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  • 28.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197942

    Finanzgericht München: Urteil vom 10.10.2017 – 14 K 344/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG München

    10.10.2017

    14 K 344/16

    In der Streitsache

    xxx

    wegen Umsatzsteuer 2011 - 2013

    hat der 14. Senat des Finanzgerichts München durch
    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2017 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 vom 25. Juni 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 werden dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer für 2011 auf 0 EUR, für 2012 auf 1.419,31 € und für 2013 auf 4.444,94 € festgesetzt wird.
    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
    4. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin errichtete in den Streitjahren (2011 bis 2013) Gebäude. Ganz überwiegend veräußerte sie diese anschließend an Dritte. Diese Umsätze unterfielen der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (UStG). Im geringen Umfang behielt sie Gebäudeteile für sich und vermietete sie steuerfrei.

    Für die Errichtung der Gebäude bezog sie Bauleistungen von in Deutschland ansässigen Dritten, welche mit der Klägerin übereinstimmend davon ausgingen, dass die Klägerin als Leistungsempfängerin Steuerschuldnerin war, und ihr Nettorechnungen stellten.

    In ihren Steuererklärungen für die Streitjahre erklärte sie dementsprechend Steuer nach § 13b UStG in Höhe von 31.688,06 EUR in 2011, in Höhe von 201.677,65 EUR in 2012 sowie in Höhe von 318.956,24 EUR in 2013. Darin enthalten war auch die Steuer für Leistungsbezüge von einem italienischen Unternehmen sowie für die Erstellung eines Einbau-Bücher-Regals von einem in Deutschland ansässigen Schreiner. Die Jahressteuer errechnete sie in Höhe von 31.688,06 EUR für 2011, in Höhe von 203.096 EUR für 2012 und in Höhe von 318.956,24 EUR für 2013. Diese Erklärungen führten zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

    Mit Bescheiden vom 25. Juni 2016 hob der Beklagte (das Finanzamt - FA --) jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

    Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Einspruch ein, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BStBl II 2014, 128) sei sie nicht Steuerschuldnerin.

    Mit Schreiben vom 30. Juli 2015 bat das FA die Klägerin u. a. darum, Name, Anschrift und Steuernummer des leistenden Unternehmers anzugeben. Dem kam die Klägerin nicht nach.

    Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 als unbegründet zurück, weil die Klägerin angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt habe.

    Am 10. Februar 2016 erhob die Klägerin Klage, mit der sie ihr Ziel weiterverfolgt. Dabei stellt sie ihre Steuerschuld für den Leistungsbezug von dem in Italien ansässigen Unternehmer nicht infrage.

    Die Klägerin beantragt,

    die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 vom 25. Juni 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2016 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 2011 auf 0 EUR, für 2012 auf 1.419,31 € und für 2013 auf 4.444,94 € festgesetzt wird.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Da die Klägerin offenbar auch für ein Bücherregal beantragt habe, dieses nach den Grundsätzen des § 13b UStG zu erfassen, seien die angeforderten Nachweis zwingend erforderlich gewesen. Die Klägerin führe auch Bauten auf fremde Rechnung aus. Im Wesentlichen vermarkte sie eigene Grundstücke. Würden aber die Verträge mit den Kunden bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem der Kunde noch Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung habe, lägen regelmäßig - unabhängig vom Umfang der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG - Werk- oder Werklieferungen mit der Folge vor, dass der Bauträger eine Bauleistung erbringe. Auch die Umsätze als Bauunternehmer seien im Hinblick auf eine Nettoabrede und einer gegebenenfalls erforderlichen Rechnungsberichtigung unter Anwendung von § 17 UStG zu prüfen (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15, BFH/NV, 2016, 716).

    Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2017 Bezug genommen.

    II.

    Die Klage ist begründet.

    Die Klägerin schuldet die Steuer für die von ihr bezogenen Bauleistungen nicht gemäß § 13b UStG. Die Vorschrift des § 17 UStG ist - auch im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben - nicht entsprechend anzuwenden. Unerheblich ist, ob die Klägerin nachgewiesen hat, ob sie die Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer nachträglich bezahlt hat oder ob mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (BGBl I 2014, 1266 - UStG n. F. -) vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufgerechnet werden kann (a.A. Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen -BMF- vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a).

    1. Die Klägerin ist nicht als Leistungsempfängerin Steuerschuldnerin nach § 13b UStG.

    a) Gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung bis 30. Juni 2010 (UStG 2008) schuldet in den in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG 2008 genannten Fällen der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG 2008 erbringt. Letztere Vorschrift umfasst Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen (sog. Bauleistungen). Eine vergleichbare Regelung enthalten § 13b Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung ab 1. Juli 2010 (UStG 2010).

    Erforderlich ist, dass der Leistungsempfänger die bezogenen Bauleistungen seinerseits wieder für eine derartige Leistung verwendet (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 842 [BFH 30.06.2011 - V R 37/10] für das Umsatzsteuergesetz in der Fassung des Jahres 2005; BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 21/11, BStBl II 2014, 425 für das Umsatzsteuergesetz in der Fassung des Jahres 2007; Urteil des Finanzgerichts -FG- Münster vom 31. Januar 2017 15 K 3998/15 U, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2017, 527; FG Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U, EFG 2017, 1217, Rev. XI R 21/17).

    Der Begriff der Werklieferung in § 13b UStG entspricht dem in § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG. Danach sind Werklieferungen Lieferungen, bei denen der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden. § 3 Abs. 4 UStG betrifft einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und ist richtlinienkonform entsprechend den unionsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferung und Dienstleistung auszulegen. Dementsprechend ist zu unterscheiden, ob der Leistungsempfänger Generalunternehmer, welcher regelmäßig auf fremden Grund baut, oder Bauträger ist, welcher grundsätzlich eigene Grundstücke bebaut. Sind die Leistungen, für welche die Bauleistungen bezogen wurden, nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei, so erbringt der Leistungsempfänger eine Lieferung und er handelt als Bauträger. Dies gilt - entgegen der Auffassung des FA - unabhängig davon, ob die Erwerber der von der Klägerin veräußerten Immobilien entsprechend einer später veröffentlichten Verwaltungsregelung (Abschn. 13b.3 Abs. 8 Sätze 6 und 7 des Umsatzsteueranwendungserlasses -UStAE - in der Fassung des BMF-Schreibens vom 12. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1289) "Einfluss auf die Bauausführung und Baugestaltung" genommen haben (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2011, 842 [BFH 30.06.2011 - V R 37/10], Rz 34 f., 51 f., 59).

    b) Danach schuldet die Klägerin die hier streitigen Leistungen nicht nach § 13b UStG. Denn sie verwandte sie nicht für Bauleistungen, sondern ganz überwiegend für nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstückslieferung, und im Übrigen für Vermietungen. Soweit die Klägerin hinsichtlich des Einbau-Bücher-Regals keine Bauleistungen von dem in Deutschland ansässigen Schreiner bezogen haben sollte, kommt von vornherein die Anwendung des § 13b UStG nicht in Betracht.

    2. Die Vorschrift des § 17 UStG ist hier nicht anzuwenden.

    a) Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG liegen nicht vor. Uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG ist hier nicht das vereinbarte Entgelt, sondern allenfalls der sich auf die Leistung beziehende Steuerbetrag (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV, 2016,716, Rz 21; FG-Düsseldorf in EFG 2017, 1217, unter I.2.a. der Entscheidungsgründe).

    b) Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG ist nicht entsprechend anzuwenden (FG Münster in EFG 2017, 527 [FG Münster 31.01.2017 - 15 K 3998/15 U]; FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217; a.A. FG Baden-Württemberg vom 19. Mai 2016, 1 K 3504/15, EFG 2016, 1826). Der BFH hat dies in seinem Beschluss in BFH/NV, 2016,716, Rz 21, 25 für möglich gehalten, weil die Verwaltungsauffassung die Uneinbringlichkeit des materiell-rechtlich geschuldeten Steuerbetrags verursacht habe. Hinsichtlich der Begründung für die Ablehnung der entsprechenden Anwendung verweist der Senat zunächst auf das Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217 unter I.2.b. und I.2.c. der Entscheidungsgründe.

    Hinzu kommt, dass der BFH nach Auffassung des Senats in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16/16, V R 24/16 (BStBl II 2017, 760) die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG inzident ausgeschlossen hat. Dort führte der BFH in Rz 62 aus, dass es auf eine mögliche Anwendung dieser Vorschrift nicht mehr ankomme. Nach dem Urteil war die Steuerfestsetzung durch Änderungsbescheid gegenüber dem Leistenden rechtmäßig. Dies setzt zum einen eine Änderungsbefugnis für das Finanzamt voraus, die sich gem. dem Urteil aus § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. ergab. Jedoch ist ebenso erforderlich, dass materiell-rechtlich ein Steueranspruch gegen den Leistenden bestand. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG hätte diesen aber ausgeschlossen, so dass der Änderungsbescheid nur dann rechtmäßig ist, wenn diese Vorschrift nicht (entsprechend) gilt (vgl. Lippross Deutsches Steuerrecht -DStR- 2017, 1297, 1298).

    3. Unerheblich ist, ob die Klägerin die Steuer nachträglich an die leistenden Unternehmer zahlte oder, ob das FA mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 UStG n. F. vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufrechnen kann (a.A. BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a).

    Eine solches Erfordernis ergibt sich weder aus dem § 27 Abs. 19 UStG noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben noch aus dem Unionsrecht.
    a) Die Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG n. F. befasst sich nicht mit der Steuerschuld des Leistungsempfängers und erweitert sie deswegen nicht: Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein (§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F.). § 176 der Abgabenordnung (AO) steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG n. F.). Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG n. F.). Satz 4 der Vorschrift enthält Regelungen, wann die Abtretung zu Gunsten des Leistenden an Zahlungs statt wirkt.

    § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. ist eine Änderungsbefugnis für das FA bei der Festsetzung der Steuer des Leistenden. Sie kann zu dessen Lasten nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Das FA hat eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits durch Zahlung getilgt war. Auf das Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis kommt es nicht an (BFH-Urteil in BStBl II 2017, 760 [BFH 23.02.2017 - V R 16/16; V R 24/16]).

    Die gesamte Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG n. F. beschränkt sich somit auf Regelungen hinsichtlich des Leistenden, das Erstattungsverlangen des Leistungsempfängers wird lediglich in § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG n. F. erwähnt. Der Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers ist der Grund für die Regelungen in § 27 Abs. 19 UStG n. F. hinsichtlich des Leistenden, er wird in der Vorschrift also vorausgesetzt (vgl. BT-Drucks. 18/1995, S. 99 f., 111).

    b) Der Grundsatz von Treu und Glauben vermag keine Steuerschuld des Leistungsempfängers zu begründen. Zwar ist er in allen Rechtsgebieten allgemein anerkannt und gebietet es innerhalb eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses für Steuergläubiger wie Steuerpflichtige gleichermaßen, dass jeder auf die Belange des anderen Teils Rücksicht nimmt. Damit nicht zu vereinbaren ist insbesondere ein widersprüchliches Verhalten. Allerdings haben diese Grundsätze lediglich rechtsbegrenzende Wirkung innerhalb bestehender Schuldverhältnisse und setzen demnach eine Identität der Rechtssubjekte voraus. Sie können nicht dazu führen, dass Steueransprüche oder -schulden überhaupt erst zum Entstehen oder Erlöschen gebracht werden (BFH-Urteil vom 12. Februar 2015 V R 28/14, BStBl II 2017, 10, Rz 31 f.; FG Düsseldorf in EFG 2017, 1217 unter I.2.c. der Entscheidungsgründe).

    c) Schließlich ergibt sich aus dem Unionsrecht keine Steuerschuld des Klägers.

    aa) Das Unionsrecht verbietet es nicht, dass ein nationales Rechtssystem die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern unter Umständen ablehnt, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würden (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH- vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco, BFH/NV 2009, 1371, ECLI:EU:C:2009:380, Rn 48, m.w.N.; vom 16. Mai 2013 C-191/12, Alakor Gabonatermelö es Forgalmazo, Höchstrichterliche Rechtsprechung - HFR - 2013, 654, ECLI:EU:C:2013:315, Rn 25, m.w.N.).

    Unabhängig davon, ob diese Grundsätze im nationalen Recht das Festsetzungs- oder Erhebungsverfahren beträfen, setzen sie eine nationale Regelung voraus, die dies vorsieht. Das ist aber - wie dargelegt - nicht der Fall. Eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts ist insoweit nicht geboten, weil es sich nicht um eine zwingende Vorgabe des Unionsrechts handelt, vielmehr jenes eine solche Regelung den Mitgliedstaaten freistellt.

    bb) Aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Neutralität ergibt sich nichts anderes. Danach soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (BFH-Urteil in BStBl II 2017, 760 [BFH 23.02.2017 - V R 16/16; V R 24/16], Rz 39, m.w.N.). Eine Belastung des Steuerpflichtigen sieht er nicht vor. Darüber hinaus hat der Grundsatz der Neutralität die Bedeutung, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich zu behandeln sind (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2016 C-38/16, Mehrwertsteuer-Recht - MwStR - 2017, 663, ECLI:EU:C:2017:454, Rn 21, m.w.N.). Einen Wettbewerbsvorteil erhielte aber zunächst der Leistende, wenn seine Steuer nicht festgesetzt würde.

    Die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Steuer des Leistungsempfängers würde bei diesem allenfalls dann (mittelbar) zu Wettbewerbsvorteilen führen, wenn er dem Leistenden seinerseits die diesem zustehende Umsatzsteuer nicht bezahlte. Diese Situation einer "ungerechtfertigten Bereicherung" im weiteren Sinne setzt aber eine nationale Regelung voraus (vgl. II.3.c.aa. der Gründe). Ferner ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität keine Regel des Primärrechts, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz anzuwenden ist, den er einschränkt. Er erlaubt es z. B. nicht, den Anwendungsbereich des Vorsteuerabzugsrechts gegenüber einer eindeutigen Bestimmung auszuweiten (EuGH-Urteil vom 13. März 2014 C-204/13, Marlburg, MwStR 2014, 270, ECLI:EU:C:2014:147, Rn 43; BFH-Urteil vom 31. Mai 2017 XI R 40/14, DStR 2017, 1923, Rz 52). Daher ist der Senat der Auffassung, dass der Grundsatz der Neutralität für sich genommen keine Steuerschuld des Leistungsempfängers zu begründen vermag.

    4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anwendung des § 137 Abs. 1 Satz 1 FGO zu Lasten der Klägerin kommt nicht in Betracht, weil die Entscheidung des FA bei rechtzeitiger Vorlage der Namen und Adressen der Leistenden genauso ausgefallen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 2004 V R 72/03, BStBl II 2004, 684, unter II.2.b. der Gründe). Die Namen und Adressen der Leistenden waren zwar zur Beurteilung einer Steuerpflicht der Klägerin nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 UStG 2008 oder § 13 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 UStG 2010 erforderlich gewesen. Das FA hätte aber dem Einspruch dennoch nicht stattgegeben. Denn es hat im Klageverfahren behauptet, die Klägerin errichte auch Bauten auf fremden Grund sowie für die Eigenschaft als Bauträgerin reiche eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG nicht aus, und auch deswegen insgesamt die Klageabweisung beantragt.

    5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    6. Die Revision wird im Hinblick auf die bereits anhängige Revision XI R 21/17 und das Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 2016, 1826 [FG Baden-Württemberg 19.05.2016 - 1 K 3504/15] gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

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