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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 14.10.2008 – 6 K 2204/04

    1. Das Finanzamt kann einen Verein betreffende Steuerbescheide wirksam einer Person bekanntgeben, die als faktischer Vorstand und Empfangsbevollmächtigter für den Verein aufgetreten ist, wenn diese Person u. a. die zentrale und lenkende Figur innerhalb des Vereins war, alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen oder daran zumindest mitgewirkt hat, den Verein nach außen vertreten hat, und wenn die sonstigen Vorstände nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nur vorgeschoben waren und ihre Position nur pro forma bekleidet haben.

    2. Der vom Verein mit der Erkrankung des faktischen Vorstands begründete Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchfrist kann keinen Erfolg haben, wenn weder genaue Angaben zur Dauer der Erkrankung gemacht werden noch ein ärztliches Attest vorgelegt oder ggf. eine eidesstattliche Versicherung einer dritten Person über Art und Dauer der Erkrankung eingereicht wird.

    3. Die Aussagen des faktischen Vorstands, die Bescheide seien an einer unzutreffenden Adresse abgegeben worden, sind nicht glaubhaft, wenn der Verein und sein faktischer Vorstand es nach der Erfahrung und zur Überzeugung des Gerichts durch Vorhalten verschiedener Adressen permanent darauf angelegt haben, die Bekanntgabe und die Zustellung ihnen missliebiger behördlicher Schreiben zu erschweren bzw. unmöglich zu machen.

    4. Will ein Verein als gemeinnützig anerkannt werden, trägt er die Feststellungslast u. a. dafür, dass seine tatsächliche Geschäftsführung in den Streitjahren den Anforderungen des § 63 Abs. 1 AO entsprochen hat. Sind Geschäfts- und Tätigkeitsberichte nicht angefertigt worden, sind trotz mehrfacher Aufforderung auch keine anderen vergleichbaren Unterlagen als Nachweis der Tätigkeit des Vereins vorgelegt worden und ist daher nicht erkennbar, ob und in welcher Weise der Verein seinen Satzungszweck erfüllt hat, geht das zu Lasten des Vereins.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 6. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht …, den Richter … sowie die ehrenamtlichen Richter … und …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden, die infolge einer Steuerfahndungsprüfung ergangen sind. Insbesondere ist die Frage im Streit, ob die Bescheide ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sind.

    Der Kläger ist ein eingetragener Verein und wurde 1992 gegründet. Er wird im Vereinsregister des Amtsgerichts P. unter der Nr. VR … P geführt. Nach der Vereinssatzung ist der Kläger eine Einrichtung der kulturellen, politischen, technischen und kreativen Aus-, Fort- und Weiterbildung für Jugendliche und Erwachsene.

    Im September 1993 wurden Herr A. als Vorsitzender des Vorstands des Klägers sowie die Herrn B. und Dr. C. als Stellvertreter in das Vereinsregister eingetragen. Im März 1998 wurden Herr D. als Vorsitzender des Vorstands und Herr E. anstelle des ausscheidenden Herrn Dr. C. als Stellvertreter in das Vereinsregister eingetragen. Auf der Mitgliederversammlung im September 1998 wurde die Auflösung des Vereins beschlossen; dies wurde im Juli 2000 in das Vereinsregister eingetragen. Auf einer Mitgliederversammlung im September 2001 wurde die Fortsetzung der Vereinsarbeit beschlossen. Zum Vorstandsvorsitzenden wurde Herr A., zu Stellvertretern wurden die Herren F. und G. gewählt. Eine Eintragung in das Vereinsregister erfolgte nicht, da Angaben zu den Personalien der Vorstandsmitglieder fehlten. Im August 2004 wurden Herr A. als Vorstandsvorsitzender und die Herren H. sowie I. als Stellvertreter in das Vereinsregister eingetragen. Die Protokolle sämtlicher Mitgliederversammlungen wurden von Herrn Dr. C. unterschrieben.

    Aufgrund eines von Herrn Dr. C. unterzeichneten Antrags im März 1993 stellte das Finanzamt X. im Oktober 1993 eine vorläufige Bescheinigung aus, wonach der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. Abgabenordnung – AO – diene; in der Bescheinigung wurde deutlich auf ihren vorläufigen Charakter hingewiesen.

    Mit einem im Oktober 1996 beim Beklagten eingegangenen Schreiben teilte der Kläger mit, dass der Ort der Geschäftsleitung nach H. verlegt worden sei. Mit einem Schreiben im November 1996 teilte der Kläger „nochmals mit, dass der Ort der Geschäftsführung geändert” worden sei und teilte als neue Adresse die W.str. in H. mit. Die Schreiben wurden vermutlich von einem Herrn J. unterschrieben.

    Nachdem der Kläger die vom Beklagten mehrfach angeforderten Unterlagen zum Nachweis der Gemeinnützigkeit nicht vorgelegt hatte, ergingen am 28. August 1997 Körperschaftsteuerbescheide für 1993 bis 1995 über DM Null. In den Erläuterungen zum Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass aus den eingereichten Unterlagen nicht hervorgehe, inwieweit der Satzungszweck erfüllt werde. Hinsichtlich der Jahre 1994 und 1995 schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO, da der Kläger insoweit keine Steuererklärungen abgegeben hatte.

    Für die Jahre 1996 und 1997 beantragte der Kläger erneut die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Die Steuererklärungen wurden von Herrn J. (1996) und von Herrn E. (1997) unterschrieben. Mangels Unterlagen versagte der Beklagte die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und erließ am 04. August 1998 sowie am 17. März 1999 Bescheide für 1996 und 1997 über DM Null.

    Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1997 gab der Kläger nicht ab. Festsetzungen erfolgten daher insofern zunächst nicht.

    Beginnend im Jahr 1999 führte der Beklagte beim Kläger und der B.vereinigung M. e. V. (im Folgenden: BM), für die Herr Dr. C. ebenfalls maßgeblich tätig war, eine Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 1993 bis 1995 durch. Die Steuerfahndungsprüfung führte zu folgenden Ergebnissen (Berichte über die steuerlichen sowie über die strafrechtlichen Feststellungen vom März 2002):

    Der Kläger habe Fördermittel von verschiedenen öffentlichen Stellen erhalten. Er sei darüber hinaus auch wirtschaftlich tätig geworden, u. a. indem er Videoaufnahmen gegen Entgelt gefertigt habe. Nahezu alle Schriftstücke seien von Herrn Dr. C. unterschrieben worden. Dr. C. sei nach außen als Direktor aufgetreten. Im Jahr 1994 habe der Kläger ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in P. erworben. Der Grundstückskaufvertrag sei für den Kläger von Herrn Dr. C. unterzeichnet worden. Der Erwerb sei treuhänderisch für Herrn Dr. C. erfolgt. Das Treuhandverhältnis sei 1997 beendet worden. Herr Dr. C. habe die Konten des Klägers eröffnet und sei für die Konten erster Verfügungsberechtigter gewesen. Zahlungen seien fast ausschließlich von Herrn Dr. C. angewiesen worden. Die befragten Zeugen hätten angegeben, dass Herr Dr. C. der eigentliche Vorstandsvorsitzende des Klägers gewesen sei. Er sei für alle wesentlichen finanziellen Entscheidungen zuständig gewesen. Er habe für den Kläger die öffentlichen Fördermittel beantragt. Herr Dr. C. habe auch den Anstellungsvertrag mit dem kurzzeitigen Geschäftsführer Herrn J. unterschrieben. Herr Dr. C. habe sich selbst als „Direktor” des Klägers betitelt. Die für die öffentliche Förderung erforderlichen Veranstaltungen hätten nach den Zeugenbekundungen größtenteils gar nicht oder nicht in dem angegebenen Umfang stattgefunden. Der Kläger habe vorrangig der Beschaffung von Fördermitteln gedient. Hinsichtlich des vom Kläger erworbenen Grundstücks sei der Eindruck vermittelt worden, es handele sich um Privatbesitz des Herrn Dr. C.. Dieser sei wie ein Hauseigentümer aufgetreten. Arbeiten an dem Haus seien von den für andere Zwecke geförderten Arbeitnehmern durchgeführt worden. Es seien Belege gefälscht worden, um Gelder in den privaten Bereich des Herrn Dr. C. zu transferieren.

    Wegen der weiteren Ergebnisse der Steuerfahndungsprüfung wird auf den Bericht über die steuerlichen Feststellungen vom 12. März 2002 verwiesen. An der Schlussbesprechung der Fahndungsprüfung nahm für den Kläger Herr Dr. C. teil.

    Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte am 27. Juni 2002 – zum Teil geänderte – Bescheide über Körperschaftsteuer, den Gewerbesteuermessbetrag, Umsatzsteuer sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes für die Streitjahre. Die Bescheide gab der Beklagte wie folgt bekannt: „Herrn Dr. C., R.str. 1, B., für M. e.V., W.str., H.”.

    Der Beklagte erließ außerdem am 01. Juli 2002 Steuerbescheide gegen die BM, die er ebenfalls an Herrn Dr. C. unter der Adresse R.str. 1 in B. bekannt gab. Gegen diese Bescheide legte die BM mit Schreiben vom 18. Juli 2002, Eingang beim Beklagten am 24. Juli 2002, Einspruch ein.

    Mit einem Schreiben vom 22. August 2002, das der Beklagte als Einspruch wertete, teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass Herr Dr. C. weder Vorstandsmitglied noch faktischer Vorstand des Klägers sei. Er sei auch nicht in sonstiger Weise zur Entgegennahme von Steuerbescheiden bevollmächtigt worden. Mit einem Schreiben vom 06. September 2002 beantragte der Prozessbevollmächtigte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Herr Dr. C. habe sich für mehrere Wochen in stationärer Behandlung in einer Klinik befunden.

    Der Beklagte kontaktierte daraufhin andere frühere oder aktuelle Vorstandsmitglieder des Klägers. Dies führte zu folgenden Resultaten:

    Die im Vereinsregister eingetragenen Personen seien nicht auffindbar; die Eintragung der neuen Vorstandsmitglieder sei nicht erfolgt, da die Anschriften nicht vorgelegen hätten. In den Akten des Vereinsregisters sei in diesem Zusammenhang die Kopie eines Freistellungsbescheids gefunden worden, mit der der Kläger den Erlass der Registergebühren bewirkt habe. Der Freistellungsbescheid sei offensichtlich gefälscht worden.

    > Herr Rechtsanwalt F. gab an, auf Vorschlag des Herrn Dr. C. zum Vorstand der BM und des Klägers ernannt worden zu sein. Per Januar 2002 sei das Ausscheiden bei der Klägerin protokolliert worden. Er habe nie an einer Mitgliederversammlung des Klägers teilgenommen.

    > Herr A. teilte mit Schreiben vom 24. Juni 2004 mit, dass er seit vielen Jahren keinen Kontakt zum Kläger gehabt habe; seine einzige Bezugsperson im Verein sei Herr Dr. C. gewesen. Der Umzug nach H. sei „nach seiner Zeit” gewesen.

    > Herr G. teilte mit, dass Herr Dr. C. ihn gebeten habe, dem Vorstand beizutreten, da er selbst, Herr Dr. C., als Zeuge zugunsten des Vereins auftreten wolle. Es sei nie zu einem Treffen gekommen. Herr Dr. C. habe die schriftlichen Angelegenheiten geregelt. Dies sei teilweise unter dem Pseudonym „Herr J.” geschehen. Auch die anderen Vorstandsmitglieder hätten nach seiner Auffassung keine aktive Tätigkeit ausgeübt. Ende 2001 habe er den Kontakt zum Kläger und zu Herrn Dr. C. abgebrochen.

    > Herr E. teilte mit, an verschiedenen Mitgliederversammlungen teilgenommen zu haben. Der Kläger sei seit 1998 nicht mehr aktiv gewesen.

    Der Aufforderung des Beklagten, die Umstände der Krankheit des Herrn Dr. C. näher zu erläutern, kam der Kläger nicht nach.

    Mit einer Einspruchsentscheidung vom 09. September 2004 verwarf der Beklagte den Einspruch als unzulässig. Das Einspruchsschreiben sei erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bei ihm eingegangen. Die Bekanntgabe an Herrn Dr. C. sei auch wirksam gewesen, denn dieser sei faktischer Vorstandsvorsitzender des Klägers und damit Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO gewesen. Der Kläger sei unter der angegebenen Anschrift in H. nicht erreichbar gewesen. Aus den vorliegenden Unterlagen sowie den Aussagen der befragten Zeugen könne geschlossen werden, dass Herr Dr. C. die einzige für den Kläger handelnde Person gewesen sei. Der befragte Herr F. habe sich erst nach Rücksprache mit dem Prozessbevollmächtigten daran erinnern können, Vorstandsmitglied des Klägers gewesen zu sein.

    Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren. Wenn sich der Steuerpflichtige auf eine Erkrankung berufe, müsse er die Art und die Schwere der Krankheit darlegen und glaubhaft machen. Die Krankheit des Herrn Dr. C. sei schon deshalb nicht glaubhaft, weil gegen den ebenfalls an ihn bekannt gegebenen Bescheid für die BM rechtzeitig am 24. Juli 2004 Einspruch eingelegt worden sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 09. September 2004 verwiesen.

    Der Kläger hat mit einem am 11. Oktober 2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass die Bescheide vom 27. Juni 2002 nicht wirksam bekannt gegeben worden seien, da Herr Dr. C. weder Vorstandsmitglied noch faktischer Vorstand des Klägers gewesen sei. Der Beklagte sei örtlich nicht zuständig. Die beabsichtigte Sitzverlegung nach H. habe nicht stattgefunden. Der Sitz des Klägers habe sich stets in P. befunden. Dr. C. habe schon seit 1994 keine Funktion im Vorstand des Klägers mehr. Einen faktischen Vereinsvorsitzenden kenne das Vereinsrecht nicht. Herr Dr. C. sei kein Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO. Es genüge dafür nicht, dass er Protokollführer gewesen sei, denn dies sei ein Akt der internen Willensbildung des Klägers. Der Beklagte habe u. a. auch Herrn E. befragt, der im Vereinsregister als Vorstandsmitglied eingetragen gewesen sei. Der Beklagte hätte daher die Möglichkeit gehabt, die Bescheide an Herrn E. bekannt zu geben.

    Neben dem Zeugen Dr. C. hätten auch die Mitglieder des Vorstands Kontovollmacht gehabt. Der Zeuge G. führe seit Jahren Verfahren gegen Herrn Dr. C. und Institutionen, von denen er annehme, dass sie im Zusammenhang mit Herrn Dr. C. stünden. Er sei ansonsten dadurch aufgefallen, dass er bei einer Zeugenvernehmung einen Tankbetrug zugegeben habe. Die Steuerfahnderin K. habe die Zeugen im Übrigen beeinflusst und mit fehlerhaften Angaben eingeschüchtert. Gegenüber dem Zeugen F. habe sie geäußert: „Der C. ist der größte Verbrecher, der mir jemals begegnet ist”. Der Beklagte habe die von ihm beschlagnahmten Buchführungsunterlagen noch nicht zurückgegeben.

    Die angefochtenen Bescheide seien schon deshalb aufzuheben, weil der Kläger steuerbegünstigt im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts sei. Das Finanzamt X. habe die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit als erfüllt angesehen und lediglich zur Auflage gemacht, den § 7 der Satzung zu ändern. Dies sei im Jahr 1995 auch geschehen. Der Kläger sei gemeinnützig tätig und betreibe in der Art einer Volkshochschule Weiterbildung in allen Bereichen des Films und des Fernsehens. Tätigkeiten außerhalb des satzungsmäßigen Zwecks habe der Kläger nicht ausgeübt.

    Alle Einnahmen des Klägers stammten aus Zuwendungen der öffentlichen Hand. Er sei jahrelang einer Tiefenprüfung durch das Kultusministerium unterzogen worden. Für die Tätigkeit des Klägers seien teuere Geräte benötigt worden. Da das Haushaltsrecht des Landes Brandenburg die Förderung des Erwerbs nicht vorgesehen habe, habe die Landesregierung vorgeschlagen, dass die BM die Geräte erwerbe. Im Übrigen sei das Rechenwerk der Steuerfahndung falsch. Im Einzelnen:

    1993:In den Gutschriften seien Darlehen in Höhe von DM …, öffentliche Fördermittel in Höhe von DM … sowie Teilnehmerbeiträge in Höhe von DM … enthalten. Die Summe der Projektförderungsmaßnahmen betrage DM …. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte auch Bankretouren in Höhe von DM … als Einnahmen behandele. Den Gesamteinnahmen in Höhe von DM … stünden damit Ausgaben in Höhe von DM … gegenüber. Bei den abgezogenen DM … handele es sich um einen von Herrn Dr. C. privat aus Barmitteln verauslagten Betrag. Weiterhin seien Bankgebühren zu berücksichtigen, die mit DM … angenommen werden könnten.
    1994:Von den Einnahmen seien DM … abzuziehen, bei denen es sich um Darlehen handele. Die Summe der öffentlichen Fördermittel belaufe sich auf DM …, die Summe der Teilnehmerbeiträge auf DM … und die Förderung des Projekts „Forum für …” auf DM …. Enthalten seien Fahrtkosten in Höhe von DM …. Der Summe der Einnahmen von DM … stünden Ausgaben in Höhe von DM … gegenüber, so dass sich wiederum ein Verlust ergebe.
    Neben dem Kläger habe die staatlich anerkannte Medienakademie B. existiert. Der Zeuge Dr. C. sei der Direktor der Medienakademie B., nicht aber des Klägers gewesen. Das Haus in der R.str. 1 in B. habe der Mutter des Herrn Dr. C. gehört, die im Jahr 2001 verstorben sei und das Haus an Z. vermacht habe. Die Bescheide an die BM seien an deren Sitz in der R.str. 30 in B. zugestellt worden.

    Von Mai 2002 bis September 2002 habe sich Herr Dr. C. dauerhaft in M. aufgehalten, weil er dort wegen einer Krebserkrankung behandelt worden sei.

    Der Kläger beantragt,

    die Bescheide vom 27. Juni 2002 über Körperschaftsteuer, den Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer für 1993 bis 2000, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1995 bis 1997 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1995 bis 2000, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09. September 2004, aufzuheben,

    hilfsweise festzustellen, dass die Bescheide vom 27. Juni 2002 über Körperschaftsteuer, den Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer für 1993 bis 2000, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1995 bis 1997 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1995 bis 2000, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09. September 2004, nichtig sind.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er wiederholt und vertieft seine bisherigen Ausführungen. Herr Dr. C. sei als Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO anzusehen. Drei angeblich gewählte Vorstandsmitglieder hätten bestätigt, dass es Mitgliederversammlungen, bei denen Herr Dr. C. angeblich Protokoll geführt habe, nicht gegeben habe. Es sei stets Herr Dr. C. für den Kläger aufgetreten. Wiedereinsetzungsgründe habe der Kläger nicht vorgetragen. Es hätten keine Buchführungsunterlagen des Klägers vorgelegen. Es seien u. a. Unterlagen des Kultusministeriums, von der Staatsanwaltschaft bei Herrn Dr. C. beschlagnahmte Unterlagen sowie u. a. bei der Postbank beschlagnahmte Unterlagen ausgewertet worden. Weder das Finanzamt X. noch der Beklagte hätten je die Gemeinnützigkeit des Klägers bestätigt. Durch die Steuerfahndung seien keine Beweismittel des Klägers oder des Herrn Dr. C. beschlagnahmt worden. Das Rechenwerk der Steuerfahndungsprüfung sei nicht zu beanstanden. Wegen der Details verweist der Senat auf die Schriftsätze des Beklagten im gerichtlichen Verfahren.

    Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2008 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. C.. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    I. Der Senat legt den Klageantrag zu 1) so aus, dass der Kläger nicht nur eine (isolierte) Anfechtung der Einspruchsentscheidung vom 09. September 2004, sondern zugleich auch eine gerichtliche Überprüfung und Aufhebung der am 27. Juni 2002 ergangenen Steuerbescheide begehrt.

    Gemäß § 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – ist regelmäßig der Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung Gegenstand der Anfechtungsklage. Eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung kommt damit grundsätzlich nicht in Betracht. Nur ausnahmsweise ist das Gericht ermächtigt, allein die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Sache damit wieder in das Einspruchsverfahren zurückzuversetzen mit der Folge, dass die Behörde erneut über den dann noch offenen Einspruch zu entscheiden hat. Das ist dann möglich, wenn der Kläger dies ausdrücklich beantragt und ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis dafür geltend machen kann (BFH, Urteil vom 23. April 1985 VIII R 282/81, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1985, 711). Das wird allgemein angenommen für den Fall, dass der Einspruch mit der Einspruchsentscheidung ohne Sachentscheidung zu Unrecht als unzulässig verworfen wurde, weil dem Kläger eine Sachentscheidungsinstanz vorenthalten und er in das kostenpflichtige Klageverfahren gezwungen wurde. Beschränkt sich der Adressat eines Verwaltungsakts in einem solchen Fall allerdings nicht auf die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung, hat das Gericht auch den zugrunde liegenden Verwaltungsakt vollen Umfangs zu überprüfen. Eine „Zurückverweisung” an das Finanzamt, damit es materiell-rechtlich entscheiden kann, kommt hier nicht in Betracht (BFH, Urteil vom 26. September 2000 VII B 104/00, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2001, 459). So liegt es auch im Streitfall, denn der Kläger wendet sich auch im gerichtlichen Verfahren gegen die Festsetzungen in den von ihm mit dem Einspruch angegriffenen Steuerbescheiden vom 27. Juni 2002.

    II. Der Beklagte hat den Einspruch vom 22. August 2002 allerdings zu Recht als unzulässig verworfen, da er nach Ablauf der Monatsfrist des § 355 AO eingelegt worden. Die hier streitigen Bescheide vom 27. Juni 2002 sind dem Kläger wirksam bekannt gegeben worden (dazu unten 1.). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht (dazu unten 2.).

    1. Der Beklagte hat die Bescheide wirksam bekannt gegeben.

    a) Nach § 355 AO ist ein Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des angefochtenen Verwaltungsaktes einzulegen. Bei einer Übersendung durch einfachen Brief gilt der dritte Tag nach Aufgabe zur Post als Tag der Bekanntgabe, vgl. § 122 Abs. 2 AO. Die Bescheide sind am 27. Juni 2002 zur Post gegeben worden. Da der 30. Juni 2002, an dem die Dreitagefrist des § 122 Abs. 2 AO abgelaufen wäre, ein Sonntag war, hat die Monatsfrist am 01. Juli 2002 zu laufen begonnen und ist mit Ablauf des 01. August 2002 verstrichen, vgl. § 108 AO in Verbindung mit §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –. Der Einspruch ist hingegen frühestens am 22. August 2002 beim Beklagten eingegangen.

    b) Der Bescheid ist zu Recht an Herrn Dr. C. bekannt gegeben; denn er ist als Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO anzusehen und konnte aufgrund einer Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht die Steuerbescheide für den Kläger in Empfang nehmen.

    aa) Nach § 122 AO ist ein Verwaltungsakt dem Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist. Die Entgegennahme eines Verwaltungsakts ist eine Verfahrenshandlung, so dass sie Handlungsfähigkeit im Sinne von § 79 AO voraussetzt.

    (1) Für juristische Personen handeln grundsätzlich ihre gesetzlichen Vertreter oder besonders Beauftragte. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Dazu gehört auch die Kenntnisnahme von mitgeteilten Steuerbescheiden, vgl. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO. Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes, der an die juristische Person unter der Adresse des faktischen Geschäftsführers bzw. Vorstands adressiert wird, ist wirksam, denn der faktische Geschäftsführer ist Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 20. Oktober 1997 4 K 1420/93 Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1998, 518; Frotscher in Schwarz, AO, § 122 AO Rn. 16; Anwendungserlass zur AO zu § 122 AO 1.4.2).

    Nach § 35 AO hat, wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Für ein Auftreten als Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO genügt es, dass sich die handelnde Person nach außen hin so geriert, als könne sie über fremdes Vermögen verfügen. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn eine Person eine Körperschaft faktisch leitet, ohne deren gesetzlicher Vertreter zu sein (vgl. BFH, Urteil vom 24. April 1991 I R 56/89, BFH/NV 1992, 76).

    Dies gilt auch unabhängig davon, ob es sich um eine GmbH oder wie hier um einen Verein handelt, da es sich sowohl bei der GmbH als auch beim Verein um rechtsfähige Körperschaften und Steuersubjekte handelt, die erst durch ihre Organe handlungsfähig werden. § 26 Abs. 1 BGB schreibt zudem lediglich vor, dass der Verein einen Vorstand haben muss. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB kann (nicht: muss) der Vorstand aus mehreren Personen bestehen.

    (2) Wirksam ist darüber hinaus auch eine Bekanntgabe an Personen, die nach Rechtsscheingrundsätzen bevollmächtigt sind (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 2002 IX R 8/99, BFH/NV 2002, 1122); denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung im Schrifttum braucht die Bevollmächtigung nicht ausdrücklich zu erfolgen. Als Bevollmächtigter im Sinne der §§ 80 Abs. 1 Satz 1, 122 Abs. 1 Satz 3 AO gilt auch derjenige, der ohne Vollmacht gegenüber den Finanzbehörden wie ein Bevollmächtigter auftritt, wenn der von ihm durch sein Auftreten erzeugte Rechtsschein der Bevollmächtigung dem Vertretenen zurechenbar ist (BFH, Urteile vom 28. Januar 1976 IV R 168/73, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 118, 49, 54, BStBl II 1976, 344; vom 2. April 1987 VII R 60/84, BFHE 150, 93; vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 80 AO Anm. 90 ff.; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 80 AO Tz. 10).

    Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln eines angeblichen Vertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn ferner der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln seines Vertreters. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (vgl. BFH, Beschluss vom 03. März 2003 IX B 206/02, BFH/NV 2003, 884).

    cc) Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die an den Kläger als Inhaltsadressaten gerichteten Bescheide durch Bekanntgabe an Herrn Dr. C. wirksam geworden; denn Herr Dr. C. ist als faktischer Vorstand und zugleich Empfangsbevollmächtigter des Klägers aufgetreten.

    Nach der Überzeugung des Senats war Herr Dr. C. die zentrale und lenkende Figur innerhalb des Klägers, die alle wesentlichen Entscheidungen getroffen und den Kläger nach außen vertreten hat. Der Senat schließt sich insofern den überzeugenden Ausführungen in den Berichten über die steuerlichen sowie über die strafrechtlichen Feststellungen vom März 2002, in der Einspruchsentscheidung vom September 2004 sowie den Einlassungen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren an. Ergänzend ist Folgendes hervorzuheben:

    Der Vorstand des Klägers zeichnete sich seit seinem Bestehen durch eine hohe Fluktuation aus. Die einzige personelle Konstante war Herr Dr. C., der teilweise offiziell als Vorstandsmitglied, teilweise jedoch auch „in zweiter Reihe”, d. h. ohne offizielle Funktion innerhalb des Vereins tätig geworden ist. Stets hat er jedoch an den wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass die Protokollierung von Mitgliederversammlungen eher der internen Willensbildung als der Vertretung nach außen zuzurechnen ist. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, die Funktion als Protokollführer als ein erhebliches Beweiszeichen dafür anzusehen ist, dass Herr Dr. C. die wesentlichen Vorgänge im Verein kontrolliert hat. Im Übrigen neigt der Senat zu der vom Beklagten vertretenen Auffassung, dass eine Vielzahl der protokollierten Mitgliederversammlungen etc. gar nicht stattgefunden haben, sondern von Herrn Dr. C. „inszeniert” worden sind. Dafür spricht wiederum, dass bei dem Kläger und auch dem – in der Sache gleich strukturierten – BM beteiligte Personen wiederholt ausgesagt haben, dass sie die anderen beteiligten – und mit ihnen angeblich zusammen arbeitenden – Personen gar nicht gekannt haben, während Herr Dr. C… die einzige Bezugsperson gewesen sei. Herr Rechtsanwalt F. hat mit Schreiben vom April 2004 mitgeteilt, dass ihm die anderen Herren des Vorstands des Klägers nicht bekannt seien und er nie an einer Mitgliederversammlung teilgenommen habe.

    Es ist nicht erkennbar, wie der Zeuge Dr. C. die von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumte Position als „Direktor der staatlich anerkannten Medienakademie B.” in der Außendarstellung von einem Auftreten für den Kläger getrennt haben will. In den Akten des Beklagten finden sich mehrere Zeitungsartikel, in denen Herr Dr. C. als „Direktor” des Klägers benannt und zitiert wird. Die Tätigkeit des Klägers ist zudem in vielfältiger Weise mit der persönlichen Lebenssphäre des Herrn Dr. C. vermischt worden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Erwerb des Einfamilienhauses in P.. Den Ermittlungsergebnissen der Steuerfahndungsprüfung ist der Kläger insoweit nicht substantiiert entgegen getreten.

    An der Schlussbesprechung der Steuerfahndungsprüfung hat für den Kläger ausschließlich Herr Dr. C. teilgenommen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in seinen diversen Schriftsätzen im Einspruchsverfahren und im gerichtlichen Verfahren nahezu ausschließlich Herrn Dr. C. als Zeugen für sämtliche Vorgänge im Zusammenhang mit dem Kläger benannt. Hier hätte es – gerade weil schon im Einspruchsverfahren die Frage streitig war, ob der Herr Dr. C. als faktischer Geschäftsführer des Klägers anzusehen ist – nahe gelegen, ehemalige Vorstandsmitglieder oder Mitarbeiter des Klägers als Zeugen zu benennen. Auch gegenwärtige Vorstandsmitglieder hätten für eine Einvernehmung als Beteiligte benannt werden können und sollen. Von einem nicht nur pro forma bestellten Vorstand eines Vereins hätte man erwartet, dass er sich in irgendeiner Weise für die namens des Vereins betriebenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren interessiert und sich zugunsten des Vereins einbringt. Dies hätte etwa durch eine Teilnahme an der Schlussbesprechung der Steuerfahndung, durch eine persönliche Vorsprache beim Beklagten oder auch durch Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschehen können.

    Dass all dies unterblieben ist, kann aus Sicht des Senats nur so gewertet werden, dass einzig Herr Dr. C. über die damaligen Verhältnisse des Klägers informiert ist, während die sonstigen Vorstände nur vorgeschoben worden sind und ihre Position nur pro forma bekleiden.

    2. Der Beklagte hat zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Nach § 110 AO ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Im Streitfall konnte der Kläger nicht nachweisen, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen ist, die Monatsfrist des § 355 AO einzuhalten.

    Ohne Verschulden ist die Fristversäumung nur dann, wenn sie weder vorsätzlich noch (leicht oder grob) fahrlässig verursacht oder mit verursacht worden ist. Jedes Verschulden, also auch die einfache Fahrlässigkeit, schließt die Wiedereinsetzung aus (BFH, Urteil vom 07. Februar 2002 VII B 150/01, BFH/NV 2002, 795).

    Krankheit ist nur dann ein entschuldbares Hindernis, wenn es sich um eine schwere und plötzliche Erkrankung handelt, so dass der Kranke dadurch gehindert ist, seine steuerlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen, und auch nicht in der Lage ist, sich einen Vertreter zu bestellen (BFH, Urteil vom 07. Juli 1994 X B 152/94, BFH/NV 1995, 228). Der Steuerpflichtige muss innerhalb der Antragsfrist den Antrag begründen und die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung glaubhaft machen (BFH, Urteil vom 23. August 1996 VIII B 26/95, BFH/NV 1997, 240). Die für die Begründung erforderlichen Tatsachen müssen innerhalb der Antragsfrist substantiiert, konkret und schlüssig vorgetragen werden.

    Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht erfüllt. Der Kläger hat weder genaue Angaben zur Dauer der Erkrankung des Herrn Dr. C. gemacht noch ein ärztliches Attest vorgelegt oder ggf. eine eidesstattliche Versicherung einer dritten Person über Art und Dauer der Erkrankung eingereicht (vgl. zu diesen Anforderungen: BFH, Urteil vom 04. Juli 2002 IX B 5/02, BFH/NV 2002, 1476).

    Im Übrigen ist der Vortrag des Klägers, eine Erkrankung habe Herrn Dr. C. daran gehindert, den Einspruch rechtzeitig einzulegen, nicht glaubhaft. Denn gegen die ebenfalls an Herrn Dr. C. bekannt gegebenen Bescheide für die BM wurde mit Schreiben vom 24. Juli 2002 Einspruch eingelegt. Den dazu vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Erklärungen folgt der Senat nicht:

    Der Kläger sowie der Zeuge Dr. C. haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der Briefträger die an die BM adressierten Bescheide des Beklagten nicht – wie auf den Bescheiden angegeben – in der R.str. 1, sondern in der R.str. 30 abgegeben habe, wo sich der Sitz des BM befinde. Am Haus in der R.str. 1, das der Mutter des Herrn Dr. C. gehört und das sie nach ihrem Tod im Juni 2001 dem Z. vermacht habe, sei kein Briefkasten angebracht gewesen. Eine Nachbarin sei so nett gewesen, die ankommende Post in einer Plastiktüte zu sammeln und an den Zeugen Dr. C. weiterzureichen. Der Zeuge C. sei nur ca. ein- bis zweimal im Jahr nach B. gekommen und habe die Post entgegengenommen. Das Haus in der R.str. 1 stehe seit Juni 2001 leer.

    Diese Aussagen sind für den Senat nicht glaubhaft. Diese Beurteilung des Senats beruht insbesondere auf folgenden Umständen:

    Der Kläger, die im Wesentlichen identisch strukturierte BM (siehe dazu das Urteil des Senats vom gleichen Tag, Az. 6 K 2203/04) und der Zeuge Dr. C. versuchen augenscheinlich, durch das Vorhalten verschiedener Adressen in B., P. und H. die Bekanntgabe und die Zustellung ihnen missliebiger behördlicher Schreiben zu erschweren bzw. unmöglich zu machen. Der Kläger behauptet mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 nun, sein Sitz sei immer in P… gewesen. Mit einem am 29. Oktober 1996 beim Beklagten eingegangenen Schreiben sowie einem Schreiben vom 20. November 1996 teilte der Kläger jedoch mit, dass der Ort der Geschäftsleitung nach H… in die W…str. verlegt worden sei. Der Kläger hat auch entsprechendes Briefpapier verwendet.

    Hinsichtlich der Adresse des Zeugen Dr. C. werden – je nach Bedarf – verschiedene Aussagen gemacht. So wurde dem Gericht als Zustelladresse des Zeugen Dr. C. stets die Adresse in der R.str. 1 in B. angegeben. Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einem Schriftsatz vom 19. Juni 2006 mit, dass die Adresse in der R.str. 1 in B. noch aktuell sei. Eine dorthin adressierte Zeugenladung kam jedoch als unzustellbar zurück. Auch eine Anfrage des Gerichts an das Einwohnermeldeamt B. brachte keine Erkenntnisse über eine zustellfähige Adresse des Zeugen. Im Parallelverfahren 6 K 2203/04 ist die Behauptung aufgestellt worden, Herr Dr. C. habe seinen Wohnsitz im Jahr 1999 von B. nach P. verlegt. In der mündlichen Verhandlung zum vorliegenden Verfahren ist erläutert worden, dass Herr Dr. C. schon seit Mitte der 90er Jahre in P. wohne. Zudem wird eine Adresse in M. angegeben.

    In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge Dr. C. bekundet, dass er die Adresse in der R.str. 1 nur für Bestellungen zugunsten seiner Mutter oder für eigene Dinge, die er gern in B. haben wollte, benutzt habe, oder wenn er sich gerade in B. aufgehalten habe, weil er sich um seine Mutter gekümmert habe. Für die Vereine habe er diese B.er Adresse nie benutzt. Für die BM habe er die R.str. 30 genutzt. Diese Aussagen sind dadurch widerlegt, dass sich in den Steuerakten des Klägers ein Schreiben des Zeugen Dr. C. vom 13. Juni 2001 findet, in dem er dem Beklagten unter Verwendung eines Briefkopfs mit der Adresse in der R.str. 1 in Bonn mitteilt, dass der Kläger seit 1998 nicht mehr aktiv und aufgelöst sei und der Sitz und die Geschäftsleitung des BM sich in B. befinde. Bezeichnenderweise bleibt der Zeuge Dr. C. in diesem Schreiben hinsichtlich der Adresse des BM wiederum im Ungefähren. Es hätte nahe gelegen, für den BM die Adresse in der R.str. 30 anzugeben.

    Dem Senat liegt zudem das Protokoll der Vernehmung des Zeugen Dr. C. durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle des Beklagten vom März 2002 vor, in dem ebenfalls die Adresse in der R.str. 1 angegeben worden ist. Der Senat kann sich das nur so erklären, dass der Zeuge Dr. C. entweder ein Personaldokument mit dieser Adresse vorgelegt oder sonst diese Adresse angegeben hat.

    Es ist im Übrigen für den Senat nicht glaubhaft, wenn der Kläger wie auch der Zeuge Dr. C. ohne weitere Glaubhaftmachung behaupten, das Haus in der R.str. 1 in B. sei an Z. vermacht worden und stehe seit Juni 2001 leer. Ebenso ist nicht glaubhaft, dass das Haus keinen Briefkasten aufweisen soll. Diese Aussagen widersprechen jeglicher Lebenserfahrung.

    Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung sieht sich der Senat nicht in der Lage, den Ausführungen des Zeugen Dr. C. Glauben zu schenken. Durch die offen zu Tage getretenen Unwahrheiten und das offenkundige Eigeninteresse des Zeugen Dr. C. am Verfahrensausgang ist die Glaubwürdigkeit des Zeugen sehr eingeschränkt.

    III. Die Klage hat auch mit ihrem Klageantrag zu 2) keinen Erfolg, denn die hier streitigen Bescheide sind nicht nichtig.

    Ein Verwaltungsakt ist nach § 125 Abs. 1 AO nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

    Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beklagte für den Erlass örtlich nicht zuständig gewesen sei (dazu unten 1.), dass ihm, dem Kläger, offenkundig die Gemeinnützigkeit zuzuerkennen sei (dazu unten 2.) oder dass das Rechenwerk der Steuerfahndungsprüfung offenkundig falsch sei (dazu unten 3.).

    1. Das Vorbringen des Klägers, der Beklagte sei für den Erlass der angefochtenen Bescheide örtlich nicht zuständig gewesen, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.

    Nach § 20 Abs. 1 AO ist für die Besteuerung des Einkommens u. a. von Vereinen das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet. Mit einem am 29. Oktober 1996 beim Beklagten eingegangenen Schreiben sowie einem Schreiben vom 20. November 1996 teilte der Kläger mit, dass der Ort der Geschäftsleitung nach H. in die W.str. verlegt worden sei. In Anbetracht dessen ist die unsubstantiierte Behauptung im gerichtlichen Verfahren, die geplante Sitzverlegung nach H. sei nie durchgeführt worden, nicht glaubhaft.

    Im Übrigen könnte der Kläger auch aus einer fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Beklagten nicht die Nichtigkeit der vom Beklagten erlassenen Steuerbescheide herleiten. Dies folgt aus § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO. Nach § 127 AO kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, zudem nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften u. a. über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn – wie im Streitfall – keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können, da der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung den Beklagten ohne Einräumung eines Ermessensspielraums zur Steuerfestsetzung verpflichtet.

    2. Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht deshalb nichtig, weil der Kläger steuerbegünstigte Zwecke verfolgt und damit die Voraussetzungen der §§ 51 ff AO erfüllt hätte.

    Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz – KStG – ist eine Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie nach ihrer Satzung, ihrem Stiftungsgeschäft und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient. Welche Voraussetzungen die Körperschaft hinsichtlich ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung im Einzelnen erfüllen muss, um die Steuerbefreiung zu erlangen, ist in den §§ 51 ff. AO geregelt. Dabei kann es der Senat offen lassen, ob der Kläger die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Körperschaftsteuerbefreiung erfüllt, denn es fehlt jedenfalls an den Voraussetzungen des § 63 AO. Danach muss die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (Abs. 1). Die Körperschaft hat den Nachweis, dass ihre tatsächliche Geschäftsführung den Erfordernissen des Absatzes 1 entspricht, durch ordnungsmäßige Aufzeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben zu führen (Abs. 3).

    Der Kläger trägt die Feststellungslast dafür, dass seine tatsächliche Geschäftsführung in den Streitjahren den Anforderungen des § 63 Abs. 1 AO entsprochen hat (s. BFH, Urteile vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220; vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562; vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482; vom 19. Januar 1994 I R 40/92, BFH/NV 1995, 181; Gräber/von Groll, FGO, 6. Aufl., § 96 Rn. 23 f.; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Rn. 83 f.). Der Kläger hätte den Nachweis, dass er tätig war und seine tatsächliche Geschäftsführung den Erfordernissen des § 63 Abs. 1 AO entsprach, z. B. durch detaillierte Geschäfts- und Tätigkeitsberichte sowie Aufzeichnungen über seine finanziellen Verhältnisse führen können. Sind Geschäfts- und Tätigkeitsberichte – wie im Streitfall – nicht angefertigt worden, kann die Körperschaft den Nachweis über ihrer Tätigkeit auch durch andere Unterlagen (z. B. Schriftverkehr) führen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 2003 I R 29/02, BFHE 203, 251, BStBl II 2003, 930). Der Kläger hat vergleichbare Unterlagen trotz mehrfacher Aufforderung durch den Beklagten nicht vorgelegt. Für den Senat ist daher – ebenso wie für den Beklagten – nicht erkennbar, ob und in welcher Weise der Kläger seinen Satzungszweck erfüllt hat. Dies geht zu Lasten des Klägers.

    3. Schließlich kann der Kläger auch mit seinen Einwendungen gegen das Rechenwerk der Steuerfahndung nicht durchdringen.

    Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Behauptung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass er an einer substantiierten Stellungnahme zu den Aussagen des Beklagten gehindert gewesen sei, weil der Beklagte die beschlagnahmten Buchführungsunterlagen nicht herausgegeben habe, ebenfalls ganz offensichtlich unwahr ist. Denn der Kläger hat keine diesbezüglichen Buchführungsunterlagen etc. geführt, die vom Beklagten hätten beschlagnahmt werden können. Die Erkenntnisse des Beklagten beruhen u. a. auf Durchsuchungen bei den eingeschalteten Banken sowie auf Erkenntnissen aus der Fahndungsprüfung.

    Soweit der Kläger einwendet, diverse Gutschriften beruhten auf Darlehen, kann dies keinen Erfolg haben. Der Kläger hat es trotz entsprechenden Hinweises des Beklagten unterlassen, diese Behauptung zu konkretisieren, etwa durch Benennung des Darlehensgebers, und zu belegen, etwa durch Vorlage des Darlehensvertrages. Da der Kläger hinsichtlich der ihm günstigen Tatsache, dass ein Darlehensvertrag vorliegt, die Feststellungslast trägt, geht die Nichterweislichkeit zu seinen Lasten. Hinsichtlich der als Einkünfte erfassten Stornobuchungen verweist der Beklagte zu Recht darauf, dass der gleiche Betrag auch bei den Ausgaben doppelt erfasst ist. Im Übrigen verweist der Senat auf die Ausführungen des Beklagten im Schreiben vom 24. Februar 2006, dem der Kläger nicht entgegen getreten ist.

    Nach alledem sind die Schätzungen des Beklagten jedenfalls nicht willkürlich; dies wäre aber erforderlich für eine Nichtigkeit der Schätzungsbescheide nach § 162 AO.

    IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenAO § 34 Abs. 1 S. 1, AO § 35 Abs. 1, AO § 355, AO § 122 Abs. 1 S. 3, AO § 122 Abs. 2 Nr. 1, AO § 63 Abs. 1, AO § 79, AO § 80 Abs. 1 S. 1, AO § 110 Abs. 1, KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9, BGB § 26 Abs. 1 S. 2