12.06.2018 · IWW-Abrufnummer 201652
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 14.03.2018 – 5 Sa 240/17
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Leistungsantrag, mit dem ein Teilzeitanspruch während der Elternzeit verfolgt wird, besteht nicht fort, wenn der gesamte Zeitraum, für den der Arbeitnehmer die Vertragsänderung erstrebt, in der Vergangenheit liegt.
2. Die Klage wird mit dem Zeitablauf objektiv sinnlos. Sie kann nicht dazu dienen, einen Zahlungsanspruch vorzubereiten. Ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs scheidet aus.
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.12.2016 - 3 Ca 6107/16 - abgeändert:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht einen Teilzeitanspruch während der Elternzeit geltend.
Die Klägerin ist Diplom - Kauffrau und Steuerberaterin. Sie ist bei der Beklagten seit dem 01. März 2012 als Referentin EMEA Accounting angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund einzelvertraglicher Inbezugnahme die Tarifverträge der Chemischen Industrie Anwendung. Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe 13 des maßgeblichen Tarifvertrages eingestuft. Ihr monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 5.879 €. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer.
Die Klägerin nahm für den Zeitraum vom 07. April 2015 bis zum 06. April 2017 Elternzeit in Anspruch. Mit Schreiben vom 08. Juli 2016 beantragte sie Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ab dem 1. November 2016. Sie gab an, wöchentlich 20 Stunden arbeiten zu wollen. Die Arbeitszeit sollte sich auf die Wochentage Montag bis Donnerstag, jeweils von 9:00 bis 14:00 Uhr, verteilen. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 11. Juli 2016 ohne Begründung ab.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 teilte die Beklagte der Klägerin erneut mit, dass sie ihren Teilzeitantrag ablehne. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Arbeitsplatz für die Zeit der Elternzeit der Klägerin vom 03. Juni 2015 bis zum 06. April 2017 durch Herrn H besetzt worden sei. Herr H sei nicht bereit, seine Arbeitszeit für den Zeitraum vom 01. November 2016 bis zum 06. April 2017 zu verringern. Darüber hinaus sei kein weiterer Beschäftigungsbedarf in dem von der Klägerin beantragten Umfang gegeben. Der Einsatz einer zusätzlichen Arbeitskraft sei aufgrund der derzeitigen Organisationsstruktur nicht notwendig.
Herr H war zum 1. Februar 2016 unbefristet eingestellt worden. In der Mitteilung der Beklagten an den Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu seiner Einstellung vom 3. November 2015 heißt es, Herr Hoffmann solle als Referent Accounting als Ersatz für Herrn A tätig werden.
Mit Schreiben vom 1. August 2016 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Elternteilzeit für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 6. April 2017. Sie verwies darauf, dass eine Kollegin das Arbeitsverhältnis in der vergangenen Woche gekündigt habe. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 19. August 2016 ab. Sie bot der Klägerin, wie bereits in einem Personalgespräch vom 16. August 2016, eine Teilzeitbeschäftigung als Sachbearbeiterin im Bereich "Fixed Assets" an. Die Tätigkeit sollte nach der Tarifgruppe E 11 vergütet werden. Hiermit war die Klägerin nicht einverstanden.
Nach dem 6. April 2017 hat die Klägerin erneut Elternzeit wegen der Geburt ihres zweiten Kindes in Anspruch genommen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe der geltend gemachte Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit zu. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte die Ablehnung außergerichtlich anders als in dem Prozess begründet habe. Inhaltlich sei zu berücksichtigen, dass in ihrer Abteilung ein erhebliches Überstundensaldo bestehe. Die Berufung der Beklagten auf eine angebliche Unteilbarkeit des Arbeitsplatzes sei unschlüssig. Sie behaupte selber, dass sie ihre Aufgaben an zahlreiche Mitarbeiter der Abteilung bzw. des Betriebes verteilt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat geltend gemacht, die Aufgaben der Klägerin seien zum Teil auf andere Mitarbeiter der Abteilung Accounting sowie den Leiter der Abteilung übertragen worden. Eine überobligatorische Belastung dieser Arbeitnehmer sei damit nicht verbunden gewesen. Plusstunden in der Abteilung seien nicht im Arbeitsbereich der Klägerin, sondern bei den Sachbearbeitern im Tarifbereich angefallen. Ein weiterer Teil der Aufgaben sei an externe Dienstleister vergeben worden. Einige Aufgaben der Klägerin seien durch Veränderungsprozesse entfallen. Herr H sei nicht als Ersatz für die Klägerin eingestellt worden. Er habe Herrn A ersetzt. Herr A sei für den ausgeschiedenen Mitarbeiter Sch eingestellt worden; sein Arbeitsverhältnis sei jedoch bereits in der Probezeit beendet worden. Dem Teilzeitwunsch der Klägerin stehe des Weiteren entgegen, dass ihr bisheriger Arbeitsplatz nicht teilbar sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 21. Dezember 2016 stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, dem Teilzeitwunsch der Klägerin stünden dringende betriebliche Gründe entgegen. Hierzu behauptet sie, sie habe im Januar 2015 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Stelle der Klägerin während ihrer Elternzeit nicht neu zu besetzen. Sie habe sich im Juli 2016 dazu entschieden, diese unternehmerische Entscheidung aufrechtzuerhalten und keine Umverteilung von Aufgaben vorzunehmen, um eine Teilzeitstelle für die Klägerin zu schaffen. Sie hat Prozentangaben zu dem zeitlichen Umfang der einzelnen Tätigkeiten, die die Klägerin vor ihrer Elternzeit verrichtet hat, gemacht. Diese Tätigkeiten seien entfallen, ohne dass andere Mitarbeiter überobligatorische Leistung erbringen müssten. Dies gelte auch für Herrn H , der einen Teil der Aufgaben der Klägerin übernommen habe.
Die Beklagte beantragt,
Die Klägerin beantragt,
Sie meint, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht ausreichend begründet worden sei. Der Vortrag der Beklagten zu einer angeblichen unternehmerischen Entscheidung sei unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig. Er sei darüber hinaus verspätet. Die Beklagte habe auch nach wie vor nicht darlegen können, wie die Arbeiten ohne überobligatorische Leistungen der anderen Mitarbeiter erledigt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
1. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte die Berufung ordnungsgemäß begründet.
a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 25. Oktober 2017 - 7 AZR 632/15; 14. März 2017 - 9 AZR 633/15; 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - AP § 64 ArbGG 1979 Nr. 45; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - NZA 2011, 767; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - BAGE 122, 190; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - BAGE 121, 18).
Der Angriff gegen einen Rechtsgrund, auf dem das angegriffene Urteil beruht, ist ausreichend (BGH 27. September 2000 - XII ZR 281/98 - NJW-RR 2001, 7897). Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung hinsichtlich eines Streitgegenstands auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Es ist deshalb für jede der rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen darzulegen, warum sie nach Auffassung des Berufungsführers die Entscheidung nicht rechtfertigt. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig, da der Angriff gegen eine der Begründungen nicht ausreicht, um die Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen (BAG 25. Oktober 2017 - 7 AZR 632/15; 26. April 2017 - 10 AZR 275/15).
b) In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Berufung als zulässig, weil die Beklagte sie ausreichend begründet hat.
Das Arbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast hinsichtlich der dringenden betrieblichen Gründe nicht hinreichend nachgekommen. Sie habe nicht konkret zu der behaupteten unternehmerischen Entscheidung, die Stelle der Klägerin zu streichen, vorgetragen. Darüber hinaus könne nicht festgestellt werden, dass die behauptete Umverteilung ohne überobligatorische Leistungen der anderen Mitarbeiter erfolge. Der Vortrag der Beklagten zur nicht gegebenen Teilbarkeit der Aufgaben sei viel zu unsubstantiiert. Ein Organisationskonzept sei nicht erkennbar.
Hiermit hat sich die Beklagte in der Berufungsbegründung auseinandergesetzt. Sie hat auf Seite 24 der Berufungsbegründung ergänzend zu der behaupteten unternehmerischen Entscheidung, auch in zeitlicher Hinsicht, vorgetragen. Die Beklagte hat darüber hinaus ihre Behauptung, die anderen Mitarbeiter würden nach der Umstrukturierung nicht überobligatorisch belastet, konkretisiert. Hierzu hat sie zunächst die Aufgaben der Klägerin mit prozentualen Zeitangaben dargestellt. Sie hat ausgeführt, dass ein Teil der Aufgaben der Klägerin an externe Dienstleister vergeben worden seien. Weitere Aufgaben sollen noch ihrer Behauptung durch Veränderungsprozesse entfallen sein. Zu der Belastung der anderen Mitarbeiter hat sie auf Seite 7 ff. und auf Seite 26 ff. der Berufungsbegründung in Auseinandersetzung mit der Begründung des Arbeitsgerichts Ausführungen gemacht. Dies genügt für die Zulässigkeit der Berufung. An dieser Stelle kommt es nicht darauf an, ob die Ausführungen schlüssig sind.
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist mit Haupt- und Hilfsantrag unzulässig. Für sie besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, weil die erste Elternzeit der Klägerin beendet und damit der Zeitraum, für den sie die Teilzeit begehrt hat, abgelaufen ist. Damit ist die Klage objektiv sinnlos geworden. Von der Möglichkeit, eine Erledigungserklärung abzugeben, hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Auf die weiteren Fragen, die in der Kammerverhandlung erörtert worden sind, kommt es nicht an. Insbesondere ist nicht zu klären, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, dass die Beklagte die Ablehnung des Teilzeitantrages der Klägerin außergerichtlich mit anderen Erwägungen als im Prozess begründet hat.
1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin eine rückwirkende Vertragsänderung anstrebt.
Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der rückwirkend ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll, auch wenn dieses in der Vergangenheit liegt und daher tatsächlich nicht durchgeführt werden kann. Die erstrebte Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO soll zum Abschluss eines Vertrags führen, der rückwirkend Rechte und Pflichten begründet (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. nur 16. Dezember 2014 - 9 AZR 915/13 - NZA 2015, 825; 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - NZA 2015, 1460; 16. Dezember 2008 - 9 AZR 893/07 - NJW 2009, 1527; 15. April 2008 - 9 AZR 380/07 - DB 2008, 1753; 16. Oktober 2007 - 9 AZR 321/06 - AP § 8 TzBfG Nr. 22).
2. Die Klage erweist sich gleichwohl als unzulässig, weil für sie das notwendige Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht.
a) Die auf eine rückwirkende Vertragsänderung zielende Klage setzt ebenso wie jede andere Klage voraus, dass ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist.
aa) Bei Leistungsklagen ist das Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig unproblematisch gegeben. Es folgt grundsätzlich aus der Nichterfüllung des geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruchs (BAG 25. April 2017 - 1 AZR 714/15 - NZA 2017, 1467; 16. Dezember 2014 - 9 AZR 915/13 - NZA 2015, 825).
Einer Leistungsklage kann jedoch auch dann, wenn der behauptete Anspruch noch nicht erfüllt worden ist, ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Hiervon wird ausgegangen, wenn die Klage objektiv sinnlos ist und die klagende Partei somit die Gerichte als Teil der Staatsgewalt "unnütz bemüht" (BGH 04. Juni 2014 - VIII ZR 4/13 - ZMR 2014, 709; 24. Februar 2005 - I ZR 101/02 - NJW 2005, 1788; 18. Juni 1970 - X ZB 2/70 - NJW 1970, 2023; Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. 2018, vor § 253 Rn. 18).
Für die Zulässigkeit einer Klage genügt es nicht, dass ein Rechtsschutzbedürfnis ursprünglich bestanden hat. Das Rechtsschutzbedürfnis muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - NZA-RR 2015, 211).
bb) Das BAG nimmt für die hier gegebene Konstellation an, dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen Leistungsantrag fortbesteht. Dem soll nicht entgegenstehen, dass der gesamte Zeitraum, für den der Arbeitnehmer die Vertragsänderung erstrebt, in der Vergangenheit liegt. Dies hat der 9. Senat in früherer Rechtsprechung damit begründet, dass die verlangte Elternteilzeit wegen möglicher Ansprüche auf Annahmeverzugslohn noch finanzielle Auswirkungen haben könne (BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 461/11 - NZA 2013, 907; 15. Dezember 2009 - 9 AZR 72/09 - NZA 2010, 447).
Mit dieser Argumentation lässt sich ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des 5. Senats zum Annahmeverzug nicht mehr bejahen. Der 5. Senat hat entschieden, dass ein auf den Gesichtspunkt des Annahmeverzuges gestütztes Zahlungsbegehren bei der rückwirkenden Begründung eines Arbeitsverhältnisses ausscheidet. In Annahmeverzug könne ein Arbeitgeber nur geraten, wenn im streitgegenständlichen Zeitraum ein erfüllbares Arbeitsverhältnis bestehe, aufgrund dessen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet sei. Deshalb setze der Anspruch aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB ein erfüllbares, d.h. tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Dem genüge ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis nicht (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - NZA 2015, 1460).
In einer jüngeren Entscheidung hat der 9. Senat das Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr mit dem Verweis auf mögliche Annahmeverzugsansprüche bejaht. Er hat vielmehr auf die allgemeinen Grundsätze zum Rechtsschutzbedürfnis bei Erhebung einer Leistungsklage verwiesen. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage folge grundsätzlich aus der Nichterfüllung des materiell-rechtlichen Anspruchs. Hierfür genüge regelmäßig die Behauptung der klagenden Partei, der von ihr verfolgte Anspruch bestehe. Ob ein solcher Anspruch gegeben sei, sei eine Frage seiner materiell - rechtlichen Begründetheit (BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 915/13 - NZA 2015, 825).
cc) Die Kammer ist der Auffassung, dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen Leistungsantrag, mit dem ein Teilzeitanspruch während der Elternzeit verfolgt wird, nicht fortbesteht, wenn der gesamte Zeitraum, für den der Arbeitnehmer die Vertragsänderung erstrebt, in der Vergangenheit liegt. Die Klage wird mit dem Zeitablauf objektiv sinnlos. Sie kann nicht dazu dienen, einen Zahlungsanspruch vorzubereiten. Wie ausgeführt, scheidet ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs aus. Für einen in Betracht zu ziehenden, auf eine Geldzahlung gerichteten Schadensersatzanspruch, ist die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht erforderlich. Ein möglicher Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers knüpft vielmehr an die möglicherweise rechtswidrige Ablehnung des Teilzeitantrages durch den Arbeitgeber an.
b) Nach diesen Grundsätzen sind sowohl der Haupt - als auch der Hilfsantrag unzulässig. Für sie besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Klageanträge sind wegen Zeitablaufs objektiv sinnlos. Für die Klägerin besteht kein vernünftiger Grund, ihr Begehren ohne Antragsänderung weiterhin zu verfolgen.
Es ist nicht ersichtlich, was die Klägerin mit den Klageanträgen noch erreichen will. Einen Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges könnte sie selbst dann nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend machen, wenn sie mit ihrem Begehren erfolgreich wäre. Zur Vorbereitung eines möglichen Schadensersatzanspruches sind die Klageanträge nicht geeignet, weil ein möglicher Schadensersatzanspruch nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Es kann auch nicht angenommen werden, dass eine Verurteilung der Beklagten in dem hiesigen Verfahren einen Folgeprozess entbehrlich machen würde. Dies folgt bereits daraus, dass mehrere Anspruchsvoraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch in dem hiesigen Verfahren nicht zu klären wären. Dies gilt etwa für die Frage, ob die Beklagte schuldhaft gehandelt hat. Darüber hinaus bliebe offen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist.
Es bedarf keiner Erörterung, ob besondere Umstände denkbar sind, die ein Rechtsschutzbedürfnis auch dann begründen, wenn der Zeitraum, für den die Vertragsänderung angestrebt wird, abgelaufen ist. Derartige besondere Umstände liegen nicht vor. Die Klägerin hat auf Nachfrage des Gerichts in der Kammerverhandlung nicht begründen können, warum sie das Verfahren mit den gestellten Klageanträgen fortführen wollte. Gründe, die für ein Festhalten an den bisherigen Klageanträgen sprechen, sind auch nicht ersichtlich. Eine mögliche Erledigungserklärung ist nicht erfolgt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zugelassen, weil sie von den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Dezember 2014 (9 AZR 915/13), 19. Februar 2013 (9 AZR 461/11) und 15. Dezember 2009 (9 AZR 72/09) abgewichen ist.