erst später innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 64 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG – gestellt habe. Im Übrigen treffe die Klägerin insofern kein Verschulden hinsichtlich einer eventuellen Benachteiligung des Finanzamtes, als sie zur Aufrechterhaltung des Betriebes zum Beispiel die Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer entrichtet habe. Auch Lieferanten hätten aufgrund verlängerter und erweiterter Eigentumsvorbehalte vorab befriedigt werden müssen. Der Beklagte habe auch bis heute die angeblich geleisteten Zahlungen nicht konkretisiert. Zur Begründung des Verschuldens der Klägerin verwende der Beklagte lediglich formelhaft die Definitionen des Verschuldens eines Geschäftsführers, ohne konkret auf den Einzelfall Bezug zu nehmen. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, dass der Gesamtvollstreckungsverwalter Forderungen und damit auch Umsatzsteuerbeträge vereinnahmt habe und diese habe abführen müssen. Der Beklagte habe die zur Berechnung der Haftung der Klägerin notwendigen Beträge wie Zahlungen, Verbindlichkeiten etc. nicht exakt ermittelt sondern lediglich geschätzt. Dazu sei er nicht befugt gewesen. Der Beklagte hätte vielmehr die Klägerin zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auffordern müssen. Es könne auch nicht zu Lasten der Klägerin gehen, wenn der Beklagte noch am 30.01.1997 das ursprünglich angemeldete Vorsteuererstattungsguthaben für Dezember 1996 in Höhe von 18.312,90 DM an die Klägerin auszahle und nicht mit der Zahllast für November 1996 verrechne. Die zu Beginn des Haftungszeitraumes bestehenden Verbindlichkeiten seien wesentlich höher als 1.328.765 DM gewesen. Das Finanzamt hätte hierzu Ermittlungen anhand der Buchhaltungsunterlagen anstellen müssen. Hätte die Klägerin Zahlungen vor dem Ende des Zahlungsaufschubs am 03.03.1997 vorgenommen, wären diese umgehend vom Gesamtvollstreckungsverwalter angefochten worden. Verschiedene der bei den Umsatzsteuervoranmeldungen berücksichtigten Forderungen seien aufgrund von Mängeleinreden uneinbringlich geworden. Die Klägerin werde eine entsprechende Korrektur der Steuererklärungen vornehmen.

    Mit berichtigten Umsatzsteuervoranmeldungen jeweils vom 10.09.2002 hat die Klägerin für die Malermeister L. GmbH für den Voranmeldungszeitraum November 1996 eine Zahllast in Höhe von 50.649,38 DM und für Januar 1997 eine Zahllast in Höhe von 8.887,83 DM angemeldet. Mit Beschluss vom 21.08.2002 ist das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Malermeister L. GmbH mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 Gesamtvollstreckungsordnung – GesO – eingestellt worden; dabei ist für die Einziehung von Umsatzsteuer-Erstattungsbeträgen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Gesamtvollstreckungsverwalters ausdrücklich nicht aufgehoben worden.

    Die Klägerin beantragt,

    den Haftungsbescheid des Finanzamts S. vom 13. Oktober 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 11.10.2001 in der Fassung des Teilrücknahmebescheides des Beklagten vom 06.06.2002 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das Finanzamt habe im Haftungszeitraum die geleisteten Zahlungen und auch die Verbindlichkeiten so exakt, wie es aufgrund der zur Verfügung gestandenen Unterlagen möglich gewesen sei, ermittelt. Eine Schätzung liege nicht vor. Die berichtigten Umsatzsteuervoranmeldungen der Klägerin für die Malermeister L. GmbH vom 10.09.2002 könnten nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin bis zum Ende des Gesamtvollstreckungsverfahrens hinsichtlich des Vermögens der GmbH nicht verfügungsbefugt gewesen sei. Im Übrigen seien am 19.08.1997 Steuerberechnungen für Umsatzsteuer 1996 und 1997 an den Gesamtvollstreckungsverwalter ergangen, weshalb eine Korrektur nur über berichtigte Umsatzsteuerjahreserklärungen möglich wäre.

    Aus den vorhandenen Summen- und Saldenlisten der Malermeister L. GmbH ergeben sich zum 01.01.1997 Verbindlichkeiten i.H.v. 433.908,50 DM, die allesamt auf Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen entfallen. Bis zum 31.03.1997 wurden neue Verbindlichkeiten i.H.v. 944.679,26 DM und Tilgungen bzw. Ausbuchungen i.H.v. 1.131.516,36 DM verbucht

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten (6 Bände) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Haftungsbescheid in der Fassung des Teilrücknahmebescheides des Beklagten vom 06.06.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Ohne Rechtsfehler hat der Beklagte die Klägerin für die Umsatzsteuervorauszahlungen November 1996 und Januar 1997 sowie für Säumniszuschläge zu diesen Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von noch 21.899,63 DM in Haftung genommen.

    Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung – AO – kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer Kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 69 Satz 1 AO haften u.a. die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 AO), soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolge dessen Steuervergütung oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.

    Die Haftungsinanspruchnahme für die von der Klägerin für die Malermeister L. GmbH angemeldeten Umsatzsteuervorauszahlungen 11/96 und 01/97 und für die darauf bis zum 13.05.1997 entstandenen Säumniszuschläge ist rechtlich nicht zu beanstanden.

    a. Die Klägerin hat die ihr als Geschäftsführerin der Malermeister L. GmbH auferlegten steuerlichen Pflichten verletzt.

    Die Umsatzsteuervorauszahlungen November 1996 und Januar 1997 waren nach § 18 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 6UStG i.V.m. § 46 Satz 1 UStDV am 10.01. bzw. am 10.03.1997 fällig. Die Nichtabführung im Fälligkeitszeitpunkt stellt eine steuerliche Pflichtverletzung dar. Daran vermag auch die am 21.01.1997 nach Fälligkeit beantragte Stundung der Umsatzsteuer November 1996 nichts zu ändern. Selbst im Erfolgsfalle des Antrags würde die nachträgliche Stundung der Umsatzsteuervorauszahlungsschuld November 1996 nicht dazu führen, dass die Verwirklichung des Haftungstatbestandes insoweit rückwirkend entfiele (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1991 VII R 107/98, BFH/NV 1991, 578). Ungeachtet dessen wurde das Stundungsverlangen unter dem 03.02.1997 abgelehnt. Die gewährte Nachfrist zur Zahlung der Steuerschuld bis zum 03.03.1997 lässt im Gegensatz zur Stundung nach § 222 AO die gesetzliche Fälligkeit unberührt. Hierbei handelt es sich nicht um einen Zahlungsaufschub nach § 223 AO, der nur bei Zöllen und Verbrauchssteuern nach Maßgabe besonderer gesetzlicher Bestimmungen in Betracht kommt. Die Nachfrist zur Zahlung ist lediglich ein vorläufiges Absehen von Beitreibungsmaßnahmen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.

    Hinsichtlich der Höhe der zum 10.01.1997 bzw. zum 10.03.1997 fällig gewordenen Umsatzsteuervorauszahlungen konnte der Beklagte von den von der Klägerin (etwas verspätet) angemeldeten Beträgen ausgehen. Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken in Bezug auf die Richtigkeit der von der Klägerin gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorgenommenen Steuerberechnung. Die unsubstantiierte Behauptung im Haftungsverfahren, es seien bei der Steuerberechnung nicht vereinnahmte Abschlagsrechnungen berücksichtigt worden, vermag solche Bedenken nicht zu begründen. Zwar entsteht nach § 13 Abs. 1 Buchst. a UStG die Umsatzsteuer erst mit Ausführung der Leistung oder bei Teilbarkeit der Leistung mit Ausführung der Teilleistung; im Falle bloßer Abschlagszahlungen bei nicht teilbaren Leistungen entsteht die Umsatzsteuer nur dann vor der (vollständigen) Ausführung der Leistung oder Teilleistung, wenn der Abschlag vereinnahmt wird. Die Klägerin hat aber nicht näher dargelegt, in welchem Zeitraum für welches Gewerk welche Abschlagszahlung, ohne vereinnahmt worden zu sein, der Steuerberechnung zugrunde gelegt wurde. Sie hatte als Geschäftsführerin, wenn sie solche Berechnungsfehler festgestellt haben will, die Möglichkeit, bis zum Verlust ihrer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit der Sequestrationsanordnung, berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldungen abzugeben. Das hat die Klägerin nicht getan. Erst im Haftungsverfahren trägt sie pauschal vor, bei Anmeldung der haftungsgegenständlichen Steuern nicht vereinnahmte Abschlagszahlungen berücksichtigt zu haben. Das stellt sich für den erkennenden Senat als Schutzbehauptung dar.

    Ferner hat die Klägerin pflichtwidrig die bis zum Verlust ihrer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Malermeister L. GmbH nach § 240 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5 AO entstandenen und nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO mit der Entstehung sofort fälligen Säumniszuschläge zu den Umsatzsteuervorauszahlungen 11/96 und 01/97 nicht entrichtet. Säumniszuschläge zählen nach § 37 Abs. 1 und § 3 Abs. 4 AO zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, für die nach § 69 Satz 1 AO gehaftet wird; die erweiterte Haftung nach § 69 Satz 2 AO betrifft demgegenüber die Säumniszuschläge, die infolge einer steuerlichen Pflichtverletzung entstehen, ohne dass hinsichtlich ihrer Nichtentrichtung eine Pflichtverletzung des Haftungsschuldners vorliegt (vgl. Klein/Rüsken, AO, 7. Aufl. 2000, § 69 Rz. 113 m.w.N.). Zur am 21.01.1997 angemeldeten Umsatzsteuervorauszahlung 11/96 sind nach § 240 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5 AO am 21.01., am 21.02., am 21.03. und am 21.04.1997 Säumniszuschläge entstanden; hinsichtlich der Höhe ist der Beklagte bei allen erfolgten Umbuchungen ungeachtet des Entstehens der Guthaben zugunsten der Klägerin von einer Rückwirkung nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – und damit jeweils von 546 DM, insgesamt von 2.184 DM ausgegangen. Zur am 06.03.1997 angemeldeten Umsatzsteuervorauszahlung 01/97 sind am 06.03., am 06.04. und am 06.05.1997 Säumniszuschläge entstanden; auch hier hat der Beklagte der Umbuchung des Vorsteuerguthabens 07/97 zugunsten der Klägerin nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 BGB trotz des späteren Entstehens des Guthabens Rückwirkung bis zur Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung 01/97 beigemessen und ist von Säumniszuschlägen jeweils i.H.v. 162 DM, insgesamt i.H.v. 486 DM ausgegangen. Die Rechtsfehler bei der Berechnung der Säumniszuschläge zugunsten der Klägerin sind gerichtlich nicht zu beanstanden.

    Pflichtwidrig handelte die Klägerin als Geschäftsführerin der Malermeister L. GmbH insoweit, als sie in den Fälligkeitszeitpunkten der Umsatzsteuervorauszahlungen 11/96 und 01/97 und der dazu bis zum Verlust ihrer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entstandenen Säumniszuschläge nicht mindestens 49 v. H. dieser Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis getilgt hat. Bei – wie häufig im Vorfeld einer Gesamtvollstreckung – unzureichenden Zahlungsmitteln, die nicht zur gleichzeitigen Bezahlung aller fälligen Schulden ausreichen, besteht die Verpflichtung, die fälligen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis etwa in gleicher Weise zu bezahlen, wie die Forderungen anderer Gläubiger befriedigt werden (Grundsatz der anteiligen Tilgung; vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 69 Rdz. 23, 38 f. m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Klägerin dürfen auch wichtige, die Aufrechterhaltung des Betriebes betreffenden Verbindlichkeiten nicht ohne Pflichtverletzung vorrangig gegenüber dem Fiskus bedient werden. Das gilt für Arbeitnehmerlöhne ebenso wie für Lieferantenverbindlichkeiten. Der Geschäftsführer darf sich auch nicht durch Vorausabtretung von Kundenforderungen an Lieferanten aufgrund verlängerter Eigentumsvorbehalte außerstande setzen, die geschuldete Umsatzsteuer entsprechend den sonstigen Forderungen anteilig abzuführen (vgl. BFH-Urteil v. 17. Juli 1997 VII R 188/82, BStBl. II 1988, 172 m.w.N.).

    Der betragsmäßige Umfang der Pflichtverletzung des Geschäftsführers entsprechend dem Grundsatz der anteiligen Tilgung ist zeitraumbezogen zu ermitteln (Haftungszeitraum). Der Haftungszeitraum beginnt im Zeitpunkt der erstmaligen Verwirklichung des Haftungstatbestandes (vgl. dazu BFH-Urteil v. 11. März 2004 VII R 19/02, BStBl. II 2004, 967). Das ist im Streitfall der Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung November 1996 am 10. Januar 1997. Einer Fälligstellung durch das Finanzamt bedarf es nicht (vgl. BStBl. II 2004, 967). Ende des Haftungszeitraum ist der Zeitpunkt, in dem der Geschäftsführer seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Steuerschuldnerin und damit die Möglichkeit die steuerlichen Pflichten doch noch zu erfüllen, verliert (vgl. BFH-Beschluss v. 08. Mai 1990 VII B 173/89, BFH/NV 1991, 12). Im Streitfall war dies mit Sequestrationsanordnung vom 16.05.1997 der Fall. Innerhalb dieses Zeitraums sind die insgesamt erfolgten Tilgungsleistungen zu den insgesamt in diesem Zeitraum zu tilgenden Verbindlichkeiten, d. h. zu den zu Beginn des Haftungszeitraums vorhandenen Verbindlichkeiten zuzüglich der während des Haftungszeitraums hinzugekommenen und abzüglich der während des Haftungszeitraums ohne Tilgung entfallenen Verbindlichkeiten, ins Verhältnis zu setzen (vgl. Rüsken, a.a.O., § 69 Rdz. 125 m.w.N.). Mangels vollständiger Buchführungsunterlagen kann die durchschnittliche Tilgungsquote im Streitfall nur im Schätzungswege nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO analog festgestellt werden (vgl BFH-Beschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Nach dem der Beklagte alle beim Gesamtvollstreckungsverwalter ermittelten Unterlagen sowie die noch beim Steuerberater der Malermeister L. GmbH vorhandenen Unterlagen eingesehen und die Klägerin selbst an Eides statt versichert hat, keine weiteren Unterlagen zu haben, sind keine Ermittlungsmöglichkeiten mehr vorhanden. Die Einholung einer eidesstattlichen Versicherung der Klägerin zur Frage der durchschnittlichen Tilgungsquote im Haftungszeitraum erscheint schon deshalb untauglich, da die Klägerin im Einspruchsverfahren bereits ausgeführt hat, nur Mutmaßungen anstellen zu können. Bei Vornahme der Schätzung ist der vom Beklagten beschrittene Weg nicht von der Hand zu weisen, die ermittelten baren und unbaren Zahlungen im Haftungszeitraum der Summe dieser Zahlungen zuzüglich der nach dem ersten Sequesterbericht vom 19.06.1997 noch offenen Verbindlichkeiten gegenüber zu stellen. Denn die insgesamt im Haftungszeitraum zu tilgenden Verbindlichkeiten müssen der Summe der an seinem Ende noch vorhandenen Verbindlichkeiten und der im Haftungszeitraum erfolgten Zahlungen entsprechen. Dass dabei die Zahlungen nur bis zum 27.03.1997 ermittelt werden konnten, bedeutet insofern keine all zu große Unsicherheit, als die Klägerin selbst vorträgt, im Vorfeld der Stellung des Gesamtvollstreckungsantrags am 13.05.1997 keinerlei Zahlungsmittel mehr zur Verfügung gehabt zu haben. Letzte Unsicherheiten wohnen jeder Schätzung inne und sind hinzunehmen, solange von den Umständen ausgegangen wird, für die ein Höchstmaß an Wahrscheinlichkeit spricht. Dass der Beklagte mit seiner Methode die Tilgungsquote jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin überhöht angenommen hat, folgt aus folgender Vergleichsermittlung: Nimmt man die in den Summen- und Saldenlisten Januar bis März der Malermeister L. GmbH ausgewiesenen Abgänge an Verbindlichkeiten i. H. v. 1.131.516,36 DM und setzt sie ins Verhältnis zu den während dieses Zeitraums insgesamten erfassten Verbindlichkeiten (Anfangsbestand + Habenbuchungen auf den Verbindlichkeitskonten) i.H.v. 1.378.587,76 DM ergäbe sich eine durchschnittliche Tilgungsquote i.H.v. 82 v. H.. Bei dieser Überlegung wird nicht verkannt, dass bei den Sollbuchungen auf den verschiedenen Verbindlichkeitskonten neben Tilgungen auch Ausbuchungen eine Rolle gespielt haben können. Ferner verbleibt auch hier die Unsicherheit, dass Zahlungen im April und der ersten Maihälfte nicht erfasst sind. Gleichwohl macht die Ermittlung der Haftungsquote nach dieser Kontrollmethode deutlich, dass die vom Beklagten angenommen 49 v.H. wohl eher am unteren Rande des Wahrscheinlichen angesiedelt sind.

    Die pflichtwidrig nicht abgeführten Umsatzsteuervorauszahlungen November 1996 und Januar 1997 und die pflichtwidrig nicht entrichteten Säumniszuschläge zu den Umsatzsteuervorauszahlungen 11/96 und 01/97 ergeben sich demnach wie folgt:

    Im Haftungszeitraum zu zahlende Steuern und steuerliche Nebenleistungen:

    Umsatzsteuer 11/199674.422,70 DM
    +Umsatzsteuer 01/9721.637,80 DM
    +Umsatzsteuer 03/97647,50 DM
    +Sondervorauszahlung 19976.881,00 DM
    +im Haftungszeitraum entstandene Säumniszuschläge
    zur Umsatzsteuervorauszahlung 11/1996 (lt. Beklagtem)2.184,00 DM
    und zur Umsatzsteuervorauszahlung 01/97486,00 DM
    106.259,00 DM


    Davon zu tilgen 49 v. H.:52.066,91 DM


    Zahlungen auf Steuern und steuerliche Nebenleistungen im Haftungszeitraum:

    Guthaben Umsatzsteuer 1995 535,80 DM

    +Guthaben Umsatzsteuer 12/9611.953,20 DM
    +gezahlte Sondervorauszahlung 19971.086,00 DM
    +Guthaben Umsatzsteuer 02/976.159,10 DM
    +Zahlung Umsatzsteuer 03/97647,50 DM
    20.381,60 DM


    Zu wenig an das Finanzamt gezahlt:31.685,31 DM


    Die tatsächliche Inanspruchnahme der Klägerin für die Vorauszahlungen 11/96 und 01/97 samt der dazu im Haftungszeitraum entstandenen Säumniszuschläge liegt auch nach der vom Beklagten vorgenommenen Aufrechnung der Vorauszahlung 01/97 mit dem nach dem Haftungszeitraum entstandenen Vorauszahlungsguthaben 07/97 von 5.381,00 DM unter diesem Betrag.

    Der Einwand der Klägerin, der Beklagte bzw. das zuvor zuständige Finanzamt S. habe das zunächst angemeldete Guthaben Umsatzsteuer 12/96 i. H. v. 18.312,90 DM nicht an die Malermeister L. GmbH auszahlen dürfen, sondern hätte es ebenfalls mit den haftungsgegenständlichen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen zur Verrechnung bringen müssen, verfängt nicht. Der Haftungsschulder Kraft Tatbestandsverwirklichung trägt grundsätzlich das Risiko, dass die Steuerforderung beim Steuerschuldner nicht beigetrieben werden kann (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 04. Juli 1979 II R 74/77, BStBl. II 1980, 126). Im übrigen stand es der Klägerin frei, als Geschäftsführerin der Steuerschuldnerin die am 10.01.1997 fällige Umsatzsteuer 11/96 mit dem ausgezahlten Betrag zumindest teilweise zu begleichen.

    b. Die Klägerin handelte bei der dargelegten steuerlichen Pflichtverletzung zumindest grob fahrlässig im Sinne von § 69 Satz 1 AO.

    Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt muss ein Geschäftsführer eines umsatzsteuerpflichtigen Unternehmens wissen, dass und wann Umsatzsteuern zu zahlen sind und wann Säumniszuschläge entstehen. Werden – wie im Streitfall hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlung November 1996 – nach Fälligkeit Stundungsanträge gestellt und geht der Geschäftsführer davon aus, dass alleine die Antragstellung die Fälligkeit dieser Vorauszahlung beseitigt, mißachtet er die einfachsten, jedermann einleuchtenden Sorgfaltsregeln im Rahmen der steuerlichen Pflichterfüllung. Dem gegenüber mag zwar die unter dem 03.02.1997 vom Finanzamt S. im Zusammenhang mit der Ablehnung des Stundungsantrags eingeräumte Nachfrist zur Zahlung der Steuerschuld bis zum 03.03.1997 auch bei einem sorgfältigen Geschäftsführer den Eindruck erwecken, bis zum Ende der Nachfrist die Steuerschulden nicht bedienen zu müssen und ohne Pflichtverletzung andere Gläubiger befriedigen zu können; die Beurteilung dieser Frage hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Im Streitfall wurde die „Nachfrist” aber erst nach Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung 11/96 gewährt und zugleich der Stundungsantrag der Klägerin abgelehnt. Unter Beachtung dieser Umstände konnte die Klägerin auch als steuerlich nicht vorgebildete Geschäftsführerin nicht davon ausgehen, nunmehr die Umsatzsteuervorauszahlungsschuld 11/96 nicht mehr bedienen zu müssen. Sie hätte zumindest anlässlich der erst nach Fälligkeit und unter gleichzeitiger Ablehnung der Stundung gewährten Nachfrist steuerlichen Rat einholen müssen. Das sie dies unterlassen hat, ist ihr vorzuwerfen.

    Das gleiche gilt in Bezug auf die Benachteiligung des Finanzamtes gegenüber Arbeitnehmern und Lieferanten. Auch insoweit konnte die Klägerin nicht ohne weiteres annehmen, dass dies rechtens ist. Es ist ihr deshalb in diesem Zusammenhang ebenfalls vorzuwerfen, keinen steuerlichen Rat eingeholt zu haben. Soweit hinsichtlich einzelner Lieferanten ein sogenannter verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart war, liegt – wie dargelegt – die Pflichtverletzung bereits in der Hinnahme einer entsprechenden Vereinbarung, auf die sich die Klägerin, ohne sich steuerlich beraten zu lassen, einließ.

    c. Die grob fahrlässige Verletzung der steuerlichen Pflichten der Klägerin als Geschäftsführerin der Malermeister L. GmbH ist ursächlich dafür, dass dem Steuergläubiger die haftungsgegenständlichen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in der noch offenen Höhe ausgefallen sind und insoweit ein Steuerschaden entstanden ist. Bis zum für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung hat sich dieser Steuerschaden unstreitig nicht vermindert.

    Der von der Klägerin behauptete nachträgliche Ausfall von in den haftungsgegentändlichen Voranmeldungszeiträumen angemeldeten Forderungen lässt den Steuerschaden unberührt. Der spätere Ausfall solcher Forderungen kann lediglich zu einer Berichtigung in dem Besteuerungszeitraum führen, in dem die Änderung eingetreten ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 UStG). Kommt es zu einer solchen späteren Berichtigung und führt sie zu einem Erstattungsanspruch im Berichtigungszeitraum, vermindert sich die haftungsgegenständliche Steuerschuld erst mit wirksamer Aufrechnung. Nur wenn Berichtigung und Aufrechnung noch vor Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Haftungsbescheid erfolgen, ist der Ausfall der umsatzsteuerpflichtigen Forderungen im Haftungsverfahren zu berücksichtigen; führen Berichtigung und Aufrechnung später zum (teilweisen) Erlöschen der haftungsgegenständlichen Steuerschuld, ist wegen der Akzessorietät der Haftung eine Korrektur des Haftungsbescheides in einem gesonderten Verfahren nach § 130 AO vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1985 VII R 108/79, BFH/NV 1985, 19 und FG Berlin, Urteil vom 22. Januar 2004 9 K 9544/00, EFG 2004, 1957; a.A. Schleswig-holsteinisches FG, Urteil vom 10. März 1999 IV 1563/97, EFG 1999, 746).

    In jedem Fall wäre aber zunächst die Abgabe von Anmeldungen für die Berichtigungszeiträume durch den über das Vermögen der Malermeister L. GmbH Verwaltungs- und Verfügungsbefugten erforderlich und sodann eine entsprechende Aufrechnungserklärung des Verwaltungs- und Verfügungsbefugten oder des Finanzamts. Verwaltungs- und verfügungsbefugt ist die Klägerin als Liquidatorin nach § 66 Abs. 1 GmbHG erst, wenn auch hinsichtlich der Einziehung von Umsatzsteuererstattungsbeträgen das Gesamtvollstreckungsverfahren nach § 19 GesO aufgehoben wird. Bei bestehender Aufrechnungslage steht die Erklärung der Aufrechnung seitens des Finanzamts in dessem pflichtgemäßem Ermessen. Bis zur Aufhebung des Gesamtvollstreckungsverfahren war einer Erklärung der Aufrechnung durch das Finanzamt mit den haftungsgegenständlichen Forderungen ohnehin der Gesichtspunkt entgegengestanden, dass sich ein Massegläubiger während des Gesamtvollstreckungsverfahrens durch Aufrechnung keine von der Rangordnung des § 17 Abs. 3 GesO abweichende Befriedigung verschaffen darf, wenn die Aufrechnungslage erst nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens eingetreten ist (vgl. auch § 7 Abs. 5 GesO; Braun/Kissner, InsO, 2. Aufl. 2004, § 209 Rdz. 35 f. m.w.N.). Dass der Beklagte entgegen dieser Rechtslage das Vorauszahlungsguthaben 07/97 auf die haftungsgegenständliche Vorauszahlung 01/97 umgebucht hat, wirkt zugunsten der Klägerin und kann durch das Gericht von daher nicht beanstandet werden. Allgemein aber gilt: Der Haftungsschuldner Kraft Tatbestandsverwirklichung trägt das Risiko, dass im Haftungszeitraum fällige und nicht angemeldete bzw. nicht bezahlte Steuerforderungen des Steuerschuldners im Nachgang, sei es durch Zahlung oder durch Aufrechnung, nicht zum Erlöschen kommen.

    Entgegen der Auffassung der Klägerin erscheint dies dem erkennenden Senat nicht unbillig. Der über das Vermögen der Steuerschuldnerin verwaltungs- und verfügungsbefugte Verwalter kann über die sich in späteren Berichtigungszeiträumen während der Gesamtvollstreckung ergebenden Erstattungsansprüche verfügen und Auszahlung verlangen. Wäre das Finanzamt darüber hinaus gehalten, die Haftungssumme aufgrund der späteren Uneinbringlichkeit der Bemessungsgrundlage der zugrunde liegenden Umsatzsteuerforderungen zu mindern, würde im Ergebnis die Allgemeinheit den aufgrund der haftungsgegenständlichen Pflichtverletzungen des Haftungsschuldners entstandenen Steuerschaden tragen. So läuft der Beklagte beispielsweise Gefahr, das mit der Vorauszahlung 01/97 verrechnete und insofern Haftungsmindernd berücksichtigte Guthaben 07/97 vorbehaltlich der Verjährung noch an den Gesamtvollstreckungsverwalter auszahlen zu müssen.

    Gegen die von der Klägerin ins Feld geführte Unbilligkeit spricht ferner, dass der nach dem Haftungszeitraum aufgrund von Forderungsausfällen entstehende Steuererstattungsanspruch des Steuerschuldners im Haftungsfalle grundsätzlich nicht anders behandelt werden darf, als der nach dem Haftungszeitraum aufgrund nicht beglichener Verbindlichkeiten entstehende Vorsteuerrückforderungsanspruch des Finanzamts. Es liegt aber auf der Hand, dass letzterer mangels Einwirkungsmöglichkeit des Haftungsschuldners die Haftung nicht erhöhen kann. Von daher hat der Umsatzsteuerhaftungsschuldner aufgrund von Forderungsausfällen nach dem Haftungszeitraum auch keinen Rechtsanspruch auf eine verminderte Inanspruchnahme.

    Schließlich wird die Haftung der Klägerin auch nicht dadurch berührt, dass das Finanzamt im Gesamtvollstreckungsverfahren die Jahressteuern 1996 und 1997 angemeldet hat. Zwar gehen die Umsatzsteuervorauszahlungen in der Jahresumsatzsteuer auf und verlieren dabei ihre Selbständigkeit. Entstehung und Fälligkeit der Voranmeldungsforderungen bleiben aber ebenso wie beim Erlass eines Jahressteuerbescheides unberührt, soweit im Jahresbescheid keine Feststellungen darüber enthalten sind, dass die einzelnen Voranmeldungen materiell fehlerhaft waren (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1999 VII R 98/98, BdStBl. II 2000, 486). Daraus folgt auch, dass die haftungsgegenständliche Umsatzsteuervorauszahlung Januar 1997 auch dann zunächst unberührt bliebe, wenn dabei berücksichtigte Forderungen noch in 1997 uneinbringlich geworden wären und sich damit die Uneinbringlichlichkeit auf die Jahresumsatzsteuer auswirken würde. Erst wenn die Jahresumsatzsteuer geringer ausfallen würde, als die Voranmeldungszahllast Januar 1997, wäre letztere materiell fehlerhaft.

    d. Ermessensfehler sind nicht zu erkennen. Insbesondere kommt nach Aktenlage kein weiterer Haftungsschuldner in Betracht, so dass die Ausübung eines Auswahlermessens nicht geboten war.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 i.V.m. § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

    VorschriftenAO § 191 Abs. 1 S. 1, AO § 69 S. 1, AO § 69 S. 2, AO § 34 Abs. 1 S. 1, AO § 37 Abs. 1, AO § 3 Abs. 4, AO § 240 Abs. 1 S. 1, AO § 240 Abs. 1 S. 3, AO § 240 Abs. 1 S. 5, AO § 220 Abs. 2, AO § 130, UStG § 17 Abs. 1 S. 3, UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1, GesO § 19, GesO § 17 Abs. 3