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  • 18.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142704

    Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 10.12.2013 – L 6 R 65/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landessozialgericht Rheinland-Pfalz

    Urt. v. 10.12.2013

    Az.: L 6 R 65/12

    Tenor:

    1.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 09.09.2011, berichtigt durch Beschluss vom 29.12.2011, aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
    2.

    Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
    3.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) ab 01.01.2007 der Versicherungspflicht unterliegt.

    Der 1955 geborene Kläger ist mit der 1956 geborenen U verheiratet, die eine Kaufmannsausbildung absolviert hat; ihr gemeinsamer Sohn P K ist 1989 geboren und als Pilot tätig. Der Kläger hat 1980 den Studiengang Bauingenieurwesen mit dem Abschluss Dipl.-Ing. (FH) abgeschlossen und war anschließend als Bauingenieur, Planer und Statiker in verschiedenen Ingenieurbüros tätig. Daneben übt er seit 1981 eine freiberufliche Tätigkeit in einem eigenen Ingenieurbüro aus. Nach seinen Angaben beträgt seine Wochenarbeitszeit mindestens 70 Stunden, wobei hier auch die Arbeitszeit für die Projektbetreuung der Beigeladenen zu 1) enthalten ist. Als selbstständiger Architekt ist er seit 14.02.2007 Pflichtmitglied der B A. Er ist privat kranken- und pflegeversichert und war zuletzt im Jahr 1988 bei der Beigeladenen zu 3) gesetzlich kranken- sowie bei der Beigeladenen zu 4) pflegeversichert.

    Mit Gesellschaftsvertrag vom 09.10.1997 errichteten die Ehefrau des Klägers und Frau I S die S I (Beigeladene zu 1) mit einer Stammeinlage von jeweils 25.000,00 DM und dem Sitz in W. Gegenstand des Unternehmens ist die wirtschaftliche Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben als Baubetreuer und Bauherr, - eigene bauausführende Gewerbetätigkeiten werden ausgeschlossen -, die Vermittlung von Grundstücken nebst Gebäuden, grundstücksgleichen Rechten, gewerblichen Räumen, Wohnräumen, Darlehen (d.h. Vermittlung von Finanzierungen) und Versicherungen, der An- und Verkauf von bebauten und unbebauten Grundstücken im In- und Ausland sowie Haus- und Wohnungsverwaltungen jeglicher Art.

    In der alljährlichen ordentlichen Gesellschafterversammlung hat die Geschäftsführung über das wirtschaftliche und finanzielle Ergebnis des Vorjahres, einschließlich der Vorlage des Jahresabschlusses nebst Anhang, Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Lagebericht sowie über den Stand der laufenden Geschäfte und der Planung für das laufende Geschäftsjahr Bericht zu erstatten. Diese Gesellschafterversammlung hat das vorliegende Jahresergebnis festzustellen und über die Verteilung des Reingewinns zu beschließen. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit des bei der Abstimmung vertretenen Stammkapitals gefasst. Je 500,00 DM gezeichnete Stammeinlage vermitteln dem Gesellschafter eine Stimme. Die Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens 61 % des vorhandenen Stammkapitals vertreten ist. Die nächste neu einzuberufende Versammlung ist dann unbeschränkt beschlussfähig. Beschlüsse über Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen, Satzungsänderungen und über die Auflösung der Gesellschaft erfordern eine Mehrheit von 3/4 des vorhandenen Stammkapitals. Jeder Gesellschafter kann sich in der Gesellschafterversammlung durch einen Mitgesellschafter, durch seinen Ehegatten, durch einen Rechtsanwalt oder einen Steuerberater vertreten lassen. Die Vollmacht kann auch auf unbestimmte Zeit erteilt werden. In diesem Fall ist sie während ihrer Gültigkeit bei der Geschäftsleitung zu hinterlegen. Jede Vollmacht, die ein Gesellschafter zur Wahrnehmung seiner Rechte in der Gesellschafterversammlung erteilt, kann widerrufen werden, und zwar auch dann, wenn der Gesellschafter sie unwiderruflich gestellt hat. Der Widerruf einer Vollmacht ist wirksam, wenn der Geschäftsführung die Erklärung des Widerrufs durch den betreffenden Gesellschafter vorliegt. (§ 7 des Gesellschaftsvertrags). Als je einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer wurden die Gesellschafterinnen bestellt; von den Beschränkungen des § 181 BGB wurden sie befreit.

    Im Handelsregister wurde im Jahr 2006 als Sitz der Beigeladenen zu 1) Saulheim aufgeführt. Im Jahresabschluss zum 31.12.2006 war als Sitz der Beigeladenen zu 1) die Geschäftsadresse des Klägers - gleichzeitig die Wohnadresse der Eheleute - bezeichnet.

    Der Kläger bewilligte der Beigeladenen zu 1) ein Darlehen in Höhe von 600.000,00 DM ab 01.05.1998 mit einer Laufzeit bis 30.04.2001 und ab 24.02.1999 von weiteren 300.000,00 DM (Darlehenszinssatz von jeweils 7 %; Verträge vom 27.04.1998 und 12.02.1999). An monatlichen Darlehenszinszahlungen waren 3.500,00 DM ab 01.06.1998 und 5.250,00 DM ab 01.04.1999 vereinbart. Eine Tilgung des Darlehens war nicht vereinbart, jedoch könnten Sondertilgungen vor Ablauf in beliebiger Höhe geleistet werden. Sondertilgungen erfolgten nicht.

    In einer notariellen "Vereinbarung, Geschäftsanteilsabtretung, Kaufvertrag und Gesellschafterversammlung" vom 11.09.1999, zu welcher neben den Gesellschafterinnen der Beigeladenen zu 1) auch der Kläger und der Ehemann der Gesellschafterin S , der Bauingenieur V S , erschienen waren, wurde in der Präambel ausgeführt, dass die Beigeladene zu 1) unter Mitwirkung des Klägers und von Herrn S sowie deren Mitarbeitern seit 1996 bis heute ein Baugebiet in S geplant, die Erschließungsarbeiten durchgeführt und die Grundstücke entwickelt habe. Zur Finanzierung habe die Beigeladene zu 1) von dem Kläger mittlerweile 900.000,00 DM, von Herrn S 600.000,00 DM als verzinsliches Darlehen erhalten. Die Vereinbarungen bezweckten, die Verflechtungen zwischen den Gesellschafterinnen der Beigeladenen zu 1), den Planern/Ingenieuren K und S sowie Herrn S als Darlehensgeber der Beigeladenen zu 1) zu lösen. Frau S trat ihren Gesellschaftsanteil nach Aufteilung in Höhe von 22.000,00 DM an die Ehefrau des Klägers und in Höhe von 3.000,00 DM an den Kläger ab. An Frau S veräußerte die Beigeladene zu 1) Grundbesitz in S in Höhe von 320.000,00 DM; die Ehefrau des Klägers übernahm die Kaufpreiszahlungsverpflichtung der Frau S in Höhe von 300.800,00 DM und der Kläger in Höhe von 19.200,00 DM. Frau S wurde rückwirkend zum 31.07.1999 als Geschäftsführerin abberufen und ihr Anstellungsverhältnis aufgehoben. Herr S schied aus der Planung, Bauleitung und Entwicklung für das Erschließungsgebiet S aus. Das von Herrn S der Beigeladenen zu 1) gewährte Darlehen in Höhe von 600.000,00 DM übernahm zum 15.10.1999 der Kläger und zahlte dafür 600.000,00 DM.

    Mit notariellem Vertrag vom 16.09.1999 bevollmächtigte die Ehefrau des Klägers als Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) den Kläger, sie in allen Angelegenheiten, betreffend den Erwerb, die gänzliche oder teilweise Veräußerung und Belastung von jetzt oder in Zukunft in ihrem Allein- bzw. Miteigentum stehenden Grundbesitz bzw. Miteigentumsanteilen an solchen Dritten, Behörden, Notaren und Gerichten gegenüber zu vertreten. Der Bevollmächtigte wurde insbesondere berechtigt, bezüglich des Grundbesitzes sämtliche Verhandlungen zu führen, die zum Erwerb und zur Veräußerung des Grundbesitzes notwendig sind oder damit in Zusammenhang stehen. Die Vollmacht erstreckte sich auch darauf, notarielle Kaufverträge abzuschließen und sämtliche hierzu erforderlichen Erklärungen abzugeben, d. h. auch die diesbezügliche Auflassung zu erklären. Der Bevollmächtigte erhielt weiterhin die Befugnis, den veräußerten bzw. den erworbenen Grundbesitz im Zusammenhang mit der Veräußerung bzw. dem Erwerb mit Grundpfandrechten in beliebiger Höhe zu belasten und die Firma der dinglichen (in den Grundbesitz) und persönlichen Zwangsvollstreckung (in deren gesamtes Vermögen) zu unterwerfen. Der Bevollmächtigte wurde weiterhin bevollmächtigt zur Abgabe und Entgegennahme von Eintragungsbewilligungen und -anträgen jedweder Art im Grundbuch, insbesondere zu Erklärungen, die die Eintragung, Rangänderung, Pfanderstreckung, Pfandfreigabe und Löschung von Rechten betreffen. Er wurde weiterhin zur Bewilligung von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten und Grunddienstbarkeiten, insbesondere zur Sicherung von Abstandsflächen und Versorgungsleitungen sowie zur Absicherung von Geh- und Fahrtrechten berechtigt. Der Bevollmächtigte wurde berechtigt, Baulasten auf diesem jeweils in Frage stehenden Grundbesitz zur Eintragung zu bewilligen und zu beantragen. Erforderlichenfalls wurde der Bevollmächtigte berechtigt, in Allein- bzw. Miteigentum der Firma stehenden "Grundbesitz" in Teil- bzw. Wohnungseigentum gemäß den Vorschriften der §§ 3 bzw. 8 ff. des Wohnungseigentumsgesetzes aufzuteilen und sämtliche hierzu erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abzugeben. Unter Grundbesitz im obigen Sinn wurde neben Grundbesitz auch Miteigentumsanteile an Grundbesitz sowie Teileigentum, Wohnungseigentum und Erbbaurechte verstanden. Der Bevollmächtigte wurde berechtigt, Untervollmacht zu erteilen. Der Bevollmächtigte wurde befreit von den Beschränkungen des § 181 BGB. Diese Vollmacht war jeder Zeit frei widerruflich.

    Mit "Anstellungsvertrag mit einem leitenden Angestellten" vom 14.12.2006 wurde der Kläger von der Beigeladenen zu 1) ab 01.01.2007 in der Funktion als technischer Leiter im Baubereich (Bearbeitung der bautechnischen Vertragsunterlagen, Betreuung der bauausführenden Firmen, bautechnische Beratung der Bauherren) als leitender Angestellter gemäß § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz angestellt. Als Vergütung war ein Jahresbruttogehalt von 84.000,00 EUR zahlbar in 12 gleichen Teilbeträgen jeweils zum Monatsende (§ 2), ein Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen (§ 3) und eine Weiterzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall für die Dauer von drei Monaten, nach einer Vertragsdauer von fünf Jahren für die Dauer von sechs Monaten (§ 5), vereinbart. Weiter war ausgeführt, dass der Kläger seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung stellen müsse und dass er erforderlichenfalls über die betriebsüblichen Arbeitszeiten hinaus seine Arbeitsleistung zu erbringen habe (§ 1 Abs. 4). Dem Kläger wurde von der Beigeladenen zu 1) nach Abzug der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlages ab 01.01.2007 ein monatliches Gehalt von 5.443,45 EUR, ab 01.03.2005 von 5.451,88 EUR, ab 01.05.2009 von 5.461,70 EUR, ab 01.07.2009 von 5.483,62 EUR, ab 01.02.2010 von 5.414,87 EUR, ab 01.01.2012 von 5.445,29 EUR und ab 01.02.2012 von 5.417,34 EUR auf sein Konto überwiesen.

    Eine schriftliche Vereinbarung vom 20.12.2006 zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau als Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) regelte die Übertragung ihrer Stimmrechte auf den Kläger zum 01.01.2007 und enthielt die Feststellung, dass der Kläger somit in allen Angelegenheiten alleinig entscheidungsbefugt sei.

    Mit notariellem Vertrag vom 10.07.2008 übertrug die Ehefrau des Klägers ihre Gesellschaftsanteile von 25.000,00 DM und 22.000,00 DM an ihren Sohn. Dieser übertrug seine Stimmrechte mit schriftlicher Vereinbarung vom 30.07.2008 zum 01.08.2008 auf den Kläger, wobei auch hier festgestellt wurde, dass der Kläger damit in allen Angelegenheiten alleinig entscheidungsbefugt sei.

    Mit Gesellschafterbeschlüssen der Jahre 2007 bis 2012 wurden jeweils die Jahresabschlüsse für die Jahre 2006 bis 2011 genehmigt, der Ehefrau des Klägers als Geschäftsführerin Entlastung erteilt und entsprechend dem Vorschlag der Geschäftsführung über die Verwendung des Jahresergebnisses ein Verlustvortrag auf neue Rechnung vorgenommen bzw. der Jahresüberschuss mit dem bestehenden Verlustvortrag verrechnet.

    Die Beigeladene zu 1) beantragte im März 2009 bei der Beklagten eine Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers nach § 7a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ab dem 01.01.2007. Sie gab an, dass die Tätigkeit des Klägers von familienhaften Rücksichtnahmen geprägt sei und dass er nicht wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschaft unterliege. Als leitender Angestellter vertrete er die Gesellschaft neben der Geschäftsführerin. Am Gewinn der Gesellschaft sei er nicht beteiligt.

    Mit Bescheid vom 23.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2009 teilte die Beklagte dem Kläger - gleichlautende Bescheide ergingen an die Beigeladene zu 1) - mit, dass seine Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter seit dem 01.01.2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Er könne kraft seines Anteils am Stammkapital keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Beschlüsse würden innerhalb der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst, es bestehe ein gesonderter Arbeitsvertrag, der seine Mitarbeit in der Gesellschaft regele und es würde ihm eine gleichbleibend hohe monatliche Vergütung gezahlt. Außerdem sei er nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. Ein Unternehmerrisiko habe er nicht zu tragen und nach Gesamtwürdigung aller Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Entscheidend sei, dass einseitige Weisungen des Hauptgesellschafters bzw. durch die Geschäftsführung möglich seien und dass der Kläger deren Überwachung unterliege. An den Rechten zur Beschlussfassung innerhalb der Beigeladenen zu 1) ändere sich durch die Stimmrechtsübertragung nichts. Diese könne widerrufen werden und gegen unliebsame Entscheidungen des Hauptgesellschafters könne er sich nicht wehren.

    Mit Bescheid vom 18.12.2009 hat die Beklagte diesen Bescheid dahingehend abgeändert, dass in der seit 01.01.2007 ausgeübten Beschäftigung als mitarbeitender Gesellschafter bei der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

    Der Kläger hat am 09.12.2009 Klage bei dem Sozialgericht Mainz (SG) erhoben und geltend gemacht, dass die Beigeladene zu 1) aufgrund der Darlehensgewährung von ihm wirtschaftlich abhängig sei, er aufgrund der ihm übertragenen Stimmrechte befugt sei, die Geschicke der Beigeladenen zu 1) allein zu entscheiden und er nicht weisungsabhängig sei. Auch verfüge er als Einziger über die einschlägigen Branchenkenntnisse. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.09.2011 hat die Beklagte erklärt, dass der Ergänzungsbescheid vom 18.12.2009 hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht zurückgenommen werde.

    Mit Urteil vom gleichen Tag in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 29.12.2011 hat das SG den Bescheid vom 23.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2009, abgeändert durch den Bescheid vom 18.12.2009, wiederum abgeändert durch Prozesserklärung vom 09.09.2011, aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter bei der S GmbH nicht der Versicherungspflicht nach den Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Die Beklagte habe die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung zu Unrecht festgestellt. Bei einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls überwögen die Merkmale, welche für die Annahme von Selbstständigkeit sprächen, diejenigen für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Zwar sei ein Anstellungsvertrag mit Ansprüchen auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall abgeschlossen worden und aufgrund der geringen Beteiligung am Stammkapital habe der Kläger keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben können. Auch sei die Stimmrechtsübertragung fehlgeschlagen, da eine Übertragung von Stimmrechten ohne die gleichzeitige Übertragung eines Geschäftsanteils nicht möglich sei. Jedoch spreche dies sowie die Bevollmächtigung vom 16.09.1999 dafür, dass die Gesellschafter dem Kläger weitgehende Handlungsbefugnisse hätten einräumen wollen. Der Kläger habe damit in dem Familienbetrieb wie ein Alleininhaber faktisch die Unternehmensleitung innegehabt. Weisungen habe er nicht unterlegen und in wirtschaftlicher Hinsicht an dem Erlös der Gesellschaft partizipiert.

    Gegen das ihr am 05.01.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.02.2012 Berufung eingelegt.

    Sie macht geltend, dass der Kläger als Gesellschafter einer GmbH, in der er nicht Geschäftsführer sei und in der er aufgrund der gehaltenen Gesellschaftsanteile keinen maßgebenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft habe, als Beschäftigter anzusehen sei. Die Einräumung weiterer Befugnisse aufgrund der Vollmacht vom 16.09.1999 bestätige, dass er über keine Rechtsmacht innerhalb der Gesellschaft verfüge. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von mitarbeitenden Familienangehörigen, die "Kopf und Seele" des Betriebs seien, gelte für die vorliegende Fallgestaltung eines Minderheitsgesellschafters ohne Geschäftsführerstellung nicht. Es sei daher auch bei Familiengesellschaften auf die abstrakte Rechtsmacht abzustellen.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 09.09.2011 in der Gestalt des Änderungsbeschlusses vom 29.12.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Er erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass der Familienbetrieb aus steuerlichen Gründen so organisiert worden sei, dass er lediglich Minderheitsgesellschafter sei. Da er auch als selbstständiger Architekt tätig sei, unterliege seine freiberufliche Tätigkeit angesichts der geringen Beteiligung an der Beigeladenen zu 1) nicht der Gewerbesteuer. Aufgrund der Darlehensgewährung habe er wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft. Er gebe die maßgebliche Richtung des Unternehmens vor und ziehe den wirtschaftlichen Erfolg im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) nicht im Wesentlichen aus seiner Arbeitskraft, sondern aus dem von ihm zur Verfügung gestellten Kapital. Wenn er erkrankt sei und dann den Betrieb nicht führen könne, sei keine der im Unternehmen tätigen Personen in der Lage, das Tagesgeschäft zu bewältigen.

    Die Beigeladenen zu 1) bis 4) haben keinen Antrag gestellt.

    Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akte des SG S 17 KR 134/10 sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Beklagte hat im Rahmen des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV zutreffend festgestellt, dass der Kläger seit 01.01.2007 in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht unterliegt. Der Bescheid vom 23.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2009 und des Bescheides vom 18.12.2009 sowie des Verwaltungsakts vom 09.09.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

    Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2009, mit welchem die Beklagte zunächst eine unzulässige Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung getroffen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 R 11/07 R -, SozR 4 - 2400 § 7a Nr. 2), diese Entscheidung allerdings durch die korrekte Feststellung von Versicherungspflicht mit dem ersetzenden Bescheid vom 18.12.2009 abgeändert hat (§ 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG), vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011 - B 12 R 17/09 R - [...]). Dieser Bescheid hat durch den mündlichen Verwaltungsakt der Beklagten vom 09.09.2011 den Inhalt erhalten, dass ausschließlich eine Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung getroffen worden ist. Da das SG "klarstellend" auch über die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung entschieden hat, hat der Senat von einer Aufhebung der Beiladung der Kranken- und Pflegekasse (Beigeladene zu 3) und 4)) abgesehen.

    Im Rahmen des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass der Kläger seit 01.01.2007 - die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV liegen aufgrund des nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellten Antrags nicht vor - als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigter der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -) unterliegt und in einem Versicherungspflichtverhältnis nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 24 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III -) steht. Der Kläger übt seitdem eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV aus.

    Nach dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" - verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

    Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Diesen kommt allerdings nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R -, [...]; Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 17; Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R -, [...]; Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R -, [...]). Mit dieser Rechtsprechung sind die rechtlichen Grundlagen der Arbeitsleistung als entscheidender Faktor für die Beurteilung hervorgehoben worden und gegenüber einer (ausschließlichen) Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse in den Vordergrund gerückt (vgl. Littmann, SGb 2013, 368, 369).

    Diese Grundsätze gelten auch bei Organen juristischer Personen, d. h. für den Kläger als Gesellschafter der Beigeladenen zu 1). Auch insoweit ist entscheidend, ob das Organ von der Gesellschaft persönlich abhängig ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R -, SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 20). Der Kläger als Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 6 % an dem Stammkapital verfügt nicht aufgrund seiner Kapitalbeteiligung über die Rechtsmacht, die für ein Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit zur vermeiden. Gesellschafterbeschlüsse erfordern die einfache Mehrheit der Stimmen (§ 7 des Gesellschaftsvertrags), die der Kläger nicht hat. Eine Sperrminorität ist ihm nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht eingeräumt. Damit kann er sich nicht allein aufgrund seiner Beteiligung an der Beigeladenen zu 1) gegenüber Weisungen des anderen Gesellschafters in Bezug auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit als Angestellter zur Wehr setzen, die ihm nicht genehm sind. Die Geschäftsführung der Beigeladenen zu 1) obliegt ausschließlich der Ehefrau des Klägers.

    Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1) im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit ausgeübt wird, ist der "Anstellungsvertrag mit einem leitenden Angestellten" vom 14.12.2006. Dessen Regelungen konnten nach § 13 Abs. 1 nur in schriftlicher Form geändert oder ergänzt werden und außerdem war festgehalten, dass mündliche Nebenabreden nicht getroffen worden seien. Damit sind formlose (nicht schriftliche) Änderungen durch abweichende tatsächliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen. Änderungen in Schriftform sind nicht getroffen worden.

    Nach § 1 des Anstellungsvertrages ist der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 1) als technischer Leiter im Baubereich für die Bearbeitung der bautechnischen Vertragsunterlagen, der Betreuung der bauausführenden Firmen und für die bautechnische Beratung der Bauherren zuständig. Diese Aufgaben hat er nach § 1 Abs. 2 eigenverantwortlich und selbstständig nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans und der Unternehmensrichtlinien wahrzunehmen, auch ohne Rücksprache mit der Geschäftsleistung. Damit war das Weisungsrecht gegenüber dem Kläger in den genannten Bereichen abgeschwächt oder nicht vorhanden. Jedoch werden gerade höhere Dienste - wie hier - dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von einer anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen. So verhält es sich hier.

    Der Kläger ist nach eigenem Bekunden derjenige, der über die entsprechenden Branchenkenntnisse im Baubereich verfügt und damit allein die Aufgabe als technischer Leiter im Baubereich wahrnehmen kann. Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen jedoch nicht schon zu einem Selbstständigen (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 17 Rn. 23; Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R -, [...] Rn. 29). Die Übertragung der Aufgabe eines "technischen Leiters im Baubereich" ist gerade aufgrund der speziellen Fachkenntnisse des Klägers erfolgt und war Voraussetzung für die Ausübung dieser Tätigkeit. Im übrigen hat der Kläger selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 09.09.2011 angegeben, dass auch ein Bauleiter oder ein ("geschäftlicher") Handwerker seine Aufgaben wahrnehmen könne. Die Abhängigkeit des Klägers von der Beigeladenen zu 1) kommt allerdings gerade dadurch zum Ausdruck (§ 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrages), dass er verpflichtet ist, seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen und erforderlichenfalls über die betriebsüblichen Arbeitszeiten hinaus seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Seine besonderen Fachkenntnisse dienten damit gerade der Erfüllung seiner Pflicht zur Bewältigung der ihm übertragenen Aufgabe im Baubereich. Eine Übertragung von Aufgaben betreffend den kaufmännischen Bereich ist an ihn rechtswirksam gerade nicht erfolgt. Die Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) hat damit einen erheblichen Aufgabenbereich selbst behalten - nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2011 war sie tatsächlich für die Verwaltung der Finanzen zuständig - und als gelernte Kauffrau fachlich in der Lage, diese Aufgabe zu bewältigen. Die Ehefrau des Klägers war als Geschäftsführerin Organ der Beigeladenen zu 1) und konnte in dieser Funktion nicht in einem rechtsfreien bzw. der Beliebigkeit der Beteiligten unterstehenden Raum agieren. Vielmehr sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere durch das Zivilrecht ausgestaltet sind, zu beachten. Aus einer möglicherweise faktischen Nichtwahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten durch die dazu gesellschaftsrechtlich berufenen Organe - hier insbesondere die Geschäftsführerin - kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dadurch die ihnen zu Grunde liegenden Rechten und Pflichten "stillschweigend" abbedungen worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R -, [...] Rn. 25). Aus den Regelungen im Gesellschaftsvertrag (§ 6 Geschäftsführung) geht auch nichts Anderes hervor. Da der Kläger über keine Sperrminorität der Anteile verfügte, konnte er ihm nicht genehme Weisungen auch nicht abwenden. Zur Durchführung der laufenden Geschäfte der Beigeladenen zu 1) durch die Ehefrau des Klägers gehört auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber Angestellten. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R, a. a. O., Rn. 25). Die Ehefrau des Klägers als Geschäftsführerin war, etwa im Fall eines Zerwürfnisses, berechtigt den Kläger zu entlassen - nach der Übertragung ihrer Gesellschaftsanteile an den Sohn ggfs. nach dessen Zustimmung (§ 6 des Gesellschaftsvertrages) - und eine andere Arbeitskraft einzustellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R -, [...] Rn. 29). Der Kläger war damit rechtlich nicht in der Lage, seine Weisungsgebundenheit aufzuheben und er war in der von Seiten der Beigeladenen zu 1) vorgegebenen Ordnung des Betriebs eingegliedert. Besondere Umstände des vorliegenden Falls, die Anlass zu einer abweichenden Beurteilung hätten bieten können, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

    Die weiteren Modalitäten des Anstellungsvertrages sprechen wesentlich für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Dem Kläger wird (§ 2) ein Festgehalt in jährlich 12 gleichen Teilbeträgen gezahlt und dieses wird ihm seitdem auch tatsächlich auf sein eigenes Konto zur freien Verfügung überwiesen. Weiterhin hat er Anspruch auf bezahlten Urlaub (§ 4 des Anstellungsvertrags) und auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall für drei Monate, nach einer Vertragsdauer von fünf Jahren für sechs Monate (§ 5 Abs. 1 des Anstellungsvertrages). Dabei handelt es sich um gewichtige Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung und gegen ein Unternehmerrisiko sprechen. Das Gehalt des Klägers orientiert sich nämlich nicht an dem Gewinn bzw. Verlust der Beigeladenen zu 1), sondern ist - wie bei Arbeitnehmern typisch - unabhängig davon in gleichbleibender Höhe ausgestaltet. Der Kläger übt damit seine Tätigkeit ohne das Risiko aus, bei einer Schlechtleistung ein geringeres Gehalt zu bekommen. Auch erhält er keine Gewinnausschüttung von der Beigeladenen zu 1) gemäß den Regelungen des Anstellungsvertrages. Dass der Kläger aus steuerlichen Gründen zur Vermeidung der Erstreckung seiner Einnahmen aus seiner selbstständigen Ingenieurtätigkeit auf die Gewerbesteuerpflicht ein Festgehalt erhält, ist lediglich das Motiv für die fragliche Ausgestaltung, kann aber für die Beurteilung der Versicherungspflicht nicht maßgebend herangezogen werden. Die Wahrnehmung von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten kann sich nicht auf die kraft Gesetzes eintretende Versicherungspflicht in der Sozialversicherung auswirken. Auch die fehlende regelmäßige Erhöhung des Gehalts spricht nicht für eine Selbstständigkeit, da die Höhe des Gehalts deutlich über eine bloße Anerkennung oder ein Taschengeld hinausgeht und vom wirtschaftlichen Erfolg der Beigeladenen zu 1) unabhängig ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.2013 - B 12 KR 19/11 R -, [...] Rn. 27).

    Dass der Kläger nach eigenem Bekunden auf Teile seines Jahresurlaubs verzichtet hat, hat demgegenüber ein geringeres indizielles Gewicht. Auch sein zeitlicher Einsatz im Rahmen der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) - möglicherweise ohne Überstundenausgleich - spricht nicht gegen ein Beschäftigungsverhältnis, da dies zum einen der vertraglichen Regelung (§ 1 Abs. 4) entspricht und zum anderen auch bei sonstigen leitenden und in vielen Fällen auch bei nicht leitend tätigen Angestellten durchaus üblich ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 06.03.2003 - B 11 AL 25/02 R -, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 1). Die weiteren rechtlichen Regelungen des Anstellungsvertrages sprechen ebenfalls für die Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers als Beschäftigungsverhältnis. So ist ihm eine Nebentätigkeit, die den Interessen des Unternehmens zuwider läuft oder seine Arbeitskraft beeinträchtigt, nach § 3 untersagt und er hat auch eine Übernahme von Ehrenämtern mit der Beigeladenen zu 1) abzustimmen. Seine Urlaubsanschrift hat er nach § 4 Abs. 3 der Geschäftsführung mitzuteilen. Bei Dienstreisen erhält er nach § 6 Abs. 1 eine bestimmte Vergütung und kann Dienstreisen mit dem privaten Pkw nach § 6 Abs. 2 nur mit Zustimmung der Geschäftsführung durchführen. Auch ist in § 7 eine Verschwiegenheitspflicht auch nach Beendigung des Vertrages geregelt. In § 9 ist ausgeführt, dass für die Behandlung von Erfindungen und Verbesserungsvorschlägen die gesetzlichen Bestimmungen gelten und dass die Nutzungsrechte an urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnissen aus der Tätigkeit nach diesem Vertrag mit deren Entstehung uneingeschränkt auf das Unternehmen übergehen, was auch für die Zeit nach der Beendigung des Vertrages gilt. § 11 enthält eine für Beschäftigungsverhältnisse typische Wettbewerbsvereinbarung für die Zeit nach Beendigung des Vertrags.

    Ein Unternehmerrisiko, welches für die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit sprechen könnte, liegt bei dem Kläger nicht vor. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2001 - B 12 KR 17/00 R -, [...] Rn. 24). Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Kläger schuldete nur den Einsatz seiner Arbeitskraft gemäß den Regelungen des Anstellungsvertrages. Abzüge für eine etwaige Schlechtleistung hatte er nicht hinzunehmen. Höhere Verdienstchancen bei einem besonderen Erfolg seiner Tätigkeit hatte er ebenfalls nicht, da er als Angestellter am Gewinn der Beigeladenen zu 1) nicht beteiligt war, sondern unabhängig vom Umfang seines Arbeitseinsatzes ein monatliches Pauschalentgelt enthielt. Auch aufgrund der Darlehensgewährung des Klägers an die Beigeladene zu 1) ändert sich daran nichts. Es handelt sich nämlich nicht um eine mit den geschuldeten Diensten verbundene Darlehensgewährung, sondern die Gründe für diese Verfahrensweise sind vielmehr außerhalb des Anstellungsverhältnisses des Klägers mit der Beigeladenen zu 1) zu suchen. Es liegt insoweit ein eigenständiges Rechtsgeschäft neben dem Anstellungsvertrag vor; dieser enthält eine Klausel zur Darlehensgewährung gerade nicht (vgl. so aber in der Fallgestaltung: BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 12 KR 34/00 R -, SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 17 S. 7f.). Der Kläger hat damit gesondert ein "arbeitnehmeruntypisches" Risiko übernommen und diese Belastung mit einem zusätzlichen Risiko vermag an der Beurteilung des Klägers als Arbeitnehmer nichts zu ändern. Eine größere Freiheit bei der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs des Einsatzes seiner eigenen Arbeitskraft bzw. eine Erhöhung seiner Verdienstschancen steht dem nicht gegenüber (vgl. auch BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R - a. a. O. Rn. 29; BSG, Beschluss vom 21.01.2009 - B 12 KR 15/07 B - [...] Rn. 12). Dass das von ihm der Beigeladenen zu 1) gewährte Gesellschafterdarlehen im Falle der Insolvenz der Beigeladenen zu 1) in die Insolvenzmasse fiele und selbst bei einer Abtretung noch binnen eines Jahres vor der Beantragung des Insolvenzverfahrens von der Insolvenzanfechtung erfasst würde (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2013 - IX ZR 32/12 -, DB 2013, 631), ändert nichts daran, dass das Darlehen für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflicht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1) nicht erforderlich war.

    Ohne entscheidende Bedeutung für die im Rahmen der Gesamtabwägung zu beurteilende Frage des Vorliegens eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist, dass dem Kläger nach den Vereinbarungen mit seiner Ehefrau vom 20.12.2006 und mit seinem Sohn vom 30.07.2008 die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung übertragen worden sind. Auch wenn damit beabsichtigt gewesen sein sollte, wie aus dem Wortlaut der Vereinbarungen hervorgeht, dass der Kläger in allen Angelegenheiten allein entscheidungsbefugt sein sollte, ist zu berücksichtigen, dass eine solche Regelung Einschränkungen unterliegt. Das Stimmrecht ist die mitgliedschaftliche Befugnis, durch Stimmabgabe an der organschaftlichen Willensbildung teilzunehmen und damit den Willen mitzuformen, der der GmbH als eigener zugerechnet wird (vgl. § 47 Abs. 1 GmbH-Gesetz). Seiner Funktion nach kann das Stimmrecht deshalb als Verwaltungs- oder Herrschaftsrecht eingeordnet werden. Aus dem Charakter des Stimmrechts als mitgliedschaftlicher Befugnis folgt, dass Dritte vom Stimmrecht ausgeschlossen sind. Die Satzung kann ihnen kein Stimmrecht geben. Auch können die Gesellschafter ihr Stimmrecht nicht aus ihrer Mitgliedschaft herauslösen und Dritten übertragen. Dies widerspricht dem so genannten Abspaltungsverbot, welches dann eingreift, wenn ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil behalten, aber das Stimmrecht auf einen anderen übertragen will. Eine solche Regelung ist unzulässig (vgl. Hüffer in Ulmer/Paefgen, GmbHG, Großkommentar 2006, § 47 Rn. 40 und 53; Koppensteiner/Gruber in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 47 Rn. 25; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 14 Rn. 15 und § 47 Rn. 4; Schindler in BeckOK, GmbHG, Stand 01.12.2012, § 47 Rn. 83). Auch wenn die Vereinbarungen als Regelungen einer so genannten Legitimationszession (deren Zulässigkeit ist streitig: vgl. nur Schindler a. a. O., Rn. 84 und Hüffer a.a.O. Rn. 54) angesehen werden könnten, können die Vereinbarungen in keinem Fall eine unwiderrufliche Bevollmächtigung des Klägers vorsehen. Eine so genannte verdrängende Vollmacht, nach der die Stimme nur von dem Bevollmächtigten und nicht von dem Gesellschafter abgegeben werden könnte, ist unzulässig (vgl. Hüffer a.a.O. Rn. 95). Aber auch im Übrigen ist eine solche Vollmacht stets aus wichtigem Grund widerruflich (vgl. insoweit auch die Regelungen in § 7 des Gesellschaftsvertrages und in dem notariellen Vertrag vom 16.09.1999) und außerdem endet die Vollmacht zusammen mit dem Grundverhältnis, auf das sie sich bezieht (vgl. Koppensteiner/Gruber a.a.O. Rn. 48; Schindler a.a.O. Rn. 89; Bayer a.a.O. § 47 Rn. 24). Aus diesen rechtlichen Vorgaben folgt, dass der Kläger auch durch diese Vereinbarungen ihm unangenehme Weisungen nicht vermeiden kann, insbesondere darf er bei einer etwaigen Kündigung seines Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund nicht mitstimmen (vgl. Koppensteiner/Gruber a.a.O. Rn. 77; Hüffer a.a.O. Rn. 175). Der Kläger bleibt in jedem Fall verpflichtet, die sich aus dem Anstellungsvertrag ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen. An diesen rechtlichen Regelungen haben die Vereinbarungen mit seiner Ehefrau und seinem Sohn nichts geändert.

    Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) kann zur Überzeugung des Senat auch nicht daraus hergeleitet werden, dass es sich bei der Beigeladenen zu 1) um eine so genannte Familiengesellschaft handelt. Auf eine etwaige besondere Rücksichtnahme des (weiteren) Gesellschafters aufgrund familiärer Bindungen und dass ihm gegebenenfalls von den übrigen Familienmitgliedern freie Hand gelassen wird (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 2 U 35/98 R -, SozR 3 - 2200 § 723 RVO Nr. 4), kommt es vorliegend nicht an. Der Senat misst der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht des Klägers als Teil der tatsächlichen Verhältnisse größere Bedeutung bei. Hierfür spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit an Stelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnisse eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 17 Rn. 32; Urteil vom 29.08.2012 - B 12 R 14/10 R -, [...], Rn. 28). So verhält es sich hier.

    Dem Kläger kam nicht die Rechtsmacht zu, die Geschäfte der Beigeladenen zu 1) in vollem Umfang alleine führen zu können. Er war nach den ausdrücklichen Bestimmungen des Anstellungsvertrages ausschließlich als "technischer Leiter im Baubereich" eingestellt und z. B. für kaufmännische Angelegenheiten nicht zuständig. Unabhängig davon, wer die laufenden kaufmännischen Tätigkeiten erledigt hat - nach Angaben des Klägers erfolgte dies durch seine Ehefrau -, kommt aus diesen Regelungen zum Ausdruck, dass eine "Alleinzuständigkeit" des Klägers nicht geregelt werden sollte. Anhaltspunkte dafür, dass die vertraglichen Regelungen rechtlich nicht ernst gemeint (§ 118 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) abgegeben worden wären, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden. Damit ist der Kläger zur Überzeugung des Senats bei einer Gesamtwürdigung aller Verhältnisse als weisungsabhängig anzusehen und in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert.

    Ob der Kläger von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf seinen Antrag vom 14.07.2009 befreit werden könnte, ist hier nicht zu befinden. Über einen solchen Antrag hat zunächst der zuständige Rentenversicherungsträger zu entscheiden und das Ergebnis dieser Entscheidung in einem schriftlich zu erteilenden Verwaltungsakt bekanntzugeben (Dankelmann in [...]PK SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 6 Rn. 176; BSG, Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 8/10 R -, SozR 4-2600 § 6 Nr. 8 Rn. 12). Eine derartige Entscheidung ist bisher nicht ergangen. Es fehlt damit eine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung und insoweit an der Klagebefugnis.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

    Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

    RechtsgebieteGmbHG, SGB IVVorschriften§ 47 Abs. 1 GmbHG; § 7 Abs. 1 SGB IV; § 7a SGB IV

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