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  • 18.03.2014

    Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 17.12.2013 – 1 TaBV 35/12

    1.Eine Abstimmung in einem Betriebsteil über die Teilnahme zur Wahl am Hauptbetrieb nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist in Betriebsteilen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllen, unabhängig von der Zahl der (mehr als 5) Beschäftigten zulässig, auch in Betriebsteilen mit 240 Arbeitnehmern und mehr.

    2.Der Abstimmung steht der Umstand, dass die Arbeitnehmer bei der letzten BR-Wahl (rechtswidrig) an der nicht angefochtenen Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilgenommen haben, nicht entgegen.

    3.Diese Abstimmung muss entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung nicht in einer Betriebsversammlung stattfinden.

    4.Die Abstimmung ist jedoch unwirksam, wenn sie über einen Zeitraum von mehr als 4 Wochen ausgedehnt wird und Stimmen solange zugelassen werden, bis die notwendige Mehrheit für die Teilnahme an der BR-Wahl zum Hauptbetrieb erreicht ist.

    5.Findet die Abstimmung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auf Initiative des BR des Hauptbetriebs statt, bedarf es zu ihrer Rechtmäßigkeit eines wirksamen BR-Beschlusses.

    6.Wird bei dieser Beschlussfassung ein Ersatzmitglied des BR nicht zur Sitzung geladen, ist der Beschluss nur dann rechtmäßig, wenn das Ersatzmitglied unmissverständlich erklärt hat, nicht in den BR nachrücken zu wollen.

    7.Es bleibt unentschieden, ob der BR dessen Wahl erfolgreich angefochten worden ist, vor Rechtskraft des Beschlusses einen Wahlvorstand für die Neuwahl eines BR bestimmen kann, ohne selbst seinen Rücktritt zu erklären.


    Im Beschlussverfahren mit den Beteiligten
    pp.
    hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 17.12.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und .... als Beisitzer
    b e s c h l o s s e n:

    Tenor:

    Die Beschwerde von Betriebsrat und Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.10.2012 - 4 BV 29/12 - wird zurückgewiesen.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe

    A.

    Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl sowie darüber, ob an einzelnen Standorten ein eigener Betriebsrat zu wählen ist.

    Die Beteiligte zu 3. (Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen der Gebäudereinigung mit Hauptsitz in L.. Sie betreibt bundesweit 25 Dienststellen und Standorte, darunter einen Standort in F. und einen in H..

    Der Standort F. ist 160 Kilometer vom Hauptsitz entfernt. Die Fahrtzeit zum Standort mit dem Pkw beträgt für die einfache Strecke ca. 2 Stunden. Im Juli 2009 waren dort 243 Mitarbeiter beschäftigt.

    Der Standort in H. ist 134 Kilometer vom Hauptsitz entfernt. Die Fahrtzeit zum Standort mit dem Pkw für die einfache Strecke beträgt ebenfalls ca. 2 Stunden. Im Juli 2009 waren dort 307 Mitarbeiter beschäftigt.

    Beide Standorte werden jeweils von einem Niederlassungsleiter geführt. Ferner sind dort kaufmännische Mitarbeiter (technische Bereichsleiter, Objektleiter, Innendienstmitarbeiter) sowie gewerblich Beschäftigte (Reinigungskräfte) tätig. Die Niederlassung ist zur Einstellung gewerblich Beschäftigter berechtigt. Die weiteren Befugnisse des Niederlassungsleiters sind zwischen den Beteiligten streitig.

    Aufgrund einer Vorgabe der Geschäftsleitung sind die Büros der Standorte bundesweit von Montag bis Freitag von 08:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Die Arbeitszeit der gewerblichen Mitarbeiter richtet sich nach den Vorgaben der Kunden für die einzelnen zu reinigenden Objekte.

    An der Wahl des Beteiligten zu 2. (Betriebsrat) im Jahr 2006 am Hauptsitz in L. wurden bundesweit alle Beschäftigten beteiligt. Der Betriebsrat besteht aus 29 Mitgliedern. Die Wahl wurde nicht angefochten.

    Im Juli 2009 fand nach der bestrittenen Behauptung von Arbeitgeberin und Betriebsrat eine Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG in den Niederlassungen F. und H. statt.

    An der Betriebsratswahl am 08.06.2010 am Hauptsitz L. nahmen wiederum auch die Arbeitnehmer der Standorte F. und H. teil. Die Wahl wurde angefochten. Mit Beschluss vom 15.09.2011 erklärte das LAG Schleswig-Holstein die Wahl für unwirksam (5 TaBV 3/11). Gegen den Beschluss wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Am 15.11.2011 fand eine Betriebsratssitzung statt. Unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" schlug die Betriebsratsvorsitzende den anwesenden 16 Betriebsratsmitgliedern vor, einen Wahlvorstand für eine Neuwahl des Betriebsrats zu wählen, um unverzüglich Neuwahlen einzuleiten. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen und ebenfalls einstimmig ein Wahlvorstand gewählt. Seinen Rücktritt beschloss der Betriebsrat nicht.

    Durch Beschluss vom 03.01.2012 verwarf das Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des LAG vom 15.09.2011. Am 17.04.2012 fand darauf die im vorliegenden Verfahren neben anderem streitgegenständliche Betriebsratswahl am Hauptsitz in L. statt, an der auch die Arbeitnehmer der Niederlassungen F. und H. teilnahmen.

    Mit am 27.04.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin und Beteiligte zu 1., eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft, die Wahl des Betriebsrats angefochten.

    Sie hält die Wahl für unwirksam und hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei am 15.11.2011 nicht berechtigt gewesen, einen neuen Wahlvorstand zu bestellen. Darüber hinaus leide der Bestellungsbeschluss an formellen Mängeln. Schließlich sei die Wahl auch unwirksam, weil an ihr auch die Arbeitnehmer der Niederlassungen F. und H. teilgenommen hätten.

    Die Beteiligte zu 1. begehrt ferner die Feststellung, dass es sich bei den Standorten in F. und H. um selbständige betriebsratsfähige Einheiten handele.

    Hierzu hat sie vorgetragen:

    Die Standorte in F. und H. seien selbständige Betriebe im Sinne des § 1 BetrVG. Nach ihrer Ansicht nehme die Arbeitgeberin die wesentlichen Funktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten in den Niederlassungen mit ausreichender Selbständigkeit wahr. Tatsächlich entscheide der Niederlassungsleiter verbindlich über Einstellungen und Entlassungen. Dass die Entscheidungen durch Vorgaben oder Rücksprachen mit dem Justiziariat begleitet würden, sei unerheblich. Auf die von der Gegenseite dargelegten kaufmännischen Entscheidungen komme es nicht an.

    Jedenfalls handele es sich bei den beiden Standorten um selbständige Betriebsteile im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Sie bestreite, dass an den Standorten ein Beschluss nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG wirksam gefasst worden sei. So sei vorprozessual der Stimmzettel der Arbeitnehmerin P. aus H. vorgelegt worden (Bl. 12 d. A.). Frau P. habe aber an Eides statt versichert, einen Stimmzettel nie erhalten oder auch nur gesehen oder unterschrieben zu haben (Kopie der eidesstattlichen Versicherung, Bl. 13 d. A.). Entsprechende Erklärungen lägen ihr noch von 30 weiteren Arbeitnehmern des Standorts H. vor. Kopien dieser Erklärungen hat die Beteiligte zu 1. im Beschwerdeverfahren zur Gerichtsakte gereicht (Bl. 167 - 196 d. A.). Einige Beschäftigte hätten ihr gegenüber erklärt, einer Wahl am Hauptsitz nicht zugestimmt zu haben; der angeblich von Frau L. F. unterschriebene Stimmzettel sei von dieser nicht unterschrieben worden.

    Sie bestreite daher auch, dass das Wahlverfahren in betriebsüblicher Weise bekannt gemacht worden und ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss zur Veranlassung der Abstimmung gefasst worden sei. Schließlich sei ausweislich des Stimmzettels auch nur eine Erklärung für die Wahl 2010 abgegeben worden; ferner seien im Jahr 2009 die Standorte auch nicht ohne einen eigenen Betriebsrat im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG gewesen, da der Betriebsrat am Hauptsitz in L. wegen der nicht angefochtenen Betriebsratswahl im Jahr 2006 für diese Standorte zuständig gewesen sei.

    Die Antragstellerin hat beantragt,

    1.

    die bei der Beteiligten zu 3. durchgeführte Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären und

    2.

    festzustellen, dass die Niederlassungen F. und H. derBeteiligten zu 3. betriebsratsfähige Organisationseinheiten sindund in den einzelnen Filialen Betriebsräte zu wählen sind.

    Die Beteiligten zu 2. und 3. haben beantragt,

    die Anträge zurückzuweisen.

    Die Arbeitgeberin hat erwidert:

    Die Betriebsratswahl sei wirksam. Der Wahlvorstand sei vom Betriebsrat wirksam bestellt worden. An der Betriebsratswahl hätten auch die Arbeitnehmer aus F. und H. teilnehmen dürfen.

    Bei den Standorten F. und H. handele es sich nicht um selbständige Betriebe im Sinne von § 1 BetrVG, da die Niederlassungsleiter nicht die entsprechenden Befugnisse hätten. Im kaufmännischen Bereich erfolge die Personalbeschaffung allein über die in L. tätige Personalreferentin, die auch eine Vorauswahl der Bewerbungen durchführe. Die Vorstellungsgespräche führe der Filialleiter ausschließlich in Anwesenheit der Personalreferentin. Überwiegend sei auch ein Mitglied der Geschäftsführung anwesend. Für die Einstellungen müssten die Zustimmung der Personalreferentin und der Geschäftsleitung vorliegen. Auch die Kündigung eines kaufmännisch Beschäftigten erfolge ausschließlich in Absprache und nur mit Zustimmung der Geschäftsleitung. Auch hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer seien die Filialen nicht zur selbständigen Entscheidung über Entlassungen befugt. Jede Kündigung werde von einem Mitglied der Geschäftsleitung überprüft und bei Unklarheiten oder Bedenken nicht ausgesprochen. Zur Unterzeichnung der Kündigung seien die Filialleiter auch nicht befugt. Auch kaufmännische und organisatorische Entscheidungen träfen nicht die Standortleiter, sondern im Wesentlichen die Zentrale.

    Im Übrigen hätten sich die Mitarbeiter in F. und H. nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG wirksam zu einer Teilnahme an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb entschieden. Die mit Mehrheit gefassten Beschlüsse entfalteten Dauerwirkung auch für die vorliegende streitgegenständliche Wahl.

    Der Betriebsrat hat vorgetragen:

    Er habe den Wahlvorstand wirksam bestellt. Die Betriebsratswahl sei wirksam gewesen. An ihr hätten die Arbeitnehmer in H. und F. teilnehmen dürfen. Hinsichtlich der betrieblichen Organisation der Abläufe werde auf die Ausführungen der Arbeitgeberin verwiesen. Im Übrigen lägen wirksame Beschlüsse der Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG vor.

    Nach Einladung zur Betriebsratssitzung am 03.04.2009 nebst Tagesordnung mit dem gesonderten Tagesordnungspunkt "Zuordnungsbeschluss nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG für die Filialen H. und F." (Bl. 99 d. A.) habe er am 22.04.2009 auf seiner Sitzung mehrheitlich beschlossen, die entsprechenden Zuordnungsbeschlüsse einzuholen (Protokoll der Betriebsratssitzung, Bl. 100 d. A.). Die Betriebsratsvorsitzende M. und die stellvertretende Vorsitzende H. hätten in H. und F. die Einsatzorte aufgesucht und die Mitarbeiter informiert. Sofern dies nicht möglich gewesen sei, seien die Mitarbeiter über die Objektleiter informiert worden. Es seien Stimmzettel ausgehändigt und über die Objektleiter später wieder eingesammelt worden. Auch Frau P. habe Stimmzettel eingesammelt und an den Betriebsrat versandt. In F. hätten 138 der 243 Mitarbeiter für die Beteiligung an der Wahl in L. gestimmt, in H. 168 von 307 Mitarbeitern. Listen mit den Namen der Mitarbeiter und deren Abstimmungsverhalten hat der Betriebsrat vorgelegt (F.: Bl. 66 - 75 d. A.; H.: Bl. 76 - 86 d. A.). Die Beschlüsse hätten Dauerwirkung.

    Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten in erster Instanz wird auf die Akte Bezug genommen.

    Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss beiden Anträgen stattgegeben. Die Betriebsratswahl sei unwirksam, weil der Betriebsrat ohne gleichzeitigen Rücktritt keinen Wahlvorstand bestellen dürfe. Der Beschluss sei auch formell unwirksam.

    Der zulässige Antrag zu 2. sei ebenfalls begründet. Die Zuordnungsbeschlüsse seien unwirksam, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung für die Betriebe ein Betriebsrat zuständig gewesen sei, nämlich der am Hauptsitz in L.. Dessen Wahl im Jahr 2006 unter Beteiligung der Arbeitnehmer in H. und F. sei nicht angefochten worden, so dass der Betriebsrat für beide Standorte zuständig sei. Damit lägen die Voraussetzungen für einen Zuordnungsbeschluss nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht vor.

    Gegen diesen ihnen am 09.11.2012 zunächst mit fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung und dann am 27.11.2012 mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung zugestellten Beschluss haben die Arbeitgeberin und der Betriebsrat am 20.12.2012 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27.02.2013 am 26.02.2013 begründet.

    Ab Mai 2013 hat der Betriebsrat vorsorglich an den Standorten F. und H. eine erneute Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG durchführen lassen. In F. waren Ende Mai 2013 249 Arbeitnehmer beschäftigt, in H. 218 Arbeitnehmer. Die Stimmzettel wurden beginnend in der ersten Juniwoche über die Kundenbetreuer an die Mitarbeiter in 79 verschiedenen Objekten (F.) bzw. 86 verschiedenen Objekten (H.) verteilt. Die Abstimmung in F. wurde zum 19.08.2013, die in H. zum 15.08.2013 beendet.

    Im Hinblick auf die Erörterungen im ersten Beschwerdetermin hat schließlich der Betriebsrat am 27.08.2013 beschlossen, noch einmal einen Zuordnungsbeschluss der Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG herbeizuführen (Protokoll der Betriebsratssitzung, Bl. 340 d. A.). Zu dieser Sitzung war für das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied D., die auf der Liste der IG-Bauen F.-H. kandidiert hatte, kein Ersatzmitglied dieser Liste geladen worden, obwohl noch 3 Ersatzmitglieder dieser Liste im Betrieb beschäftigt waren, nämlich die Arbeitnehmerinnen J. (verheiratet: H.), G. und P.. Ausweislich des vom Betriebsrat zu dieser Wahl für die Arbeitnehmer erstellten Informationsschreibens (Bl. 341 und 342 d. A.) haben die Wahlen in F. vom 09.09. bis 30.09.2013 und in H. vom 16.09. bis 07.10.2013 stattgefunden. Nach dem festgestellten Ergebnis haben in F. von 232 Arbeitnehmern 125 Arbeitnehmer und in H. von 222 Arbeitnehmern 120 Arbeitnehmer für die Teilnahme an der Wahl des Betriebsrats zum Hauptbetrieb gestimmt.

    Zur Begründung ihrer Beschwerde wiederholen und vertiefen Arbeitgeberin und Betriebsrat ihr Vorbringen aus erster Instanz und tragen ergänzend vor:

    Es entspreche herrschender Meinung, dass ein Betriebsrat vor Ablauf der Rechtsmittelfrist in einem Wahlverfahren einen Wahlvorstand bestellen könne. Die dagegen vorgebrachten Argumente des Arbeitsgerichts überzeugten nicht. Der Beschluss sei auch formell ordnungsgemäß gefasst. Beschlüsse des Betriebsrats seien selbst bei unvollständiger Tagesordnung nicht angreifbar, wenn es sich um Organisationsentscheidungen des Betriebsrats handele. Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands ließen auch nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass hierdurch das Wahlergebnis beeinflusst worden sei.

    Auch die Abweisung des Antrags zu 2. sei fehlerhaft erfolgt: Der am Hauptsitz in L. 2006 gewählte Betriebsrat sei kein "eigener Betriebsrat" im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Diese Formulierung beziehe sich auf den jeweiligen Betriebsteil.

    Frau H. und Frau M. vom Betriebsrat hätten in der Zeit vom 15. bis 17.07.2009 diverse Reinigungsobjekte in F. und H. aufgesucht. Es seien Informationsschreiben vom 08.07.2009 (Bl. 163 d. A.) verteilt und Stimmzettel ausgehändigt worden. In weiteren Fällen seien an die jeweiligen Objektleiter eine ausreichende Zahl von Informationsschreiben und Stimmzetteln ausgehändigt worden. Auch die von der Beteiligten zu 1. benannte Frau P. habe Stimmzettel und Informationsschreiben zur Weitergabe an die Mitarbeiter erhalten und noch ausdrücklich erklärt, sie befürworte die Abstimmung. Sie habe dann auch Stimmzettel nach L. zurückgesandt. Ein Abgleich der nach Vortrag der Gegenseite gefälschten Stimmzettel mit den Unterschriften auf den eidesstattlichen Versicherungen zeige, dass die Unterschriften identisch seien (vgl. Bl. 205 - 262 d. A.).

    Zumindest sei durch die Wahl im Mai 2013, jedenfalls aber durch die Wahl im September/Oktober 2013 ein wirksamer Zuordnungsbeschluss gefasst worden, so dass die Beschwerde jedenfalls aus diesem Grund begründet sei.

    Hierzu behaupten sie:

    Weitere Ersatzmitglieder der Liste der IG-Bauen F.-H. hätten zur Betriebsratssitzung am 27.08.2013 nicht geladen werden müssen. Die einzigen im Unternehmen noch verbliebenen Ersatzmitglieder der Liste Frau J., Frau G. und Frau P. hätten jeweils gegenüber Frau H. telefonisch erklärt, nicht in den Betriebsrat nachrücken zu wollen. Wegen Einzelheiten zum Verlauf dieser Gespräche wird auf den Schriftsatz vom 11.12.2013 (Bl. 371 f. d. A.) verwiesen.

    Arbeitgeber und Betriebsrat beantragen:

    Der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck zum Az. 4 BV 29/12 vom 24.10.2012 wird geändert. Die Anträge des Beteiligten zu 1. werden zurückgewiesen.

    Die Beteiligte zu 1. beantragt:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Sie verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und führt ergänzend zu ihrem Vorbringen in erster Instanz aus:

    Außerhalb des Zeitraums vom 01.03. bis 31.05. des Wahljahres sowie in Fällen des § 13 BetrVG gebe es für die Bestellung eines Wahlvorstands durch den Betriebsrat keine gesetzliche Grundlage. Auch sei der entsprechende Beschluss aus formellen Gründen unwirksam, da die Tagesordnung nur einstimmig bei vollständig versammeltem Betriebsrat geändert werden könne. Die Beschwerdeführer erläuterten auch nicht, was sie unter einer Organisationsentscheidung verstünden.

    Das Arbeitsgericht habe ferner zutreffend entschieden, dass die Abstimmungen an den einzelnen Standorten nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG schon deshalb unwirksam seien, weil für die Standorte ein Betriebsrat zuständig gewesen sei. Ihre Bedenken gegen die Durchführung einer Abstimmung würden dadurch untermauert, dass der Betriebsrat nunmehr wiederholt zur Abstimmung stelle, ob ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt werden solle. Hierbei werde auf das Abstimmungsverhalten Einfluss genommen. Das zeige, dass es für eine Abstimmung erforderlich sei, dass der Betriebsteil betriebsratslos sein müsse.

    Auch die weiteren Abstimmungen seien unwirksam. Ein Zeitraum von 3 Monaten zur Abstimmung sei zu lang, auch fehle es an der Benennung eines Endtermins, jedenfalls was die erste und zweite Abstimmung angehe.

    Die dritte Abstimmung sei vom Betriebsrat nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden. Der Beschluss vom 27.08.2013 sei unwirksam, da es an der Ladung des Ersatzmitgliedes J. von der Liste der IG-Bauen F.-H. fehle. Weder diese, noch die weiteren Ersatzmitglieder dieser Liste G. und P. hätten gegenüber Frau H. oder Frau M. telefonisch erklärt, ihr Mandat für den Betriebsrat als Nachrücker nicht wahrnehmen zu wollen.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akte verwiesen. Das Beschwerdegericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung diverser Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisbeschlüsse und des Ergebnisses der Beweisaufnahmen wird auf die Sitzungsprotokolle vom 20.08. und 17.12.2013 verwiesen. Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Sitzungsprotokolle und ergänzend den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    B.

    Die zulässige Beschwerde von Betriebsrat und Arbeitgeberin hat keinen Erfolg. Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen.

    I.

    Die Beschwerde beider Beschwerdeführer ist zulässig.

    1. Beide Beschwerdeführer haben die Beschwerdefrist von einem Monat gewahrt. Diese Frist begann für beide Beschwerdeführer am 27.11.2012. Zwar ist nach der Verfahrensakte beiden Beschwerdeführern die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 09.11.2012 zugestellt worden. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführer, von dessen Richtigkeit sich das Gericht im Beschwerdetermin am 20.08.2013 durch Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen überzeugt hat, enthielt die am 09.11.2012 zugestellte Beschlussfassung jedoch eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung. Nach dieser konnte gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts ein Rechtsmittel nur durch die Beteiligte zu 3. binnen einer Notfrist von 2 Wochen eingelegt werden. Das traf nicht zu. Gemäß § 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG begann damit am 09.11.2012 die Beschwerdefrist noch nicht zu laufen. Sie begann vielmehr frühestens mit Zustellung des Beschlusses mit der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung, was am 27.11.2012 geschah.

    Die am 20.12.2012 eingelegte Beschwerde wahrt damit die Monatsfrist.

    2. Im Übrigen ist die Beschwerde nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und formgerecht eingelegt sowie fristgemäß begründet worden. Damit bestehen weitere Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde nicht.

    II.

    Die Beschwerde beider Beschwerdeführer ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Antragstellerin zu Recht stattgegeben. Beide Anträge sind begründet.

    1. Der Antrag zu 2. ist begründet. Bei den Filialen der Arbeitgeberin in F. und H. handelt es sich um selbständige betriebsratsfähige Organisationseinheiten, für die jeweils eigene Betriebsräte zu wählen sind.

    a) Der Antrag zu 2. bedarf zunächst der Auslegung. Diese ergibt, dass mit dem Antrag zu 2. ein Begehren bezogen auf 2 Standorte geltend gemacht wird. Die Antragstellerin hat einen Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG gestellt. Einen zusätzlichen Feststellungsantrag hat sie trotz der nicht ganz eindeutigen Formulierung im Antrag zu 2. nicht anhängig gemacht.

    Nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen, wenn zweifelhaft ist, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt. Die Vorschrift gilt in allen Fällen, in denen Zweifel über das Vorliegen einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit und ihren Umfang besteht (Fitting, 24. Aufl., § 18, Rn 53). Dazu gehören auch Streitigkeiten darüber, ob Betriebsteile nach § 4 Abs. 1 S. 1 als selbständig gelten oder zum Hauptbetrieb zu rechnen sind, weil sie unselbständig sind oder die dort beschäftigten Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 S. 2 an der Betriebsratswahl im Hauptbetrieb teilnehmen (Fitting, a. a. O., Rn 54).

    Um diesen Streit geht es auch hier. Die Beteiligten sind uneinig darüber, zum einen ob es sich bei den Standorten F. und H. um selbständige Betriebe im Sinne des § 1 BetrVG oder Betriebsteile im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG handelt. Daneben ist streitig ob eine wirksame Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG durchgeführt worden ist. Das alles kann durch einen Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG gerichtlich geklärt werden. Dementsprechend ist der von der Antragstellerin formulierte Antrag zu verstehen. Das hat die Antragstellerin auch durch ihren Schriftsatz vom 14.06.2012 (Bl. 36 f. d. A.) deutlich gemacht.

    Dem Zusatz im Antrag "und in den einzelnen Filialen Betriebsräte zu wählen sind" kommt daneben keine selbständige Bedeutung im Sinne eines eigenständigen Feststellungsbegehrens zu.

    b) Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig.

    Nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragt werden. Mit diesem Verfahren eröffnet das Gesetz die Möglichkeit, die Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit unabhängig von einer konkreten Betriebsratswahl gerichtlich mit Bindungswirkung klären zu lassen. Durch die ausdrückliche gesetzliche Regelung ist klargestellt, dass die Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit als Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO zu erachten ist, dessen Vorliegen gerichtlich gesondert festgestellt werden kann. Mit der entsprechenden Feststellung können insbesondere Unsicherheiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten ausgeräumt werden. Außerdem dient das Verfahren dazu, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße künftige Betriebsratswahl zu schaffen. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klärt daher eine für zahlreiche betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen bedeutsame Vorfrage, in dem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat zu wählen ist und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann (BAG, Beschluss vom 09.12.2009 - 7 ABR 38/08 - [...], Rn 18).

    Danach ist der vorliegende Antrag ohne weiteres zulässig. Die Beteiligte zu 1. als eine im Betrieb der Arbeitgeberin unstreitig vertretene Gewerkschaft ist antragsbefugt. Die erforderlichen Zweifel am Umfang der betriebsratsfähigen Organisationseinheiten bei der Arbeitgeberin liegen ersichtlich vor.

    c) Die Anträge sind bezogen sowohl auf den Standort F., als auch auf den Standort H. begründet.

    aa) Beim Standort F. der Arbeitgeberin handelt es sich um eine betriebsratsfähige Einheit.

    aaa) Das folgt entgegen der Auffassung der Antragstellerin aber nicht bereits aus § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Am Standort F. unterhält die Arbeitgeberin keinen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wohl aber einen Betriebsteil im Sinne des § 4 Abs. 1 BetrVG.

    (1.) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden. Ein Betriebsteil ist auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert. Er ist gegenüber dem Hauptbetrieb allerdings organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb im Sinne von § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG, Beschluss vom 17.01.2007 - 7 ABR 63/05 - [...], Rn 15).

    (2.) Danach handelt es sich beim Standort F. nicht um einen Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG. Das Ergebnis der Beweisaufnahme hat ergeben, dass nicht alle wesentlichen Funktionen der Arbeitgeberin in personellen und sozialen Angelegenheiten am Standort F. wahrgenommen werden.

    Wesentliche personelle Angelegenheiten sind Einstellungen und Entlassungen. Insoweit hat die Beweisaufnahme ergeben, dass allein die Einstellung gewerblicher Arbeitnehmer in F. vor Ort erfolgt. Schon die Entlassung gewerblicher Arbeitnehmer sowie die Einstellung und Entlassung sämtlicher kaufmännischer Angestellter wird dagegen maßgeblich von der Zentrale der Arbeitgeberin in L. aus betrieben.

    Hiervon ist die Beschwerdekammer nach Befragung der beiden Standortleiterinnen sowie des Prokuristen der Arbeitgeberin überzeugt. Die Zeugin S., Leiterin der Niederlassung in F., hat erklärt, dass die Kündigung eines gewerblichen Arbeitnehmers direkt vom Kundenbetreuer veranlasst wurde. Ihre Aussage lässt sich dahin zusammenfassen, dass der Kundenbetreuer einen aus seiner Sicht zur Kündigung berechtigenden Sachverhalt feststellt, diesen dem Betriebsrat mitteilt, jener den Sachverhalt aufklärt und dann ggf. an die Geschäftsleitung weiter leitet. Die Entscheidung, ob gekündigt wird, wird damit in L. getroffen, nämlich letztlich durch den Prokuristen der Arbeitgeberin. Diese hat auch selbst erklärt zu prüfen, ob er die Kündigung ausspreche. Bei fristlosen Kündigungen wird zusätzlich die Rechtsabteilung der Arbeitgeberin, ebenfalls in L., eingeschaltet und mit der Prüfung des Sachverhalts beauftragt.

    Auch die Einstellung kaufmännischer Angestellter der Arbeitgeberin erfolgt maßgeblich durch Vertreter der Arbeitgeberin am Standort L.. Nach Aussage der Zeugin S. nimmt ein Vertreter aus L. an allen Einstellungsgesprächen teil und entscheidet mit darüber, welche kaufmännischen Mitarbeiter eingestellt werden sollen.

    Die Verteilung der Kompetenzen am Standort F. wird auch bestätigt durch die Aussage der Zeugin B., Niederlassungsleiterin am Standort H., die erklärt hat, dass in H. ebenso wie in F. verfahren wird. Frau B. hat darüber hinaus ausdrücklich auch ausgeführt, dass sie eine Rückinformation darüber erhalte, ob etwa eine fristlose Kündigung ausgesprochen werde. Das zeigt, dass sie nicht verantwortlich hierüber entscheiden darf und kann. Es ist unstreitig, dass die Arbeitgeberin die Kompetenzen der Standortleiter in F. und H. einheitlich geregelt hat.

    Auch werden wesentliche soziale Angelegenheiten der Filiale von der Zentrale aus geregelt. So sind die Öffnungszeiten der Niederlassung, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind, unstreitig von der Geschäftsleitung in L. einheitlich für alle Filialen, also auch F. festgelegt worden.

    Weitere wesentliche Entscheidungen über soziale Angelegenheiten, etwa über technische Überwachungseinrichtungen in Form des Einsatzes eines mobilen Telefons, eines Computers oder etwaigen Zubehörs werden unstreitig ebenfalls durch zentrale Bereiche in L. getroffen.

    Damit erstreckt sich die in F. ausgeübte Leitungsmacht nicht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten. Beim Standort F. handelt es sich nicht um einen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG.

    bbb) Der Antrag zu 2. ist bezogen auf den Standort F. aber begründet, weil es sich bei diesem Standort um einen selbständigen Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG handelt und ein wirksamer Beschluss nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG von den Mitarbeitern dieses Standorts nicht gefasst worden ist.

    Nach § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG gelten Betriebsteile als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfüllen und entweder räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind.

    Danach gilt der Standort F. als selbständiger Betriebsteil im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.

    Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG liegen vor. Der Standort F. beschäftigt regelmäßig mindestens 5 Arbeitnehmer, nämlich im hier streitigen Zeitraum ca. 240 Arbeitnehmer.

    Der Standort liegt auch räumlich weit entfernt vom Hauptbetrieb der Arbeitgeberin in L. (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG). Die Entfernung zwischen L. und F. beträgt ca. 160 Kilometer, die einfache Fahrtzeit 2 Stunden. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, sind damit die Voraussetzungen für eine räumlich weite Entfernung vom Hauptbetrieb im Sinne des Gesetzes erfüllt. Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass maßgeblich ist, ob der Betriebsrat für die am Standort beschäftigten Mitarbeiter erreichbar ist. Eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft soll sichergestellt sein. Bei guten bis normalen Verkehrsanbindungen ist eine Entfernung von 40 bis 45 Kilometern noch nicht als räumlich weit entfernt angesehen worden, bei schlechten Verkehrsbedingungen schon eine Entfernung von 28 Kilometern als zu weit. Danach ist die hier in Rede stehende Entfernung von 160 Kilometern und 2 Stunden weit im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG. Eine regelmäßige Betreuung durch den Betriebsrat vor Ort ist bei dieser Fahrzeit nicht zu gewährleisten.

    Grundsätzlich ist damit der Standort F. eine eigenständige betriebsratsfähige Einheit, für die ein Betriebsrat zu wählen ist.

    Dem steht ein anderslautender Zuordnungsbeschluss der Arbeitnehmer dieses Betriebsteils nicht entgegen. Die Arbeitnehmer in F. haben keinen wirksamen Zuordnungsbeschluss gefasst.

    Nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG können die Arbeitnehmer eines Betriebsteils, in dem kein eigener Betriebsrat besteht, mit Stimmenmehrheit formlos beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen.

    (1.) Allerdings liegen die Voraussetzungen der Norm für eine Beschlussfassung vor.

    Beim Standort F. handelt es sich wie gerade festgestellt um einen Betriebsteil.

    Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, die auch die Antragstellerin vertritt, scheitert eine Abstimmung am Standort F. nicht daran, dass für diesen ein Betriebsrat bereits zuständig ist. Der Standort F. hatte zum Zeitpunkt der Abstimmung im Jahr 2009 und danach keinen eigenen Betriebsrat im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Dies ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Vorschrift.

    Das Arbeitsgericht hat darauf abgestellt, dass wegen der im Jahr 2006 nicht angefochtenen Betriebsratswahl der Betriebsrat am Hauptsitz in L. für die Arbeitnehmer des Betriebsteils in F. zuständig sei und daher ein Betriebsrat bestehe. So ist die Vorschrift nach Auffassung des Beschwerdegerichts jedoch nicht zu verstehen.

    Eine Auslegung führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG immer dann anwendbar ist, wenn (ausschließlich) für den Betriebsteil ein eigener Betriebsrat nicht gewählt ist.

    Für dieses Ergebnis spricht aus Sicht der Beschwerdekammer bereits deutlich der Wortlaut der Vorschrift. Bei der Interpretation des Arbeitsgerichts wäre das Wort "eigener" nämlich überflüssig. Auch heißt es im Gesetz, dass "in dem" Betriebsteil kein eigener Betriebsrat bestehen dürfe. Folgte man der Auffassung des Arbeitsgerichts, müsste es richtigerweise, "für den" kein eigener Betriebsrat besteht, heißen.

    Ferner ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht die grundsätzlich nicht gesetzeskonforme Variante, dass ein an sich nicht zuständiger Betriebsrat, wie hier der in L., nur deswegen zuständig ist, weil dessen (Mit-) Wahl durch die Arbeitnehmer eines selbständigen Standorts nicht angefochten worden ist, regeln wollte. Schließlich ist auch das Ziel eines Zuordnungsbeschlusses nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG darauf gerichtet, einen Betriebsteil vorbehaltlich der Regelung in § 4 Abs. 1 S. 5 BetrVG dauerhaft einem Hauptbetrieb zuzuordnen. Ein Beschluss nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG enfaltet nach allgemeiner Auffassung Dauerwirkung, gilt also nicht nur für die nächste, sondern für alle folgenden Betriebsratswahlen (Fitting, 24. Aufl., § 4, Rn 35 m. w. N.). Die bloße rechtswidrige Teilnahme an der Wahl im Hauptbetrieb führt demgegenüber allenfalls zur Zuständigkeit eines Betriebsrats für die Dauer der Wahlperiode.

    (2.) Der Durchführung einer Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG steht auch die Größe des Standorts F. mit ca. 240 Arbeitnehmern nicht entgegen.

    Zwar liegt es nahe, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG eher an Betriebsteile mit wenigen Arbeitnehmern gedacht hat, in denen sich nicht ausreichend Interessierte finden, um selber einen Betriebsrat zu gründen. Auch wird in der Literatur - wie das vorliegende Verfahren belegt, zu Recht - darauf hingewiesen, dass es erhebliche Schwierigkeiten bereitet, in größeren Betriebsteilen eine Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG zu organisieren (vgl. etwa Fitting, § 4, Rn 29), andererseits hat der Gesetzgeber aber gerade keine Höchstzahl von Beschäftigten festgelegt, bis zu der ein Beschluss nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG gefasst werden darf. Das Beschwerdegericht hält sich daher nicht für befugt, im Wege einer teleologischen Reduktion den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG etwa auf Betriebsteile mit bis zu 50 Arbeitnehmern, was eine sachgerechte Größe sein könnte, zu beschränken. Das wäre Aufgabe des Gesetzgebers.

    (3.) Die im Jahre 2009 durchgeführte Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung auch nicht bereits deswegen unwirksam, weil sie nicht in einer Betriebsversammlung stattgefunden hat (anderer Ansicht: Richardi, BetrVG, 13. Aufl. 2012, § 4 Rn 39). Richardi ist der Auffassung, da der Gesetzestext verlange, dass die Arbeitnehmer die Teilnahme an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb "beschließen", sei die Abstimmung in einer Versammlung notwendig, weil sonst von keinem geordneten Verfahren die Rede sein könne.

    Dieser Auffassung folgt das Beschwerdegericht nicht, weil sie nicht mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers in Übereinstimmung zu bringen ist. Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT Drucksache 14/6352) soll in § 4 Abs. 1 S. 2 über die Teilnahme an der Wahl im Hauptbetrieb ohne ein bestimmtes förmliches Verfahren abgestimmt werden. Ausdrücklich wird auch ein Beschluss im Umlaufverfahren für ausreichend gehalten. Ferner heißt es wörtlich: "Eine Abstimmung in einer Versammlung ist nicht erforderlich." Angesichts des erklärten Willens des Gesetzgebers lässt sich das Tatbestandsmerkmal "beschließen" in § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG daher nicht im Sinne von Richardi verstehen.

    (4.) Obwohl es demnach keine besonders strengen förmlichen Voraussetzungen für deren Durchführung gibt, ist eine Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG in F. weder im Jahr 2009, noch bei den beiden Abstimmungen im Jahr 2013 wirksam erfolgt.

    (a) Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kann von einer Wahl durch die Arbeitnehmer eines Betriebsteils nur gesprochen werden, wenn diejenigen, die abgestimmt haben, zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wahlergebnisses typischerweise auch noch zum Betrieb gehören und eine Mehrheit unter diesen Arbeitnehmern gefunden ist. Das verbietet es, Wahlen über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu erstrecken oder wie im Fall der Wahl im Jahr 2009 einen Endtermin für die Stimmabgabe gar nicht zu benennen, also so lange Stimmen zuzulassen, bis eine Mehrheit von Ja-Stimmen erreicht ist. In diesen Fällen ist nicht feststellbar, ob zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt die Mehrheit der wahlberechtigten Arbeitnehmer im Betrieb einen entsprechenden Beschluss gefasst haben. Dies trifft insbesondere in Betrieben mit häufiger Fluktuation zu, wie dies im Reinigungsgewerbe der Fall ist. Für die Länge des Zeitraums, in dem eine Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG stattfinden darf, ist dabei eine typische Betrachtungsweise geboten. Auf diese Problematik weist bereits Fitting (a. a. O., Rn 29) hin, dass nämlich irgendein bestimmter Stichtag festgestellt werden müsse, an dem tatsächlich eine Mehrheit der Arbeitnehmer sich für die Teilnahme an der Wahl ausgesprochen habe.

    Eine typische Betrachtungsweise gebietet aus Sicht der Kammer, dass ein entsprechender Wahlvorgang nicht länger als 4 Wochen dauert. Die Frist hat die Kammer in Anlehnung an die gesetzliche Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB ermittelt. Es kann erwartet werden, dass ab Beginn einer Wahl und innerhalb von 4 Wochen danach noch typischerweise dieselben Mitarbeiter am Ende des Wahlzeitraums beschäftigt sind wie am Anfang. Ein Abstellen auf branchentypische Besonderheiten, etwa die 14-tägige Grundkündigungsfrist im Gebäudereinigerhandwerk kommt nicht in Betracht, weil aus Sicht des Gerichts die Frist nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG für die Durchführung der Wahl branchenübergreifend und einheitlich geregelt sein muss.

    (b) Danach ist die Wahl im Jahr 2009 in F. unwirksam. Nach Aussage der Zeugin H. hat sie im Zeitraum vom 15. bis 17.07.2009 die Stimmzettel verteilt bzw. zur Weiterverteilung ausgehändigt. Stimmen sind aber nach Auswertung der Stimmzettel im Beschwerdetermin noch bis zum 14.09.2009 abgegeben worden, wobei "offenbar" wie der Betriebsrat selbst vorgetragen hat (S. 2 des Schriftsatzes vom 13.09.2013, Bl. 323 d. A.) am 18.08.2009 bereits eine Mitteilung an die Mitarbeiter über den Ausgang der Wahl erfolgte, weil genug Stimmen für die Mehrheit vorhanden waren. Dennoch sind weiter Abstimmungszettel entgegengenommen und beim mitgeteilten Abstimmungsergebnis berücksichtigt worden.

    (c) Nach dieser Vorgabe ist auch die erste Abstimmung im Jahr 2013 nicht ordnungsgemäß erfolgt. Ausweislich des Vortrags von Betriebsrat und Arbeitgeberin sind beginnend mit der ersten Juniwoche Stimmzettel an die Mitarbeiter verteilt worden. Die Abstimmung selbst wurde dann zum 19.08. in F. und zum 15.08. in H. beendet. Damit hat die Abstimmung in F. 2 1/2 Monate gedauert. Entgegen der Auffassung von Betriebsrat und Arbeitgeberin gebietet auch die Besonderheit der betrieblichen Struktur der Arbeitgeberin nicht, eine längere als die 4-wöchige Frist zu gewähren. Dagegen spricht schon, dass die Dauer eines zulässigen Wahlverfahrens nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG einheitlich geregelt sein muss. Eine Unterscheidung nach Branchen oder gar den Besonderheiten einzelner Unternehmen sieht das Gesetz nicht vor. Im Übrigen werden auch die Betriebsratswahlen selbst innerhalb eines eng begrenzten Zeitraums durchgeführt. Es ist nicht ersichtlich, warum die wesentlich förmlichere Wahl zum Betriebsrat in engeren Fristen möglich ist, während die Durchführung einer Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG sich über mehr als 2 Monate erstrecken können soll.

    (d) Schließlich ist auch die dritte Abstimmung in der Zeit vom 09. bis 30.09.2013 nicht wirksam.

    Für die Wirksamkeit dieser Wahl fehlt es an einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zur Einleitung des Abstimmungsverfahrens.

    Nach § 4 Abs. 1 S. 3 BetrVG kann eine Abstimmung nach S. 2 auch vom Betriebsrat des Hauptbetriebs veranlasst werden. Eine entsprechende Veranlassung des Betriebsrats setzt aber einen wirksamen Betriebsratsbeschluss voraus.

    Der Gesetzgeber hat ausdrücklich den Kreis derjenigen Personen, die eine Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG initiieren können, auf drei Arbeitnehmer des Betriebsteils selbst, eine im Betriebsteil vertretene Gewerkschaft (§ 4 Abs. 1 S. 2, 2. Halbs. BetrVG) und den Betriebsrat des Hauptbetriebs beschränkt.

    Für das Handeln des Betriebsrats ist ein wirksamer Betriebsratsbeschluss Voraussetzung. Die betriebsverfassungsrechtliche Organisation eines Unternehmens und deren Änderung kann nicht auf Initiative einzelner nicht im Gesetz genannter Personen geändert werden, also auch nicht etwa vorliegend durch die Betriebsratsvorsitzende und deren Stellvertreterin alleine.

    Für die Einleitung der Wahl im September 2013 in F. fehlt es an einem derartigen wirksamen Betriebsratsbeschluss. Der im Verfahren vorgelegte Beschluss vom 27.08.2013 ist unwirksam, da zur Sitzung am 27.08.2013 das Betriebsratsmitglied H. nicht geladen worden war.

    Frau H. ist am 27.08.2013 Mitglied des Betriebsrats gewesen.

    Insoweit ist unstreitig, dass Frau H. als erste Nachrückerin für das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied D. auf der entsprechenden Liste der IG Bauen F.-H. aufgeführt war (Bl. 361 d. A.), dort noch unter ihrem Geburtsnamen J..

    Frau H. hat auch nicht gegenüber dem Betriebsrat erklärt, dass sie nicht in den Betriebsrat nachrücken wolle, also ihr Amt gleich wieder niederlege. Von einer entsprechenden Erklärung der Frau H. ist die Beschwerdekammer nach der Beweisaufnahme nicht überzeugt. Das führt dazu, dass das Vorliegen eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses nicht festgestellt werden kann.

    Die Zeugin H. hat allerdings bei ihrer Vernehmung ausgeführt, sie sei von Frau H. angerufen worden, habe dieser den Sachverhalt geschildert, woraufhin Frau H. erklärt habe, sie sei jetzt länger erkrankt und wolle das Betriebsratsamt nicht übernehmen und könne sich vorstellen vielleicht für den nächsten Betriebsrat wieder zu kandidieren. Bestätigt hat die Zeugin H., dass ein Telefonat mit Frau H. geführt worden ist, wobei sie ausgesagt hat, angerufen worden zu sein. Frau H. hat aber den Vortrag von Frau H. im entscheidenden Punkt gerade nicht bestätigt. Sie hat ausgesagt, es sei in dem Telefonat ausschließlich um die Frage gegangen, ob sie an einer Betriebsratssitzung am 27.05.2013 teilnehmen könne, nicht aber um ihr generelles Nachrücken in den Betriebsrat. Sie hat auch erklärt, einen generellen Verzicht auf ihr Betriebsratsamt zu keinem Zeitpunkt erklärt zu haben. Bestätigt hat sie die Angabe von Frau H., wonach sie gesagt habe, wegen einer Erkrankung an diesem Termin nicht teilnehmen zu können.

    Beide Zeugen haben auf die Kammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Die Zeugenaussage von Frau H. wird im Übrigen auch bestätigt durch die schriftliche Erklärung der Zeugin G., die nahezu wörtlich das wiedergegeben hat, was auch die Zeugin H. ausgesagt hat. Das zeigt, dass Frau H. tatsächlich die Nachrücker auf der Liste der IG Bauen "abtelefoniert hat", um einen Nachrücker für den Betriebsrat zu gewinnen. Der anders lautenden Aussage der Zeugin P. hat die Kammer demgegenüber nicht geglaubt. Die Zeugin P. war ersichtlich ausgesprochen verärgert über die Arbeitgeberin und den Betriebsrat. Sie hat sich im Wesentlichen kurz und knapp geäußert. Ihre Aussage war von so deutlichem Widerwillen gegen die Vernehmung geprägt, dass das Gericht nicht davon überzeugt war, dass die Aussage der Wahrheit entspricht.

    Aber auch Frau H. hat auf die Kammer einen in jeder Hinsicht glaubwürdigen Eindruck gemacht. Sie konnte sich insbesondere auch an ein einzelnes Detail wie das Datum, an dem sie an der Betriebsratssitzung teilnehmen sollte, erinnern. Dass sie sich insoweit zutreffend erinnert hat, ist deswegen besonders plausibel, weil dieser Tag genau auf ihren Operationstermin fiel. Es ist für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Zeugin sich an diesen für sie wichtigen Tag erinnert. Die Aussagen der Zeuginnen belegen, dass sie schlicht aneinander vorbei geredet haben. Die Zeugin H. hat die Erklärung von Frau J. (H.) nach Überzeugung des Beschwerdegerichts falsch verstanden und ist von einem dauerhaften Verzicht auf das Betriebsratsamt ausgegangen. Nur für die unterschiedlichen Angaben der Zeuginnen zum Datum des Telefonats hat die Kammer keine befriedigende Erklärung. Die Zeugin H. hat angegeben, das Telefonat habe Anfang April 2013 stattgefunden, die Zeugin H. meinte, das Gespräch müsse unmittelbar vor dem 27.05.2013 stattgefunden haben. Aus Sicht des Beschwerdegerichts unterlag insoweit die Zeugin H. einem versehentlichen Irrtum, möglicherweise weil sie mehrere Telefonate zur Frage des Nachrückens geführt hatte.

    Da ein Verzicht auf das Betriebsratsamt nach der Aussage der Zeugin H. nicht erklärt worden war, hätte Frau H. zur Sitzung am 27.08.2013 eingeladen werden müssen, da sie zu jenem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig war, wie sie im Rahmen ihrer Zeugenaussage ebenfalls ausgeführt hat. Da dies unterblieben ist, konnte der Betriebsrat an jenem Tag keine wirksamen Beschlüsse fassen, insbesondere auch nicht die Abstimmung am Standort F. einleiten.

    Auf die im Beschwerdetermin angesprochene Feststellungslast und den insoweit von dem Beschwerdeführervertreter gestellten Antrag auf Schriftsatznachlass kommt es danach nicht an. Ergänzend wird aber darauf hingewiesen, dass ein entsprechender Schriftsatznachlass allein zur Rechtsfrage der Feststellungslast nicht zu gewähren war. Hierzu wurde im Termin ausreichend Gelegenheit geboten, Stellung zu nehmen. Es handelt sich um eine reine Rechtsfrage.

    bb) Auch hinsichtlich des Standorts H. ist der Antrag zu 2. begründet. Am Standort H. existiert eine betriebsratsfähige Einheit im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.

    aaa) Beim Standort H. handelt es sich ebenfalls nicht bereits um einen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Befugnisse der Standortleiterin in H. sind keine anderen als die am Standort F.. Daran bestehen nach den Aussagen der Zeugen B., F. und S. keine Zweifel.

    bbb) Beim Standort H. handelt es sich um einen Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Der Standort H., in dem regelmäßig mindestens 5 Arbeitnehmer beschäftigt werden, liegt räumlich weit entfernt vom Standort L.. Zwar ist die Strecke von L. nach H. etwas kürzer als nach F.. Dafür besteht aber zwischen beiden Orten keine durchgehende Autobahnverbindung, so dass die Fahrzeit jedenfalls 2 Stunden beträgt. Aus den bereits oben geschilderten Gründen ist daher von einer räumlich weiten Entfernung vom Hauptbetrieb auszugehen.

    Auch am Standort H. hat keine wirksame Abstimmung nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG stattgefunden.

    (1.) Die Wirksamkeit der Abstimmung scheitert allerdings im Jahre 2009 nicht an einem zu langen Zeitraum der Stimmabgabe. Nach Feststellungen des Gerichts im Beschwerdetermin vom 20.08.2013 (Bl. 285 d. A.) sind die Stimmen durchgehend zwischen dem 15. und 31.07.2009 also innerhalb eines 4-wöchigen Zeitraums abgeben worden.

    Die Abstimmung im Jahr 2009 ist aber deswegen unwirksam, weil es zur Überzeugung des Gerichts zu massiven Fälschungen der Wahl gekommen ist. Die Zeuginnen P., F., S., H., G. und S. haben jeweils ausdrücklich und jedenfalls in ihrer Gesamtheit glaubhaft versichert, einen Originalstimmzettel zu keinem Zeitpunkt unterzeichnet zu haben. Tatsächlich sind die Originalstimmzettel dieser und der weiteren Mitarbeiter nie beim Betriebsrat angekommen. Die Vorsitzende des Betriebsrats hat insoweit im Beschwerdetermin selbst erklärt, sie würde auch gern wissen, wo die Originale seien. Diese seien bei ihr nicht angekommen. Vielmehr habe sie auch nur die dem Gericht vorgelegten Kopien erhalten. Zwar bestehen an der Glaubwürdigkeit der Zeugin P. die oben bereits mitgeteilten Bedenken. In ihrer Gesamtheit waren die Aussagen jedoch für die Kammer glaubhaft. Alle Zeugen haben unabhängig voneinander bestätigt, keine Wahlzettel unterschrieben zu haben. Darüber hinaus haben die Vertreter der Antragstellerin im Beschwerdetermin erklärt, es gebe noch diverse weitere Mitarbeiter, die ihnen gegenüber eine gleichlautende Erklärung abgegeben hätten. Entsprechende Erklärungen hat die Antragstellerin auch in Kopie im Beschwerdeverfahren vorgelegt. Danach steht für das Beschwerdegericht fest, dass bei der Abstimmung am Standort H. die Wahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Ohne Originalstimmzettel ist bereits die Überprüfung des Wahlergebnisses nicht möglich.

    Die von Anfang Juni bis Mitte August im Jahr 2013 durchgeführte Abstimmung in H. ist aus denselben Gründen unwirksam wie die entsprechende Abstimmung am Standort F.. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Der Abstimmungszeitraum, der wie in F. ca. 2,5 Monate betrug, war aus Sicht des Beschwerdegerichts zu lang.

    Auch die Abstimmung aus September 2013 ist aus denselben Gründen unwirksam wie für den Standort F.. Es fehlt an einem wirksamen Betriebsratsbeschluss zur Einleitung des Abstimmungsverfahrens. Insoweit wird ebenfalls auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

    2. Auch der innerhalb der Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG gestellte Antrag zu 2. der antragsbefugten Antragstellerin ist begründet. Die Betriebsratswahl vom 08.06.2010 ist unwirksam.

    Dabei können vorliegend aus Sicht des Beschwerdegerichts die Fragen der ordnungsgemäßen Bestellung des Wahlvorstandes und die höchst streitige Frage, ob ein Betriebsrat einen Wahlvorstand vorsorglich bestellen kann, ohne selbst zurückzutreten, offen bleiben.

    Die Wahl ist jedenfalls deswegen unwirksam, weil an ihr die Arbeitnehmer der Standorte in F. und H. teilgenommen haben, obwohl es sich bei diesen Standorten um selbständige betriebsratsfähige Einheiten handelte und ein wirksamer Zuordnungsbeschluss nach § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht gefasst worden war. Damit ist die Betriebsratswahl wegen einer Verkennung des Betriebsbegriffes unwirksam.

    III.

    Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden. Zu Inhalt und Reichweite der Regelung in § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG besteht aus Sicht des Beschwerdegerichts erheblicher Klärungsbedarf.

    Vorschriften§ 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 4 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG, § 1 BetrVG, § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG, § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG, § 1 BetrVG, § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG