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  • 18.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142706

    Sozialgericht München: Urteil vom 08.10.2013 – S 4 R 1860/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Sozialgericht München

    Urt. v. 08.10.2013

    Az.: S 4 R 1860/12

    Tenor:

    I.

    Die Klage wird abgewiesen.
    II.

    Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über den Status des Klägers zu 1 als abhängig Beschäftigter oder Selbstständiger und der sich daraus ergebenden Sozialversicherungspflicht in der Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 im Zeitraum 1.1.2011 bis 17.10.2011.

    Der Kläger zu 1 war zunächst ab 1.8.2010 als Business Development Manager bei der Klägerin zu 2 im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.11.2010 übernahm er im Wege einer Geschäftsanteilsabtretung mit Wirkung zum 1.1.2011 45 % am Stammkapital der Klägerin zu 2. Weitere Gesellschafter der GmbH blieben mit 45 % am Stammkapital Frau D. D. und mit 10 % Herr E. D ... Mit Gesellschafterbeschluss vom gleichen Tag erweiterten die Gesellschafter den Unternehmenszweck von "Betrieb einer Werbeagentur für integrierte Kommunikation" um die "Beratung von Unternehmen bei der Planung und Umsetzung von Marketing- und Vertriebsstrategien im Bereich Business-to-Business". Ebenfalls mit Beschluss vom gleichen Tag bestellte die Gesellschafterversammlung den Kläger zu 1 mit Wirkung ab 1.1.2011 zum Geschäftsführer der Gesellschaft. Weitere Geschäftsführerin war die Gesellschafterin Frau D. D ...

    Die Gesellschaft schloss mit dem Kläger zu 1 am 20.12.2010 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. Darin wurden unter anderem eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, eine feste monatliche Vergütung in Höhe von 9.000 EUR brutto, die Geltung der gesetzlichen Regelungen zur Fortzahlung der Bezüge bei Erkrankung, ein Anspruch auf einen Jahresurlaub von 25 Arbeitstagen, gesetzliche Kündigungsfristen, ein Wettbewerbsverbot, Zustimmungspflicht der Gesellschafterversammlung für entgeltliche und unentgeltliche Nebentätigkeiten, als Dienstort möglichst der Sitz der Gesellschaft und die Verpflichtung zur Einbringung der vollen Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft vereinbart. Eine Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit und an die Weisungen der Gesellschafterversammlung wurde in § 6 Abs. 3 des Vertrages ausgeschlossen.

    Die Satzung der Gesellschaft enthält in § 5 einen Katalog von zustimmungspflichtigen Geschäften, der gemäß der Regelung jederzeit von der Gesellschafterversammlung erweitert werden kann. Die Satzung sieht vor, dass Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden, wobei je 1,01 EUR Geschäftsanteils eine Stimme gewährt. Eine Einschränkung des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung gegenüber Geschäftsführer sieht die Satzung nicht vor.

    Am 25.2.2011 beantragte der Kläger zu 1 die Statusfeststellung gem. § 7a SGB IV bei der Beklagten. Nach Anhörung erlies diese am 4.10.2011 einen Feststellungsbescheid, den sie gegenüber beiden Klägern bekannt gab. Im Widerspruchsverfahren begehrten die Kläger die Feststellung, dass keine Beschäftigung vorliegt. Zudem teilten sie mit, dass mit notariellem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 18.10.2011 der Gesellschafter Herr E. D. seinen Geschäftsanteil je zur Hälfte an den Kläger zu 1 und die Gesellschafterin Frau D. D. übertragen hat und somit der Kläger zu 1 seither an der Gesellschaft mit 50 % des Stammkapitals vertreten war.

    Mit Bescheid vom 11.5.2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 4.10.2011 für die Zeit ab 18.10.2011 auf. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.8.2012, der ebenfalls beiden Klägern bekannt gegeben wurde, wies sie die Widersprüche im Übrigen zurück.

    Hiergegen haben die Kläger gemeinsam am 12.9.2012 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Zum 31.12.2012 ist der Kläger zu 1 als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 ausgeschieden. An der gesellschaftsrechtlichen Position ist keine Änderung eingetreten.

    Die Kläger sind der Auffassung, dass angesichts aller Umstände des Einzelfalls der Kläger zu 1 als Geschäftsführer auch vor dem 18.10.2011 selbstständig tätig gewesen sei. Eine abhängige Beschäftigung sei nie gewollt gewesen. Die Geschäftsführer hätten eigenständig und getrennt wie auch einzelvertretungsberechtigt gearbeitet. Der Kläger zu 1 sei größtenteils auf Reisen auch im Ausland gewesen und hätte seine Leistung nicht am Sitz der Gesellschaft erbracht. Insoweit würden die tatsächlichen Verhältnisse von der vertraglich vereinbarten Verhältnissen abweichen. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche auch ein vom Kläger zu 1 persönlich übernommenes Risiko unter anderem in Höhe der eingeräumten Kreditlinie bei der Hausbank und bezüglich des Vertragsverhältnisses betreffend die Geschäftsräume. Zudem sei der Kläger vor Eintritt in das Unternehmen eigenverantwortlich in verschiedenen Ländern tätig gewesen und habe Einkommensvolumina von wenigstens 200.000 EUR jährlich erzielt. Auch nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit sei er jetzt wieder im asiatischen Raum tätig. Gleichwohl habe er die Beteiligung an der Gesellschaft beibehalten.

    Die Kläger beantragen,

    die Bescheide vom 4.10.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.8.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 1 als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 im Zeitraum 1.1.2011 bis 17.10.2011 nicht abhängig beschäftigt gewesen war und nicht der Sozialversicherungspflicht unterlag.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 4.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.8.2012, soweit eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1 als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 und Sozialversicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt worden ist. Soweit die ursprüngliche Klage sich auch auf die Sozialversicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bezogen hat, hat sie sich durch Annahme des Teilanerkenntnisses in der mündlichen Verhandlung erledigt. Streitgegenstand ist zudem ausschließlich der Zeitraum 1.1.2011 bis 17.10.2011.

    Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Kläger zu 1 war im Zeitraum 1.1.2011 bis 17.10.2011 als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 abhängig beschäftigt und unterlag der Sozialversicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

    Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 7 Abs. 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich das Gericht vollumfänglich anschließt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

    Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Vielmehr sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, siehe auch BayLSG, Urteil vom 23.10.2012, L 5 R 767/10).

    Für die Einordnung einer Geschäftsführertätigkeit in einer Gesellschaft, an welcher der Geschäftsführer selbst beteiligt ist, sind weitere Besonderheiten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, ist der Geschäftsführer einer GmbH, der weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügt, in der Regel abhängig Beschäftigter der GmbH, wenn er bei seiner Tätigkeit der Kontrolle durch die Gesellschafter unterliegt und diese ihre Gesellschafterrechte tatsächlich ausüben bzw. die Rechtsmacht zur Ausübung innehaben. (siehe dazu u.a. BSG, Urteil vom 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R). Unter Beachtung der vom Bundessozialgericht im Urteil vom 29.8.2012 aufgezeigten Grundsätze, denen die Kammer folgt, kommt es dabei nicht darauf an, ob die Gesellschafterversammlung faktisch nicht von ihrem Kontroll- und Weisungsrecht Gebrauch gemacht hat. Es kommt ausschließlich darauf an, ob ihr die Rechtsmacht dazu zustand.

    Ausgehend von diesen oben aufgezeigten Grundsätzen ist das Gericht im vorliegenden Fall eindeutig davon überzeugt, dass der Kläger zu 1 als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig war, solange er nur 45 % des Stammkapitals gehalten hat.

    Als Geschäftsführer neben der weiteren Geschäftsführerin Frau D. D. war er zweifellos in die Organisation des Betriebs eingebunden. Dies gilt schon deshalb, weil er seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hatte und dies auch getan hat. Er war auch persönlich abhängig von der Gesellschaft als Arbeitgeber, insbesondere von der Gesellschafterversammlung als das die Gesellschaft tragende Organ.

    Für eine abhängige Beschäftigung spricht insbesondere der "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag" vom 20.12.2010, der das Vertragsverhältnis bestimmte. Dieser Vertrag hat sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem Inhalt ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Vereinbart ist ein monatliches festes Gehalt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, ein Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub, gesetzliche Kündigungsfristen, ein Wettbewerbsverbot, die Zustimmungspflicht der Gesellschafterversammlung für entgeltliche und unentgeltliche Nebentätigkeiten, als Dienstort möglichst der Sitz der Gesellschaft und die Verpflichtung zur Einbringung der vollen Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde der Kläger als weiterer Geschäftsführer neben der Mitgesellschafterin Frau D. D. tätig.

    Soweit der Klägerbevollmächtigte ausführt, dass die Haftungsregelung im Anstellungsvertrag für eine selbstständige Tätigkeit spricht, folgt ihm die Kammer nicht. Nach § 5 Abs. 2 des Vertrages haftet der Geschäftsführer der Gesellschaft nur bei vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verhalten. Dies entspricht aber in den Grundzügen auch der Haftung in einem Arbeitsverhältnis.

    Im Hinblick auf den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag spricht lediglich § 6 Abs. 3 für eine selbstständige Tätigkeit. Dort ist geregelt, dass der Geschäftsführer nicht an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden ist. Diese Regelung lässt aber das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung, das sich aus § 37 GmbHG ergibt, nicht entfallen. Die Organe einer juristischen Person können nicht in einem rechtsfreien bzw. der Beliebigkeit der Beteiligten unterstehenden Raum agieren. Vielmehr sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere durch das Zivilrecht ausgestaltet sind, zu beachten. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass diese Rahmenbedingungen keinen bloßen auf den Innenbereich der juristischen Person beschränkten Anwendungsbereich haben, sondern vielfältige und umfangreiche weitere Konsequenzen, etwa zum Schutz von Gläubigern, bei Haftungsfragen oder beispielsweise im Steuerrecht nach sich ziehen.

    So sind nach § 37 Abs. 1 GmbHG die Geschäftsführer einer Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Aus dieser Vorschrift ergibt sich ein absolutes Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung für jegliche Tätigkeiten (u.a. OLG Frankfurt, Urteil vom 7.2.1997, 24 U 88/95). Zwar ist § 37 GmbHG dispositiv, zumindest soweit nicht der Kernbereich der Gesellschafterrechte und sogenannte Grundlagengeschäfte betroffen sind. Jedoch haben die Gesellschafter im vorliegenden Fall bei der Klägerin zu 2 nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht, eine von § 37 GmbHG abweichende Regelung in der Satzung festzuschreiben. Aufgrund der Formvorschrift des §§ 2, 11, 53, 54 GmbHG bedarf eine solche Abweichung von § 37 GmbHG eines notariell beurkundeten Beschlusses der Gesellschafterversammlung und der Eintragung ins Handelsregister. Da der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag diese Formvoraussetzungen nicht erfüllt, ist das gesellschaftsrechtlich verbürgte Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Kläger zu 1 im vorliegenden Fall nicht eingeschränkt. Vor dem Hintergrund der umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Verfahrens- und Formvorschriften ist auch eine "stillschweigende" Änderung der grundlegenden rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft ausgeschlossen. Deshalb kann auch aus der Nichtausübung des Weisungsrechtes durch die Gesellschafterversammlung, wie sie vorgetragen wurde, keine Weisungsunabhängigkeit gefolgert werden. Gleiches gilt, wenn vorgetragen wird, dass der Kläger zu 1 und die Mitgeschäftsführerin und Gesellschafterin Frau D. D. ein bestens funktionierendes Team gewesen waren. Der Status als abhängig Beschäftigter oder als Selbstständiger kann nicht von der momentan bestehenden zwischenmenschlichen einmütigen Zusammenarbeit abhängen, sondern muss auch dann Bestand haben, wenn eine solche Einigkeit unter Gesellschaftern nicht mehr besteht. Eine sogenannte "Schönwetter-Selbstständigkeit" kann es nicht geben.

    Der Kläger zu 1 konnte im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht als Gesellschafter Gesellschafterbeschlüsse bezüglich möglicher an ihn gerichteter Weisungen verhindern. Für Gesellschafterbeschlüsse war eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend (§ 8 Abs. 1 der Satzung). Je 1,00 EUR Geschäftsanteil gewährte eine Stimme. Da der Kläger zu 1 im streitgegenständlichen Zeitraum nur 45 % des Stammkapitals hielt, war er nicht in der Lage, Beschlüsse der beiden anderen Gesellschafter zu verhindern. Er war demnach weisungsabhängig gegenüber seinem Arbeitgeber, der Klägerin zu 2.

    Der Umstand, dass der Kläger vor seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2 in nicht unerheblichen Ausmaß unternehmerisch im Ausland tätig war und dies auch seit Januar 2013 wieder ausschließlich ist, lässt nicht auf Selbstständigkeit in der hier zu beurteilenden Tätigkeit schließen. Vielmehr hat eine frühere Selbstständigkeit in einem anderen Unternehmen keine Indizwirkung für eine nachfolgende Tätigkeit. Im Übrigen war der Kläger unbestritten vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer als Arbeitnehmer bei der Klägerin zu 2 beschäftigt, also nicht selbstständig.

    Die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB spricht nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Darauf hat das Bundessozialgericht mehrfach hingewiesen (BSG, a.a.O.). Im Übrigen ist die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Sie werden dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Deshalb lässt sich auch aus dem Umstand, dass der Kläger zu 1 entgegen der Regelung im Anstellungsvertrag seine Leistung größtenteils auf Reisen, auch im Ausland, erbracht hat, nicht per se auf eine selbstständige Tätigkeit schließen. Vielmehr ist eine solche Reisetätigkeit in einer gehobenen Position bei höheren Diensten auch in einem Beschäftigungsverhältnis nicht unüblich.

    Soweit geltend gemacht wird, dass der Kläger zu 1 ein unternehmerisches Risiko innehatte, weil er Geschäftsrisiken der Klägerin zu 2 als seine eigenen eingegangen und übernommen hat, führt dies ebenfalls nicht zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Dabei muss zunächst zwischen der Tätigkeit des Klägers zu 1 als Gesellschafter und als Geschäftsführer unterschieden werden. Nur wenn das unternehmerische Risiko alleine oder zumindest überwiegend der Tätigkeit als Geschäftsführer zugeordnet werden muss, käme überhaupt eine Berücksichtigung als Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit in Betracht. Denn die Rollen sind strikt voneinander abzugrenzen. Zunächst stellt das Gericht fest, dass in Bezug auf die normale Geschäftstätigkeit der Klägerin zu 2 kein unternehmerisches Risiko beim Kläger zu 1 vorlag. Er erhielt nach dem Anstellungsvertrag eine feste monatliche Vergütung, war also bei seinem Einkommen als Geschäftsführer nicht vom Erfolg des Unternehmens abhängig. Ob nun im Ergebnis die Übernahme der persönlichen Haftung gegenüber der Hausbank in Höhe der eingeräumten Kreditlinie beziehungsweise gegenüber dem Gebäudeeigentümer der Geschäftsräume der Eigenschaft als Gesellschafter oder der Eigenschaft als Geschäftsführer zuzuordnen ist, kann letztlich offen bleiben. Hier jedenfalls wiegt das unternehmerische Risiko angesichts der überschaubaren Beträge verglichen mit dem vorhandenen Stammkapital der Gesellschaft nicht schwer. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass zunächst immer die Gesellschaft als solche in der Haftung steht und das persönliche Risiko des Klägers zu 1 sich nur dann verwirklicht, wenn eine Inanspruchnahme der Gesellschaft nicht möglich sein sollte.

    Schließlich erscheint dem Gericht das immer wieder von Klägern in ähnlich gelagerten Fällen herausgestellte unternehmerische Risiko durch Übernahme von Bürgschaften oder Haftungsrisiken bei Krediten grundsätzlich nicht geeignet, als Abgrenzungskriterium für eine selbstständige Tätigkeit oder eine Beschäftigung zu dienen. Denn im Beitrags- und Versicherungsrecht sollte der Status möglich zu Beginn einer Tätigkeit für die gesamte Laufzeit der Tätigkeit, soweit keine relevanten Änderungen vorgenommen werden, festgelegt werden. Dazu dient das Statusfeststellungsverfahren. Kreditbeträge und Bürgschaftsübernahmen ändern sich aber im Regelfall im Laufe des Betriebs des Unternehmens. Auch sind üblicherweise zu Beginn einer Tätigkeit höhere persönliche Haftungsübernahmen erforderlich. Diese verringern sich in der Regel mit dem Erfolg einer Gesellschaft. Damit ergibt sich ein immer wieder wechselndes persönliches Risiko. Es ist aber nicht mit der erforderlichen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit einer Statusfeststellung zu vereinbaren, wenn bei höherer Risikoübernahme (ggf. zu Beginn einer Tätigkeit/Gesellschaft) eine selbstständige Tätigkeit angenommen wird und nach Tilgung der Kredite beziehungsweise geringeren Bürgschaftsverpflichtungen dann bei gleicher Tätigkeit im weiteren Verlauf von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen wäre.

    Nach Abwägung sämtlicher Kriterien ergibt sich demnach eine abhängige Beschäftigung und folglich eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klage nicht erfolgreich war.

    RechtsgebietSGBVorschriften§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III; § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI; § 7 Abs. 1 SGB IV

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