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  • 07.02.2017 · IWW-Abrufnummer 191682

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.11.2016 – 7 K 3044/14 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    7 K 3044/14 E

    Tenor:

    Die Einkommensteueränderungsbescheide 2009 vom 28.03.2014 und vom 15.05.2014 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25.08.2014 werden aufgehoben.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

    Die Revision wird zugelassen.

    1

    T a t b e s t a n d

    2

    Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger von seiner Mutter und seiner Ehefrau zur Verfügung gestellte Geldbeträge als Darlehen zu passivieren und abzuzinsen sind.

    3

    Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommen-steuer veranlagt. Der Kläger (geb. 1946) betrieb im Streitjahr im Rahmen eines Einzelunternehmens das Hotel-Restaurant K in X. Das Hotel verfügte über insgesamt 40 Zimmer (zwei Appartements, 30 Doppel- und 8 Einzelzimmer). Der Kläger hatte das Hotel sowie zwei Mietshäuser in F durch notariellen Vertrag vom 07.10.1991 mit Wirkung zum 01.01.1992 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinen Eltern unter Vorbehalt eines lebenslangen Wohnrechts und gegen Zahlung einer dauernden Last erworben. Die lebenslange dauernde Last setzte sich aus einem monatlich zu zahlenden Geldbetrag in Höhe von 4.500 DM sowie der Verpflichtung zu einer lebenslangen Beköstigung und der Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge der Eltern zusammen. Der Vater des Klägers verstarb bereits am xx.01.1992, die Mutter des Klägers lebt noch heute. Nach einem zwischen den Eltern geschlossenen Erbvertrag vom xx.11.1947 ist die Mutter des Klägers Vorerbin geworden und der Kläger ist als einziges Kind der Eltern alleiniger Nacherbe. Inzwischen hat der Kläger das Hotel-Restaurant K am xx.05.2016 verkauft.

    4

    In den Jahren 2007-2010 setzte der Beklagte die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb zunächst wie folgt (weitgehend erklärungsgemäß) fest:

    5

    Jahr    Einkünfte aus Gewerbebetrieb      
    2007    -69.148 €      
    2008    -61.200 €      
    2009    -24.434 €      
    2010    -66.428 €     

    6

    Neben den gewerblichen Einkünften erzielte der Kläger auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den geerbten Häusern in F sowie einem weiteren Objekt in X. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus ihrer Mitarbeit im Hotel. In den Jahren 2007-2009 erklärte die Klägerin jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 32.360 €, im Jahr 2010 27.581 €.

    7

    Der Kläger erklärte in den Einkommensteuererklärungen 2007-2010, dass er Beträge von 51.483 €, 51.488 €, 44.854 € und 24.064 € an seine Mutter aufgrund der vereinbarten dauernden Last gezahlt habe.

    8

    Für die Jahre 2008 bis 2010 führte der Beklagte ab dem 02.08.2012 eine Betriebsprüfung beim Kläger durch.

    9

    Im Rahmen der Betriebsprüfung stellte der Beklagte fest, dass in der Bilanz unter der Bilanzposition „Kurzfristige Darlehen“ seit der Betriebsübernahme durch den Kläger Verbindlichkeiten gegenüber der Ehefrau des Klägers, der Klägerin, sowie gegenüber der Mutter des Klägers, Frau F P , bilanziert wurden. In den Jahren 2007 bis 2010 wiesen die Verbindlichkeiten folgende Höhe auf:

    10
     
    Jahr    D P    F P      
    2007    193.937,23 €    419.126,70 €      
    2008    293.545,94 €    478.390,55 €      
    2009    360.653,43 €    510.104,40 €      
    2010    397.153,43 €    521.118,25 €     

    11

    Schriftliche Darlehensverträge hierzu existieren nicht, eine Verzinsung war nicht vereinbart. Der Kläger erläuterte hierzu im Rahmen der Betriebsprüfung, dass bereits seit dem Tod des Vaters im Jahr 1992 der ausgezahlte Bruttoarbeitslohn der Ehefrau sowie die Zahlungen der dauernden Last an die Mutter in den Betrieb „zurückflössen“. Ein Zins sei nicht vereinbart worden, da er diesen nicht hätte bezahlen können. Auch Teile der Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung eines Objektes in F würden seit Jahren in den Betrieb fließen (Gesprächsnotiz des Prüfers vom 03.08.2012, Bl. 155 f. der Betriebsprüfungsakte).

    12

    Der Beklagte gelangte zu dem Ergebnis, dass die Darlehen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit einem Zinssatz von 5,5% pro Jahr abzuzinsen seien. Dabei ging er davon aus, dass die Restlaufzeiten der Darlehen nicht geschätzt werden könnten und die Bewertung der Darlehensverbindlichkeiten somit nach § 13 Abs. 2 BewG unter Anwendung des Vervielfältigers von 0,503 zu erfolgen habe.

    13

    Aus „Vereinfachungsgründen“ (BP-Bericht vom 09.10.2012, Bl. 182 der BP Akte) führte der Beklagte die Abzinsung zunächst erstmalig im Jahr 2010 durch und gelangte zu folgenden Gewinnauswirkungen:

    14
     
    Darlehensgeber    Berechnung    Bilanzansatz    Gewinn 2010      
    F P    521.118,25 € x 0,503    262.122,48 €    + 258.955,77 €      
    D P    397.153,43 € x 0,503    199.768,18 €    + 197.385,25 €     

    15

    Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 22.11.2012 setzte er die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 389.953 € fest.

    16

    Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass eine Abzinsung nicht vorzunehmen sei. Bezüglich des Darlehens der Mutter sei zu berücksichtigen, dass der Kläger deren erbvertraglicher Alleinerbe sei und deshalb eine Abzinsung allenfalls bezogen auf die mittlere Lebenserwartung der 87-jährigen Mutter von 4 Jahren zulässig sei. Es ergebe sich daher folgende Gewinnauswirkung:

    17
     
    Darlehensgeber    Berechnung    Bilanzansatz    Gewinn 2010      
    F P    521.118,25 € x 0,807    420.542,43 €    + 100.575,82 €     

    18

    Mit Schreiben vom 03.06.2013 beantragten die Kläger ferner, die Abzinsung der Darlehen nicht erst im Jahr 2010 erstmals vorzunehmen, sondern bereits im Jahr 2008 damit zu beginnen.

    19

    Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2008 lehnte der Beklagte jedoch mit Hinweis auf die Bestandskraft ab. Mit Datum vom 28.03.2014 erließ der Beklagte jedoch einen nach § 174 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009, in dem er die Einkünfte des Klägers als Gewerbebetrieb mit 235.098 € festsetzte und dabei die Darlehen wie folgt bewertete:

    20
     
    Darlehensgeber    Berechnung    Bilanzansatz    Gewinn 2009      
    F P    510.104,40 € x 0,765    390.280,87 €    + 119.874,46 €      
    D P    360.653,43 € x 0,503    181.408,67 €    + 179.244,76 €     

    21

    Den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 änderte der Beklagte ebenfalls mit Bescheid vom 28.03.2014 ab und setzte die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von -76.470 € fest. Zugleich setzte er mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2010 den Verlustrücktrag nach 2009 auf 17.207 € fest.

    22

    Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 legten die Kläger Einspruch ein. Sie begründeten diesen zunächst damit, dass Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten für die Erneuerung einer Filteranlage im Schwimmbad sowie für Brandschutzmaßnahmen nicht berücksichtigt worden seien.

    23

    Am 15.05.2014 erließ der Beklagte einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2009, in dem er den aufgrund des geänderten Einkommensteuerbescheides 2010 entstandenen Verlustrücktrag in Höhe von 17.207 € berücksichtigte.

    24

    Mit Einspruchsentscheidung vom 25.08.2014 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen könnten nur dann gebildet werden, wenn am Bilanzstichtag eine hinreichend konkretisierte Verpflichtung vorliege. Nachweise für das Bestehen solcher Verpflichtungen zum 31.12.2009 seien vom Kläger nicht erbracht worden.

    25

    Mit der am 19.09.2014 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung tragen sie vor, dass eine Abzinsung der Darlehen nicht vorzunehmen sei. Aufgrund der Tatsache, dass die Darlehen sofort kündbar seien, betrage die Darlehenslaufzeit weniger als 12 Monate. Ferner seien die Darlehen auch nicht unverzinslich, da der Kläger seiner Mutter und seiner Ehefrau Kost und Logis gewähre. Die Werte für Wohnungswert und Eigenverbrauch würden auch gegen das Darlehenskonto gebucht, so dass sogar ein buchungstechnischer Zusammenhang zum Darlehenskonto bestehe. Ferner bestünden Zweifel daran, ob die Darlehen einem Fremdvergleich standhielten. Sei aber eine außerbetriebliche Veranlassung gegeben, so scheide die Passivierung einer Darlehensverbindlichkeit und folglich auch eine Abzinsung aus. Das Darlehen sei in diesem Falle als Einlage zu erfassen.

    26

    Die Kläger beantragen,

    27

    die Einkommensteueränderungsbescheide 2009 vom 28.03.2014 und vom 15.05.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.08.2014 aufzuheben;

    28

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens, die Revision zuzulassen.

    29

    Der Beklagte beantragt,

    30

    die Klage abzuweisen;

    31

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens, die Revision zuzulassen.

    32

    Der Beklagte trägt im Klageverfahren vor, dass es für die steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen Angehörigen entscheidend sei, dass die Darlehensverträge tatsächlich durchgeführt worden seien. Hierfür spreche im Streitfall die Bilanzierung der Verbindlichkeiten sowie die stetige Fortentwicklung der Verbindlichkeitskonten. Zudem seien die zugeführten Mittel ausschließlich betrieblich verwendet worden. In diesem Fall trete nach der Rechtsprechung des BFH die Bedeutung der Unüblichkeit einzelner Klauseln des Darlehensvertrages zurück. Entscheidend sei vielmehr die tatsächliche Durchführung der Zinsvereinbarung und die fremdübliche Verteilung der Vertragschancen und –risiken. Ferner seien die Leistungen des Klägers an seine Mutter auf Grund der vertraglich vereinbarten dauernden Last als Sonderausgabe erklärt worden.

    33

    In der Sache hat am 24.02.2016 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter und am 07.11.2016 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Auf die jeweiligen Protokolle wird Bezug genommen.

    34

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

    35

    Die Klage hat Erfolg.

    36

    Die Einkommensteueränderungsbescheide 2009 vom 28.03.2014 und vom 15.05.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.08.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb zu Unrecht um einen Gewinn in Höhe von insgesamt 299.119,22 € aus der Abzinsung von Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin und gegenüber der Mutter des Klägers erhöht.

    37

    I. Verfahrensrechtlich konnte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2009 nach § 174 Abs. 4 AO trotz dessen Bestandskraft noch ändern.

    38

    Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können gem. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.

    39

    1. Eine irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts liegt vor, wenn das Finanzamt, in der Annahme richtig zu handeln, aus dem Sachverhalt objektiv unzutreffende steuerrechtliche Folgerungen zieht und diese fehlerhafte Beurteilung sich in einem Steuerbescheid auswirkt (BFH, Urt. vom 28.06.1990 – V R 93/85, BFH/NV 1991, 210; Koenig, in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 174 Rdn. 60). Der Irrtum der Finanzbehörde kann sich auf das Steuerobjekt, das Steuersubjekt oder den Zeitraum der Folgerungen (Veranlagungszeitraum) beziehen (Koenig, in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 174 Rdn. 60; von Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, AO, 125. Lfg. 2015, § 174 Rdn. 95.1).

    40

    Im Streitfall liegt eine fehlerhafte Beurteilung im Hinblick auf den Zeitraum vor. Der Beklagte hatte entgegen der Annahme des Betriebsprüfers, der die Abzinsung „aus Vereinfachungsgründen“ erst im Jahr 2010 vorgenommen hat, kein Wahlrecht in Bezug auf die erstmalige Durchführung der Abzinsung, sondern hätte aufgrund der Feststellungen in der Betriebsprüfung den fehlerhaften Bilanzansatz in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachholen müssen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich gewesen ist (BFH, Urt. vom 06.09.2000 – XI R 18/00, BStBl II 2001, 106; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl. 2016, § 174 Rdn. 61).

    41

    2. Der Beklagte hat auch die richtigen steuerlichen Folgen in Form der Berücksichtigung der Abzinsung durch Änderung des Steuerbescheides 2009 gezogen.

    42

    Im Streitfall war im Zeitpunkt der Betriebsprüfung das Jahr 2009 das erste steuerlich änderbare Jahr. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 13.07.2010 war bereits vor Beginn der Betriebsprüfung materiell bestandskräftig, da dieser nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Eine Änderungsmöglichkeit nach anderen Vorschriften ist nicht ersichtlich, insbesondere stellt die Unverzinslichkeit der Darlehen keine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO dar. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 20.07.2011 war zu dieser Zeit aber noch änderbar, weil dieser nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen war. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde erst nach Abschluss der Betriebsprüfung nach § 164 Abs. 3 AO aufgehoben.

    43

    3. Die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2010 zu Gunsten des Klägers ist auch aufgrund eines Antrags des Steuerpflichtigen erfolgt.

    44

    Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid haben die Kläger mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigen vom 03.06.2013 beantragt, die Abzinsung der Verbindlichkeiten bereits in den Prüfungsjahren 2008 und 2009 durchzuführen.

    45

    II. Die vom Beklagten durchgeführte Abzinsung ist jedoch in materiell rechtlicher Hinsicht fehlerhaft.

    46

    1. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Verbindlichkeiten des Betriebsvermögens unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind nur Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

    47

    Allerdings sind einem Betriebsinhaber von einem Angehörigen gewährte Darlehen, die zwar zivilrechtlich aber unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich nicht anzuerkennen sind, nicht dem Betriebsvermögen, sondern dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen. Daraus folgt nicht nur, dass die Zinsen nicht abzugsfähig sind, sondern auch, dass die Darlehensvaluta selbst dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen ist. Wenn und soweit die Darlehensvaluta dem betrieblichen Konto gutgeschrieben wird, ist diese in der Bilanz daher zwingend als Einlage zu erfassen (BFH, Beschluss vom 22.04.2015 – IV B 76/14, BFH/NV 2015, 976). Eine Abzinsung scheidet in diesem Fall notwendigerweise aus (Kiesel, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 274. Lfg. 2016, § 6 Rdn. 702).

    48

    Bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH von einer betrieblichen Veranlassung grundsätzlich nur dann auszugehen, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustande gekommen ist und sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (sog. Fremdvergleich). Denn wegen des fehlenden Interessengegensatzes bei nahen Angehörigen könne nur auf diese Weise sichergestellt werden, dass die Vertragsbeziehungen tatsächlich im betrieblichen und nicht im privaten Bereich wurzelten (BFH, Urt. vom 13.07.1999 – VIII R 29/97, BStBl II 2000, 386 m.w.N.).

    49

    Ob ein Vertrag zwischen Angehörigen dem sog. Fremdvergleich standhält, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, wobei nicht jede geringfügige Abweichung vom Üblichen die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt (BFH, Urt. vom 18.04.2000 – VIII R 74/96, BFH/NV 2001, 152). Maßgebend für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG) veranlasst oder aber durch private Zuwendungs- oder Unterhaltsüberlegungen (§ 12 Nr. 1 und 2 EStG) motiviert sind, ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten (BFH, Urt. vom 22.10.2013 – X R 26/11, BStBl II 2014, 374; FG München, Urt. vom 26.06.2014 – 11 K 877/11, EFG 2015, 1084).

    50

    Die Intensität der Prüfung des Fremdvergleichs bei Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen ist nach der Rechtsprechung des BFH insbesondere vom Anlass der Darlehensgewährung, der Darlehensverwendung sowie der Frage, ob es sich um ein Rechtsgeschäft unter Volljährigen, voneinander insbesondere wirtschaftlich unabhängigen Verwandten oder um eine Vereinbarung mit minderjährigen Kindern des Steuerpflichtigen handelt, abhängig (BFH, Urt. vom 04.06.1991 – IX R 150/85, BStBl II 1991, 838; BFH, Urt. vom 18.04.2000 – VIII R 74/96, BFH/NV 2001, 152).

    51

    Hierzu haben sich in der Rechtsprechung mehrere Fallgruppen herausgebildet (eingehend hierzu: BFH, Urt. vom 22.10.2013 – X R 26/11, BStBl II 2014, 374).

    52

    Wird im Rahmen eines Rechtsverhältnisses, für das die laufende Auszahlung der geschuldeten Vergütung charakteristisch ist (z.B. Arbeits-, Miet- oder Pachtvertrag) die tatsächliche Auszahlung der geschuldeten Vergütung durch eine Darlehensvereinbarung ersetzt (Fallgruppe Novation), kommt es entscheidend darauf an, ob die Vergütung lediglich stehengelassen oder aber im Einzelfall tatsächlich zur Auszahlung angeboten, danach indes in ein Darlehen umgewandelt wird. Bei einem „Stehenlassen“ der Vergütung verlangt der BFH ausdrückliche Vereinbarungen zur Rückzahlung und Kündigung dieses Betrages. Demgegenüber sind Darlehensvereinbarungen, die erst nach einem tatsächlichen Angebot auf Auszahlung der Vergütung abgeschlossen werden, auch dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn weder über die Verzinsung noch über die Rückzahlung ausdrückliche Vereinbarungen bestehen (BFH, Urt. vom 22.10.2013 – X R 26/11, BStBl II 2014, 374; BFH, Urt. vom 17.07.1984 – VIII R 69/84, BStBl II 1986, 48 m.w.N.).

    53

    Erheblich großzügiger ist die Rechtsprechung demgegenüber bei Darlehen, die der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern dienen. Da die Darlehensaufnahme hier eindeutig betrieblich veranlasst ist, beanstandet es die Rechtsprechung nicht, wenn das Darlehen unter im Einzelnen anderen Bedingungen als unter Fremden überlassen wird. Zwar bleibt auch in diesen Fällen eine Gesamtwürdigung der schuldrechtlichen Darlehensvereinbarungen erforderlich; von entscheidender Bedeutung für die ertragsteuerrechtliche Anerkennung ist aber weniger der Fremdvergleich hinsichtlich der einzelnen Klauseln des Darlehensvertrages als vielmehr die tatsächliche Durchführung der Zinsvereinbarung (BFH, Urt. vom 22.10.2013 – X R 26/11, BStBl II 2014, 374 m.w.N.).

    54

    2. Nach den o.g. Grundsätzen halten die Darlehen im Streitfall einem Fremdvergleich nicht stand. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die Gewährung der Darlehen durch private Unterhalts- und Zuwendungserwägungen motiviert ist. Statt der Bilanzierung der Darlehen hätten daher in gleicher Höhe nicht abzuzinsende Einlagen bzw. Eigenkapital bilanziert werden müssen.

    55

    Dem steht nach Auffassung des Senates – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch nicht entgegen, dass die Rechtsprechung es bei Darlehen, die der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern dienen, nicht beanstandet, wenn das Darlehen unter im Einzelnen anderen Bedingungen als unter fremden Dritten überlassen wird (BFH, Urt. vom 22.10.2013 – X R 26/11, BStBl II 2014 m.w.N.).

    56

    Zu berücksichtigen ist, dass der BFH bei eindeutig betrieblich veranlasster Darlehensaufnahme lediglich in Bezug auf den Fremdvergleich einzelner Darlehensklauseln „großzügig“ verfährt und die tatsächliche Durchführung der Zinsvereinbarung als entscheidend ansieht (BFH, Urt. vom 22.10.2013 – X R 26/11, BStBl II 2014). Diese Fallgruppe mag zu zutreffenden Ergebnissen führen, wenn es um den Betriebsausgabenabzug von Zinsen geht. Im Streitfall fehlt es wegen der Unverzinslichkeit der Darlehen jedoch gerade an einer Zinsvereinbarung. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass bei unverzinslichen betrieblich verwendeten Darlehen regelmäßig von einer Fremdüblichkeit auszugehen ist. Denn die vom BFH beabsichtigte „Großzügigkeit“ beim Betriebsausgabenabzug würde sich dann im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in ihr Gegenteil verkehren. Der Senat hat vor diesem Hintergrund Zweifel, ob die Anlassrechtsprechung des BFH, die zum Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug bei Darlehen zwischen nahen Angehörigen ergangen ist, uneingeschränkt auf die Fälle (der Abzinsung) unverzinslicher Darlehen übertragbar ist.

    57

    Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, denn selbst wenn man die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung uneingeschränkt auf die Fälle der zinslosen Darlehen übertragen würde, scheitert der Fremdvergleich im Streitfall auch nicht an einer mangelnden Fremdüblichkeit einzelner Darlehensklauseln, da schon keine schriftlichen Darlehensverträge existieren. Vielmehr entspricht nach der Auffassung des Senates die gesamte Durchführung nicht dem unter fremden Dritten Üblichen. Die Mutter und die Ehefrau konnten in Anbetracht der wirtschaftlichen Entwicklung des Hotels nicht mit einer Rückzahlung der Darlehen rechnen. Die Tatsache, dass sie gleichwohl auch mit zunehmendem Zeitablauf trotz des kontinuierlichen Anstiegs der Darlehen keine klaren ggfls. schriftlichen Vereinbarungen im Hinblick auf die Rückzahlung der Darlehensbeträge getroffen haben und weder Sicherheiten noch Zinsen verlangt haben, spricht gegen eine Fremdüblichkeit der Darlehen. Zwar steht die fehlende Besicherung von Anschaffungsdarlehen der Anerkennung für steuerliche Zwecke nicht entgegen, wenn das Rechtsgeschäft von volljährigen und voneinander insbesondere wirtschaftlich unabhängigen Verwandten geschlossen wird (BFH, Urt. vom 15.01.2000 – VIII R 50/97, BStBl II 2000, 393). Allerdings bestand im Streitfall trotz der Volljährigkeit der Darlehensgeber eine erhebliche Abhängigkeit der Klägerin und der Mutter des Klägers vom Kläger und dem Fortbestand des Hotels. Der Kläger gewährte der Klägerin und seiner Mutter im Hotel Kost und Logis. Die Klägerin und die Mutter hatten auch keine unabhängig von der Existenz des Hotels bestehenden Einkunftsquellen und konnten solche aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters realistischerweise auch nicht mehr erschließen. Sowohl das Arbeitsverhältnis als auch die dauernde Last wären bei einem Scheitern des Hotels faktisch wertlos gewesen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien keine einklagbare Darlehensverpflichtung des Klägers schaffen wollten, sondern private Motive in Form der eigenen Versorgung und des Erhalts des Hotels als „Lebenswerk der Familie“ im Vordergrund standen.

    58

    Darüber hinaus können Darlehensverträge zwischen nahen Angehörigen ertragsteuerrechtlich auch nur dann anerkannt werden, wenn sie zweifelsfrei gegenüber einer verschleierten Schenkung abgegrenzt werden können (BFH, Urt. vom 25.01.2000 – VIII R 50/97, BStBl II 2000, 393; BFH, Urt. vom 04.06.1991 – IX R 150/85, BStBl II 1991, 838). Im Streitfall ist dies wegen der genannten privaten Motive der Beteiligten sowie in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters der Vertragsparteien nach Auffassung des Senates nicht möglich. In Anbetracht dieser Gesamtumstände und aufgrund des Vortrags der Kläger in der mündlichen Verhandlung ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger zur Rückzahlung der Darlehensbeträge verpflichtet sein sollte.

    59

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    60

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    61

    Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen, insbesondere auch wegen des beim BFH unter dem Aktenzeichen IV R 20/15 bereits anhängigen Revisionsverfahrens (Vorinstanz FG München, Urt. vom 26.06.2014 – 11 K 877/11, EFG 2015, 1084).

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